Das Bundesarbeitsgericht – auch das gehört dazu – hat natürlich gesehen, dass das Widerspruchsrecht Art. 12 berührt. Aber sie haben eine andere Abwägung vorgenommen. Sie haben nämlich gefragt: Was wäre denn passiert, wenn keine Privatisierung stattgefunden hätte? Dann wäre ein Standort geschlossen worden. Die Gefahr, dass die Hälfte der Beschäftigten arbeitslos werden würde, war so groß, dass man auf das Einräumen des Widerspruchsrechts verzichten konnte. Es steht im Vordergrund, dass die Beschäftigten weiterhin einen Arbeitsplatz haben. Das war die Abwägung des Bundesarbeitsgerichts.
Frau Kollegin Dorn, in der Anhörung konnte keiner wissen, zu welchem Ergebnis diese Abwägung führen würde. Immerhin haben hohe Gerichte des Landes Hessen und das Bundesverfassungsgericht fünf Jahre lang darüber diskutiert, ob das rechtmäßig ist oder nicht. Man konnte nicht innerhalb einer Minute darüber entscheiden, ob das richtig oder falsch ist; denn in der Rechtsprechung gab es einen solchen Fall bisher nicht. Das ist durch das Bundesverfassungsgericht jetzt entschieden worden.
(Dr. Thomas Spies (SPD): Aber wir wussten das schon vor sechs Jahren! Sie waren auch in der Anhörung, Frau Ministerin!)
Herr Kollege Spies hat gesagt, Hamburg sei ein Beispiel. Ich will nur darauf hinweisen, dass gerade die unterschiedlichen Beschäftigungsverhältnisse dazu führen – es gibt übrigens immer noch Klageverfahren –, dass die Verunsicherung der Beschäftigten so groß ist, dass selbst deren Vertreter sagen: Ein solches Verfahren ist für die Be
Keiner derjenigen, die in Marburg und Gießen beschäftigt sind, befürwortet solch intransparentes Verfahren mit so unterschiedlichen Beschäftigungsverhältnissen.
Nun will ich auf den Satz zu sprechen kommen, den ich im Ausschuss gesagt habe und der die Informationen betrifft. Ich habe in der öffentlichen Ausschusssitzung alles vorgetragen, was zum damaligen Zeitpunkt bekannt war. Laut Protokoll wurde die Frage gestellt – ich zitiere –:
Ist die Landesregierung bereit, die Obleute der Fraktionen in den kommenden Wochen hier auf dem Laufenden zu halten? – Dadurch könne möglicherweise eine Sondersitzung des Ausschusses zur Beantwortung eines Dringlichen Berichtsantrages verhindert werden.
... Eva Kühne-Hörmann verweist auf den diesbezüglichen Setzpunkt in der folgenden Plenarwoche. Dann werde sie ihren aktuellen Kenntnisstand berichten.
Genau das tue ich heute. Vorher hat mich ein Abgeordneter aus der Region gefragt. Herr Wagner hat das getan. Er hat mich gestern gefragt, was mit irgendeiner Information sei. Dann habe ich meinen Kenntnisstand wiedergegeben.
(Beifall bei der CDU – Norbert Schmitt (SPD): Das ist aber knapp an der Wahrheit vorbei! Mein lieber Schwan!)
Diejenigen, die heute bei der Rhön-Klinikum AG beschäftigt sind, sind keine Beschäftigten des Landes mehr, sondern sie sind bei einem privaten Arbeitgeber beschäftigt. Deshalb hat auch die Rhön-Klinikum AG alle Arbeitsverträge, die die Beschäftigten betreffen. Bei uns gibt es keinen einzigen Arbeitsvertrag, in den wir hineinschauen könnten.
Bei der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts geht es um eine bestimmte Gruppe Arbeitnehmer. Es geht nämlich um die Fragen, wie viele der Mitarbeiter, die ehemals übergeleitet wurden, sich im Dienste des Universitätsklinikums Gießen und Marburg befinden und wie viele davon vor der Überleitung zum 1. Juli 2005 Landesmitarbeiter und wie viele Anstaltsmitarbeiter waren.
Weil ich die Verträge nicht habe, kann ich diese Fragen alleine überhaupt nicht beantworten. Vielmehr muss ich bei der Rhön-Klinikum AG nachfragen.
