Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich hätte wirklich nicht gedacht, dass zu Beginn des Jahres 2011 ein Gespenst im Hessischen Landtag umgeht: das Gespenst des Kommunismus. Ich hätte auch nicht gedacht, dass zu Beginn des Jahres 2011 ausgerechnet die Bundesvorsitzende der LINKEN eine Debatte über Wege zum Kommunismus eröffnet. Das hätte ich wirklich nicht gedacht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von den LINKEN, das müssen Sie sich schon anhören. Wenn Ihre Bundesvorsit
zende einen solchen Beitrag schreibt, in dem sie über Wege zum Kommunismus philosophiert, in diesem Beitrag aber kein einziges Wort über die Verbrechen findet, die im Namen dieses Kommunismus verübt wurden, dann muss man sich schon einmal anhören, dass das nicht okay war, was Ihre Bundesvorsitzende getan hat.
Frau Kollegin Wissler, es würde auch gar nichts schaden, wenn Sie selbst das einmal sagen würden – dass das nicht okay war: die Debatte, die Frau Lötzsch hier über den Kommunismus angefangen hat. Es ist genau die Unterscheidung – Herr Dr. Wagner, darauf werden wir später noch kommen – zwischen demokratischem Sozialismus und Kommunismus, die Frau Lötzsch nicht getroffen hat. Deshalb ist ihr Beitrag zu Recht in der Kritik.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU und der FDP, bedarf es dafür aber Ihres Antrages? Ich möchte die einfache Frage stellen: Sind die Kolleginnen und Kollegen der LINKEN nicht mit ihren derzeitigen beiden Bundesvorsitzenden gestraft genug? Brauchen sie wirklich Ihren Antrag?
Meine Damen und Herren, sehen Sie: Die eine Bundesvorsitzende der LINKEN philosophiert über Wege zum Kommunismus, und der andere Bundesvorsitzende sagt: Na, wenn viele Wege zum Kommunismus führen, dann können wir auch einmal meinen Porsche dorthin nehmen.
Haben Sie doch ein bisschen christliche Nächstenliebe, da müssen Sie doch nicht auch noch drauf herumtrampeln. DIE LINKE ist mit ihren Bundesvorsitzenden im Moment wirklich hinreichend gestraft.
Sie müssen aber auch hier im Hessischen Landtag die Frage klären, innerhalb der LINKEN: Sind Sie eine reformorientierte Partei, die Veränderungen in der realen Welt will,
oder wollen Sie ein Sammelbecken für alle möglichen versprengten Gruppierungen mit berechtigten oder unberechtigten Forderungen sein? Reden Sie jedem nach dem Mund, um die zu versammeln, damit es über 5 % reicht – oder haben Sie einen eigenen politischen Kurs? Meine Damen und Herren, diese Hausaufgabe müssen Sie erledigen.
Aber es geht ja in diesem Hessischen Landtag ein weiteres Gespenst um, weitere Gespenster der Vergangenheit. Kollege Schäfer-Gümbel hat schon zu Recht darauf hingewiesen: Immer, wenn CDU und FDP so gar nichts mehr einfällt, wird eine Kommunismusdebatte geführt. Dann holt man die Gespenster von früher aus der Mottenkiste. Dann ruft Dr. Wagner seinen Knappen Florian an und sagt: Florian, rühr den Kleister an, wir hängen wieder die Plakate „Freiheit statt Sozialismus“.
Wenn Ihnen gar nichts mehr einfällt, dann führen Sie eine Kommunismusdebatte. Das können Sie ja machen, aber Sie werden den Opfern, die Sie in Ihrem Antrag zu Recht ansprechen, mit solchen parteipolitischen Debatten nicht gerecht. Das ist das Schlimme an Ihren Debatten.
Lieber Kollege Rentsch, wenn Sie hier die LINKEN verdammen wollen, dann müssen Sie eine ganz einfache Frage beantworten oder sich mit einer Frage auseinandersetzen: Warum ist Gregor Gysi nur der zweitunbeliebteste Politiker in diesem Land?
Herr Kollege Rentsch, wissen Sie, wer der unbeliebteste Politiker in diesem Land ist? Herr Greilich, können Sie vielleicht helfen? Wer ist der unbeliebteste Politiker in diesem Land? Herr Greilich, Sie sind es nicht. Sie hätten gute Chancen, wenn Sie bundespolitisch aktiv wären, das ist gar keine Frage.
