Wir haben ein existierendes Bannmeilengesetz. Darauf sollten Sie vielleicht eingehen. Wir haben nach dem Um
zug aus dem Rathaus in das neue Gebäude im Hessischen Landtag die Bannmeile relativ eng begrenzt. Es sind im Prinzip nur die Straßen, die um den Hessischen Landtag herum sind, und natürlich der Schlossplatz. Wer in Wiesbaden gegen Entscheidungen dieses Parlamentes demonstrieren will, wer seine Meinungen äußern will, der kann in Wiesbaden demonstrieren, und zwar in unmittelbarem Zusammenhang zum Hessischen Landtag auf dem Dern’schen Gelände. Sie haben es doch schon sehr oft erlebt. Wenn man im Hessischen Landtag in seinem Büro sitzt, hört man natürlich, wenn auf dem Dern’schen Gelände demonstriert wird.
Herr Kollege Wilken, Sie verschweigen dabei immer, dass Sie natürlich nicht ohne gesetzliche Regelungen auskommen. Wenn Sie das Bannmeilengesetz abschaffen, müssen Sie andere einfach-gesetzliche Regelungen schaffen, die dieses Parlament schützen. Sie hätten hier alle Möglichkeiten gehabt, darzustellen, wie Sie z. B. Demonstrationsrechte, Versammlungsrechte und anderes einschränken, damit der Hessische Landtag tagen kann und damit die Abgeordneten ungehindert den Hessischen Landtag betreten können.
Sie machen also eine reine Symbolpolitik, auf der einen Seite zu sagen, wir müssten das Bannmeilengesetz abschaffen, und auf der anderen Seite einfach-gesetzliche Regelungen zu machen, die dem Grunde nach das Gleiche bezwecken: den Schutz des Hessischen Landtags und der hier tagenden Abgeordneten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, deswegen ist das, was Sie hier machen, reine Symbolpolitik. Sie zitieren immer wieder andere Bundesländer oder auch den Bund, die die Bannmeile geändert oder abgeschafft haben. Sie sind nicht in der Lage, deutlich zu machen, dass die anderen Länder einfach-gesetzliche Regelungen getroffen haben, um den Schutz des Parlaments zu gewährleisten.
Ich erinnere daran: Mit großem Brimborium ist seinerzeit die Bannmeile um den Deutschen Bundestag abgeschafft worden. Als dann zum ersten Mal schäbigerweise – das muss man sagen – Nazis durch das Brandenburger Tor marschieren wollten, waren Sie die Ersten, die gesagt haben, dass das nicht geht. Das wäre mit einer Bannmeile um den Deutschen Bundestag nicht möglich gewesen.
Ich glaube, dass es ganz gut ist, dass wir vor dem Hessischen Landtag einen Raum haben, der für das Parlament geschützt ist. Ich möchte nicht, dass wie in Frankfurt Salafisten vor dem Hessischen Landtag oder auf der Treppe des Hessischen Landtags demonstrieren können oder ihre kruden Ideen verbreiten können. Ich möchte nicht, dass, wenn wir hier noch einmal Demonstrationen von Nazis haben, diese vor dem Hessischen Landtag auftreten können.
Ich glaube, dass das, was Sie hier machen, purer Populismus ist. Ich verstehe nicht, wie Sie dazu kommen, hier
Meine Damen und Herren, Sie sagen es sogar im Vorblatt Ihres eigenen Gesetzentwurfs in der Problembeschreibung:
Eine konsequente Anwendung der einschlägigen Vorschriften im Strafrecht, im Versammlungsrecht und im Polizeirecht reicht zur Gewährleistung der Integrität und zum Schutz dieser Organe völlig aus.
Das sagen Sie sogar in Ihrem Vorblatt. Ich frage mich wirklich, warum Sie auf der einen Seite auf Strafrecht, Versammlungsrecht und Polizeirecht verweisen und auf der anderen Seite das Bannmeilengesetz abschaffen wollen und hier so tun, als ob Sie durch die Abschaffung des Bannmeilengesetzes den Bürgerinnen und Bürgern erst die Möglichkeit eröffneten, hier zu demonstrieren. Das ist Unsinn.
