Protokoll der Sitzung vom 01.04.2009

(Beifall des Abg.Torsten Warnecke (SPD))

Wir nehmen die Interessen der Menschen und der Umwelt ernst. Allerdings gewichten wir die Punkte Versorgungssicherheit, kostengünstige Energie und Umweltverträglichkeit gleich. Das unterscheidet uns ganz besonders von den GRÜNEN. Für Sie stehen alle Entscheidungen unter dem Diktat der Umweltfragen, der CO2-Bilanz. Sie hören und sehen nur das, was in Ihr Weltbild passt. Wir wollen eine Interessenabwägung. Sie wollen einen der drei abzuwägenden Faktoren über alles andere stellen. Kommen Sie von diesem ideologisierten Weg in der Energiepolitik endlich ab.

(Beifall bei der FDP – Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Energieversorgung eines Landes ist eine Überlebensfrage. Ich habe das am Beginn meiner Rede angeführt. Sie wollen in dieser existenziellen Frage unserer Gesellschaft eine Lösung rein unter Umweltgesichtspunkten diktieren. Das ist nicht in unserem Sinne. Passen Sie auf, dass Sie auf diesem Wege nicht endgültig in die Ökodiktatur abgleiten.

(Beifall bei der FDP – Lachen bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Rock. – Das Wort hat Frau Kollegin Wissler für die Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Das Interesse der CDU-Fraktion an dieser „Überlebensfrage“, wie sie Herr Rock genannt hat, scheint ja immens zu sein, wenn ich mir anschaue, wie sich Ihre Reihen bei diesem Tagesordnungspunkt gelichtet haben.

(Wolfgang Greilich (FDP): Das ist das fehlende Interesse an Ihnen!)

Wir können ja durchzählen, aber ich kann Ihnen sagen, von hier vorne sieht es nach relativ wenigen Abgeordneten aus.

Der Antrag von CDU und FDP könnte auch überschrieben sein mit den Worten: zu wenig und zu spät. – Die Landesregierung kündigt jetzt an, ein Konzept zu erarbeiten, wie in den nächsten zehn Jahren 20 % des Energiemix aus erneuerbaren Energien gedeckt werden können.

Wir brauchen aber keine neuen Studien und keine neuen Konzepte, sondern wir brauchen endlich Aktionen. Gute Konzepte liegen seit Langem vor. Wir haben im letzten Jahr eine dreitägige Anhörung durchgeführt. Die Probleme, über die wir hier reden, sind nicht neu. Sie werden in manchen Kreisen – bei Ihnen noch nicht – schon seit Jahrzehnten diskutiert.

Dem Wachstum auf der Grundlage fossiler Brennstoffe sind Grenzen gesetzt.Wir haben nicht ewig Zeit, denn das Klima verändert sich schon jetzt dramatisch. Die Gesundheit der Menschen in den Industriestaaten leidet unter der hohen Belastung der Luft mit Schadstoffen. Die Menschen in anderen Teilen der Welt leiden schon jetzt unter Umweltkatastrophen infolge einer völlig unverantwortlichen Energie- und Verkehrspolitik.

Die Aufgabe, die Energieversorgung, wie Sie in Ihrem Antrag schreiben, „in ausreichender Menge, umweltverträglich … und preiswert“ zu sichern, hätte längst angegangen werden können. Ich fürchte, nachdem die Landesregierung das Thema in der Vergangenheit hat schleifen lassen oder, besser gesagt, die Energiewende blockiert hat, dass auch die jetzige Ankündigung am Ende wieder eine Ankündigung bleibt. Der klägliche Anteil von 5 % erneuerbaren Energien am Energiemix in Hessen spricht Bände.

Frau Lautenschläger, wo immer sich die Gelegenheit bietet, präsentieren Sie sich als Verteidigerin der Atom- und Kohlelobby.Wir wollen kein Comeback der Atomenergie. Dass die Atomenergie keine Antwort auf die drängenden

Fragen der Energieversorgung bietet, wissen die meisten Menschen seit dem Reaktorunfall von Tschernobyl. Dieser Unfall hat bis heute 70.000 Menschen das Leben gekostet und weite Teile Europas radioaktiv verseucht. Kleine Unfälle, bei denen Radioaktivität freigesetzt wird, ereignen sich in den 440 Kernkraftwerken, die weltweit am Netz sind, praktisch am laufenden Bande. Es ist auch unverantwortlich, sich auf irgendwelche geringen statistischen Wahrscheinlichkeiten zu verlassen; denn sollte es in einem deutschen Atomkraftwerk einmal ernsthaft knallen, dann wären die Folgen von niemandem zu verantworten oder zu reparieren.

