Protokoll der Sitzung vom 25.08.2011

(Zuruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE) – Gegenruf des Abg. Helmut Peuser (CDU): Lassen Sie ihn reden, und reden Sie nicht dazwischen!)

Zweiter Punkt. Herr Abg. Schaus, Sie gehen davon aus, dass mit einer Bedarfsgewerbeverordnung eine pauschale Genehmigung für Zehntausende von Arbeitnehmern verbunden ist, sonntags zu arbeiten. Das ist schlicht und einfach Unfug. Es ist als Argument genauso scheinheilig wie Ihre Argumente in der Mauerbaudiskussion vom gestrigen Tag, um das sehr deutlich zu sagen.

(Unruhe)

Der Kollege Klose redet von dem Ladenöffnungsgesetz und spricht dabei von Bibliotheken und Videotheken. Sie können es im Protokoll nachlesen. Das ist aber leider im Hessischen Ladenöffnungsgesetz überhaupt nicht geregelt, sondern es ist im Hessischen Feiertagsgesetz geregelt.

(Zurufe der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE) und Florian Rentsch (FDP))

Das Hessische Feiertagsgesetz regelt die Öffnungszeit von Videotheken und Bibliotheken sonntags ab 13 Uhr für sechs Stunden. Im gleichen Zusammenhang fragt Herr

Abg. Spies nach, wie viele Arbeitnehmer neu eingestellt und wie viele Arbeitsplätze mit der zusätzlichen Öffnung von Videotheken und Bibliotheken geschaffen worden sind.

(Dr. Thomas Spies (SPD): Und?)

Dazu will ich Ihnen sagen: Bisher konnte noch keiner geschaffen werden, weil es keine Bedarfsgewerbeverordnung gab und bisher nur die Beschäftigung von Inhabern von Videotheken und Bibliotheken am Sonntag ermöglicht gewesen ist. Inhaber von Videotheken und Bibliotheken sind aber nicht diejenigen, die als Arbeitnehmer im Hinblick auf neue Arbeitsplätze zählen. Das geht gar nicht.

Die gleiche Frage haben Sie schon einmal vor drei oder vier Monaten als mündliche Frage gestellt. Sie hätten auf die Antwort hören und etwas mehr durchdringen sollen, welche unterschiedlichen Regelungen es an dieser Stelle gibt.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Da hier alles verwechselt wird, sich die Oppositionsparteien aber als Gralshüter des Feiertags aufführen und mit Verve nach vorne gehen, frage ich mich,

(Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

wie dies damit vereinbar ist, dass Frau Abg. Sorge an einer von den GRÜNEN organisierten Dance-Flash-Party in Frankfurt am Karfreitag teilgenommen hat, obwohl im Hessischen Feiertagsgesetz Partys am Karfreitag und Gründonnerstagabend verboten sind. Wie ernsthaft ist an dieser Stelle Ihr Einsatz für den Feiertag?

(Lebhafter Beifall bei der CDU und der FDP – Bei- fall bei Abgeordneten der SPD)

Herr Al-Wazir, da müssen Sie überhaupt nicht lachen. Das ist so – –

Herr Minister, ich darf Sie fragen: Frau Kollegin Sorge wollte Sie zu diesem Punkt fragen. – Das lassen Sie nicht zu. Okay.

Keine Zwischenfragen.

(Holger Bellino (CDU): So scheinheilig sind sie! – Wolfgang Greilich (FDP): So viel zum Thema verlogene Politik! – Petra Fuhrmann (SPD): Das ist schwach! – Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Dann nicht den Mut haben! Das ist feige, was Sie machen! – Zurufe von der FDP – Glockenzeichen des Präsidenten)

Herr Al-Wazir, Sie können mir vieles unterstellen, aber sicherlich nicht, dass ich feige bin.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP)

Es ist eine verbundene Debatte. Da ich meine Redezeit überziehen werde, um noch einiges klarzustellen, besteht durchaus noch die Möglichkeit, hier vorne hinzukommen.

(Unruhe)

Was übrig bleibt, ist, dass zu einer Dance-Flash-Party am Karfreitag in Frankfurt aufgerufen wurde – und zwar als

Protest gegen das Partyverbot vor dem Karfreitag. Wenn man solche Aktionen macht, kann man sich hier nicht als Feiertagsschützer hinstellen. Das bleibt festzuhalten.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Herr Spies redet von „desaströsen Auswirkungen“ und „psychischen Belastungen“. Es muss in dieser Republik, in Deutschland außerhalb von Hessen, an vielen Stellen desaströs zugehen. – Das stimmt auch, weil kaum ein anderes Land eine so gute Regierung und Mehrheit in einem Parlament hat.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Aber wenn Sie das im Hinblick auf die Bedarfsgewerbeverordnung meinen, dann müssen es desaströse Zustände in Rheinland-Pfalz, in Nordrhein-Westfalen, in BadenWürttemberg, in Sachsen-Anhalt und in Thüringen sein – denn überall dort gibt es eine Bedarfsgewerbeverordnung, in 14 Ländern. Der Entwurf der Hessischen Bedarfsgewerbeverordnung orientiert sich an denen der anderen Länder. Welch ein desaströser Zustand in Deutschland auf der Grundlage bereits existierender Bedarfsgewerbeverordnungen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Deshalb muss man vielleicht versuchen, schlicht und einfach noch einmal zu erklären, worum es dabei geht.

