Protokoll der Sitzung vom 13.04.2011

Herr Siebel, kommen Sie bitte zum Schluss.

Ich komme zum Schluss. – Darüber hinaus soll die städtebauliche Funktion von Wohnquartieren erhalten bleiben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ein Gesetz zur Wohnraumförderung muss im Kern die Definition der Zielgruppen, die Schwerpunkte der Förderung, die Ausweitung des Förderungsgegenstands und ökologische Standards beinhalten. Herr Präsident, mein letzter Satz. Ich habe mit der Aussage begonnen: „Wohnen gehört zu den Grundbedürfnissen eines jeden Menschen.“ Wer in Hessen den Anspruch erhebt, eine sozial gerechte Wohnungspolitik zu betreiben, muss sich ernsthaft mit unseren Vorschlägen für ein hessisches Wohnungsförderungsgesetz auseinandersetzen. Sonst droht in unserem Land noch mehr der Zerfall in arme und reiche Regionen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Siebel. – Für die CDU-Fraktion hat sich Herr Kollege Milde zu Wort gemeldet. Herr Milde, bitte.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Was Herr Kollege Siebel eben vorgetragen hat, ist in der Sache völlig überzogen, denn es gab in den letzten Jahren auch im Hessischen Landtag immer einen breiten Konsens in der Wohnungspolitik. Das Ergebnis war unter anderem, dass schon 1998 die Wohnungsbaudarlehen in die Helaba als stille Einlagen eingebracht wurden. Das wird im Moment diskutiert. Darin, dass die Erträge zum großen Teil für die Wohnungsförderung in Hessen verwendet werden, war man sich in diesem Hause immer einig, und das war auch eine vernünftige Lösung.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Ich will Ihnen auch ganz klar sagen: Die CDU-Fraktion steht hinter der Wohnungspolitik, die in den letzten zwölf Jahren und auch davor gemacht wurde, weil Deutschland im Konzert der europäischen Länder eine einmalige Wohnungspolitik gemacht hat.

Nach dem Zweiten Weltkrieg hat es Deutschland mit einem beispiellosen Kraftakt geschafft, dass wir keine Verslumung hatten. Wir haben es mit dieser gezielten Objektund Subjektförderung hinbekommen, dass es in der Wohnungspolitik immer eine soziale Ausgewogenheit gegeben hat und dass man sich um die wenigen entstanden sozialen Brennpunkte in den objektgeförderten Quartieren intensiv gekümmert hat, anders als in vielen anderen europäischen Nachbarländern. Hierüber gab es immer Einigkeit, und ich will eindeutig betonen, dass diese Politik in Deutschland, gerade in Hessen, sehr erfolgreich gewesen ist.

Meine Damen und Herren, die erfolgreiche Mischung aus Objekt- und Subjektförderung hat auch dazu geführt, dass wir irgendwann mal die Fehlbelegungsabgabe eingeführt haben, weil Menschen nach einem gewissen Zeitraum mehr verdienten, die einmal einen Sozialbindungsschein hatten und in Sozialwohnungen einziehen durften, wo also der Staat mit eigenen Zuschüssen ein Objekt gefördert und die Wohnungsbaugesellschaft diese Wohnungen

dann bewirtschaftet hat und sich mit den Mietern auf nied rige Mieten einigen musste.

Wenn die Mieter dann irgendwann mehr Geld verdienen, sollten sie auch eine Abgabe zahlen. Darüber bestand am Anfang Konsens. Den gab es aber nur am Anfang. Seit mindestens zehn Jahren gibt es nicht nur in Hessen, sondern in Deutschland eine breit angelegte Diskussion darüber.

Im Übrigen haben alle anderen Bundesländer bis auf Rheinland-Pfalz, wo es sie noch in Teilen gibt – da gibt es noch ein paar Kommunen, die die Fehlbelegungsabgabe erheben –, die Fehlbelegungsabgabe als solche aufgegeben. Insofern wäre es auch nicht skandalös, wenn wir in Hessen die Geltungsdauer der Fehlbelegungsabgabe nicht verlängern würden. Vielmehr wäre es eine konsequente Folge aus dem, was in allen anderen Bundesländern Deutschlands bereits passiert ist.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP)

Es gibt da eine Forderung. Es stimmt, dass die Wohnungsbauverbände einstimmig sagen: Regelt mit einem Wohnraumfördergesetz, wie das in Hessen in Zukunft aussehen soll, wo also die Einkommensgrenze liegen soll und welche Ziele es geben soll, fasst das alles zusammen.

