Protokoll der Sitzung vom 18.05.2011

Meine Damen und Herren, wir haben eine Vielzahl von Maßnahmen, die sicherlich – darüber kann man streiten – aus subjektiver Sicht nicht ausreichend sind. Aber den Eindruck zu erwecken, der Lärmschutz spiele keine Rolle, ist schlicht und ergreifend unredlich und trägt zu einer fairen Diskussion nicht bei.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

So, verehrter Kollege Kaufmann, dann will ich mir Ihren Antrag noch einmal vornehmen. Wenn Sie das so gewollt haben, dann hätten Sie es auch so formulieren müssen. In der Tat haben Sie an einer Stelle gesagt, Sicherheit und Lärmschutz seien „möglichst weitgehend“ zu berücksichtigen. In Punkt 4 – der war bisher noch nicht Gegenstand dieser Diskussion – sagen Sie aber, bei der Novellierung des Luftverkehrsgesetzes solle man sich für eine „gleichrangige Verpflichtung der Flugsicherung auf Verkehrssicherheit und Lärmschutz“ einsetzen.

Meine Damen und Herren, man kann von einer „gleichwertigen Berücksichtigung“ dieser Belange sprechen – aber das wird immer bedeuten, dass man im Zweifel einem Belang Vorrang einräumen muss. Deswegen sage ich – in gleicher Weise dezidiert hat das der Kollege Arnold gesagt –: Im Zweifel muss bei einer solchen Abwägung die Sicherheit Vorrang haben. Dann darf man nicht den Eindruck erwecken, man könne eine Gleichrangigkeit gesetzlich kodifizieren. Das funktioniert nicht und bedeutet letztendlich, den Menschen etwas zu versprechen, was im

Zweifel auch Sie nicht einhalten können.

Dann wird auch gesagt, es finde kein rechtsstaatliches Verfahren statt – Herr Schaus hat gesagt: kein demokratisches Verfahren. Herr Kollege Schaus, ich habe nun einmal nicht die Befugnis, in die Kompetenz des Bundesaufsichtsamtes für Flugsicherung einzugreifen. Die DFS ist beratend tätig und hat die Frage der Abflugrouten in der Fluglärmkommission diskutiert. Teilweise sind dort Vorschläge der Fluglärmkommission aufgenommen worden, die dem Bundesamt für Flugsicherung vorgelegt werden, und die werden schließlich die endgültige Rechtsverordnung erlassen. Verehrter Herr Kaufmann, eine Rechtsverordnung ist justiziabel. Tun Sie doch bitte nicht so, als müsse man eine Planfeststellung einrichten. Eine Rechtsverordnung ist justiziabel. Deswegen ist es völlig falsch, zu meinen, man habe keine Möglichkeit einer rechtlichen Überprüfung dieser Dinge. Das ist falsch.

Damit versuchen Sie, die Menschen auf eine Spur zu setzen, die letztendlich nicht dazu führt, eine Lösung herbeizuführen. Das, was Sie hier inszenieren, dient ausschließlich Ihrem eigenen Interesse, aber nicht dem Interesse der Bevölkerung dieser Region.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Ich fasse zusammen. Diese Landesregierung und dieses Wirtschaftsministerium haben in einem unglaublichen Prozess dazu beigetragen, Beteiligungsmöglichkeiten zu schaffen. Eines aber muss man unterscheiden: Herr Kollege Schaus, ich werbe dafür, Formen der Mediation im Genehmigungsverfahren einzubringen. Denn ich glaube, Mediationsverfahren sind eine Chance, über die Sinnhaftigkeit eines Infrastrukturprojektes intensiver zu diskutieren, als das die herkömmlichen Genehmigungsverfahren ermöglichen.

Das aber bedeutet – und auch das sage ich sehr deutlich –: In einem Mediationsprozess wird die Entscheidung nie vorweggenommen. Die Mediation hat den Sinn, einen Beteiligungsprozess auszulösen. Ich sage Ihnen: Diese Mediation war trotz dieses Ergebnisses erfolgreich. Denn sie hat dazu beigetragen, einen Frieden in der Region zumindest denkbar zu machen und weiterhin gesprächsbereit zu bleiben.

(Zuruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

In der Vergangenheit waren wir uns einig. Wir wissen, wer damals die Mediation eingeleitet hat. Als Oppositionsfraktion sind wir dem seinerzeit positiv gegenübergestanden. Denn ein solcher Beteiligungsprozess ist unglaublich wertvoll. Ohne Mediation würden wir heute nicht da stehen, wo wir stehen.

Ich fasse kurz zusammen. Wir sind uns der Verpflichtung, Lärmschutz für die Menschen sicherzustellen, bewusst. Wir sind aber nicht so grob fahrlässig, etwas zu versprechen, von dem wir nicht wissen, ob wir es auch einhalten können. – Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Herzlichen Dank, Herr Staatsminister Posch. – Das Wort hat Herr Kollege Kaufmann für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich knüpfe gerne unmittelbar an den letzten Satz des Staatsministers an. Sie sagten, Sie würden nur das versprechen, was Sie auch halten können. Damit komme ich auf Ihre Rede von eben. Sie haben gesagt, die Landesregierung steht zum Ausbau. Das Wort „Nachtflugverbot“ haben Sie in Ihrer gesamten Rede nicht in den Mund genommen,

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

obwohl auch von Ihnen hoch und heilig versprochen worden war: kein Ausbau ohne Nachtflugverbot. Insoweit stehen Sie, Herr Staatsminister, genau nicht zu dem, was Sie versprochen haben. Das ist sicherlich einer der Gründe, warum es immer wieder Ärger gibt.

Sie haben uns einen zweiten Vorwurf gemacht: Es gebe überhaupt keine wachsende Fluglärmbelastung, sondern nur eine Umverteilung. – Ich kann nur sagen: Die Hunderte von Beschwerden von Leuten, die neu Fluglärm wahrnehmen und sich davon belastet fühlen, scheinen an Ihnen völlig vorbeigegangen zu sein. Aber weder an der Tagespresse noch an den sonstigen Medien, noch an uns als Fraktion sind sie vorbeigegangen. Sie werden in etlichen Stadtverordnetenversammlungen, unter anderem auch der Landeshauptstadt, diskutiert, wo es z. B. bereits einen gemeinsamen Antrag der Fraktionen der CDU, der FDP und der SPD zu diesem Thema gibt. Herr Staatsminister, Sie sind offensichtlich der einzige Ahnungslose in diesem Land, der keine wachsende Lärmbelastung festgestellt hat.

Ich kann nur sagen, der Grund dafür kann nur sein, dass Sie es wegreden wollen. Wenn Sie eine Flugroute verlegen und jetzt über ein Gebiet führen, wo wesentlich mehr Menschen wohnen und insoweit der Entfernungsabstand zwischen Flieger, der den Lärm erzeugt, und Ohr desjenigen, der darunter wohnt, für viele deutlich kleiner wird als vorher, dann ist das eine wachsende Lärmbelastung, die sich dadurch noch verschärft, dass Flugverfahren neu eingeführt werden, die die Flugzeuge dichter an den Boden heranbringen, als das bislang der Fall war, also zusätzlich die Entfernung verringern und es damit lauter werden lassen.

Das ist der Stand der Dinge. Dann ist es völlig richtig, zu sagen, es ist eine wachsende Fluglärmbelastung, und obendrein festzustellen, dass diese wachsende Fluglärmbelastung nicht sein müsste, wenn man andere Verfahren anwendete.

Dann sind wir an dem Punkt: Transparenz und öffentliches Verfahren. Das ist natürlich alles völliger Blödsinn. Es hat kein öffentliches Verfahren gegeben. Die Fluglärmkommission ist befasst worden. Das findet normalerweise in der Form statt, dass es verschiedene Varianten gibt und die Fluglärmkommission sich eine davon aussuchen darf als die aus ihrer Sicht relativ beste. Wenn alle Varianten bei der Beurteilung der Fluglärmkommission nicht das Richtige sind, dann ist sie damit in der Zwickmühle.

Die Fluglärmkommission hat sich, wie wir wissen, schlicht geweigert, die Entscheidung zu treffen und damit die Verantwortung zu übernehmen. Genau deshalb haben wir den hochinteressanten Antrag von CDU und FDP, der übrigens die heutige Debatte begonnen hat. Das war der älteste der Anträge. Insoweit waren wir gar nicht diejeni

gen, die Sie hier mit dem Thema Fluglärm und Flugrouten genervt haben, sondern CDU und FDP hatten die Initiative ergriffen.

