Protokoll der Sitzung vom 13.04.2011

Deshalb machen wir Politik für die Schulen, denn sie sind das Herz jeder Bildungspolitik.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Diese Leitlinie bestimmt die Schulpolitik der Landesregierung. Diese Leitlinie führt dazu, dass wir trotz aller Sparbemühungen die Unterrichtsversorgung und die Unterrichtsqualität verbessern. Wir sparen nicht an der Bildung. Aber wir sparen an der Bildungsverwaltung. Seit 1997, als ich bildungspolitische Sprecherin der FDPLandtagsfraktion wurde, habe ich bei jedem Schulbesuch gehört: zu viel Bürokratie, zu viele Vorschriften, zu viel Gängelung.

(Zuruf der Abg. Heike Habermann (SPD))

Jetzt untersuchen wir im Kultusministerium mit einer Kommission zur Aufgabenkritik jede einzelne Stelle in der Bildungsverwaltung daraufhin, ob sie eine Bedeutung, ob sie eine Notwendigkeit hat, gerade in Bezug auf die kritisierte Gängelung der Schulen. Wir wollen, dass die

Verwaltung schlanker und effektiver wird. Das ist ein schmerzhafter Prozess; denn Loslassen von Aufsicht und Gewähren von Freiheit setzen Vertrauen voraus und bedingen auch das Risiko, es könnte an der einen oder anderen Stelle schiefgehen. Das ist ein langwieriger Prozess, denn auch nach bestimmten Grundsatzentscheidungen in der Umsetzung wird er einige Jahre dauern.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Es ist ein Prozess, den die große Mehrheit der Schulen so will. Es ist aber auch ein Prozess, der dringend nötig ist, wenn wir das Gebot der Schuldenbremse einhalten wollen. Diese Entscheidung von 70 % der Bürgerinnen und Bürger in diesem Land hat konkrete Folgen auf alle Bereiche der Politik. Trotz der Sparvorgaben kämpfe ich aber mit aller Macht um die Erreichung des Ziels der 105prozentigen Lehrerzuweisung für jede Schule bis zum Ende der Legislaturperiode. Frau Habermann, am Ende der Legislaturperiode ziehen wir Bilanz. Dann werden wir sehen, was wir versprochen und was wir auch gehalten haben.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Wir werden mit Beginn des nächsten Schuljahres für alle Schulen einen ganz kleinen Schritt in diese Richtung gehen. Wir werden den selbstständigen beruflichen Schulen, wenn sie mit der Selbstständigkeit im Jahr 2012 beginnen, eine 101-prozentige Lehrerzuweisung geben.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Seit Beginn dieser Legislaturperiode haben die hessischen Schulen bereits 2.150 Lehrerstellen mehr erhalten. Das bedeutet, in Geld und dafür bezahlte Personen gerechnet, ein Vielfaches an personeller Unterstützung in den einzelnen Schulen. Wir sind also auf einem guten Weg, das Ziel zu erreichen, wie in der Koalitionsvereinbarung verabredet, in dieser Legislaturperiode 2.500 zusätzliche Stellen zu schaffen. Wir haben die Klassen verkleinert und die Ganztagsangebote ausgebaut. Im kommenden Schuljahr haben schon 788 Schulen Ganztagsangebote. Diese Zahl hat sich seit 1999 verfünffacht.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Sehr richtig!)

Schwarz-Gelb hat der Bildung in Hessen immer oberste Priorität eingeräumt. Das wird allein daran deutlich, dass in den vergangenen zehn Jahren der Kultusetat um 1 Milliarde € von rund 2,3 Milliarden auf 3,3 Milliarden € erhöht wurde.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Bei einem Vergleich der Bildungsausgaben liegt Hessen bundesweit auf einem Spitzenplatz. Nach dem Bildungsfinanzbericht 2009 des Statistischen Bundesamtes lag Hessen bei den Ausgaben der öffentlichen Haushalte für Bildung mit 951,9 € je Einwohner pro Jahr an der Spitze aller Bundesländer. Hinter uns folgt Baden-Württemberg, und Bayern nimmt den Platz 4 ein. Wir liegen an der Spitze aller Bundesländer.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Eine weitere Ausgabensteigerung allein erzeugt allerdings noch keine bessere Bildungspolitik. Dazu führt der Sankt Gallener Professor Rolf Dubs zum Thema Bildung und Wirtschaft aus – ich zitiere –:

Noch immer herrscht vielerorts die Meinung vor, es bestünde ein linearer Zusammenhang zwischen dem Einsatz von finanziellen Mitteln und der Qualität der Schule. Die Forschung zeigt indessen, dass immer dann, wenn eine angemessene Höhe der Bildungsausgaben erreicht ist, nicht mehr der Zuwachs der Mittel, sondern deren Verwendung... qualitätsentscheidend ist.

