Dringlicher Antrag der Fraktion der SPD betreffend Maßnahmen zur Stärkung des sensiblen Umgangs mit personenbezogenen Daten in Hessen – Drucks. 18/3806 –
Für die FDP spricht, wenn die Gespräche im Innenraum eingestellt worden sind, der Abg. Greilich. Herr Greilich, Sie haben das Wort.
Meine Damen und Herren, Herr Präsident! Datenschutz ist nach wie vor ein Schwerpunktthema für die FDP. Deswegen haben wir das auch heute zum Setzpunkt in dieser Plenarsitzung gemacht. Die technischen Entwicklungen sowie die Erweiterungen von Informations- und Kommunikationsdiensten bringen uns jede Menge Vorteile. Mobile Geräte und Smartphones ermöglichen den schnellen Austausch von Informationen. Kaum ein Politiker oder sonst jemand, der intensiv arbeitet, kommt ohne Blackberry oder ein ähnliches Gerät aus. Das erleichtert uns die tägliche Arbeit ungemein, wenn es auch manchmal etwas lästig werden kann, wie jeder hier weiß.
Auch soziale Netzwerke erfreuen sich immer größerer Beliebtheit. In Deutschland sind etwa 30 Millionen Nutzer bei den verschiedenen Internetgemeinschaften registriert. Das sind Facebook, Xing, die verschiedenen VZNetzwerke wie schülerVZ, studiVZ oder wer-kennt-wen. Allein bei Facebook sind ca. 10 Millionen deutsche Nutzer beteiligt. Deshalb ist es wichtig, dass sich die Politik um den Schutz dieser Bürger kümmert. Deshalb wollen wir eine Bundesratsinitiative zur Änderung des Telemediengesetzes. Wir wollen die Grundlage für einen weitreichenden Schutz der Nutzer sozialer Netzwerke vor Datenmissbrauch im Internet schaffen. Der Entstehung eines virtuellen Datenbasars werden wir Einhalt gebieten. Wir lassen die sozialen Netzwerke nicht zu Selbstbedienungsläden für Nutzerdaten werden.
Die technischen Entwicklungen haben dazu geführt, dass Daten schneller publik werden und Informationen immer schneller ausgetauscht werden. Jeder kennt jemanden, der jemanden kennt, der eine Information hatte, und so erreichen Nachrichten in kürzester Zeit einen riesigen Personenkreis. Das hat viele positive Auswirkungen. Zum Beispiel wird Nachrichtenunterdrückung auch in Ländern wie China oder jetzt im Nahen Osten immer schwieriger. Die Rolle des Internet und die Versuche, es zu blockieren, belegen das immer wieder. Aber es gilt auch, dass kaum noch etwas wirklich privat bleibt. Hier ist die Politik gefragt. Wir sagen als FDP sehr deutlich Ja zu neuen Technologien.
Wir sagen Ja zu neuen Kommunikationswegen. Wir sagen Ja zu schnellerer Informationsverbreitung. Wir sagen Ja zur Arbeitserleichterung. Aber zu Kontrollverlust über die eigenen Daten sagen wir sehr deutlich Nein.
Einige der Fragen, die sich in diesem Zusammenhang stellen, sind: Welche Inhalte sind privat? Wer darf diese lesen? Wer darf sie weiterleiten? Bekommt der betroffene Nutzer Kenntnis über die Weiterleitung? Hat er Möglichkeiten und Rechte, dort einzugreifen? Und kann er vor allem diese Rechte auch wahrnehmen?
Das sind die wichtigen Fragen, auf die wir eine Antwort finden müssen. Wo reicht der Hinweis auf die Eigenverantwortung der Benutzer nicht mehr aus? Denn wo, wie hier, der Einzelne seine Verantwortung nicht mehr aus üben kann und nicht mehr entsprechend handeln kann,
Erstens. Die richtigen institutionellen Voraussetzungen müssen vorhanden sein, also eine handlungsfähige, gut ausgestattete Datenschutzbehörde.
Zweitens. Es müssen rechtliche Rahmenbedingungen gegeben sein, die einen grundsätzlichen Schutz der Persönlichkeitsrechte vorschreiben und den Bürgern Möglichkeiten eröffnen, die Kontrolle ihrer eigenen Daten auch tatsächlich wahrzunehmen und diese Rechte nicht nur auf dem Papier zu haben, sondern sie auch ausüben zu können.
