Protokoll der Sitzung vom 13.04.2011

Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! ich darf Sie alle herzlich begrüßen und stelle die Beschlussfähigkeit des Hauses fest.

Zur Tagesordnung. Erledigt sind die Punkte 1, 2, 8, 16, 24, 32, 35, 39, 44, 46 bis 49, 64, 69 und 73. Das ist eine ganze Menge. Aber es bleibt auch noch eine ganze Menge zu erledigen.

Es ist ein Dringlicher Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP eingegangen, betreffend Elektromobilität als Innovationsmotor für den Verkehr der Zukunft, Drucks. 18/3957. Ich gehe davon aus, dass die Dringlichkeit bejaht wird. – Das ist so. Dann wird dieser Dringliche Antrag Tagesordnungspunkt 75 und könnte mit Tagesordnungspunkt 7 zu diesem Thema aufgerufen werden. – Wir können so verfahren.

Zum Ablauf der Sitzung. Wir tagen heute bis 18 Uhr. Vereinbart ist eine Mittagspause von zwei Stunden.

Wir beginnen mit Tagesordnungspunkt 14, Antrag der Fraktion der SPD betreffend Hessisches Gesetz zur Förderung und Nutzung von Wohnraum, Drucks. 18/3646. Dazu werden die Tagesordnungspunkte 72 und 74 aufgerufen.

Dann folgt der Setzpunkt: Tagesordnungspunkt 67, Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP betreffend Landesregierung setzt sich für mehr Mitsprache der Länder bei Bedarfsplanung der ärztlichen Versorgung ein, Drucks. 18/3945. Dazu werden die Tagesordnungspunkte 50, 51 und 66 aufgerufen.

Nach der Mittagspause beginnen wir mit Tagesordnungspunkt 36, Drucks. 18/3913. Dazu wird Tagesordnungspunkt 65 aufgerufen.

Ich darf Ihnen mitteilen, dass Herr Staatsminister Grüttner heute entschuldigt fehlt, allerdings erst ab 17 Uhr.

Ich darf darauf hinweisen, dass die Fußballmannschaft des Hessischen Landtags heute Abend in Griesheim die neue Saison eröffnet. Wir wünschen allen Beteiligten Spaß, Freude, Erfolg und eine gute Serie.

(Zuruf: Ist der Präsident auch dabei?)

Nein, es spielt die beste Mannschaft. Der Präsident ist nicht dabei.

(Heiterkeit)

Ich darf Herrn Kollegen Greilich ganz herzlich zum Geburtstag gratulieren.

(Allgemeiner Beifall)

Herr Greilich, im Namen des ganzen Hauses herzlichen Glückwunsch und ein gutes Jahr für Sie.

(Schriftführerin Abg. Angela Dorn überreicht ei- nen Blumenstrauß.)

Vereinbarungsgemäß rufe ich jetzt Tagesordnungspunkt 14 auf:

Antrag der Fraktion der SPD betreffend hessisches Gesetz zur Förderung und Nutzung von Wohnraum – Drucks. 18/3646 –

in Verbindung damit Tagesordnungspunkt 72:

Dringlicher Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP betreffend Wohnraumförderung passgenau für Hessen ausgestalten – Drucks. 18/3950 –

und Tagesordnungspunkt 74:

Erste Lesung des Dringlichen Gesetzentwurfs der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für ein Fünftes Gesetz zur Änderung des Hessischen Gesetzes zum Abbau der Fehlsubventionierung im Wohnungswesen – Drucks. 18/3952 –

Ich darf damit Herrn Kollegen Siebel für die SPD-Fraktion das Wort erteilen. Die Redezeit beträgt zehn Minuten je Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wohnen gehört zu den Grundbedürfnissen eines jeden Menschen. Vor diesem Hintergrund ist es nach meinem Verständnis ein Skandal, wie die Hessische Landesregierung in den letzten Jahren mit diesem Thema umgegangen ist.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU)

Die entscheidenden langfristigen Maßnahmen – eine strategische Wohnungsbaupolitik – sind vor vielen Jahren von der damaligen rot-grünen Landesregierung auf den Weg gebracht worden. Das war die Intervention, die darin bestand, dass ein revolvierender Fonds bei der Landesbank angelegt worden ist. Auch das ist heute noch ein Erfolgsmodell. Das sieht man daran, dass die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen dieses Grundprinzip, das in Hessen seit über 15 Jahren wirkt, zum zentralen Punkt ihres Wohnungsbaugesetzes gemacht hat.

