Protokoll der Sitzung vom 03.02.2011

Herr Rudolph, nicht Gedanken über die Ausgestaltung des Metropolgesetzes, sondern die von Ihnen betriebene Skandalisierung von Überlegungen vermitteln den Eindruck von Chaos. – So viel zum Süden, nun zum Norden.

Entgegen dem von sozialdemokratischer Seite erweckten Eindruck hat sich Ministerpräsident Bouffier in seinem Brief nach Kassel nicht generell und sowieso gegen eine dortige Regionalreform ausgesprochen. Er hat sich nur über die recht unkonkreten Vorschläge, die ihm von Oberbürgermeister Hilgen und Landrat Schmidt vorgelegt wurden, skeptisch geäußert.

(Zuruf des Abg. Timon Gremmels (SPD))

Herr Gremmels, das zu Recht.

(Beifall bei der CDU – Günter Rudolph (SPD): Kennen Sie das Gutachten der IHK?)

Wenn man in eine sachgerechte und überzeugende Realisierung eintreten möchte, bedarf es präziser Vorstellungen.

(Anhaltende Zurufe von der SPD: Kennen Sie das Gutachten der IHK?)

Anders gesagt: Es sollte Klarheit in wichtigen Fragen bestehen, etwa in der Frage der rechtlichen Stellung der Stadt Kassel.

(Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Eine erste Frage: Wird die Kreisfreiheit zugunsten der Stellung der Sonderstatusstadt aufgegeben?

(Zuruf von der SPD: Keine Antwort ist auch eine Antwort!)

Eine Entscheidung hierüber zöge Konsequenzen für den Kommunalen Finanzausgleich nach sich.

Nächste Frage: Wie verhält sich eine künftige Regionsumlage im Vergleich zur jetzigen Kreisumlage? Welcher Ansatz wird für den Umgang mit den Altschulden der Stadt Kassel, den oberzentrumsbedingten Kosten, gewählt? Der Beschlussempfehlung des gebildeten Ausschusses zur Entwicklung der Region Kassel aus der Sitzung vom 18. Mai 2009 ist dazu immerhin schon einmal zu entnehmen:

(Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Die Bildung der Region... soll... – ähnlich dem Regionalkreis Hannover – erfolgen...

Bis heute erfährt der geneigte Beobachter nichts darüber, wo man von dem Hannoveraner Modell abweichen und wo man es ihm gleichtun möchte.

(Zuruf des Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Unabhängig von der Beantwortung derartiger Fragestellungen sollte eine gesetzliche Initiative zur Bildung eines Regionalkreises Kassel voraussetzen, dass dieses Modell von den Betroffenen einvernehmlich gewollt und mitgetragen wird.

Frau Müller hat es schon angesprochen: Tatsächlich sind aber erhebliche Bedenken der Landkreisgemeinden vorhanden, die auch von vielen SPD-Bürgermeistern hinter vorgehaltener Hand geäußert wurden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Günter Ru- dolph (SPD): Sie wissen das!)

Ich sage hier ganz deutlich: Eine semantische Zustimmung ersetzt kein Bekenntnis zum Vorhaben.

Ein Beispiel. Niestetal als Gemeinde mit 10.000 Einwohnern im Landkreis Kassel hat im Nachtragshaushalt 2010 dank des Firmensitzes von SMA eine Gewerbesteuereinnahme von 37 Millionen € ausgewiesen. Man wird dort nicht in der ersten Reihe der Begeisterten mitmarschieren,

(Timon Gremmels (SPD): Natürlich!)

wenn nicht absehbar ist, wie viel von diesen Einnahmen bei einem Regionalkreis Kassel noch vor Ort verbleiben würde.

(Timon Gremmels (SPD): Falsch!)

Im praktischen Handeln der Akteure vor Ort ist auch sonst keine übergroße Neigung in dieser Angelegenheit zu erkennen.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Man kann sich ein Beispiel an Eschborn nehmen!)

Obwohl bereits im Jahr 2002 mit der Überreichung eines gemeinsamen Leitantrags der SPD-Unterbezirke KasselLand und Kassel-Stadt an den damaligen Kasseler Oberbürgermeister Lewandowski die Idee der Einrichtung eines Regionalkreises verfolgt wurde, wurde dieses Papier seitdem nie weiterentwickelt und konkretisiert.

(Uwe Frankenberger (SPD): Was?)

Das Vorliegende entspricht nicht den hohen Maßstäben einer Gebietsreformmaßnahme.

Herr Kollege Landau, Sie müssen zum Schluss kommen.

Dann bitte noch ein Wort zu den Altschulden.

Wenn vorgetragen wird, dass die Ablehnung des Fusionswunsches durch den Ministerpräsidenten im Widerspruch zum Koalitionsvertrag stehe, so kann das geklärt werden. Es steht in der Tat dort so.

(Lachen bei der SPD)

Herr Rudolph, damit ist aber nicht das gemeint, was im Leitantrag der SPD aus dem Jahr 2002 auf Seite 3 steht. Da heißt es nämlich:

Das Konzept der Kasseler SPD verlangt, dass das Land Hessen einen großen Beitrag zur Entschuldung leistet.

Das ist nicht gemeint. Gemeint ist eine Unterstützung im Transformationsprozess.

Leider ist an dieser Stelle meine Redezeit zu Ende.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Kollege Landau. – Das Wort hat der Abg. Jürgen Lenders, FDP.

(Günter Rudolph (SPD): So, jetzt wollen wir es einmal wissen: Die FDP hat das in Kassel ja kritisiert! – Herr Lenders, gilt das auch für Wiesbaden?)

Herr Rudolph! – Sehr geehrter Herr Präsident, geschätzte Kollegen! Eines will ich vorwegschicken: Die FDP-Fraktion steht zur Regionalreform.

(Beifall des Abg. Heinrich Heidel (FDP) – Demonstrativer Beifall bei der SPD)

Meine geschätzten Kollegen, die FDP-Fraktion steht so uneingeschränkt dazu, dass in der Metropolregion RheinMain alle gesellschaftlichen Kräfte ein Gehör finden.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Alle?)

(Beifall bei der FDP – Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Alle – das ist schon einmal gut!)

Meine Damen und Herren, die Aufgeregtheiten, die sich jetzt hier zeigen – Sie mögen sagen, das sei ein Missverständnis. Ich glaube, Sie wollten ganz bewusst den Ministerpräsidenten falsch verstehen. Das ist mir durch Ihre Ausführungen auch wieder klar geworden.

Der Ministerpräsident hat nicht von einem Stoppschild für die Region Kassel gesprochen, sondern er hat eigentlich ein Schild „Vorfahrt achten“ aufgestellt:

(Beifall des Abg. Heinrich Heidel (FDP) – Zuruf des Abg. Timon Gremmels (SPD))

Was muss alles passieren, wenn ich diesen Weg gehe, wenn ich mich auf diesen Weg mache?