Deshalb hat die FDP die Neuordnung des Datenschutzes in Hessen im Koalitionsvertrag mit dem Koalitionspartner CDU verankert. Zunächst haben wir dort einen Prüfauftrag festgehalten. Jetzt sind wir fraktionsübergreifend dabei, die völlige Unabhängigkeit des Datenschutzbeauftragten zu gewährleisten und Ressourcen und Know-how in diesem Bereich zu bündeln.
Gut 40 Jahre nach Verabschiedung des weltweit ersten Datenschutzgesetzes passen wir in einer inzwischen völlig veränderten IT-Welt dieses Gesetz den neuen Gegebenheiten an. Wir setzen Hessen damit erneut an die Spitze.
Eine Arbeitsgruppe der vier Fraktionen von CDU, SPD, FDP und GRÜNEN hat hier seit gut einem halben Jahr intensiv miteinander verhandelt. Ich gehe davon aus und hoffe, dass wir noch am heutigen Nachmittag die Verhandlungen abschließen können. Wenn dann in ihren nächsten Sitzungen die Fraktionen dem Ergebnis zustimmen – und davon gehe ich angesichts der sorgfältigen Arbeit in dieser Gruppe und dem guten Ergebnis, das wir erzielt haben, aus –, dann werden wir rechtzeitig zum 1. Juli das neue Gesetz in Kraft setzen können. Damit werden wir einen Meilenstein bei der institutionellen Organisation des Datenschutzes setzen.
Neben diesen strukturellen Voraussetzungen gilt es aber auch, die rechtlichen Rahmenbedingungen im Auge zu behalten. Hier gibt es – das wird, so meine ich, durch die Entwicklungen der letzten Monate sehr genau belegt – eindeutigen Handlungsbedarf. Sehr ausführlich haben wir uns im vergangenen Jahr der Frage gewidmet, wie privat Aufnahmen im öffentlichen Raum sind und wie privat Wohnhäuser und Balkone bleiben müssen. Google Street View ermöglicht uns zwar, was recht angenehm ist, die Straßen unseres Urlaubsziels schon einmal vorab virtuell zu durchlaufen und uns anzuschauen, wo wir hinkommen, und ob wir überhaupt dorthin wollen. Doch spätestens bei der Herstellung der Öffentlichkeit im eigenen Wohnzimmer sollte einem doch langsam etwas mulmig werden.
Wir haben in Deutschland eine große Debatte um Facebook geführt. Mittlerweile sind bei Facebook Nutzer, denen man das vor wenigen Monaten kaum zugetraut hätte. Wir haben eine Bundesverbraucherschutzministerin erlebt, die versucht hat, sich mit dem großen Netzwerk anzulegen. Geblieben ist, dass Facebook eine Nutzerin ver
Ich will das zentrale Problem in Erinnerung rufen. Wenn Sie heute ein Profil in einem sozialen Netzwerk anlegen, besteht bei jedem Inhalt, den Sie dort hinterlegen, die Gefahr der sofortigen und unkontrollierten Veröffentlichung weltweit. Man kann hergehen und in mühevoller Kleinarbeit mit akribischem Lesen und Suchen in verschachtelten Untermenüs für jede einzelne Teilrubrik des Profils oder einzelne Aktionen die sogenannte Privatsphäreeinstellung anpassen. Aber selbst wenn man sich diese Mühe macht, kann es immer noch passieren, dass einem das gar nichts nutzt, weil der Betreiber am nächsten Tag seine Einstellungen insofern ändert, dass er die Standardeinstellungen tauscht und damit wieder alles auf ein anderes Niveau zurücksetzt. Wenn Sie dann Glück haben, haben Sie einen sogenannten Freund – es ist interessant, welche Freunde man bei Facebook findet –, der das entdeckt und Sie in einer Statusmeldung darauf hinweist, dass Sie achtgeben und wieder nacharbeiten müssen. Wenn Sie das überlesen, könnte es sein, dass mit einem Mal Dinge, die Sie in der Privatsphäre geglaubt haben, unkontrolliert in die Öffentlichkeit gelangen und weltweit zur Verfügung stehen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, deshalb wollen wir in Hessen vorangehen. Deshalb bereitet der Innenminister – ich sehe ihn gerade nicht; wahrscheinlich arbeitet er immer noch daran –
(Beifall bei der FDP – Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Er ist nur virtuell anwesend!)
einen Gesetzentwurf vor. Auch hier wird mit dem Innenminister Hessen Vorreiter sein. Wir werden mit dieser Bundesratsinitiative die Diskussion in der Bundesrepublik insgesamt voranbringen.
