Protokoll der Sitzung vom 03.02.2011

Herr Boddenberg, Entschuldigung.

(Minister Jörg-Uwe Hahn: Der Herr Rhein war das!)

Wenn Sie sagen: „Trotz der Sozialdemokraten“, dann sage ich Ihnen sehr selbstbewusst: Seit 1946 haben wir uns in den Wahlen das Vertrauen der Menschen erarbeitet,

(Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

und nicht wie Sie mit irgendwelchen Schaufensteranträgen und politischen Attitüden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Deswegen haben wir jetzt die Mehrheit!)

Herr Ministerpräsident Bouffier, Herr Innenminister Rhein, machen Sie Ihre Hausaufgaben. Machen Sie den Weg frei für eine Regionalreform in Nordhessen. Wir in der Mitte Deutschlands haben die Chance verdient. Hören Sie auf, mit kleinkarierter parteipolitischer Münze etwas verhindern zu wollen. Im Zweifel erfolgt die Abstimmung mit den Füßen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Rudolph. – Das Wort hat Frau Abg. Karin Müller, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich will den Morgen freundlich anfangen, nicht dass die Stimmung gleich schon wieder so aufgeladen ist, wie es gestern der Fall war. Ich möchte mich bei der SPD und der CDU für den Werbeblock für die Stadt und den Landkreis Kassel heute Morgen bedanken.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es kommt nicht so oft vor, dass im Landtag so prominent über Kassel und den Landkreis geredet wird. Aber das war es dann auch mit Freundlichkeiten.

(Zurufe von der CDU und der FDP: Oh!)

Das Thema Regionalreform wird in Kassel-Stadt und im Landkreis schon seit Jahrzehnten diskutiert. Die GRÜNEN haben in der Stadt und im Landkreis Kassel – wer die Strukturen kennt, weiß, wie schwierig das ist – einen gemeinsamen Beschluss gefasst zu einer demokratisch legitimierten Regionalreform, von unten getragen, für die Region. Das wurde im Jahr 2007 noch einmal bestätigt. Dass die SPD nicht immer gleich merkt, was für Kassel und die Region gut ist, wissen wir; bei denen hat es etwas länger gedauert.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der FDP: Aha! – Thorsten Schäfer- Gümbel (SPD): Ich dachte, Sie wollten heute Morgen freundlich sein!)

Am Anfang war ich doch freundlich. – In den Landkreisen sind noch immer nicht alle Bürgermeister für die Regionalreform. Aber immerhin gibt es einen gemeinsamen Beschluss von Stadt und Landkreis, diese Regionalreform auf den Weg zu bringen und im Jahr 2016 umgesetzt zu haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das wird alles lang diskutiert, das wusste auch die Landesregierung. Herr Koch hat es auch unterstützt. Dass man das dann ein bisschen verzögert, kann man noch ver

stehen; aber dass man ein Stoppschild aufstellt wie Herr Bouffier, kann ich überhaupt nicht verstehen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich frage mich, ob Sie das mit Ihrem Verkehrsminister abgesprochen haben, solch ein Stoppschild aufzustellen. Herr Posch ist immerhin von der FDP. Die FDP ist in der Stadt und im Landkreis für die Regionalreform und ist, wie ich hörte, völlig empört darüber, dass die CDU jetzt ihren Koalitionsvertrag bricht. Ist Ihnen das jetzt alles schon völlig egal? Haben Sie sich jetzt schon völlig von der aktiven Gestaltung verabschiedet, oder wie soll ich das verstehen?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Rudolph hat es auch schon erwähnt, es gab umfangreiche Gutachten, nicht nur von der IHK, sondern auch von der Universität. Die Wirtschaft ist für die Regionalreform, und das mehr als für den Flughafen. Erst kürzlich hat Herr Steiner von K+S in einem Interview gesagt, die Region brauche die Regionalreform, weil Kassel und der Landkreis sich nur als Region gut darstellen könnten. Was Stadt und Landkreis nicht unbedingt brauchten, sei der Flughafen. Ob K+S ein eigenes Flugzeug haben würde, das von Kassel-Calden aus fliege, könne er nicht sagen.

(Zurufe des Staatssekretärs Mark Weinmeister)

Könnte die Regierungsbank bitte einmal etwas ruhig sein?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Minister Boris Rhein: Er ist ehemaliger Abgeord- neter, er darf das!)

Dass der Flughafen mehr schadet als nutzt, sieht man an den neuesten Arbeitsmarktzahlen, die jetzt wieder schlechter geworden sind, seit die EU-Kommission die Mehrausgaben für Kassel-Calden bewilligt hat.

(Unruhe)

Auch Herr Braun – um noch einen Prominenten und Unverdächtigen zu zitieren – hat auf einem Kongress zum demografischen Wandel gesagt, dass er nur Leute nach Nordhessen holen könne, wenn er sagen könne: „Wir sind eine Region, wir haben das Oberzentrum Kassel.“ Zugegebenermaßen werde bei Kassel der Charme erst auf den zweiten Blick entdeckt, aber ohne Kassel als Oberzentrum und ohne die kulturellen Angebote funktioniere das nicht.

