Protokoll der Sitzung vom 01.02.2011

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich verstehe das nicht. Ihr aller ehemaliger Ministerpräsident hat eine Nachhaltigkeitsstrategie ins Leben gerufen. Das fanden wir alle irgendwie richtig. Aber wenn einmal an einem bestimmten Punkt ein Vorschlag unterbreitet wird – Herr Rentsch, das ist nicht lustig –, der von Beschlüssen dieses Kabinetts aus dem Jahr 2005 getragen wird – Zustimmung zur Bildungsdekade –, wie Bildung global aussehen und realisiert werden kann, wie wir im

Kontext von Entwicklungszusammenarbeit etwas machen könnten, und Sie diesen Vorschlag wiederholt ablehnen, dann ist die vorsichtigste Formulierung, die mir dazu einfällt, dass das bei mir Unverständnis hervorruft.

(Dr. Walter Arnold (CDU): Da gibt es natürlich Prioritäten!)

In der Tat gibt es da Prioritäten. Sie wissen aber ganz genau, dass im Bereich der Nachhaltigkeitsstrategie teilweise viel Geld ausgegeben worden ist. Sie wissen ganz genau, dass ein solcher Haushaltstitel im Vergleich dazu ein relativ kleiner Beitrag gewesen wäre, von dem Sie aber genauso gut wissen, was er an positiven Implikationen bewirkt hätte.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der LINKEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte zu meinem vorletzten Punkt kommen. Wir haben umfangreiche Beziehungen zwischen hessischen Hochschulen und Hochschulen im Ausland. Eigentlich bedarf es da der Unterstützung durch die Landesregierung gar nicht so sehr. Das gilt zumindest für das, was Sie von den Delegationsreisen erzählen, dass die Hochschulen sagen, wenn sie mit der Wissenschaftsministerin unterwegs ist: „Wir sind zwar ausreichend verknüpft, aber wir kommen gerne mit.“

Wenn es uns gelingt, strategisch und in der Frage der Neujustierung der Ziele von Entwicklungszusammenarbeit, Außenwirtschaft und Außenwissenschaft das, was unsere Hochschulen momentan eher zufallsbedingt machen, zusammenzuführen – ein Beispiel dafür ist nach meinem Verständnis die vietnamesisch-deutsche Hochschule –, dann hätten wir die Chance, tatsächlich einen konstruktiven Beitrag nicht nur für Hessen, sondern auch für unsere Partnerregionen zu schaffen. Wir müssen die Wissenschaftspolitik in stärkerem Maße in das einbeziehen, was wir in der Außenwirtschaft tun. Wir reden hier im Land so viel von Technologietransfer. Warum tun wir dies nicht auch im Hinblick auf die Außenwirtschaft? Warum akzentuieren wir unsere wissenschaftlichen Aktivitäten nicht auch diesbezüglich?

(Beifall bei der SPD)

Mein letzter Punkt: Ehrenamtsstrukturen stärken, global denken und lokal handeln. Ich sagte es vorhin schon: Ein Großteil der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit wird in Hessen ehrenamtlich geleistet, vielfach kommunal getragen von Vereinen und Organisationen. Allein im entwicklungspolitischen Netzwerk sind 22 Nord-Süd-Partnerschaften und 15 Nationen organisiert. Wir wissen, dass sich zahlreiche Bildungsträger, unter anderem die Karl Kübel Stiftung, in Projekten engagieren. Auch die Stiftungen politischer Parteien sind in diesen Prozess involviert. Dazu kann man sagen: In anderen Bundesländern sind Stiftungen sogar Träger von Landesprojekten. Das ist bei uns bisher nicht der Fall. Wir haben aber beispielsweise noch keine vollständige Datenbank für entwicklungspolitische Projekte in Hessen. Eine solche Datenbank muss aufgebaut werden.

Darüber hinaus wollen wir die Ehrenamtsarbeit in diesem Bereich weiter qualifizieren und entwickeln. Die entwicklungspolitischen Aktivitäten der Kommunen müssen gebündelt werden. Dazu liegt jetzt ein Antrag vor. Es ist aber nicht damit getan, dass dieser Antrag beschlossen wird, sondern es muss zumindest auch eine Koordination

erfolgen, dass die Kommunen mit auf die Schiene gesetzt werden.

(Beifall bei der SPD)

Es reicht nicht aus, im Hessischen Landtag einfach etwas zu beschließen, sondern da muss, was die Koordination betrifft, Butter bei die Fische.

Wir wollen den Austausch zwischen Initiativen fördern. Gegebenenfalls sind gemeinsame Projekte als Form interkommunaler Zusammenarbeit organisierbar.

Herr Arnold, Sie haben ein bisschen über die nachhaltige Bildungspolitik gelästert.

(Dr. Walter Arnold (CDU): Gelästert nicht, Herr Kollege!)

Na ja, Sie haben gesagt, Sie hätten eine andere Priorität gesetzt. Okay, lassen wir das einmal so stehen.