Hessen hat die angemessene Höhe erreicht. Deshalb konzentrieren wir uns jetzt darauf, die Mittel so effektiv wie möglich zur Steigerung der Qualität in den Schulen einzusetzen. Das heißt für die Umsetzung der Einsparungen: Am Unterricht wird nicht gespart.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Auch wenn es nun Presseberichte über mögliche Einsparungen gibt: Alle sind reine Spekulation. Mehr werde ich dazu hier und heute auch nicht sagen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Eines ist jedoch klar: Wir werden die Bildungsverwaltung neu strukturieren und effektiver gestalten, um sie den Bedürfnissen der selbstständigen Schule anzupassen. Frau Habermann, da haben Sie schon Ihre Zustimmung signalisiert. Ich bin gespannt, ob Sie noch zustimmen, wenn das Ganze konkreter wird.

(Wolfgang Greilich (FDP): Da sind wir alle sehr gespannt!)

Ich kann sehr gut verstehen, dass in allen Behörden Unsicherheit, Angst und Unmut herrschen. Die Motivation für gute Arbeit wird natürlich empfindlich gestört, wenn man nicht weiß, wie es weitergehen soll und was genau auf jeden Einzelnen persönlich zukommt. Ich bitte daher alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bildungsverwaltung um ein kleines bisschen Geduld. Wir werden noch im Sommer einen Plan zur Neuorganisation vorlegen, der dann langfristig umgesetzt wird. Besonders an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Staatlichen Schulämter appelliere ich ganz persönlich: Lassen Sie sich bitte nicht von den ganzen Gerüchten um Standorte in Ihrem Bemühen um einen guten Schulstart 2011/2012 beirren. Unser gemeinsames Bemühen sind gute Schulen mit gutem Unterricht. Ich arbeite und kämpfe dafür, dass uns dieses Vorhaben weiterhin gelingt. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Zuruf des Abg. Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Vielen Dank, Frau Staatsministerin Henzler. – Meine Damen und Herren, es gibt keine weiteren Wortmeldungen. Die Aussprache ist beendet.

Es wird vorgeschlagen, beide Anträge, den Antrag der LINKEN und den Dringlichen Antrag der Fraktion der SPD, an den Kulturpolitischen Ausschuss zu überweisen. – Das trifft auf allgemeine Zustimmung und große Freude. Dann wird das so gemacht.

Dann rufe ich den Tagesordnungspunkt 6 auf:

Große Anfrage der Abg. Cárdenas, Schaus, Schott, van Ooyen, Dr. Wilken, Wissler (DIE LINKE) und Fraktion betreffend Verantwortung der Landesregierung für dro

hende Aberkennung des Biosphärenreservats-Status der Rhön durch die UNESCO – Drucks. 18/2569 zu Drucks. 18/2005 –

Vereinbart ist jetzt eine Redezeit von fünf Minuten je Fraktion. Das ist eine Vereinbarung der Geschäftsführer. Es beginnt der Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE, Willi van Ooyen.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Weltweit gibt es 564 UNESCO-Biosphärenreservate in 109 Ländern. In Deutschland haben neben der Rhön weitere 14 Regionen diesen UNESCO-Status erhalten.

Anlass für unsere Große Anfrage ist die Befürchtung, der Rhön könne dieser UNESCO-Status im Jahr 2013 aberkannt werden. Über eine mögliche Aberkennung würde der Internationale Koordinierungsrat der UNESCO des Programms „Man and the Biosphere“ – zukünftig: der Internationale Koordinierungsrat – entscheiden.

Die Landesregierung versicherte uns in ihrer Antwort auf diese Große Anfrage, sie werde das nach ihrer Auffassung wichtigste Instrument nutzen und das Kernzonendefizit beseitigen.

Die fehlende Kernzonenfläche ist jedoch nur eines der Kriterien, welche den UNESCO-Status gefährden. Die Schlagworte zu weiteren Fehlstellen lauten: gescheiterte Zonenfestlegung des Biosphärenreservats, falsche Kernzonenstatistik und fragwürdige Evaluationspraxis.

Die Länder wollen das Kernzonendefizit bis zum Jahr 2013 anscheinend mit demselben definitorischen Trick beheben, den sie bereits anlässlich der ersten Statusüberprüfung im Jahr 2003 anwandten. Damals war ihre Kernzonenstatistik das Ergebnis eines definitorischen Tricks, wie ich schon sagte. Er bestand darin, das Naturschutzgebiet Haderwald innerhalb des Truppenübungsplatzes Wildflecken als Kernzone auszuweisen und in den Evaluierungsbericht 2013 mit 1.400 ha in die Bilanz einzustellen.