(Beifall bei der SPD)

In diesen Tagen hat sich diese Landesregierung nach unserem Verständnis einen neuen Skandal geleistet.

(Zurufe von der CDU: Ah ja!)

Wenn Sie heute die „FAZ“ gelesen haben, haben Sie festgestellt, dass Ihnen das noch einmal attestiert worden ist. Mit Schreiben vom 5. April wurden 56 Magistrate hessischer Kommunen darüber informiert – ich darf aus dem Schreiben zitieren –, „dass das Gesetz zum Abbau der Fehlsubventionierung im Wohnungswesen gemäß § 17 mit Ablauf vom 30. Juni 2011 außer Kraft treten wird. Nach intensiver Diskussion hat sich herausgestellt, dass eine Veränderung der Geltungsdauer im Hessischen Landtag keine Mehrheit finden würde.“

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bin sehr dankbar dafür, dass BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN dem Hessischen Landtag mit der Vorlage eines Dringlichen Gesetzentwurfs gestern die Alternative geboten hat, über diesen Topos hier abzustimmen. Ich bin nämlich der festen Überzeugung, dass der Gesetzentwurf von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hier eine Mehrheit finden würde, wenn die Abgeordneten des Hessischen Landtags in ihrer Gesamtheit frei über solch eine Entscheidung abstimmen könnten.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Erschwerend kommt hinzu, dass diese Festlegung der Landesregierung vom Verfahren her eine Unverschämtheit ist. Den Kommunen wird damit jährlich die Summe von 15 Millionen € für den sozialen Wohnungsbau entzo

gen. Sie nehmen damit den Kommunen auch die Möglichkeit, Sozialbindungen zurückzukaufen. Das ist ein Skandal vor dem Hintergrund, dass die Zahl der sozial gebundenen Wohnungen Jahr für Jahr zurückgeht. Ich werde darauf später noch einmal zurückkommen.

Diese Landesregierung war offenbar auch nicht bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass es den einstimmigen Beschluss des Präsidiums des Hessischen Städtetags gibt, die Fehlbelegungsabgabe beizubehalten. Ich sagte es schon: Würden wir heute über diese Frage abstimmen, würde die Beibehaltung der Fehlbelegungsabgabe in diesem Landtag eine Mehrheit finden.

Noch etwas: Die Landesregierung hat in diesem Schreiben an die Kommunen angekündigt, dass sie ein Landeswohnraumförderungsgesetz auf den Weg bringen wird. Ein Entwurf dazu ist wohl noch nicht im Geschäftsgang; aber es gibt eine Initiative von CDU und FDP, mit der die Landesregierung aufgefordert wird, ein solches Gesetz zu schaffen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, auf der einen Seite das Auslaufen der Fehlbelegungsabgabe anzukündigen und auf der anderen Seite keine konkreten Alternativen vorzuschlagen, das ist sowohl vom Verfahren als auch vom Inhalt her nicht hinnehmbar. So kann man in Hessen nicht mit der Wohnungspolitik umgehen.

(Beifall bei der SPD)

Herr Staatsminister Posch, dass die Situation auf dem Wohnungsmarkt prekär ist, haben Sie im Wohnungsbericht 2010 selbst festgestellt, der auf der Homepage des Wirtschaftsministeriums etwas versteckt zu finden ist. Das gilt noch für ein paar andere Berichte. Wir hatten gestern den Topos „Soziale Stadt“. Das ist eine ähnliche Sache. Offensichtlich sind Sie ein bisschen beratungsresistent, was die objektiven Fakten, Daten und Zahlen angeht, die in Ihrem eigenen Haus erhoben werden.