(Zuruf des Abg. Stefan Müller (Heidenrod) (FDP))

Schauen Sie auf die Drucksachennummern, dann wissen Sie es. – Insofern ist auch das falsch. Wenn Sie endlich einmal in der Lage wären, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, wenigstens für einen kurzen Augenblick mich oder die GRÜNEN zu vergessen, so zu tun, als ob es uns nicht gäbe, und die Realitäten für einen Augenblick wahrzunehmen. Reden Sie sich nicht immer alles so ein, wie es Ihren obskuren Vorstellungen nach sein müsste. Die Welt ist eindeutig anders.

(Stefan Müller (Heidenrod) (FDP): Herr Kaufmann, lesen Sie die Anträge!)

Ich will meinen letzten Zeitabschnitt dazu benutzen, um noch einmal auf Folgendes hinzuweisen. Im gültigen Luftverkehrsgesetz steht in § 27c Abs. 1: „Die Flugsicherung dient der sicheren, geordneten und flüssigen Abwicklung des Luftverkehrs.“ Verehrter Herr Staatsminister, genau an dieser Stelle, an der Aufgabendefinition der Flugsicherung, gehört gleichrangig neben sichere, geordnete und flüssige Abwicklung mindestens – wir sagen: vorrangig, vor „geordnet“ und „flüssig“ – der Lärmschutz für die Bevölkerung mit hinein.

Genau das ist das Begehren, wo Sie Herrn Jühe so beschimpft haben. Er nimmt Bezug auf § 29b Abs. 2. Der ist eindeutig nachrangig. Dort steht, dass die Luftfahrtbehörden und die Flugsicherung „auf den Schutz der Bevölkerung vor unzumutbarem“ – das ist eine Einschränkung – „Fluglärm hinzuwirken“ haben. Das ist ein Bemühensauftrag, das ist aber noch lange kein Minimierungsgebot. Das ist erst recht keine gleichrangige Berücksichtigung in den Aufgabenstellungen.

Genau das macht den Unterschied. Wie sehr der Unterschied deutlich wird, sehen Sie in der Rede des Staatsministers Boddenberg vor dem Deutschen Bundestag.

Herr Kollege Kaufmann, ich bitte Sie, zum Schluss zu kommen. Wir lesen keine Rede mehr.

Herr Präsident, ich komme zum Schluss. – Ich werde die Rede hier nicht vorlesen. Ich empfehle Ihnen nur, nachzulesen, in welch schnoddriger Art der Kollege Boddenberg dort seinen Kollegen aus Rheinland-Pfalz beschimpft, der den Gesetzesänderungsantrag dort begründet. Das zeigt Ihre Qualität des Umgangs mit dem Problem. Sie ist miserabel.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Hermann Schaus (DIE LINKE): Das hat er eben bewiesen!)

Vielen Dank, Herr Kollege Kaufmann. – Meine Damen und Herren, es gibt keine weiteren Wortmeldungen.

Es wird vorgeschlagen, dass die Anträge allesamt dem Verkehrsausschuss überwiesen werden. Widerspricht einer? – Das ist nicht der Fall. Dann stelle ich fest, dass die

Anträge Drucks. 18/4024, 18/3920 und 18/4070 zur weiteren Beratung dem Verkehrsausschuss überwiesen werden.

Ich rufe Punkt 13 der Tagesordnung auf:

Erster und zweiter Bericht des Petitionsausschusses betreffend Tätigkeit in der 18. Wahlperiode – Drucks. 18/3966 –

Berichterstatterin ist Frau Abg. Cárdenas. Sie hat eine Redezeit von zehn Minuten. In der Aussprache geht es dann mit fünf Minuten pro Fraktion weiter. Frau Kollegin, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Nach § 105 der Geschäftsordnung des Hessischen Landtags lege ich als Vorsitzende des Petitionsausschusses des Hessischen Landtags meinen Bericht über die Tätigkeit des Ausschusses in der Zeit vom 18. Januar 2009 bis zum 31. Dezember 2010 vor.

