Protokoll der Sitzung vom 14.04.2011

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

All diesen Versuchen ist gemeinsam, dass sie unter strengen Auflagen erfolgen, wie etwa einem aktiven Überholverbot. Hohe Anforderungen an den Fahrer dieser LangLkw gehen damit einher. Diese Bedingungen sind vernünftig und richtig. So hat Bundesverkehrsminister Ramsauer bereits deutlich gemacht, dass keine Strecken infrage kommen werden, die durch Städte oder über das untergeordnete Straßennetz führen werden. Die Horrorvorstellung, dass ein Riesen-Lkw als Lieferant eines innerörtlichen Handelsunternehmens fungiert, entbehrt also jeder Grundlage.

Die Stärke von Lang-Lkw kann nur im Direktverkehr zwischen Güterverkehrszentren, Terminals des kombinierten Verkehrs und großen Werkstandorten liegen. Inwieweit die festgelegten Strecken baulich zu ertüchtigen

sind, wird der Feldversuch zeigen. Ich denke, dass hier der Anpassungsbedarf überschaubar sein wird, weil es über ausgewiesene Strecken, Autobahnen und Industriegebiete geht.

Aber es bestehen schon Bedenken, z. B. wegen der Schaltanlagen von Ampelanlagen und Sicherungsanlagen an Bahnübergängen, die ihre Schaltzeiten auf solche überlangen Fahrzeuge noch nicht abgestellt haben, oder – das ist bereits angesprochen worden – ob Lang-Lkw die Situation bei Park- und Ruheplätzen wegen des größeren Einzelplatzbedarfs weiter verschärfen.

Die Auswirkungen auf den Schienengüterverkehr erscheinen mir ambivalent. Einerseits erfolgt durch die Lang-Lkw eine verstärkte Konkurrenz auf lukrativen Cargorelationen. Zum anderen zielt der Lang-Lkw mit seiner Volumenorientierung in erster Linie auf eine Effizienzsteigerung beim Transport leichter, hochwertiger Güter und Behältersysteme ab. Dieses Marktsegment wird heute von der Bahn sehr wenig bedient.

Dagegen kann wohl die Sorge um die Tragfähigkeit von Brücken und die Belastbarkeit der Straßen weitgehend ausgeräumt werden. Das vom Transportgewerbe angestrebte maximale Gesamtgewicht von 44 t liegt gerade 10 % über dem heutigen. Da sich dieses aber auf mehr Achsen verteilt, wird sich die Gewichtsbelastung sogar günstiger darstellen. Rein rechnerisch ergibt sich bei einem Standard-40-t-Lkw mit fünf Achsen eine Achsbelastung von 7 bis 10 t je Achse, bei einem Lang-Lkw jedoch nur noch von 4 bis 7 t.

In Sachen Sicherheit sollten höchste Maßstäbe angesetzt werden. Eine Ausstattung der Fahrzeuge mit modernster Sicherheitstechnik sollte Pflicht sein. Dass sich Lang-Lkw ökonomisch wie ökologisch rechnen, dafür scheinen die bisherigen Erfahrungen zu sprechen.

Ein Gutachten der EU-Kommission aus dem Jahr 2009 weist einen um 12,6 % reduzierten Kraftstoffverbrauch, einen um 3,6 % reduzierten CO2-Ausstoß und, durch das größere Volumen bedingt, einen Rückgang der Lkw-Fahrten um 13 % aus. Sie sehen also, es gibt vieles, das für Lang-Lkw spräche, aber auch einiges, das zu bedenken wäre.

Natürlich mache ich mir auch Gedanken, inwieweit unsere Autofahrer nach dem Kreisel und dem Rechtsfahrgebot mit dem Überholen von Lang-Lkw vor einer nächsten Herausforderung stehen. Natürlich mache ich mir auch Gedanken, wenn ich sehe, wie die Lkw-Durchfahrverbote befolgt werden – ob wir dann eine vergleichbare Situation beim Abweichen von den eigentlich ausgewiesenen Routen erleben werden.

Herr Kollege Landau, Sie müssen zum Schluss Ihrer Rede kommen.