(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Florian Rentsch (FDP): Das ist arrogant!)
Der unbeliebteste Politiker in diesem Land, mit deutlichem Abstand zu Gregor Gysi, ist Guido Westerwelle. Wissen Sie, warum, Herr Rentsch? Weil die Menschen weder den Antworten der Marktradikalen noch den Antworten der Staatsradikalen glauben. Deshalb, Herr Kollege Rentsch.
Ich hoffe, ich finde die Zustimmung der Kolleginnen und Kollegen der SPD zu der Aussage, dass ich wirklich nicht dafür bekannt bin, den Kolleginnen und Kollegen der SPD notwendige Kritik zu ersparen.
(Günter Rudolph (SPD): Das stimmt! – Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Das ist uns schon einmal aufgefallen!)
Der Kollege Rudolph sagt, das stimmt, der Kollege Schäfer-Gümbel sagt auch, dafür bin ich wirklich nicht bekannt. – Aber, meine Damen und Herren von CDU und FDP, was Sie hier der SPD mit ihrer fast 150-jährigen Geschichte unterstellen, diese Gleichsetzung von Kommunismus und demokratischem Sozialismus, diese Unterstellung ist infam.
Kolleginnen und Kollegen der Sozialdemokratie haben für Freiheit, für Gleichheit gekämpft, da gab es die CDU noch gar nicht. Der Begriff des demokratischen Sozialismus ist entstanden in Abgrenzung zum totalitären Kommunismus. Das sollten Sie endlich zur Kenntnis nehmen und nicht versuchen, die Kolleginnen und Kollegen der SPD zu denunzieren, die diesen Begriff verwenden. Es ist infam, was Sie hier machen.
Die SPD hat in ihr Grundsatzprogramm den Begriff des demokratischen Sozialismus aufgenommen, um sich gegen totalitäre Bestrebungen abzugrenzen. Deshalb
gerade von Ihnen, Herr Dr. Wagner, in diesem Hessischen Landtag überhaupt keine Belehrungen über Freiheit.
(Heiterkeit bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Judith Lannert (CDU): Unter der Gürtellinie muss es nicht sein!)
Meine Damen und Herren, ich frage Sie allen Ernstes angesichts Ihres Umgangs mit der Kollegin Andrea Ypsi lanti: Wo ist Ihr bürgerlicher Anstand geblieben?
(Lebhafter Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Peter Beuth (CDU): Sie sprechen von Anstand? Das ist das Letzte! – Weitere Zurufe von der CDU)
Sie wollen nicht allein die politischen Positionen der SPD und von Frau Ypsilanti diskreditieren, Sie wollen die Person diskreditieren. Wo ist Ihr persönlicher Anstand in dieser Frage geblieben?
(Lebhafter Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Zurufe der Abg. Judith Lannert (CDU) und Florian Rentsch (FDP))
Herr Dr. Wagner – gerade Sie als Vertreter einer christlichen Partei, oder die sich so nennt –, setzen wir uns einmal mit den Inhalten auseinander, über die Frau Ypsilanti geschrieben hat. Sind das im Jahr 2011 keine Fragen mehr für eine Partei, die das C im Namen führt? Frau Ypsilanti schreibt in ihrem Beitrag, den man nicht teilen muss – wir teilen auch manches nicht – –
Nein, wir teilen manches nicht. Ich würde sogar mit der Bundeskanzlerin sagen: Das ist nicht mein Stil, das ist nicht mein Duktus. – Aber setzen wir uns mit den Inhalten auseinander. Frau Ypsilanti schreibt:
Die Mehrheit der BürgerInnen weiß um die ungerechte Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums, um die Fragilität der Finanzordnung, die Folgen ungebremsten Wachstums und die Endlichkeit der herkömmlichen Energieträger – und äußert deshalb ausdrücklich Vorbehalte zur gegenwärtigen Wirtschaftsordnung.
Wollen Sie das ernsthaft bestreiten? Wollen Sie sich aus der Debatte verabschieden, welche Antworten wir mit den unterschiedlichen Traditionen der Parteien auf diese Fragen geben können? Ihr Antrag sagt doch mehr über das intellektuelle Niveau von Ihnen aus als über die Haltung der SPD und von Frau Ypsilanti.