Protokoll der Sitzung vom 03.02.2011

Was muss alles passieren, wenn ich diesen Weg gehe, wenn ich mich auf diesen Weg mache?

Das ist eine sehr große Bandbreite. Das geht in der Diskussion von einer Verwaltungsreform über eine kommunale Gebietsreform bis hin zur interkommunalen Zusammenarbeit. Auch das Papier, das aus Nordhessen vorliegt, lässt genau diesen Spielraum.

Meine geschätzten Kollegen von der SPD, hätten Sie unseren Koalitionsvertrag gelesen: Auch der Koalitionsvertrag lässt genau diese Bandbreite.

Aber man muss natürlich fragen. Am Ende der Diskussion kann eine Regionalreform mit einem eigenen Regionalparlament stehen. Aber dann müssen die Fragen, die der Ministerpräsident gestellt hat, auch beantwortet werden: Was ist denn das für eine kommunale Verfasstheit? Wie verhält sich das mit der Aufgabenzuteilung zum Regierungspräsidium oder zu den anderen Landkreisen? Löst sich dann der Landkreis Kassel auf?

Das sind Fragen, die der Kollege Landau eben schon einmal aufgeworfen hat. Man kann das nicht so einfach diskutieren.

(Zuruf des Abg. Timon Gremmels (SPD))

In diesem Sinne gebe ich dem Ministerpräsidenten ausdrücklich recht, der auf die noch offenen Fragen hinweist und sagt, die Antworten müssen aus der Region kommen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Das will ich Ihnen sagen. Jetzt hier einfach hinzugehen und zu sagen, diese Frage müsse vom Ministerpräsidenten beantwortet werden – meine Damen und Herren, das ist schon eine seltsame Sicht der Dinge.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU – Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Man muss es ausdrücklich loben, dass die politische Diskussion in Nordhessen schon so fortgeschritten ist und schon einen solch breiten Konsens gefunden hat. Das ist hier bemerkenswert. Aber es ist noch ein sehr langer Weg bis zu einer richtigen Regionalreform.

(Beifall des Abg. Heinrich Heidel (FDP))

Man muss doch Lösungen aufzeigen, die die Zwischenschritte beinhalten. Das ist die interkommunale Zusammenarbeit. Das fängt eben damit an, ob ich ein interkommunales Gewerbegebiet ausweise und auch seitens des Landes Hessen unterstütze oder ob ich beispielsweise Bauhöfe zusammenlege, ob ich ganze Verwaltungsstrukturen – –

(Timon Gremmels (SPD): Natürlich!)

Ja, natürlich, Kassel macht es, genau wie andere Regionen. Wenn Sie aber an die Endlösung denken, an das Endkonstrukt, dann stellt sich die Frage: Wie sehen Sie das mit den anderen Regionen?

(Zuruf des Abg. Timon Gremmels (SPD))

Sie haben beispielsweise vergessen, dass Osthessen, Fulda, auch zum Regierungspräsidium Kassel gehört. Die gleiche Diskussion einer Regionalreform müssen Sie dann in der Region Osthessen wiederum führen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Meine Damen und Herren, wir unterstützen diesen Prozess. Aber die FDP gibt eben auch Antworten, wie die Zwischenschritte aussehen können. Dieser Koalitionsvertrag und diese Landesregierung zeigen auf, wie diese Zwischenschritte aussehen können, und zwar in einer freiwilligen interkommunalen Zusammenarbeit.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Vielen Dank, Kollege Lenders. – Das Wort hat Frau Abg. Schott, Fraktion DIE LINKE.

(Unmut bei der CDU)

Meine Damen und Herren, ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie Missfallens- oder Erregungsäußerungen beim Aufruf von Namen der Abgeordneten bitte unterlassen würden.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Herzlichen Dank, Herr Präsident.

Meiner Meinung nach haben wir gestern hier ein unglaubliches Wahlkampftheater der CDU erlebt, und heute erleben wir das Gegenstück dazu von der SPD. Wir machen hier ein bisschen Lokalpolitik und fragen uns: Warum? Was ist denn passiert?

In Kassel-Stadt und Kassel-Land reden wir seit Jahren über eine Regionalreform. Der Patient lebt einmal ein bisschen mehr und einmal ein bisschen weniger. Wenn man aber die Menschen in der Region Kassel-Stadt und Kassel-Land fragt, welche Verwaltungsform ihnen denn wichtig und richtig erscheint, erhält man überwiegend die Antwort, dass es den Menschen völlig egal ist, in welcher Form die Verwaltung besteht. Vielmehr geht es ihnen darum, vor Ort einen kompetenten Ansprechpartner zu haben, sich nicht durch irgendeinen Behördendschungel wühlen zu müssen, keine langen Wartezeiten zu haben – und niemand will höhere Gebühren. Wir alle wollen eine Verwaltung, in der die Mitarbeiter den Bewohnern in ihren Belangen weiterhelfen, in der kompetent und direkt informiert wird und Leistungen gewährt werden.