Genau das wäre ein Punkt, an dem man über die Aktivitäten der Kommunen etwas bewirken könnte. Denn von wem werden denn die Städtepartnerschaften, teilweise auch mit Städten in Schwellenländern, getragen? Sie alle, die Sie kommunalpolitisch tätig sind, wissen doch, dass sie im Wesentlichen von den Partnerschaftsorganisationen und von den Schulen getragen werden. Wenn wir in den Bereichen ein paar Euro zusätzlich zur Verfügung stellten, würden wir mehr erreichen als durch manchen Euro, der in anderen Bereichen ausgegeben wird. Mit der Aktivierung des Ehrenamts werden wir auch die kulturellen und sprachlichen Kompetenzen stärken und einen Brückenschlag zu anderen Ländern herstellen.

Deshalb möchte ich abschließend sagen – ich habe mir den Schluss Ihrer Rede angehört –: Sie sagen, Außenwirtschaft sichere den wirtschaftlichen Erfolg der Unternehmen. Das ist Ihre Akzentuierung. Die Außenwirtschaft sichert Arbeitsplätze in Hessen: Das ist unsere gemeinsame Akzentuierung. Die Außenwirtschaft schafft die Basis für eine gute wirtschaftliche Zukunft für uns alle. Nur dann, wenn wir Außenwirtschaft, Wissenschaft, Bildungspolitik und Entwicklungszusammenarbeit zusammendenken, wird ein Schuh daraus. Nur dann werden Wirtschaftspolitik, Demokratie und Menschenrechte verwirklicht. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Vielen Dank, Herr Kollege Siebel. – Als Nächster spricht Herr Kollege Lenders für die FDP-Fraktion.

(Dr. Walter Arnold (CDU): Guter Mann!)

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach dem historischen Einbruch der Weltwirtschaft im Jahr 2009 infolge der von Amerika ausgehenden weltweiten Finanzkrise können wir heute, Anfang 2011, eines klar feststellen: Kein Industrieland in der Welt ist besser aus der Krise gekommen als Deutschland.

(Beifall bei der CDU)

Der deutschen Wirtschaft geht es so gut wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Das gilt uneingeschränkt auch für die hessische Wirtschaft. Die Arbeitslosenquote ist auf dem

geringsten Stand seit 20 Jahren. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ist auf dem höchsten Stand, den es je gab. Wir haben keinen Lehrstellenmangel mehr, sondern wir haben zunehmend einen Mangel an Auszubildenden. In den Jahren unter Rot-Grün beherrschte die Massenarbeitslosigkeit die Schlagzeilen.

(Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oh!)

Unter Schwarz-Gelb sinkt die Arbeitslosigkeit immer weiter. Es gibt mehr Stellen als Bewerber, und die Wirtschaft boomt.

(Beifall bei der FDP – Zurufe von der SPD)

Meine Damen und Herren, das sind Fakten, die jeder nachlesen kann.

Der Aufschwung kommt am Arbeitsmarkt an, und er kommt bei den Menschen in Form steigender Einkommen an.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Wir haben gesagt, wir würden eine wachstums- und innovationsfreundliche, verlässliche Wirtschaftspolitik machen. Das Ergebnis gibt uns recht. Wir sind auf dem richtigen Kurs, und wir werden diesen Kurs konsequent weiterverfolgen.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Die Wirtschaftsprognosen für 2011 sehen uns weiterhin klar auf Wachstumskurs. Gerade das produzierende Gewerbe wird deutlich dazu beitragen. Auch die Nachfrage nach Dienstleistungen, die für Hessen sehr wichtig ist, zieht weiter an. In der Folge wird sich auch die Lage am Arbeitsmarkt weiter verbessern.

Infolge des Aufschwungs steigen auch die Steuereinnahmen und die Einnahmen der Sozialversicherungen weiter. Das müssen wir für eine solide Finanzpolitik nutzen. Ausufernde Staatsverschuldungen führen Staaten und Gesellschaften ins Chaos. Wir alle haben die Bilder aus Griechenland und aus Irland vor Augen.

Meine Damen und Herren, geschätzte Kollegen, ich sage ganz klar: Die Diskussion über den Euro darf sich nicht auf Rettungsschirme und Euroanleihen konzentrieren. Die beste Absicherung gegen eine Währungs- und Wirtschaftskrise ist eine wettbewerbsfähige Wirtschaft. Die deutsche – auch die hessische – Wirtschaft ist international sehr wettbewerbsfähig. Nun müssen die Länder, die als Erste um Hilfe nachgefragt haben, anfangen, ihre Wirtschaften für die internationalen Märkte fit zu machen.

Wir, CDU und FDP, leisten mit dem vorliegenden Antrag genau das für Hessen. Wir wollen unsere Unternehmen, vor allem die kleinen und mittelständischen, dabei unterstützen, ihre Wettbewerbsfähigkeit auszubauen. Dazu gehört die Unterstützung bei der Erschließung neuer Beschaffungsmärkte. Ein kleines Beispiel: Für ein mittelständisches Handelsunternehmen war es vor 15 Jahren noch ungewöhnlich, in einem Land wie Italien Ware zu beschaffen. Das ging nur über sogenannte Distributoren, also Vermittler oder Zwischenhändler. Auf diesem Weg ist sehr viel Handelsspanne verloren gegangen. Nur Großkonzerne waren in der Lage, direkt einzukaufen. Heute ist es Tagesgeschäft, Ware in ganz Europa zu beschaffen.