Ja, der letzte Satz: Insgesamt wird ein Praxistest mit wissenschaftlicher Begleitung die Chancen und Probleme bewerten und zu gesicherten Erkenntnissen führen, die dann die Grundlage für weitere Entscheidungen sein werden. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Vielen Dank. – Das Wort hat der Kollege Müller für die FDP-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie beschweren sich über die Rhetorik der „Windkraftmonster“, nutzen hier aber Begriffe wie „Monstertrucks“. Ich glaube, genauso wie an „Windkraftanlagen“ kein Weg vorbeiführt, wird auch über kurz oder lang an „Lang-Lkw“ kein Weg vorbeiführen.

(Beifall bei der FDP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, insofern sollten wir bei der Auswahl unserer Begriffe doch ein wenig Vorsicht walten lassen.

(Heiterkeit)

Wenn wir hier den Begriff „Gigaliner“ hören – die Leute wachen wieder auf, das ist schön –, dann muss man in der Tat darauf hinweisen, dass dieser Begriff vielleicht nicht ganz der richtige ist. „Lang-Lkw“ ist der richtigere Begriff – denn wir reden hier von einer Auslastung mit 44 t, nicht von 60 t; da könnten wir dann in der Tat von „Gigaliner“ sprechen.

Ich glaube, das ist ein Stück weit der typische ideologische Kampf Straße gegen Schiene, der heute hier geführt werden soll und dem wir diesen Antrag verdanken. Ich wünsche mir, dass wir diese Auseinandersetzung – ob Straße oder Schiene – endlich einmal hinter uns lassen können, denn wir brauchen beides.

(Beifall bei der FDP)

Das müsste sich auch langsam durchsetzen. Bis zum Jahr 2025 haben wir im Straßengüterverkehr prognostizierte Zuwächse um 85 %. Wir haben Zuwächse im Schienengüterverkehr von über 40 %. Alleine diese Zuwächse zu bewältigen und die Infrastruktur dafür zu schaffen ist schon schwierig genug. Wer da sagt, dass die Lang-Lkw der Schiene Konkurrenz machen, der liegt einfach verkehrt. Denn wir werden in den nächsten Jahren alle freien Möglichkeiten auf der Schiene ausnutzen müssen, und wir werden auch wesentliche Investitionen tätigen müssen, um den Schienengüterverkehr weiter auszulasten – mit allen Problemen, die damit einhergehen.

Lieber Marius, im Rheingau haben wir es sehr intensiv mit dem Bahnlärm zu tun. Das ist Schienengüterverkehr. All diese Themen müssen wir in diesem Zusammenhang beachten. Deswegen geht es nicht um Schienengüterverkehr oder Straßengüterverkehr – wir müssen insgesamt die Infrastruktur tatkräftig ausbauen, weil sie die Grundlage für das Wirtschaftswachstum in unserem Land ist. Darauf müssen wir achten und Wert legen.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, die Lang-Lkw sind dabei ein Element, um diese wachsenden Infrastrukturbeanspruchungen in den Griff zu bekommen. Denn wir können mit einem Gigaliner, mit einem Lang-Lkw – jetzt fange ich auch schon an –

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Schon richtig!)

eben mehr leichte Güter in einem Fahrzeug transportieren als mit einem normalen Lkw. Das ist genau der Punkt,

weswegen wir dann eine Entlastung in diesem Bereich schaffen werden.

Ich denke, mit diesem Modellversuch in Hessen beschreiten wir genau den richtigen Weg, wenn wir uns daran beteiligen. Ich bedauere es, dass Frau Müller direkt erklärt, dass Baden-Württemberg seine Beteiligung zurückziehen wird. Ich glaube, es ist wichtig, dass sich gerade die großen Flächenländer an diesen Modellversuchen beteiligen, um Erfahrungen zu sammeln und um nach den fünf Jahren entscheiden zu können, an welchen Stellen das sinnvoll ist.

Wenn hier Angst- oder Horrorszenarien aufgebaut werden, die fahren dann auch durch Heidenrod, wie ich gerade gehört habe: Um Himmels willen, es wird festgelegte Strecken geben, auf denen diese Lang-Lkw fahren.

(Günter Rudolph (SPD): Wer wird schon nach Heidenrod fahren?)

Oh, das war ein Attentat auf Heidenrod, ich bitte Sie. Ich bin entsetzt. Das weise ich entschieden zurück.

Meine Damen und Herren, ich glaube, wir werden diese Lang-Lkw auf festgelegten Strecken sehen. Die LangLkw haben die Aufgabe, leichte, sperrige Güter von Produktionsstandorten zu größeren Städten zu transportieren. Hier haben wir auch wirkliche Vorteile zu erwarten.