Die Verträge müssen einzeln in die Hand genommen werden. Dann muss geschaut werden, ob die Voraussetzungen vorliegen. Das ist angesichts der Zahl der Verträge keine triviale Aufgabe. Das ist keine Aufgabe, die man einfach einmal innerhalb einer Minute lösen kann.
Deswegen kann ich Ihnen heute nur den Stand nennen, den mir die Rhön-Klinikum AG inzwischen mitgeteilt hat. Er enthält allerdings Circa-Zahlen.
In Marburg und Gießen sind insgesamt von den nicht wissenschaftlichen Mitarbeitern 4.715 betroffen. Davon sind 3.798 ehemalige Landesmitarbeiter. Anstaltsmitarbeiter sind 917 Beschäftigte. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist es so, dass zunächst einmal
nur die Mitarbeiter betroffen sind, die sich im Landesdienst befanden. Deshalb ist 3.798 die Zahl, von der wir zunächst einmal ausgehen.
Ich habe mich am vergangenen Montag mit dem Gesamtbetriebsrat des Universitätsklinikums Gießen und Marburg sowie mit der Behindertenvertretung, der Jugendvertretung und Vertretern von ver.di getroffen. Bei diesem Gespräch ging es genau um die Frage, welche Beschäftigten betroffen sind. Alle, die dort am Tisch saßen, waren sich darüber einig, dass es sich um eine juristisch außerordentlich schwierige Problematik handelt. Alle sagten übereinstimmend, dass man angesichts dieser schwierigen juristischen Lage jetzt über eine Lösung reden muss, die den Beschäftigten Sicherheit gibt und die nicht dazu führt, dass durch schnelle Entscheidungen am Ende unterschiedliche Beschäftigungsverhältnisse entstehen, die zu mehr Problemen führen würden.
Deswegen muss man zunächst einmal den Sachverhalt klären. Wir müssen zunächst einmal ganz genau wissen, welche Voraussetzungen bei welchen Beschäftigten vorliegen. Dazu muss jede einzelne Akte in die Hand genommen werden. Erst dann kann man im Weiteren über Lösungen reden.
An dieser Stelle will ich auch noch auf etwas hinweisen, auf das es ankommt. Das sagen im Moment auch die Betriebsräte und die Vertreter von ver.di. Mit dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts wurden alle Klagen, die dort anhängig waren, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Somit hat im Moment jeder Beschäftigte die Sicherheit, dass sich an dem jetzigen Zustand nichts ändert. Er muss auch nichts machen. In genau diese Richtung beraten auch die Betriebsräte, der Gesamtbetriebsrat und die Vertreter von ver.di.
Jetzt muss eine Lösung gesucht werden. Herr Kollege Spies, das nehme ich sehr ernst. Sie haben gesagt, es müsse nach Lösungen gesucht werden, und jeder müsse da einbezogen werden. Das ist keine Frage. Wir müssen eine Lösung suchen, bei der es keine verschiedenen Positionen gibt, die zu unterschiedlichen Beschäftigungsverhältnissen führen würden. Außerdem dürfen keine Zustände entstehen, bei denen die Beschäftigten dann sagen: Es ist Unsicherheit vorhanden.
Am Ende meiner Rede will ich darauf hinweisen, dass die Sachverhaltsaufklärung hinsichtlich der Beschäftigten noch eine Weile dauern wird. Das Bundesverfassungsgericht gibt nämlich keine eindeutige Lösung hinsichtlich dessen vor, was jetzt eigentlich getan werden muss. Vielmehr hat das Bundesverfassungsgericht mit seiner Entscheidung eine Vorschrift für verfassungswidrig erklärt. Es hat es aber unterlassen, konkrete Handlungsanweisungen zu geben, sodass es eine Fülle an Optionen gibt, die nun geprüft werden müssen.
Wir müssen das also erst einmal prüfen, um genau zu wissen, wie viele Beschäftigte tatsächlich betroffen sind. Wir haben bis zum 31. Dezember 2011 Zeit, eine Lösung zu finden, ohne dass bei den Beschäftigten Unsicherheit entstehen muss.
Ich finde, man muss deshalb fairerweise sagen: All das, was geschieht, muss unter dem Gesichtspunkt geschehen: Wir brauchen Sicherheit bei den Beschäftigten, wir brauchen aber keine Unruhe, die künstlich erzeugt wird.
