Meine Damen und Herren von CDU und FDP, wir hätten uns wirklich gewünscht, dass Sie ganz konkret die Stellen benannt hätten, wo Sie glauben, ein Zuviel an Bürokratie erkannt zu haben. Wir bedauern sehr, dass das nicht gelungen ist. Das schadet dem Mittelstand in Hessen.
Aber – das sage ich an der Stelle auch ganz deutlich – wir geben Ihnen noch einmal die Chance zu einem konstruktiven Gespräch im Ausschuss und beantragen die dritte Lesung für unseren Gesetzentwurf.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die öffentliche Hand ist der größte Auftraggeber der Privatwirtschaft, und deswegen hat die öffentliche Hand auch eine ganz besondere Verantwortung für das gesamte Wirtschaftsgeschehen.
Den Entwurf für ein Vergabegesetz haben wir vor fast zwei Jahren eingebracht, weil wir der Meinung sind, dass Unternehmen, die nicht ausbilden, Unternehmen, die Lohndumping betreiben, und Unternehmen, die Umweltstandards missachten, nicht noch damit belohnt werden dürfen, dass sie öffentliche Aufträge bekommen.
Öffentliche Aufträge brauchen Regeln, in allererster Linie Transparenz; auch das diskutieren wir immer wieder. Es geht hier um den Umgang mit Steuergeldern. Auch deshalb darf „billig, billig, billig“ nicht das einzige Prinzip sein, sondern wir müssen überlegen, wie wir zu einem wirksamen Vergabegesetz kommen, das Regeln für die gesamte Wirtschaft setzt und Standards setzt.
Der ehemalige Sozialminister Herr Banzer hatte bei der DGB-Bezirksdelegiertenkonferenz angekündigt, dass die Landesregierung plane, eine Vergabegesetznovelle in den Landtag einzubringen. Wir warten bis heute. Es ist schon ein Weilchen her, dass das zugesagt wurde.
Andere Bundesländer haben das gemacht. Viele Bundesländer, auch mit CDU-Beteiligung, sogar mit FDP-Beteiligung, haben Vergabegesetze novelliert und gerade auch mit Blick auf die Arbeitnehmerfreizügigkeit Mindestlöhne festgelegt, damit Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht gegeneinander ausgespielt werden können. Man darf nicht vergessen, dass das auch eine Frage ist. Wenn wir über Integration reden, wenn wir über Rassismus reden, dann hat das natürlich auch eine Ursache darin, wenn man zulässt, dass Unternehmen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von der einen Seite der Grenze zur anderen Seite der Grenze gegeneinander ausspielen.
Sehr viel besser wäre natürlich ein einheitlicher gesetzlicher Mindestlohn. Wir haben heute Morgen darüber diskutiert. Wir haben gemerkt, welche Widerstände es noch auf der rechten Seite des Hauses dagegen gibt. Guido Westerwelle hat einmal gesagt, Mindestlohn sei DDR pur ohne Mauer. Das ist nur einer der vielen Irrtümer des Guido Westerwelle. Besser wäre es, einen gesetzlichen Mindestlohn über ein bundesweites Gesetz und nicht über landesweite Vergabegesetze einzuführen. Trotzdem denke ich, dass das eine Lösung sein kann, bis wir zu einem gesetzlichen Mindestlohn kommen.
In der Anhörung ist angesprochen worden, dass die meisten Dienstleistungen, die meisten Bauaufträge unterhalb des Schwellenwertes von 50.000 € liegen. Das ist der Schwellenwert des heutigen Hessischen Vergabegesetzes. Deshalb ist es entscheidend, welchen Schwellenwert wir festsetzen, weil der Schwellenwert letzten Endes darüber entscheidet, ob das Gesetz überhaupt Anwendung findet. Deswegen ist auch die Erkenntnis der Anhörung, den Schwellenwert so niedrig wie möglich anzusetzen, damit so viele Aufträge wie möglich vom Gesetz erfasst sind.
Die Frage der Subunternehmen ist angesprochen worden. Auch da ist es wichtig, Regelungen zu treffen.
In der Anhörung gab es große Befürchtungen, auch vonseiten der Industrie- und Handelskammern, dass es einen enormen bürokratischen Aufwand bedeuten könnte, Vergabegesetze umzusetzen. Die Beispiele aus der Praxis haben gezeigt – Frau Kollegin Waschke hat das auch schon angesprochen –, dass es diesen bürokratischen Aufwand nicht gibt, dass wir es hier nicht mit „Bürokratiemonstern“ zu tun haben, sondern dass es in den meisten Bundesländern möglich ist, das gut umzusetzen, und dass es teilweise – auch darauf ist in der Anhörung hingewiesen worden – sogar eine Erleichterung für öffentliche Verwaltungen ist, weil dann eben klare Vorgaben für die Vergabepraxis da sind.