Ich glaube, dass wir diese Chancen – wir reden hier in der Tat von Chancen, die wir mit diesem Modellversuch eröffnen – nutzen sollten und nicht, wie es gute, alte Masche auf der linken Seite dieses Hauses ist, direkt jede sich bietende Chance für Wirtschaftswachstum, für eine bessere Infrastruktur ablehnen.

Meine Damen und Herren, deswegen ein Appell: Lehnen Sie diesen Antrag um Himmels willen ab und setzen Sie sich dafür ein, dass wir diesen Modellversuch mitmachen, damit wir nach fünf Jahren die Erkenntnisse auswerten können. Dann werden wir in Hessen den Erfolg für den Straßengüterverkehr wie für den Schienengüterverkehr haben. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Vielen Dank, Herr Müller. – Das Wort hat Herr Staatssekretär Saebisch.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Dieses Thema, das auf der einen oder anderen Seite zur allgemeinen Erheiterung beiträgt, hat einen sehr ernsten Hintergrund. Heute geht es nämlich auch um die Frage, wie politikfähig man eigentlich ist, wenn man hier über das Problem debattiert, wie man in den nächsten Jahren mit dem Güterverkehrsaufkommen umgeht.

Niemand bestreitet und niemand will bestreiten, dass das Güterverkehrsaufkommen bis zum Jahr 2025 um 28 % steigen wird. Jede bekannte Studie geht davon aus, dass es eine völlig illusionäre Idee ist, dies isoliert über einen einzigen Verkehrsträger abwickeln zu wollen.

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Ja, natürlich haben wir mehr als einen. Deswegen ist es völlig klar, dass man für alle Verkehrsträger – nämlich die Luft, über die wir noch gar nicht gesprochen haben, die Straße, die Schiene – entsprechende Strategien und Konzepte diskutieren und am Ende auch darüber entscheiden muss. Daher sind in dieser Situation Denkverbote völlig fehl am Platz. Meine Damen und Herren, das führt in der Tat zur Politikunfähigkeit.

(Beifall bei der FDP – Janine Wissler (DIE LINKE): Es geht um Fahrverbote, nicht um Denkverbote!)

Man wird hier über einen Feldversuch entscheiden, der sich darauf orientieren soll, sogenannte Lang-Lkw mit 40 t zu erproben.

Ich muss schon sagen, das ist eine fast deutsche Diskussion, die hier im Hessischen Landtag geführt wird: Drei Fraktionen sind hier gegen etwas, von dem man noch nicht einmal weiß, wie es eigentlich aussieht.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Sie reden hier über etwas, was Sie gar nicht kennen können. Denn das, was die Verkehrsministerkonferenz beschlossen hat, ist, dass jetzt über die Konzeption eines Versuchs verhandelt werden soll. Das heißt, schon bevor es eine Konzeption gibt und bevor dieser Versuch überhaupt begonnen hat, geschweige denn, dass er bereits beendet ist, kennen Sie bereits das Ergebnis.

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Offen gestanden, ist das Politikverweigerung, das ist Dagegen-Politik.

(Beifall bei der FDP – Zuruf der Abg. Janine Wiss- ler (DIE LINKE))

Auf der Verkehrsministerkonferenz hat der Minister sehr deutlich gesagt, dass sich Hessen erst dann entscheiden wird, ob es an diesem Feldversuch teilnimmt, wenn die klare Konzeption hinsichtlich des Feldversuchs abschließend verhandelt und vereinbart ist. Es gibt also noch keine Zusage der Hessischen Landesregierung, an diesem Feldversuch teilzunehmen.

In den jetzt eingesetzten Arbeitsgruppen zur Vorbereitung dieses Feldversuchs wollen wir klären, wie die Rahmenbedingungen sind. Nur dann können wir sagen, ob wir an diesem Feldversuch teilnehmen wollen. Wir wollen klären, wie die Ausrüstung dieser Fahrzeuge gestaltet werden soll, damit sie ein Maximum an Sicherheit bieten. Wir wollen wissen, wie wir die Strecken definieren, auf denen sich diese Fahrzeuge bewegen können. Natürlich wollen wir auch das Parkverhalten dieser Fahrzeuge vorab geklärt haben. Bevor diese Fragen geklärt worden sind, ist ein solcher Feldversuch überhaupt nicht sinnvoll.