In dieser Zeit sind 2.176 Eingaben an den Petitionsausschuss an den Hessischen Landtag gerichtet worden. 2.240 Eingaben konnten im Berichtszeitraum erledigt werden, darunter nicht wenige Petitionen aus vergangenen Wahlperioden, deren Bearbeitung sich wegen des komplexen Sachverhalts oder einer komplizierten Rechtslage aufwendig und mühevoll über lange Zeit hingezogen hat.

Die Suche nach Lösungen im Sinne der Petentinnen und Petenten war leider nicht immer erfolgreich. Dennoch konnten 423 positiv oder teilweise positiv abgeschlossen werden. Dazu kommen noch 639 Eingaben mit dem Abschlussvermerk „neutral“. Dieser Abschluss bezieht sich auf Eingaben, die z. B. durch einfache schriftliche Auskunftserteilung oder Abgabe an andere zuständige Stellen erledigt werden konnten.

Die Zahl von 423 positiv oder teilweise positiv erledigten Petitionen erscheint zunächst sicherlich gering. Es stellt sich die Frage, woran es liegt. Ich kann diese Frage nicht beantworten. Ich kann aber schon feststellen, dass es vermehrt Kritik an Gesetzen und anderen rechtlichen Regelungen gibt und die Menschen diese Kritik zunehmend artikulieren. Das haben wir z. B. bei den Gesetzen zum Nichtraucherschutz feststellen können, wo neben 53 Einzelpetitionen auch Unterschriftenlisten mit Tausenden Namen eingingen.

Auch Gebührensatzungen finden nicht immer die Zustimmung der davon Betroffenen. So liegen dem Petitionsausschuss z. B. 48 Eingaben gegen die geänderte Abfalleinsammlungssatzung des Zweckverbands Abfallwirtschaft des Vogelsbergkreises vor. Die Beratung im Petitionsausschuss ist noch nicht abgeschlossen.

Nach wie vor erreichen uns zahlreiche Eingaben mit Beschwerden über die zu lange Dauer von Gerichtsverfahren. In den wenigsten Fällen können wir hier etwas bewirken, da die verfassungsrechtlich garantierte richterliche Unabhängigkeit eine Überprüfung des gerichtlichen Verfahrens durch den Landtag nicht zulässt.

Gleichwohl ist bekannt, dass auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die überlange Dauer gerichtlicher Verfahren in Deutschland als strukturelles Problem sieht. Da hier aber die Gesetzgebung des Bundes gefordert ist, können wir nur auf ein baldiges Handeln des

Bundes hoffen, das sich dann auch auf die Situation an hessischen Gerichten auswirken wird.

Seit einiger Zeit können wir feststellen, dass immer häufiger Menschen über das Internet Mitzeichnerinnen und Mitzeichner für ihr Anliegen und ihre Beschwerde suchen. Gegenwärtig fehlen uns noch die Instrumente, um mit dieser Form der Beteiligung an der politischen Willensbildung adäquat umzugehen.

Sowohl das Grundgesetz als auch die Hessische Verfassung sehen das Petitionsrecht als Individualrecht, das aber auch in Gemeinschaft mit anderen ausgeübt werden kann. Während die Einzelpetition in der Regel ein individuelles Problem zum Thema hat, greifen Massen- und Sammelpetitionen Themen auf, die bereits Gegenstand öffentlicher Diskussionen sind. Da das vernetzte Agieren – gerade auch, aber nicht nur – für junge Menschen heute selbstverständlich ist, werden wir darauf unbedingt reagieren müssen.

Ein besonderer Schwerpunkt der Arbeit des Petitionsausschusses liegt seit vielen Jahren bei den Petitionen, die das Aufenthaltsrecht zum Gegenstand haben, den sogenannten Ausländerpetitionen. Auch wenn die Zahl der Eingaben seit 1999 deutlich zurückgegangen ist, nimmt die Bearbeitung dieser Petitionen den Ausschuss doch immer wieder zeitlich und inhaltlich am stärksten in Anspruch. Daher liegt auch die Dauer der Bearbeitung und Beratung im Ausschuss bis zur Entscheidungsfindung und Empfehlung an das Plenum deutlich über dem Durchschnitt: Eine Bearbeitungszeit von vier, fünf oder mehr Jahren ist keine Seltenheit.