Aus Zeitgründen will ich nur noch zwei Punkte hervorheben. Weitere können Sie unter Punkt 7 in unserem Antrag nachlesen.
Erster und zentraler Aspekt der Bundesratsinitiative ist die Verpflichtung des Anbieters zur Benutzung der höchs ten verfügbaren Sicherheitseinstellung als Standard und die alleinige Befugnis des Nutzers, diese Standards zu ändern.
Zweitens. Damit aus Selbstverpflichtung der Anbieter nicht Selbstverweigerung der Nutzer wird, muss gewährleistet sein, dass die Benutzerkonten in sozialen Netzwerken von den Nutzern selbst einfach und endgültig gelöscht werden können.
Heute, das darf man sagen, wird die virtuelle Existenz des Betroffenen eben nicht gelöscht, wenn man versucht, ein solches Nutzerkonto zu löschen. Es bleibt einfach alles erhalten. Das Netz vergisst nichts. Wir wollen, dass es wenigstens in den Bereichen, wo es technisch möglich ist, vergessen können soll. Oder um es kurz zu sagen: Um die Entstehung von asozialen Netzwerken zu vermeiden, muss sich das Prädikat „sozial“ nicht nur auf das Verhältnis der Nutzer untereinander, sondern auch auf den Umgang des Anbieters mit den Nutzerdaten beziehen.
und Hessen ist Vorreiter beim Datenschutz. Bei allen wichtigen und richtigen organisatorischen, institutionellen wie rechtlichen Aspekten bleibt unter dem Strich der wichtige Hinweis, dass der beste Datenschutz immer noch die Datensparsamkeit ist. Da der sorglose Umgang mit personenbezogenen Daten heute eine der größten Herausforderungen in diesem Bereich ist, sollte eine bundeseinheitliche gesetzliche Regelung – mit der Vorbereitung ist der Innenminister jetzt fertig; er ist jetzt wieder bei uns – zügig beraten werden, um den notwendigen Schutz der Bürger schnell zu verbessern.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bin sehr zuversichtlich. Ich bedanke mich für die hoffentlich breite Unterstützung für die Initiative dieser Koalition und unseres Innenministers. Ich gehe davon aus, dass Sie alle bei uns sind, jedenfalls soweit Sie es mit dem Datenschutz in Deutschland ernst meinen.
Schönen Dank, Herr Kollege Greilich. – Bevor ich Ihnen, Frau Faeser, für die SPD das Wort gebe, begrüße ich noch unsere frühere Kollegin Elisabeth Apel auf der Besuchertribüne. Herzlich willkommen.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Herr Greilich, ja, wir meinen es mit dem Datenschutz in Hessen sehr ernst. Wir waren die Vorreiter in Hessen, und wir werden deshalb heute auch dem Antrag von CDU und FDP zustimmen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Minister Jörg-Uwe Hahn: Ui! Versöhnliche Weiber- fastnacht!)
Die Stärkung des Datenschutzes hat für uns Sozialdemokraten in Hessen eine ganz besondere Bedeutung, wie man an der aktuellen Zusammenlegung des privaten und des öffentlichen Datenschutzes sehen kann. Ich bin ebenso wie der Kollege Greilich zuversichtlich, dass wir uns heute noch einigen. Aber auch in der gesamten Historie des Datenschutzes in Hessen kann man das erkennen. Wir waren in Hessen beim Datenschutz früher – Herr Greilich, Sie haben es gesagt –, unter Rot-Grün, führend,
nicht nur in Deutschland, sondern wir waren bei der Schaffung des ersten Datenschutzgesetzes sogar weltweit führend. Ich denke, das sollte man hier auch einmal erwähnen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN) – Minister Jörg-Uwe Hahn: Das war sozialliberal!)