Es gibt in der Ausgestaltung der Regionalreform sicherlich noch ein paar Unterschiede zwischen der SPD und der FDP. Wir sagen: Wir können die Regionalreform auch nutzen, um Einsparungen zu erzielen. Man könnte beispielsweise in der mittleren Verwaltungsebene Aufgaben vom Regierungspräsidium auf eine andere Ebene übertragen. Das heißt nicht, dass wir die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entlassen wollen – um dieser Diskussion gleich vorzubeugen –, sondern wir wollen eine Umstrukturierung, um damit auch Einspareffekte zu erzielen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Noch ein Punkt. In der Presse der letzten Tage wurde immer wieder davon geredet, dass es sich um eine Verwaltungsreform oder gar eine Gebietsreform handele. Alles das ist es nicht. Alles, was auf Verwaltungsebene gemacht werden konnte, ist gemacht. Es gibt ein gemeinsames Gesundheitsamt, es gibt eine gemeinsame Kfz-Zulassungsstelle, es gibt eine gemeinsame Ausländerbehörde, und es gibt eine gemeinsame Volkshochschule.

Um was es jetzt geht, ist die Identifikation der Menschen in der Region für die Region. Herr Rudolph hat es gesagt, es geht um die Verantwortung für Bildung, für Soziales, für die Kultur in der Region. Ich denke, nur zusammen kommen wir dabei voran.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich kann nur hoffen, dass die Darstellung in der Presse nur ein Kommunikationsproblem gewesen ist und Herr Bouffier sich das Ganze noch einmal überlegt. Es kann doch nicht sein, dass mit fadenscheinigen Argumenten wie „Die anderen sind nicht beteiligt worden“, oder „Es passt nicht in die Landschaft“, ein so lange währendes Projekt von ehrenamtlicher und hauptamtlicher Arbeit, für das in den Regionalausschüssen in Stadt und Landkreis viel Geld und viel Arbeit investiert worden sind, jetzt aus wahltaktischen Gründen einfach wieder in der Schublade verschwindet.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Kollegin Müller, Sie müssen zum Schluss kommen.

Wir wollen uns weiter als Treiber für die Regionalreform zur Verfügung stellen. Ich finde, wenn heute das Signal ausginge: „Kassel, Stadt und Land, Hand in Hand für die Region“, dann wäre das ein schönes Signal, und wir könnten alle gemeinsam für dieses Land und für diese Region etwas tun.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. – Das Wort hat Herr Kollege Dirk Landau, CDU-Fraktion.

Herr Präsident, guten Morgen, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Die zukunftsfähige Strukturierung hessischer Regionen – so ein Teil der Überschrift des Entschließungsantrags der SPD-Fraktion – ist ein überaus wichtiger Politikbereich und sollte deshalb mit entsprechender Ernsthaftigkeit diskutiert werden.

(Beifall bei der CDU)

Mit dieser Eingangsbemerkung komme ich zunächst zum Metropolgesetz. Es leistet einen wichtigen Beitrag zur Stärkung der Rhein-Main-Region. Ein abgestimmteres Auftreten sowie ein einheitlicheres Erscheinungsbild werden dem Ballungsraum Impulse nach innen und nach außen geben und die Wahrnehmung der gesamten Region auf europäischer und internationaler Ebene verbessern. Dies alles wird unter anderem durch die Koordinierungsmöglichkeit des neuen Regionalvorstands als zentralem Ansprechpartner möglich sein. Die Anhörung zum Metropolgesetz hat gezeigt, dass es insbesondere ein Bedürfnis der Wirtschaft gibt, Berater in den Regionalvorstand zu entsenden.

Wir können das nachvollziehen und haben einen entsprechenden Änderungsantrag zum Metropolgesetz eingebracht, der die Einrichtung einer Art Beirat rechtlich er

möglicht. Vertreter der Wirtschaftsverbände können sich dann stärker in den Beratungsprozess des Regionalvorstands einbringen. Wir halten diese Möglichkeit für sinnvoll, für einen Gewinn in der Sache.

Ich sehe, die SPD hat heute folgende Schlagzeile in der „FAZ“: „SPD für Wirtschaft in Regionsgremien“. Insofern scheint da wohl doch Übereinstimmung zu bestehen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Wen der Regionalvorstand am Ende tatsächlich benennt, liegt fraglos in der Entscheidungskompetenz des Vorstands; dies könnten dann natürlich auch Vertreter der Sonderstatusstädte sein.

Das Metropolgesetz wird einige neue Möglichkeiten schaffen, dabei stets das Prinzip der Freiwilligkeit befolgen und infolgedessen auf mehr Akzeptanz treffen, als dies über einen Weg mit Zwang der Fall wäre.

(Günter Rudolph (SPD): Zwang!)

Herr Rudolph, nicht Gedanken über die Ausgestaltung des Metropolgesetzes, sondern die von Ihnen betriebene Skandalisierung von Überlegungen vermitteln den Eindruck von Chaos. – So viel zum Süden, nun zum Norden.