(Zuruf des Abg. Frank-Peter Kaufmann (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN))

Bei den Überlegungen zu einer Bedarfsgewerbeverordnung haben wir uns als Landesregierung geradezu an der verfassungsrechtlichen Wahrung des Sonn- und Feiertagsschutzes orientiert. So wurden die Einzelheiten des Entwurfs einer Hessischen Bedarfsgewerbeverordnung, insbesondere im Hinblick auf die aktuelle Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, sehr sorgfältig geprüft – mit dem Ergebnis, dass diese Regelungen vor den verfassungsrechtlichen Vorgaben Bestand haben.

An dieser Stelle will ich auch versichern, dass die Landesregierung für die von der Allianz für den freien Sonntag erhobenen Forderungen großes Verständnis hat und sie sehr ernst nimmt. Momentan befinden wir uns noch immer in einem Verfahren, in dem Stellungnahmen eingeholt und ausgewertet werden – die letzten sind erst Ende der letzten Woche eingegangen. Ich kann Ihnen sagen: Stellungnahmen und Argumente werden, sofern sie nach einer Prüfung Berücksichtigung finden können, auf diese Verordnung der Landesregierung Einfluss nehmen.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Jetzt macht er eine Pirouette!)

Insofern findet hier durchaus noch eine Überprüfung des Verfahrens statt.

(Torsten Warnecke (SPD): Sehr gut!)

Das ist der Status der Stellungnahmen – dass man sie ernst nimmt und überprüft, wenn sie eingehen, und versucht, das zu machen.

Wir werden das nicht im Sinne einer Ausweitung machen, wie es Ihnen bereits gesagt worden ist. Es wird in Hessen sicherlich keine Berliner Regelung geben – wo unter der Mitwirkung und Verantwortung der LINKEN alle vier Adventsonntage von dem Verkaufsverbot ausgenommen worden sind.

(Wolfgang Greilich (FDP): In Berlin? – Hermann Schaus (DIE LINKE): Herr Minister, in Hessen sind wir nicht in der Regierung!)

Nein, in Berlin, meine Damen und Herren.

Deswegen will ich an dieser Stelle sehr deutlich sagen: Die Branchen, die hier erfasst worden sind, haben bereits in der Vergangenheit, und zwar seit Jahren, seit 1994 – seitdem es das Arbeitszeitgesetz gibt –, Ausnahmeregelungen oder Genehmigungen erhalten, weil es keine rechtlich fundierte Grundlage gab. Mit der Bedarfsgewerbeverordnung wird erstmalig in Hessen eine rechtliche Grundlage geschaffen, die dazu führen wird, dass Rechtssicherheit besteht – gegenüber dem, was seit Jahren praktiziert worden ist. Ich sage Ihnen nur: Allein im Bereich der Callcenter sind in Hessen im Jahr 2010 18 Ausnahmegenehmigungen erteilt worden – weil das immer so als Beispiel genannt wird.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Schlimm genug!)

Sie haben das bisher überhaupt noch nicht gemerkt. Aber Sie wohnen doch, glaube ich, im Hochtaunuskreis – nein, ich glaube, im Wetteraukreis, da ist irgendwann einmal an einem Sonntag ein Kabel kaputtgegangen, und Fernsehen, Internet und Telefone sind ausgefallen. Da gab es Menschen, die haben eine Hotline angerufen und gefragt: Warum geht denn mein Fernseher nicht? – Das war an einem Sonntag. Da hat doch jemand geantwortet.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Darum geht es doch nicht!)

Der hat das doch nicht ehrenamtlich getan. Der hat das doch getan, weil er sonntags arbeitet.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Darum geht es doch nicht! Wieso denn Versandhandel? Wieso Brauereien? Wieso Sektkellereien? Lenken Sie doch nicht ab!)

Herr Kollege, das ist doch schön. Das ist doch sehr schön. Herr Kollege Schaus, darauf komme ich gleich noch.

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Solange ich das Mikrofon habe, bin ich lauter.

(Glockenzeichen des Präsidenten)