In der Frage der Abwehr terroristischer Gefahren argumentieren gerade die Innenpolitiker der CDU-Fraktion sehr viel gefahrenbewusster als in der Frage atomarer Katastrophen, die weit mehr Menschen treffen und schädigen können als jeder Terroranschlag.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn Ihnen das Sicherheitsbedürfnis der Menschen, das Ihnen ja sonst so sehr am Herzen zu liegen scheint, wirklich wichtig ist, dann sollten Sie sich für den Ausstieg aus der Atomenergie einsetzen.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Kernenergie ist trotz der Werbekampagne der Kraftwerksbetreiber keine saubere Energiequelle, nicht nur aufgrund des ungelösten Problems der Endlagerung. Wo dieser Abfall hin soll,wo er sicher zu lagern ist,darauf gibt es nach wie vor keine Antwort.

(Zuruf des Abg. Clemens Reif (CDU))

Sie behaupten, die Kernenergie sei klimafreundlich, da die Kernkraftwerke direkt kaum CO2 ausstießen.Das ist so falsch wie die Annahme, der Strom komme einfach aus der Wand. In die Berechnung gehören nämlich auch der Ressourcenverbrauch beim Bau und Erhalt der Werke sowie die für den Abbau und die Anreicherung von Uran erforderlichen Energieaufwendungen.

Wenn man die gesamte Produktionskette betrachtet,stellt man fest, dass die Kernenergie bei Weitem keine saubere Technik ist – nicht im Hinblick auf die Luftbelastung und schon gar nicht im Hinblick auf die atomaren Abfälle, die sie produziert. Nur in den Kreisen der Atomlobby schweigt man sich über diese offenkundige Tatsache aus.

Die Kernkraftwerkbetreiber verdienen jährlich 300 Millionen c an jedem abgeschriebenen Kraftwerk, d. h. besonders an den alten und unsicheren Kraftwerken, deren Laufzeiten sie deshalb gern verlängern wollen.

Im Verhältnis zu diesen 300 Millionen c sind die 150.000 c, die E.ON Jahr für Jahr CDU und FDP spendet, ziemlich wenig. Eine so konsequente Interessenvertretung sollte dem Unternehmen eigentlich viel mehr wert sein, wie ich feststellen muss, wenn ich mir die Politik Ihrer Landesregierung anschaue.

(Beifall bei der LINKEN)

Im Fall von Biblis A hat all das nichts genützt. Das Bundesverwaltungsgericht hat gegen die Atomlobby entschieden, und das begrüßen wir ausdrücklich.

Der Ausstieg aus der Atomenergie ist und bleibt richtig. Deshalb bitte ich Sie, unserem Antrag zuzustimmen.

Bei der Kohle ist es ein bisschen leichter erkennbar, wer den Dreck in die Umgebung bläst und die Anwohner mit Ruß und Kohlenstoffdioxid belastet. Mit dem Bau von

Block 6 des Kraftwerks Staudingers wird sich der CO2Ausstoß dieser Anlage fast verdoppeln. Da hilft es auch nicht, wenn der Bundesumweltminister Gabriel behauptet, dass der Neubau von Kraftwerken keine Erhöhung des CO2-Ausstoßes bewirke.

Wenn wir heute im Landtag mit Ihrer Mehrheit über diese realitätsfernen Plattitüden abstimmen, haben die Menschen in der Umgebung von Staudinger trotzdem das Problem,dass Staudinger nun pro Jahr statt 5 Millionen t CO2 pro Jahr 9 Millionen t CO2 ausstoßen wird. Das können Sie gern anders entscheiden und anders beschließen. Ich glaube aber,dass sich die chemischen Reaktionen bei Verbrennungen wenig von Landtagsbeschlüssen und auch wenig von Aussagen des Bundesumweltministers beeindrucken lassen.