Wir leben aber doch jetzt nicht in einem rechtsfreien Raum. Wir haben doch auch jetzt gesetzliche Regelungen, mit denen genau festgelegt ist, wo die Einkommensgrenzen sind und wie wir mit dem Geld umgehen, das wir für den Wohnungsbau ausgeben.

Es geht dabei um die Frage, ob die Fehlbelegungsabgabe eher förderlich war. Wir reden über 40 Millionen € in einem Bezugszeitraum von drei Jahren. Es ist richtig, dass die Kommunen das Geld im Wesentlichen noch für den sozialen Wohnungsbau verwenden konnten.

Im Wesentlichen waren es aber auch die Kommunen und vor allen Dingen die Wohnungsbaugesellschaften, die gesagt haben, dass diejenigen Mieter, die mit ihrem Einkommen über die Grenze beim sozialen Wohnungsbau hinausgewachsen, aber dageblieben sind, für die soziale Durchmischung sorgen, die zwingend notwendig ist, damit keine sozialen Brennpunkte entstehen oder damit sie wirksam bekämpft werden können.

Insofern gibt es diese beiden Positionen. Ich gebe offen zu, dass es, sofern sich die Menschen damit überhaupt beschäftigen, quer durch alle Reihen geht, wie man dazu steht. Aber es wäre garantiert kein Skandal, wenn die Fehlbelegungsabgabe nicht weiterverfolgt würde.

Eines ist aber auch richtig. Deswegen wollen wir mit unserem Dringlichen Antrag festlegen, dass wir darüber nachdenken sollten, ob die gesetzlichen Regelungen, die wir jetzt haben, und unsere Wohnungspolitik, die wir ohnehin machen, in ein zusammenfassendes Wohnraumfördergesetz eingebracht werden sollten. Denn wir stehen vor Aufgaben.

Wir müssen uns in der Tat die Einkommensgrenzen noch einmal genau anschauen. Wir müssen schauen, wie die Mittel der Objektförderung in Zukunft eingesetzt werden sollen.

Natürlich werden sie im Wesentlichen nur noch in den Ballungsräumen eingesetzt werden. Denn die Förderung von Neubauten in Gegenden, in denen kein Zuzug besteht oder in denen der demografische Wandel dazu führt, dass dort immer weniger Menschen leben, wäre eine blödsinnige Subventionierung.

Allerdings brauchen wir gerade dort, wo es die großen Bestände gibt, massiv Geld, um sie zu verändern. Wir haben gestern die große Energiedebatte geführt. Wir werden auch Geld in die energetische Sanierung des Bestandes stecken müssen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP)

Wir werden der demografischen Entwicklung gerecht werden müssen. Das heißt, wir brauchen altersgerechte Wohnungen. Das werden wir in Zukunft fördern müssen.

Neben dem altersgerechten und dem umweltgerechten Wohnen müssen wir uns natürlich in den Ballungszentren, also dort, wo ein Bedarf nach Sozialwohnungen besteht, durch Objektförderung darum bemühen, dass dieser Wohnraum auch zur Verfügung gestellt wird. Denn es handelt sich um eine sehr wirksame Bekämpfung der Wohnungsnot in den Ballungszentren.

Auch in den Gebieten, in denen Zuzug besteht, brauchen wir familiengerechten Wohnungsbau. Familiengerecht heißt, dass wir dort entsprechend große Wohnungen haben. Das bedeutet, dass in den Häusern, die in den Fünfziger- und Sechzigerjahren gebaut wurden, möglicherweise auch einmal zwei Zweizimmerwohnungen zu einer Vierzimmerwohnung umgebaut werden müssen.

Wir haben also noch einen erheblichen Arbeitsaufwand, um den Bestand im sozialen Wohnungsbau Hessens dahin zu bringen, dass er den Anforderungen in den nächsten Jahren entspricht. Darüber besteht doch Einigkeit in dieser Runde. Dabei ist aber doch die Frage: Ist es zwingend erforderlich, das in ein Wohnraumfördergesetz zu gießen? – Das lassen wir überprüfen. Ob damit ein Mehrwert erreicht würde, das ist zu fragen.