(Beifall bei der CDU und der FDP – Lachen des Abg. Günter Rudolph (SPD) – Günter Rudolph (SPD): „Unruhe, die künstlich erzeugt wird“!)
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Ministerin, ich bin eine Gegnerin der Privatisierungsmaßnahmen. Aber auch ich habe nie gesagt, dass Privatisierung grundsätzlich gegen die Verfassung verstoße.
Die Verfassung lässt es zu, dass Regierungen schlechte Politik machen. Es gibt Regierungen, die schlechte Gesetze machen. Es gibt Regierungen, die das öffentliche Eigentum verscherbeln. Ihre Regierung ist das beste Beispiel dafür, dass schlechte Politik von der Verfassung geschützt wird.
Die Punkte, um die es ging und die verfassungsrechtlich bedenklich an Ihrem Gesetz waren, betrafen nicht die Privatisierung, die wir, politisch gesehen, für vollkommen falsch halten. Dabei ging es um die Frage der Freiheit der Wissenschaft. Außerdem ging es um die Frage, ob es ein Widerspruchsrecht für die Beschäftigten geben soll.
Frau Ministerin, Sie wurden damals bei der Privatisierung auch von den Sachverständigen darauf hingewiesen. Sie haben das auch so gesehen. Ich darf aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zitieren. Da kann man lesen – ich zitiere –:
Auch der hessische Landesgesetzgeber hatte in § 22 Abs. 7 UniKlinG im Zusammenhang mit der Überleitung von Landesbediensteten in den Dienst des Universitätsklinikums zunächst ein Widerspruchsrecht vorgesehen.
Sagen Sie also nicht, dass Ihnen die Problematik des Widerspruchsrechts vollkommen neu gewesen sei und dass Sie jetzt von dieser Entscheidung vollkommen erschüttert sind.
Natürlich gab es auch damals diese Bedenken. Zu fragen ist: Warum sind Sie davon abgewichen? – Da ist die Antwort doch ganz eindeutig. Das kann man in der Entscheidung nachlesen. Sie sind davon abgewichen, um die Privatisierung zu erleichtern. Sie wollten es sich leichter machen. Sie wollten sich nicht mit lästigen Reibereien auseinandersetzen.
Grundrechte der Arbeitnehmer kosten auch Zeit. Sie können eine Privatisierung verzögern. Deshalb haben Sie in Kauf genommen, gegen die Grundrechte der Beschäftigten und gegen die Verfassung zu verstoßen, um die Privatisierung gegen alle Widerstände durchzuziehen. Das kritisieren wir.
Ich finde die Gelassenheit, mit der Sie versuchen, hier darüber hinwegzugehen, ehrlich gesagt, fast schon dreist. Wir haben es hier mit einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu tun, die für die Landesregierung wirklich eine Klatsche ist. Da brauchen Sie nicht mit anderen Urteilen zu kommen. Das Bundesverfassungsgericht hat hier entschieden.
Das wäre ja so, als ob die Beschäftigten die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht mitbekommen hätten, wenn wir es nicht im Ausschuss thematisiert hätten. Frau Ministerin, das ist doch wirklich absurd. Natürlich gibt es da eine Verunsicherung. Nehmen Sie die ernst. Lenken Sie nicht davon ab.
Eines muss ich auch sagen: Herr Paulus, das Argument mit dem Wahlkampf ist wirklich ein ziemlich absurdes Argument. Ich halte es für zweifelhaft, dass das Bundesverfassungsgericht den Termin der Entscheidungsverkündung so wählt, dass die Opposition in Hessen ein Wahlkampfthema hat.
Ich möchte für die Partei DIE LINKE sagen, dass kein Mitglied des Bundesverfassungsgerichts Mitglied unserer Wahlkampfteams ist und dass unsere Wahlkampfstrategie auch nicht mit dem Bundesverfassungsgericht abgestimmt ist. Das ist wirklich vollkommen absurd.
Ja, wir müssen jetzt alle Optionen prüfen. Frau Dorn, ich sage auch ausdrücklich: Wir müssen auch die Option der Rückabwicklung prüfen. Das steht zu Recht in dem Antrag der Fraktion der SPD, den auch Sie sehr gelobt haben. Auch diese Möglichkeit muss geprüft werden.