(Beifall bei der LINKEN)

Deshalb wird die LINKE auch weiterhin die Bürgerinitiative „Stopp Staudinger“ unterstützen. In Berlin hat Vattenfall die Pläne fallen gelassen, ein neues Kohlekraftwerk zu bauen. Das macht deutlich, dass öffentlicher Druck Wirkung zeigen kann, wenn er denn stark genug ist.

Der geplante Neubau konterkariert die von der Landesregierung verkündete Umorientierung zur Nachhaltigkeit und zu einer modernen, die Ressourcen schonenden Energiepolitik.Angesichts der dramatischen Entwicklung des weltweiten Klimas ist eine vollständige Umstellung auf erneuerbare Energien notwendig. Stattdessen zementieren Sie für Jahrzehnte eine klimafeindliche und veraltete Technik.

(Beifall bei der LINKEN)

Es ist unaufrichtig, zu behaupten, dass ein vollständiger Umstieg technisch nicht zu machen sei. Machbarkeitsstudien hierzu liegen von verschiedenen Instituten und Wissenschaftlern vor. Das Schreckensszenario, wonach in Hessen und sogar in ganz Deutschland die Lichter ausgehen könnten, ist eine reine Marketingpropaganda der vier großen Energiekonzerne, die von Atom und Kohle reichlich profitieren.

(Lachen bei der CDU)

In den letzten Jahren stiegen die Strompreise in Höhen, die sowohl die EU-Kommission als auch die Bundesregierung für volkswirtschaftlich bedenklich halten. Der Hintergrund dafür waren Spekulationen an den Rohstoffmärkten. Eine staatliche Regulierung ist notwendig. Die Liberalisierung des Strommarktes hat bisher nur dazu geführt, dass sich die Energiekonzerne noch schamloser bereichern konnten als zuvor.

(Frank Lortz (CDU): Na, na, na!)

Die Energiemonopolisten gehören durch die Öffentlichkeit kontrolliert, sowohl im Hinblick auf die Preisbildung als auch im Hinblick auf den Ausbau ihrer Infrastruktur. Die Energieversorgung ist ein Teil öffentlicher Daseinsvorsorge und gehört deshalb in die öffentliche Hand.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Monopole sind natürlich daran interessiert, dass sich der falsche Eindruck verbreitet, es gebe keine Alternative zu ihren Anlagen. Es gibt aber, wie meistens im Leben, auch hier sehr wohl Alternativen. Die optimistischen Schätzungen gehen davon aus, dass man in den nächsten Jahren durch Energieeinsparung, Energieeffizienz und

den Ausbau erneuerbarer Energien bis zu 100 % des Stroms aus erneuerbaren Energien erzeugen kann.

(Lachen bei der CDU)

Dass sich die Landesregierung trotzdem nur einen Anteil von 20 % zum Ziel setzt, zeugt von absoluter Verantwortungslosigkeit.

(Zurufe von der CDU)

Indem Sie an Atom und Kohle festhalten, putzen Sie das Messing auf der Titanic. Der Eisberg naht, und Sie sind nicht in der Lage, das Ruder herumzureißen. Dummerweise sitzen Sie aber nicht alleine im Boot.

(Beifall bei der LINKE – Zurufe von der CDU)

Bundesweit liegt der Anteil erneuerbarer Energien bei mehr als 13 %: doppelt so hoch wie in Hessen.

Hier finden sich Potenziale gerade auch im Hinblick auf die Schaffung von Arbeitsplätzen. Nach Angaben des Bundeswirtschaftministeriums waren 2007 in der herkömmlichen Stromwirtschaft noch 121.500 Menschen beschäftigt. Seit dem Beginn der Strommarktliberalisierung im Jahr 1998 sind es 40.000 Arbeitsplätze weniger. Ich sage das einmal für die CDU: Das entspricht in der Größenordnung der Zahl der Arbeitsplätze, die durch den Flughafenausbau entstehen sollen, jedenfalls nach den Zahlen, von denen Sie dort ausgehen.

(Frank Lortz (CDU): Na, na, na!)