Ich glaube, es haben sich seit dem Jahr 2006, seit dem das möglich ist, sechs oder sieben Länder auf den Weg gemacht und ein solches Wohnraumfördergesetz erlassen. Wenn Sie sich z. B. einmal anschauen, welche Ziele sich die Bayern, die oft als Vorbild für ein mögliches hessisches Wohnraumfördergesetz genommen werden, gesetzt haben, dann werden Sie feststellen, dass das insbesondere um die Förderung von Familien, Menschen mit Behinderungen, älteren Menschen und Studierenden geht. Dann geht es da noch um die Modernisierung und um die energetische Sanierung, also um all das, was ich Ihnen eben beschrieben habe. Einen materiellen Mehrwert gibt es also in den Bundesländern, die ein Gesetz haben, definitiv nicht.

Es ist zu fragen, wie man in Zukunft mit der Förderung umgeht. Natürlich können wir es nicht ohne Weiteres zulassen, dass diejenigen, die über die Einkommensgrenzen hinausgewachsen sind, in den Wohnungen leben und sie damit einfach denjenigen wegnehmen, die eigentlich den sozialen Wohnraum brauchen.

Das heißt, wir müssen die Wohnungsbindung und die Sozialbindung intelligent verschieben. Wir müssen den Kommunen die Möglichkeit geben, die Wohnungsbindung von einem Gebäude in ein anderes zu verlegen.

Das führt dann möglicherweise dazu, dass ein Mieter, der in einem sozial geförderten Wohnungsgebäude lebt, höhere Miete zahlen muss. Statt einer Fehlbelegungsabgabe müsste er dann eine höhere Miete zahlen.

Das ist ohnehin begrenzt. Auch heute ist die Höhe der Fehlbelegungsabgabe begrenzt. Wir haben nicht nur eine Überschreitung der Einkommensgrenze um 40 % ermöglicht. Wir haben auch eine Kappungsgrenze.

So ähnlich müsste es auch in Zukunft sein, wenn es die Subjektförderung gibt. Ich bin wirklich der Meinung, dass es auch in Zukunft ein gewisses Abschöpfen bei diesem Bestand geben sollte.

Wir müssen auch dafür sorgen, dass wir ein mögliches zusätzliches Landeswohngeld – denn nichts anderes ist die Subjektförderung – sehr gezielt einsetzen. Ebenso müssen wir dafür sorgen, dass das Land nur einen begrenzten finanziellen Aufwand hat. Denn eines können wir nicht machen. Wir können nicht bei der Objektförderung sagen: „Wir geben insgesamt nur eine bestimmte Summe aus“ – insgesamt werden 90 Millionen € nicht überschritten –, und dann bei der Subjektförderung Anspruchstellern die Möglichkeit geben, weit über diese Summe hinauszukommen. Denn auch da sind die monetären Möglichkeiten des Landes begrenzt.

Lassen Sie mich zusammenfassen. Wir haben in Hessen eine sehr erfolgreiche, sehr zielgerichtete und am Bedarf orientierte Wohnungspolitik betrieben. Wir haben mit unserer Wohnungspolitik der letzten zwölf Jahre sehr dafür gesorgt, dass soziale Brennpunkte entschärft wurden und neue gar nicht entstanden sind. Mit der künftigen Politik werden wir vor allen Dingen dafür sorgen müssen, dass wir den Familien, den Menschen mit Behinderungen, dem demografischen Wandel und den energetischen Anforderungen an den Wohnungsbestand gerecht werden. Ich glaube, die Wohnungspolitik ist bei uns in sehr guten Händen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Herr Milde, vielen Dank. – Jetzt werde ich zur Einbringung des Dringlichen Gesetzentwurfs der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für ein Fünftes Gesetz zur Änderung des Hessischen Gesetzes zum Abbau der Fehlsubventionierung im Wohnungswesen in erster Lesung Herrn Klose das Wort erteilen. – Herr Klose, bitte schön.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Milde, ich habe Ihnen aufmerksam zugehört. Sie haben den lange Jahre bestehenden Konsens in diesem Hause hinsichtlich der Wohnungspolitik beschworen. Ich muss Sie aber schon fragen: Warum kündigen Sie diesen Konsens mit Ihrem Vorgehen hinsichtlich der Fehlbelegungsabgabe auf?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