Der Gesetzentwurf der SPD-Fraktion wäre auf jeden Fall eine Verbesserung gegenüber dem Status quo. Wir haben dem Änderungsantrag zugestimmt, den Sie im Ausschuss eingebracht haben, weil wir ihn richtig fanden, weil er viele Dinge aus der Anhörung aufgenommen hat. Leider hat Ihr Änderungsantrag im Ausschuss keine Mehrheit gefunden, sodass wir uns bei Ihrem Gesetzentwurf enthalten werden.
In anderen Bundesländern ist die CDU zu der Einsicht gekommen, dass man ein Vergabegesetz braucht. Nun ist die hessische CDU zweifelsohne ein harter Fall und ein ausgeprägter Fall von Lernschwäche. Trotzdem, die Hoffnung stirbt zuletzt. Deshalb geben auch wir Ihnen noch eine Chance. Deswegen beantrage ich auch für unseren Gesetzentwurf eine dritte Lesung, damit Sie noch einmal ganz in Ruhe überlegen können – Herr Lenders, Sie lachen schon –, ob Sie nicht doch noch diesem Gesetzentwurf zustimmen wollen, ob wir nicht schauen wollen, dass wir mit öffentlichen Mitteln kein Lohndumping, keine Missachtung von Umweltstandards unterstützen, dass wir Unternehmen bevorzugen, die ausbilden. Das sind doch alles Ansätze. Frauenförderung ist ein ganz wichtiges Thema, auch innerhalb Ihrer eigenen Fraktion.
Das sind doch alles Punkte, die wichtig, richtig und notwendig sind. Ein Verbot von Kinderarbeit beispielsweise sollten wir festschreiben.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Kollegin Wissler, Ihre Fraktion und in abgeschwächter Form auch die SPD haben versucht, mit zwei Gesetzentwürfen alle möglichen sozialen und umweltpolitischen Vorgaben gesetzlich festzuschreiben. Es gibt aber sehr viele Gründe, warum das entweder nicht sinnvoll oder sogar von Nachteil für den Staat und die Unternehmen und damit auch für die Menschen ist.
Der Gesetzentwurf enthält viele Vorgaben, die Ihren politischen Zielen entsprechen. Frau Wissler, Sie haben einige genannt. Aber nicht jedes politische Ziel ist auch vergaberechtskonform. Viele Vorgaben, die Sie den Unternehmen in der Vergabe machen wollen, sind nicht oder
nur mit einem sehr hohen Aufwand überprüfbar. Es fehlen einfach nachvollziehbare Kriterien, anhand derer sie überprüft werden könnten. Liebe Kollegin Waschke, genau da entsteht Bürokratie.
Genau das hat der Landkreistag kritisiert. Das Gesetz der LINKEN würde nicht nur eine Überfrachtung bedeuten, sondern nach Einschätzung des Landkreistags ist es schlicht nicht handhabbar.
Zur Frage der Mittelstandsfreundlichkeit. Die Verbindung eines Vergabegesetzes und eines Mittelstandsgesetzes macht aus unserer Sicht keinen Sinn. Das sind völlig voneinander zu trennende Regulierungsmaterien. Die beiden Gesetzentwürfe dann auch noch als mittelstandsfreundlich zu deklarieren schlägt dem Fass den Boden aus.
Meine Damen und Herren, es ist doch für jeden klar, dass bei einer so komplizierten Ausgestaltung des Vergabewesens gerade die kleinen und mittleren Unternehmen benachteiligt sind. Denn die zahlreichen vergabefremden Kriterien machen es gerade den kleinen Unternehmen schwer, all diese Vorgaben zu erfüllen und vor allem nachzuweisen. Einem größeren Unternehmen wird das leichter fallen. Deswegen ist dieses Gesetz nicht mittelstandsfreundlich.
Frau Kollegin Waschke, das Fleißkärtchen haben Sie sich todsicher nicht nur heute verdient, sondern auch mit diesem Riesenkomplex. Aber dadurch ist ein bürokratisches Monster erschaffen worden. Wer das als Mittelstandsgesetz verkaufen will, muss ein bisschen weitab von der Realität sein.