Durch unsere Große Anfrage erfuhr jetzt die interessierte Öffentlichkeit, dass diese beiden Flächen verwaltungsintern gar nicht als Kernzone gelten. Symbolisiert werden sie als „Zielkernzone“ oder als „Kernzonenentwicklungsfläche“. Diese Flächen sind jedoch keine Kernzonen eines UNESCO-Biosphärenreservats im Sinne von Art. 4 Abs. 5 der ICC-Leitlinien. Die Leitlinien kennen keine „Zielkernzone“ und auch keine „Kernzonenentwicklungsfläche“.

Die Führungsrolle übernahm das MAB-Nationalkomitee, weil es mit seinen Evaluierungsberichten bestätigen muss, ob die 3-%-Norm, die Ausweitung der Kernzone, erfüllt worden ist. Zu diesem Zweck griff es in die inzwischen erprobte Definitionskiste und machte auf die „grundsätzliche Eignung“ des Truppenübungsplatzes Wildflecken als Kernzone aufmerksam.

In diesem Zusammenhang rät das bundesdeutsche MABKomitee den Parteien, auch den bayerischen Teil des Truppenübungsplatzes Wildflecken weitgehend als Kernzone in das Biosphärenreservat einzubeziehen. Die Einbeziehung des Truppenübungsplatzes böte „vielfältige Möglichkeiten der Zusammenarbeit des Naturschutzes mit den militärischen Einrichtungen, die beispielhaft für das Weltnetz der Biosphärenreservate sein“ könnte. Damit übernähme das Biosphärenreservat Rhön eine wich

tige Aufgabe zur Fortentwicklung des Weltnetzes der Biosphärenreservate der UNO. Es würde nämlich Militärflächen eine „wichtige Aufgabe zur Fortentwicklung des Weltnetzes der Biosphärenreservate der UNESCO“ zuweisen.

Meine Damen und Herren, das ist in aller Welt einmalig und an Absurdität kaum zu überbieten. Die Hauptaufgabe der UNESCO-Modellregionen ist es, gemäß der Rio-Deklaration von 1992, die friedliche und nachhaltige Entwicklung von Gesellschaften beispielhaft voranzutreiben. Mit der aberwitzigen Idee, die Rhön gleichzeitig als UNESCO-Modelllandschaft und als Kriegsübungslandschaft zu entwickeln, verabschiedet sich Deutschland von dem Nachhaltigkeitsprogramm der UNESCO und dessen friedenspolitischer Ausrichtung.

Vielleicht sollte eine Mitarbeiterin der zuständigen Abteilung im Umweltministerium die Vorsitzende des MABNationalkomitees gelegentlich darauf hinweisen, dass der zwischen 1938 und 1945 von Wehrmacht und SS genutzte Kriegsübungsplatz nicht deshalb kernzonentauglich wird, weil ihn die Bundeswehr seit 1994 für ihre Zwecke nutzt.

Diese Ausführungen machen deutlich, dass ohne eine Entmilitarisierung eine neuerliche Anerkennung der Rhön als internationale UNESCO-Modellregion kaum gelingen dürfte. Eine friedliche, nicht militärische Nutzung ist nach den Kriterien des UNESCO-Programms – an die auch das deutsche MAB-Komitee gebunden ist – eine zentrale Voraussetzung für die Zuerkennung des Status eines Biosphärenreservats.

Herr Kollege van Ooyen, Sie müssen zum Schluss kommen.

Daher fordern wir in Übereinstimmung mit der UNESCO Kriterien für internationale Modellregionen, die Aufgabe des Truppenübungsplatzes Wildflecken und eine Entmilitarisierung der Region.

Wir werden nicht tatenlos zusehen und, zusammen mit der Friedens- und Ökologiebewegung, für eine Entmilitarisierung der Rhön und den Erhalt des Biosphärenreservats eintreten. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Herzlichen Dank. – Das Wort hat der Kollege Lenders, FDP-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Was ist das Biosphärenreservat? Es ist der gelungene Schulterschluss, um Naturschutz und Menschen in Einklang zu bringen – eine Idee, die von großen Liberalen in Hessen vorgedacht wurde: von Otto Wilke, dem ehemaligen Fraktionsvorsitzenden der FDP im Hessischen Landtag, und auch von Heinrich Heß, der sozusagen als Vater des Biosphärenreservats gilt.