Da heute die meisten Konsumartikel aus China kommen – die Großkonzerne sind längst wieder auf diesen Beschaffungsmärkten unterwegs –, müssen wir kleine und mittelständische Betriebe dabei unterstützen, auf den

wichtigen Beschaffungsmärkten der Welt tätig zu sein, um im Wettbewerb mithalten zu können.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Wir wollen vor allem unsere kleinen und mittelständischen Unternehmer gezielt dabei unterstützen, außenwirtschaftliche Beziehungen aufzubauen und zu erweitern. Dazu zählt auch die Unterstützung der Unternehmen bei der Gewinnung neuer Absatzmärkte. Schon heute ist die hessische Wirtschaft sehr international ausgerichtet. Fast 50 % der in Hessen produzierten Güter werden ins Ausland exportiert. Damit gehört Hessen beim Export zu den Top drei unter den Bundesländern.

Wir wollen auch die ausländischen Direktinvestitionen in Hessen weiter stärken. Für ausländische Investoren ist Hessen die erste Adresse. Schon heute gehen 20 % aller ausländischen Investitionen nach Hessen. Das zeigt, Hessen ist ein attraktiver Standort für internationale Unternehmen. Der Finanzplatz Frankfurt ist für die Einbindung der hessischen Wirtschaft in die internationalen Wettbewerbsbeziehungen von zentraler Bedeutung. Auch die hervorragende Infrastruktur – die Anbindung und der Ausbau des Frankfurter Flughafens – tragen dazu bei.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Ja, da dürfen Sie ruhig klatschen. – Gerade der Flughafen ist für die Außenwirtschaft wichtig. Die Nähe zu einem der wichtigsten internationalen Drehkreuze für Passagier- und Frachtverkehr stärkt die Wettbewerbsfähigkeit der hessischen Wirtschaft und erleichtert den hessischen Unternehmen den Eintritt in die ausländischen Märkte. Deshalb sind der Bau der neuen Landebahn und ihre Inbetriebnahme in diesem Jahr auch ein Erfolg für die hessische Außenwirtschaft. Für die Internationalität unseres Bundeslands ist der Messestandort Frankfurt ebenfalls wichtig.

Die Weltwirtschaftskrise ist aber nicht nur durch einen historischen Rückgang der nationalen Wirtschaftsleistungen gekennzeichnet, sondern sie hat auch die Verschiebung der Kräfte in den internationalen Wirtschaftsbeziehungen beschleunigt: weg von den traditionellen Wirtschaftsmächten Europa und Amerika hin zu den großen Zukunftsmärkten in Asien und Südamerika. Während die westliche Welt dramatische Einbrüche zu verzeichnen hatte, konnte China seine Erfolgsgeschichte fortschreiben und auch in der Krise sein hohes Wirtschaftswachstum beibehalten.

Mit Blick auf die europäischen Märkte und die Vereinigten Staaten sind die hessischen Unternehmen gut aufgestellt. Nun geht es darum, den kleinen und mittelständischen Unternehmen auch den Zugang zu den Zukunftsmärkten in den Schwellen- und Entwicklungsländern zu erleichtern. Wir wollen helfen, Wirtschaftsbeziehungen zu diesen Regionen aufzubauen und weiterzuentwickeln. Deshalb soll ein klarer Fokus auf China, Brasilien, Russland und Indien gelegt werden. Zweifellos wird die wirtschaftliche Entwicklung im 21. Jahrhundert von diesen Ländern maßgeblich geprägt.

Deshalb ist es wichtig, dass wir unseren Unternehmen – gerade den hessischen Mittelständlern – dabei helfen, an diesen Zukunftsperspektiven teilzuhaben. Wenn wir unseren Wohlstand und dabei auch unseren Sozialstaat in Zukunft bewahren wollen, müssen wir noch engere wirtschaftliche Beziehungen zu den Zukunftsregionen in der Welt unterhalten.

(Beifall bei der FDP)

Dabei wollen wir auch bestehende Netzwerke und Partnerschaften auf- und ausbauen, etwa zu der Republik Vietnam. Eine deutsch-vietnamesische Universität gibt es bereits. Wir wollen aber auch die wirtschaftlichen Beziehungen zu den Entwicklungsländern in Afrika ausbauen. Die Bundesregierung hat damit begonnen, die Entwicklungshilfe umzustrukturieren und im stärkeren Maße Hilfe bei der wirtschaftlichen Entwicklung zu leisten. Gerade für uns in Hessen, mit unserer Nähe zu wichtigen Entwicklungshilfeorganisationen, ergeben sich daraus neue Chancen.