(Beifall bei der SPD)

Zu den Fakten, Daten und Zahlen. Nach dem Wohnungsbaubericht wurden in den Neunzigerjahren noch 90.000 Wohnungen gebaut; heute sind es nur noch 23.000. Der Anteil der Wohnungen, die nach 1990 gebaut wurden, beträgt nur noch 11,3 %. Die Anzahl der Baugenehmigungen ist zurückgegangen. Ab dem Jahr 2000 fiel die Zahl auf unter 20.000 Baufertigstellungen pro Jahr. 1993, zur Zeit des Baubooms, waren es noch 40.000 Baufertigstellungen. Im Jahr 1990, dem letzten Erhebungsjahr dieses Wohnungsberichts, sind es noch 11.000. Gleichzeitig hat das Institut Wohnen und Umwelt – auch in Auftrag gegeben von dem hessischen Ministerium, das für den Wohnungsbau zuständig ist – festgestellt, dass in Hessen bis 2030 ein Bedarf von 16.000 neuen Wohnungen pro Jahr besteht.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, natürlich ist die Situation in den Regionen unterschiedlich. Insbesondere in Südhessen und im Rhein-Main-Gebiet fehlen Wohnungen, insbesondere bezahlbare. Davor die Augen zu verschließen, ist für eine ordentliche, auch regional ausgerichtete Politik in Hessen schändlich.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

Während im Jahr 1990 noch 8,6 % des Wohnungsbestands einer Sozialbindung unterlagen, waren es 2009 nur noch 4,6 % des gesamten Wohnungsbestands. In den kommenden Jahren bis 2015 werden weiterhin knapp 18.000 Woh

nungen aus dem Bestand herausfallen, bis 2020 werden es knapp 24.000 sein.

Wovon sollen die Kommunen und die kommunalen Wohnungsunternehmen denn neue Sozialwohnungen bauen? Woher sollen sie die Einnahmen denn generieren, auch für die energetische Sanierung von Sozialwohnungen, wenn nicht über die Fehlbelegungsabgabe? – Ich bin sehr dafür, dass wir die Fehlbelegungsabgabe regional unterschiedlich bewerten. Natürlich sagen wir: Kommunen müssen selbst darüber entscheiden, ob sie sie erheben wollen oder nicht. In Darmstadt ist die Situation anders als in Frankfurt. Das will ich deutlich hervorheben. Dem muss man aber Rechnung tragen, statt die Fehlbelegungsabgabe wie mit einem Rasenmäher zu kürzen, infrage zu stellen und jetzt nicht mehr zu verlängern.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir stehen vor großen Herausforderungen. Die Bundesförderung in Höhe von 30,3 Millionen € ist bis 2013 zugesagt; das ist das Föderalismuspaket. Aber in den Verteilungskämpfen zwischen Verkehr, Hochschulbau und Wohnungen muss noch gesehen werden, wo der Wohnungsbau bleibt. Herr Staatsminister, ich sehe keine Interventionen auf Bundesebene, dass Sie sich in diesem Programm für den Wohnungsbau einsetzen. Jetzt will die Landesregierung die Fehlsubventionierungsabgabe auslaufen lassen. Damit werden den Kommunen 15 Millionen € entzogen, das sagte ich schon.

Die Hartz-IV-Regelungen sehen vor, dass die Länder den Kommunen die Hoheit über die Angemessenheit des Wohnungsgeldes übertragen wollen. Der Ministerpräsident – eben war er noch da, er ist ein bisschen flüchtig – hat dazu keine Aussage gemacht. Ich fordere die Landesregierung auf, nicht von der Ermächtigung nach dem SGB II Gebrauch zu machen und die Angemessenheit auf die Kommunen zu übertragen. Aus diesem Grund hat die SPD-Landtagsfraktion schon zu Beginn des Jahres Eckpunkte für ein Gesetz zur Wohnungsbauförderung vorgelegt. Es war nicht so, dass wir das aus der hohlen Hand gemacht hätten, sondern wir haben versucht, es vorher in seiner Grundtendenz mit den wohnungsbaupolitischen Sprechern und den zuständigen Verbänden sehr genau und intensiv zu erörtern. Dabei sind wir auf große Resonanz gestoßen, denn es ist so, dass auch die Fachverbände dafür sind, dass es ein Gesetz zur Wohnraumförderung gibt.

Ich will jetzt in einigen großen Zügen umreißen, worum es uns geht. Es ist das Ziel der sozialen Wohnraumförderung, Wohnraum für Haushalte zu schaffen und zu erhalten, die sich am Markt nicht angemessen mit Wohnraum versorgen können und auf Unterstützung angewiesen sind. Darüber hinaus soll bestehender Wohnraum den Erfordernissen des demografischen Wandels angepasst und energetisch nachgerüstet werden. Es soll eine Verpflichtung zur energetischen Sanierung bei Neu- und Umbau vorgesehen werden, die der Förderung regenerativer Energien den Vorrang gibt.

Herr Siebel, kommen Sie bitte zum Schluss.