Protokoll der Sitzung vom 02.02.2011

Sie sind, obwohl Sie dafür – in Anführungszeichen – gar nicht mehr zuständig sind, trotzdem jederzeit die Ansprechpartnerin für diese Fragen. Das Problem haben Sie am eigenen Leib erlebt. Die Frage ist: Läuft das eigentlich? Wie läuft das? Läuft das gut? Läuft das schlecht? Werden die Stellen, die zugewiesen wurden, wirklich in diesen Bereichen eingesetzt, und, und, und? Darüber könnte man reden, wenn man sich ernsthaft mit der Sache beschäftigen würde.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Günter Schork (CDU))

Es stellt sich eine zweite Frage. Sie haben das Bundesin stitut für Risikobewertung genannt. Ja, die haben gesagt; „Bei dem, was bisher bekannt ist, kann in Normalfällen …“

(Zuruf der Abg. Ursula Hammann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN))

Sie wissen aber doch aus jeder Grenzwertdiskussion, dass immer die Frage ist, von welchem Mittel man ausgeht. Sie und ich können, um mit Herrn von Zech zu reden, 80 Eier essen. Bei Kleinkindern sieht das schon wieder anders aus. Insofern glaube ich, dass wir doch ein Interesse daran haben müssten, möglichst wenig dieser Umweltgifte in Umlauf zu bringen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Die Lösung kann ja nicht sein – Entschuldigung; da bin ich wirklich wütend geworden –, zu sagen: Da es sich im Boden und im Gras angereichert hat, essen wir in Zukunft nur noch Gemüse, das niemals ein Stück Erde gesehen hat. – Herr von Zech, das wäre die Konsequenz, wenn man das logisch fortsetzt, was Sie gesagt haben. Wo sind wir denn?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Marjana Schott (DIE LINKE) – Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Jetzt zur grundsätzlichen Frage. Ich komme zu dem, was Frau Kollegin Lannert, der Kollege Wiegel, Sie und Herr von Zech gesagt haben. Natürlich sagen wir, dass alle einen Anspruch auf gesunde Lebensmittel haben, egal, ob konventionell oder Bio. Das ist nicht unser Streit. Aber wir müssen schon einmal die Grundsatzfrage stellen, ob der Preisdruck in diesem Bereich nicht auch Ursache für Teile der kriminellen Energie in diesem Bereich ist. Diese Frage muss man doch einmal stellen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Herr Wiegel, das sage ich nicht als Gegner der Landwirte – im Gegenteil. Ich glaube, dass der Preisdruck, nämlich immer mehr, immer größer, immer billiger, dazu führen wird, dass das Problem immer größer wird. Das sehen inzwischen auch immer mehr Landwirte so.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD sowie der Abg. Marjana Schott (DIE LINKE))

Ich sage das auch an den Kollegen der SPD: Natürlich wissen wir, dass nicht jeder mit dem, was er verdient, munter in den Biomarkt marschieren und sich dort zu 100 % ökoversorgen kann. Das stimmt. Auf der anderen Seite gilt auch da: Selbst bei denen, die wenig Geld haben, stellt sich die Frage, welche Prioritäten man setzt.

(Beifall der Abg. Dr. Judith Pauly-Bender (SPD))

Wegen der absurden Situation, dass 2 Milliarden Menschen auf der Welt zu wenig zu essen haben und gleichzeitig 2 Milliarden Menschen auf der Welt Übergewicht haben, muss man auch einmal die Frage der Prioritäten in den Industriegesellschaften thematisieren. Das gilt übrigens für die Gesamtheit der Industriegesellschaften. Frau Ministerin, in dem Zusammenhang finde ich, dass man wirklich einmal über die Fragen nachdenken müsste: Was fördert man? Welche Art von Stallbauten fördert man? Was schaut man nach? Wie ist es mit der Eigenfutterproduktion?

(Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Fördert man die Arbeitsteilung durch die Art und Weise, welche Zusatzprogramme man auflegt, oder fördert man sie nicht? Fördert man die Massentierhaltung, oder fördert man sie nicht? Privilegiert man bestimmte Sachen im Außenbereich, oder privilegiert man sie nicht? – Das wissen Sie doch alles. Da kann man nicht sagen: „Glücklicherweise ist dieses Mal das Futtermittel nicht nach Hessen gegangen“; denn solange wir diese Strukturen nicht ändern, ist der nächste Skandal nur eine Frage der Zeit. Da sollte sich keiner etwas vormachen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Marjana Schott (DIE LINKE))

Herr Präsident, ich weiß, ich muss zum Schluss kommen.

In keinem Land der Erde ist der durchschnittliche Anteil der Ausgaben für Lebensmittel im Verhältnis zum Einkommen so gering wie in Deutschland. Wenn Sie sich anschauen, welche Autos auf dem Aldi-Parkplatz stehen, wissen Sie, dass es da nicht nur um die Armen geht. Auch diese grundsätzlichen Fragen gehören in diesem Zusammenhang auf die Tagesordnung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Marjana Schott (DIE LINKE))

Vielen Dank, Kollege Al-Wazir. – Die nächste Wortmeldung kommt vom Kollegen Heinrich Heidel, FDP-Fraktion.

Herr Präsident, meine werten Kolleginnen und Kollegen! Ich bin dieser Diskussion bisher sehr interessiert gefolgt.

Ich will noch einmal festhalten: Ja, was da ein Unternehmen gemacht hat, ist kriminell. Das hat eine Riesenausstrahlung gehabt. Das war wie ein Schneeballsystem, weil diese Komponenten in viele andere Futtermittelwerke geliefert worden sind. Diesen kriminellen Machenschaften muss das Handwerk gelegt werden. Das muss bestraft werden. Das ist auch nach heutigem Recht möglich.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU sowie des Abg. Torsten Warnecke (SPD))

Ja, auch da gebe ich Ihnen recht: Wir müssen schauen, was nach der Kommunalisierung mit den Lebensmittel- und Futtermittelkontrolleuren passiert ist. Das müssen wir überprüfen. Das ist unsere Aufgabe.

(Beifall der Abg. Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Das Land trägt letztendlich die Verantwortung dafür. Wir müssen den Kopf dafür hinhalten. Deshalb müssen wir auch wissen, was da passiert.

(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ein drittes Ja: Es ist eindeutig richtig, dass die Futtermittelkontrolle in Hessen an der Stelle funktioniert hat. Herr Kollege May, da spreche ich Sie an. Herr Frömmrich kennt einen von ihnen ganz persönlich. Die haben an dem fraglichen Wochenende am Samstag und am Sonntag gearbeitet. Ich weiß das. Ich denke, da sollten wir sagen: Hut ab. Da haben diese Damen und Herren gute Arbeit geleistet.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Aber all das reicht nicht aus, um zu sagen, dass man jetzt die ganze Landwirtschaftspolitik, die ganze Agrarpolitik auf den Kopf stellen muss. Landwirte sind Unternehmer. Sie stellen sich dem Markt. Ich glaube, das ist unstrittig. Landwirtschaft produziert, was der Markt verlangt. Ja, in Hessen erfolgt ein weiterer Umstieg auf Ökolandwirtschaft. Das ist gut so. Wenn der Markt dafür da ist, sollen die Landwirte auch biologisch produzieren. Wenn der Verbraucher das kauft, wollen wir das gerne unterstützen.

(Beifall der Abg. Dr. Judith Pauly-Bender (SPD))

Das tun wir auch als eines der wenigen Bundesländer in der Bundesrepublik Deutschland.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Kurt Wiegel (CDU))

Ich sage aber gleichzeitig: Diese Diskussion schwappt immer hoch, wenn wieder einmal ein sogenannter Skandal war, ob das Gammelfleisch, BSE oder Mais aus der Ukraine war.

(Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Das war übrigens im Biosektor. Auch da haben wir darüber diskutiert. Aber der Verbraucher ist sehr flüchtig. Die letzten Marktuntersuchungen, die ich gesehen habe, besagen, dass der Anteil derjenigen, die Bioprodukte kaufen wollen, von 19 auf 16 % zurückgegangen ist. Herr Kollege Al-Wazir, da bin ich bei Ihnen: Wir müssen den Menschen wieder deutlich machen, was ein Lebensmittel ist: ein Mittel zum Leben. Lebensmittel müssen einen Wert haben. Es ist unerträglich, dass das Stück Rinderfilet billiger ist als Hunde- oder Katzenfutter. Das müssen wir als Gesellschaft kritisieren.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Aber das ist ein langwieriger Prozess, weil wir über viele, viele Jahre dem Verbraucher vorgemacht haben: Lebensmittel dürfen nichts kosten. Ihr müsst das Geld ausgeben für einen zweiten, dritten Fernseher, für einen Laptop, für ein drittes Auto oder für was auch immer. Meine Damen und Herren, das ist unsere Aufgabe. Da brauchen wir nicht darüber zu streiten, ob der eine oder der andere Teil besser kontrolliert ist. Letztendlich geht es darum – das glaube ich an dieser Stelle doch noch festhalten zu können –, dass wir in der Bundesrepublik Deutschland und damit auch in Hessen Lebensmittel produzieren, die noch nie so gesund und gut kontrolliert waren wie derzeit und die nach meiner Auffassung vor allem auch viel zu billig sind.

Deshalb meine ich, lassen Sie uns dem Verbraucher von hier aus sagen: Ja, er kann wieder unbesorgt essen. Er soll auch reichlich essen. Er soll aber schauen, was er einkauft. Er soll selbst entscheiden, welche Produkte er will. Er soll nicht nur auf den Preis schauen, sondern er soll auf die Qualität schauen. – Mittlerweile schaut er auch auf die Regionalität. Das ist etwas, was wir in Hessen vorangetrieben haben.

(Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Lassen Sie uns nicht von Skandalen reden, sondern lassen Sie uns davon reden, dass wir Lebensmitteln in der Gesamtheit wieder eine höhere Wertstellung in der Gesellschaft geben müssen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU sowie der Abg. Dr. Judith Pauly-Bender (SPD))

Vielen Dank. – Das Wort hat jetzt Frau Kollegin Lannert, CDU-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Al-Wazir, ich kann es ja verstehen, dass Sie als Fraktionsvorsitzender der GRÜNEN noch einmal ans Rednerpult geschritten sind, obwohl eigentlich alles gesagt war. Wenn man einen Setzpunkt derartig versenkt – Sie haben das jetzt nicht mehr herausgerissen –, will ich Ihnen an dieser Stelle sagen: Ich glaube, wir haben an dieser Stelle ganz deutlich ausgeführt, dass alles aufgeklärt ist.

(Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Herr Schäfer-Gümbel, es handelte sich um einen einzigen Fall. Das kann man einfach nicht weiter hochskandalisieren. Unsere Ministerin hat ganz klar dargestellt, wie die Sachverhalte waren. Sie hat informiert, und sie hat Konsequenzen angekündigt. Ich weiß nicht, was Sie noch wollen.

Wir haben in Hessen schon viele Kontrollen: Flaschenhalskontrollen, am Flughafen usw. Wenn ich an den letzten Skandal mit den Bioeiern und den Mais aus der Ukraine erinnern darf – wo bitte kann man dafür Sorge tragen, dass da nicht auch etwas passiert? Diese ganze Debatte ist ein Stück weit am Thema vorbei.

In Hessen war nichts, und in Hessen ist nichts. Anstatt dass wir alle unseren Landwirten und Direktvermarktern

dankbar wären, die dafür Sorge tragen, dass sie gute Lebensmittel verkaufen und an die Verbraucherinnen und Verbraucher bringen, anstatt sie zu loben und ihnen an der Seite zu stehen, machen Sie hier nichts weiter als Skandale. Ich esse jedenfalls sehr gerne Eier, Fleisch und alle Produkte unserer Metzger und Direktvermarkter, die hier in Hessen angeboten werden. Vielleicht sollten Sie sich davon eine Scheibe abschneiden. Das würde zur Deeskalation wesentlich beitragen. – Vielen Dank.