Lassen Sie mich an dieser Stelle einmal in aller Deutlichkeit sagen: Niemand will eine Verwaltung, in der bewusst und vorsätzlich – wie in Kassel – falsche Bescheide zum Nachteil der Hilfesuchenden ausgestellt werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Da ist es den Leuten vollkommen wurscht, ob das in einem Rathaus oder in einem Kreishaus oder sonst wo passiert. Die Organisationsform ist nachrangig, wichtig sind die Inhalte.

An dieser Stelle frage ich mich, warum nun also der Oberbürgermeister und der Landrat diese Reform wollen.

Da geht es immer wieder um die Zusammenlegung von Ämtern, was ohnehin schon geschieht. Die Idee ist aber, gestützt durch ein Gutachten, ein erhebliches Einsparpotenzial zu vermuten. Diese Vermutung teile ich, aber ich teile sie nur insoweit, als dass sie zulasten der Bevölkerung geht. Denn wenn auf der einen Seite des Schreibtisches weniger Menschen sitzen, die dort arbeiten, und auf der anderen Seite des Schreibtisches die Bevölkerungszahl, die Zahl der Menschen, die vor dem Schreibtisch sitzen, gleich bleibt, dann kann das nur zulasten der Qualität gehen.

(Beifall bei der LINKEN)

Nun stehen wir also kurz vor einer Kommunalwahl, und da haben schlaue Menschen in der SPD einen Schlussstrich unter ihre Arbeit gezogen.

(Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Sie haben festgestellt: Wir haben ziemlich laut über eine Regionalreform getönt, und irgendwie haben wir es nicht so richtig auf die Reihe gebracht. Wir haben die Bürgermeister nicht wirklich hinter uns. Wir haben der Bevölkerung nicht ernsthaft erklärt, wie wir es machen wollen. Die vielen kleinen Einzelschritte, die zu bearbeiten gewesen wären, haben wir auch nicht hingebracht. Wir haben ein paar unkonkrete Beschlüsse gefasst, und eigentlich haben wir unsere Hausaufgaben nicht gemacht.

Mich als Bewohnerin des Landkreises haben Sie jedenfalls nicht wirklich überzeugt. Ich bin nicht gegen die Reform. Ich weiß einfach nicht, was ich davon halten soll, und ich glaube, mir geht es an der Stelle genau wie den meisten Kasselanern, Kasselänern und Kasselern. Ich weiß es schlicht nicht.

Sie haben also festgestellt: Nicht ordentlich gearbeitet, und wie kommen wir aus dem Schlamassel wieder heraus? Irgendein schlauer Kopf ist auf die Idee gekommen: Lasst uns doch die Schuld in die Schuhe von jemand anderem schieben. – Also schreiben der Bürgermeister und der Landrat flugs an den Ministerpräsidenten, und der springt über das Stöckchen, das ihm hingehalten worden ist, und sagt Nein.

Herr Bouffier, Sie haben der lokalen SPD einen Riesengefallen getan. Hilgen und Schmidt bleiben bei ihrem Wort. Sie hätten so gerne eine Regionalreform gehabt, und Sie Bösewicht haben es vermasselt. Ich gratuliere Ihnen zu dieser Wahlkampfhilfe. Das haben Sie richtig gut hingekriegt. – Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Schott. – Das Wort hat der Ministerpräsident.

Herr Präsident, meine Damen, meine Herren! Herr Kollege Rudolph, Sie haben sich zur Region Nordhessen geäußert. Das finde ich prima. Ich will Ihnen zunächst einmal eines sagen: Noch zu keiner Zeit stand Nordhessen so gut da wie unter der Regierung von CDU und FDP.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Lachen bei der SPD)

Ich denke, wir freuen uns gemeinsam darüber. Das ist eine Boomregion, und das ist toll.

(Nancy Faeser (SPD): SPD-regiert!)

Damit wir noch etwas haben – und das ist selten genug –, Frau Kollegin Schott, bis auf eine kleine Einschränkung: 100 % Zustimmung zu Ihren Ausführungen.

(Günter Rudolph (SPD): Das sollte Ihnen zu denken geben!)

Eine einzige Einschränkung. – Einen Satz will ich zitieren. Sie hat gesagt, die, die das wollen, haben ihre Hausaufgaben nicht gemacht. Das stimmt. Damit wir wissen, worüber wir reden: Natürlich gilt die Koalitionsvereinbarung. – Damit wir auch wissen, worüber wir reden, will ich den Satz vorlesen, über den hier so diskutiert wird. Ich habe unter dem 7. Januar 2011 – im Übrigen wie im Sommer und wie vor zwei Jahren; es ist nahezu der gleiche Text – unter anderem geschrieben:

Wie Herr Staatsminister Rhein in seiner Antwort auf die Anfrage der SPD-Landtagsfraktion

das war im vergangenen Sommer –

bereits ausgeführt hat, halten wir das von Ihnen vertretene... Modell für eine solche isolierte Sonderlösung, die zu strukturellen Ungleichgewichten in der gesamten Region führen kann, und daher nicht für zweckdienlich.