47 Kommunen in Hessen werden davon betroffen sein. Sie sind dabei, den Kommunen die Grundlage dafür zu entziehen, die Fehlbelegungsabgabe zu erheben. Das heißt, Sie wollen sie zentralisiert abschaffen. Das ist etwas, was uns schon stutzig macht. Denn gleichzeitig heben Sie die erfolgreiche Wohnungspolitik des Hessischen Landtags hervor.

Uns drängt sich der Eindruck auf, dass die Förderung sozialen Wohnraums für diese Landesregierung offensichtlich in den entscheidenden Teilen ein Fremdwort geworden zu sein scheint. Glücklicherweise gibt es ein sehr gutes Wohnraumfördergesetz des Bundes. Es stammt noch aus der rot-grünen Zeit. Auch nach der Föderalismusre

form ist es noch gültig, solange es keine Regelung im Landesrecht gibt.

Ich habe mir einmal die Mühe gemacht, zu schauen, wo man in Ihrem Koalitionsvertrag etwas zum Wohnraum findet. Das Wort Wohnraum kommt im Koalitionsvertrag im Zusammenhang mit dem Begriff Förderung leider gar nicht vor. Vielmehr kommt es nur im Zusammenhang mit dem Begriff Überwachung vor. Das ist nun ganz etwas anderes.

(Heiterkeit der Abg. Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Ich weiß nicht, ob das der FDP geschuldet ist. Im Koalitionsvertrag findet sich dazu aber leider nichts.

Herr Kollege Siebel, das ist auch der Grund, weshalb wir es ausgerechnet dieser Landesregierung nicht in die Hand geben wollen, ein solches Gesetz zu machen. Ihre Ansätze und Eckpunkte gefallen uns sehr gut. Darin sind hervorragende Ansätze zur Weiterentwicklung enthalten.

Wir trauen aber dieser schwarz-gelben Landesregierung nicht zu, ein vernünftiges Gesetz vorzulegen, das besser ist als das jetzige Bundesgesetz. Es erscheint uns besser, das gültige Bundesgesetz beizubehalten. Es bietet im Übrigen auch genug Spielräume, die Besonderheiten Hessens abzubilden, z. B. die Einkommensgrenze für den Bezug von Sozialwohnungen, die beim Bund bei 18.000 € liegt und in Hessen bei 22.000 €. Wir sehen den Handlungsbedarf in der Sache, Stichwort: Fehlbelegungsabgabe, dazu komme ich noch. Aber wir wollen die Landesregierung nicht mit diesem sensiblen Thema beauftragen. Wir werden uns übrigens nur deshalb bei der Abstimmung über den Antrag enthalten.

Worin liegen die wichtigsten wohnungspolitischen Probleme in Hessen? Es ist bereits angesprochen worden: Im Rhein-Main-Gebiet gibt es nach wie vor zu wenige bezahlbare Wohnungen für Menschen mit geringem Einkommen. Es ist ein Versäumnis der Landesregierung, vorhandene Instrumente der sozialen Wohnraumförderung bedarfsgerecht auszugestalten, entsprechende Mittel bereitzustellen und somit ausreichend Wohnraum für diejenigen zu schaffen und zu erhalten, die sich am Markt nicht mit angemessenem Wohnraum versorgen können. Angesichts auslaufender Bindungen in der sozialen Wohnraumförderung steigt das Defizit an preisgünstigem Wohnraum immer weiter an. Darauf hat der Hessische Städtetag gestern noch einmal explizit hingewiesen.

Es gibt einen großen Renovierungsbedarf im Bestand der geförderten Wohnungen. Das Wohnungsangebot muss an die Bedürfnisse des demografischen Wandels angepasst werden. Wir brauchen eine energetische Sanierung des Bestands. Nach unserer Meinung müssen die öffentlichen Wohnungsunternehmen erhalten bleiben, weil nur sie gewährleisten, dass die Ziele unserer Wohnungspolitik erreicht werden können.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)