Meine Damen und Herren, ich bin mir relativ sicher: Sollte die SPD eines schönen Tages einmal wieder Regierungsverantwortung in Hessen übernehmen,
dann wird dieses Monster niemals das Licht der Welt erblicken. Daher tut es mir ein bisschen leid um die Arbeit, die Sie sich gemacht haben.
Meine Damen und Herren, SPD und LINKEN geht es mit ihren Gesetzentwürfen darum, ihre politischen Ziele, für die sie in der Bevölkerung keine Mehrheit haben, durch die Hintertür durchzusetzen. Aber das Vergaberecht zu politisieren stellt den eigentlichen Zweck des Vergaberechts, nämlich ein markt- und leistungsgerechtes Vergabeverfahren sicherzustellen, auf den Kopf.
Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass neben dem Landkreistag und dem Städte- und Gemeindebund sogar die Vertreter des Verbandes der kommunalen Unternehmen geraten haben, die Einführung vergabefremder Kriterien im Vergabegesetz abzulehnen. Auch die Vertreter der mittelständischen Betriebe, die laut den Gesetzentwürfen gefördert werden sollen, also diejenigen, für die das Gesetz eigentlich gemacht sein sollte, IHK und Handwerk, lehnen die von SPD und LINKEN geplanten Regelungen ab.
Wir haben guten Willen gezeigt. Frau Kollegin Waschke, wir haben angeboten, in gemeinsame Beratungen zu gehen. Sie wissen das. Der Vorwurf, den Sie uns gemacht haben, geht ins Leere. CDU und FDP waren sehr kooperativ. Sie wollten es nicht, weil Sie dieses Gesetz politisch in
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ja, es ist richtig, in der mündlichen Anhörung zu den beiden Gesetzentwürfen wurde es begrüßt, dass ein Vorstoß zur Novellierung des Mittelstandsgesetzes unternommen wurde. Das war es aber auch schon an Zustimmung.
Das ist „besser wie nix“, aber es ist nicht genug. – Wenn Sie vorhin bei den Abstimmungsergebnissen in den Beschlussempfehlungen zugehört haben, dann werden Sie auch festgestellt haben, dass sowohl der Vergabegesetzentwurf der LINKEN als auch der Mittelstandsgesetzentwurf der SPD jeweils nur die Zustimmung der eigenen Fraktion gefunden haben. Das allein ist schon ein Indiz dafür, dass es mit beiden Gesetzentwürfen nicht weit her sein kann.
Angesichts der Zeit und angesichts der Tatsache, dass wir noch eine dritte Lesung machen, will ich nur auf zwei oder drei Punkte hinweisen. Der erste ist, dass es das klare Ergebnis der Anhörung war, dass sich außer den Gewerkschaften keiner von denjenigen, die mündlich und schriftlich angehört wurden, fand, der den beiden Gesetzentwürfen vorbehaltlos zugestimmt hat. Im Gegenteil, sie wurden einhellig abgelehnt, von VKU, von den Handwerkskammern, von den Industrie- und Handelskammern. Alle haben einvernehmlich den Gesetzentwurf abgelehnt,
(Dr. Walter Arnold (CDU): So ist es! – Zuruf der Abg. Sabine Waschke (SPD) – Leif Blum (FDP): Es soll doch ein Gesetz für den Mittelstand sein!)
und zwar aus einem sehr einfachen Grunde: Ein Gesetz für den Mittelstand muss Freiräume schaffen, muss wirtschaftliche Rahmenbedingungen mittelstandsgerecht ausgestalten, muss zielgerichtete und effektive Förderung und Unterstützung anbieten. Genau diese Maßstäbe führen, wenn man sie an Ihre Gesetzentwürfe anlegt, dazu, dass wir diese Gesetzentwürfe ablehnen müssen.
Zu der Vergabe auch eine klare Aussage. Wir wollen im Vergaberecht die im Rahmen der Konjunkturprogramme erhöhten allgemeinen Freigrenzen für freihändige Vergaben und für beschränkte Ausschreibungen dauerhaft fortführen. Das ist ein klarer Dissens zu dem, was in dem Gesetzentwurf der LINKEN steht.
Unter dem Strich stelle ich für die CDU-Fraktion fest: Ein Gesetz für den Mittelstand soll den Mittelstand fördern und nicht behindern. Beide Gesetzentwürfe tun dies, und deswegen lehnen wir beide Gesetzentwürfe ab. – Vielen Dank.