Ich sage das auch in Anbetracht dessen, was wir hier erlebt haben. Es geht nicht nur um den Schutz des Landtags außen, sondern es geht auch darum, was hier auf der Besuchertribüne passiert. Wir haben das eine oder andere schon erlebt.
Ich glaube, dass wir gut daran tun – das tun die Kolleginnen und Kollegen alle –, sich in kontroversen Debatten auch über Entscheidungen, die in diesem Parlament sehr strittig sind, mit den Bürgerinnen und Bürgern zu unterhalten und sich den Diskussionen zu stellen. Wir haben alle kein Problem, mit Demonstrantinnen und Demonstranten zu reden, die sich gegen Regelungen, die wir hier treffen, aussprechen.
Wir haben einen Dialog, und wir haben eine vernünftige Auseinandersetzung mit denen, die sich mit uns auseinandersetzen wollen. Aber auf der anderen Seite glaube ich – das ist die Erfahrung aus unserer Geschichte; ich will nur am Rande darauf hinweisen –, dass es ein hohes Gut ist, dass Parlamente ohne Störungen, ohne Zwang beraten und entscheiden können. Deswegen werden wir Ihren Gesetzentwurf ablehnen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Frömmrich, Sie müssen sich schon entscheiden. Einerseits kritisieren Sie unseren Gesetzentwurf, weil Sie sagen, dann müssten andere Gesetze verschärft oder geschaffen werden. Andererseits stimmen Sie uns zu, dass es keine weitere Gesetzeserneuerung braucht, weil alles schon geregelt ist. Da müssen Sie sich schon entscheiden.
Zweitens. Ich hoffe, Sie stimmen mir zu, dass wir alle nicht wollen, dass Salafisten, wo auch immer herkommende NPDler oder andere Faschisten in der Wiesbadener Innenstadt oder vor dem Landtag demonstrieren. Da sollten wir alle einer Meinung sein.
Das ist ein kleiner Unterschied, Herr Kollege Wilken. Wir entscheiden nicht, wer hier demonstriert oder nicht demonstriert. Das ist in unserem Grundgesetz geschützt. Jeder darf seine Meinung frei äußern, und jeder darf demonstrieren. Das ist ein hohes Gut in unserer Verfassung.
Wir müssen es aber mit einem anderen hohen Gut der Verfassung abwägen, der Integrität des Hessischen Landtags. Das ist die Problematik.
Herr Kollege Wilken, ich wollte darauf hinweisen, dass Sie so tun, als seien Sie die Bewahrer der Freiheit, und Sie würden die Freiheit auf Demonstration und auf Meinungsäußerung herstellen, indem Sie diese Bannmeile abschafften. Fakt ist doch, dass Sie genau das nicht tun; denn Sie müssten andere einfach-gesetzliche Regelungen in Anspruch nehmen, um den Betrieb des Hessischen Landtags zu schützen. Darauf habe ich hingewiesen, und Sie schreiben es selbst in Ihrem Vorblatt: Das ist das Polizeirecht, das ist das Demonstrationsrecht, das ist das Versammlungsrecht, das sind Strafrechtstatbestände, die dann zur Ausführung kommen.
Es ist eben nicht so, wie Sie in der Öffentlichkeit immer deutlich zu machen versuchen, dass Sie durch die Abschaffung des Bannmeilengesetzes Demonstrationsrecht und Meinungsfreiheit in Wiesbaden ermöglichen. Das ist mitnichten so; denn das können Bürgerinnen und Bürger auch heute tun. Das ist ein hohes Gut, und das wollen wir schützen.
Aber uns ist ein anderes Gut, der Schutz des Landtags und die Integrität des Landtags, auch ein hohes Gut, ein genauso durch die Verfassung geschütztes Recht. Von daher geht Ihr Gesetzentwurf fehl, und deswegen werden wir ihn ablehnen.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es gab einmal einen Abgeordneten des Landtags, er hieß Jörg-Uwe Hahn, der 2007 gesagt hat: Hessen braucht kein Bannmeilengesetz, man braucht keine Angst vor der Straße zu haben.
Das ist zunächst einmal Realität. Die LINKEN haben das vorgetragen, was ich bei der Einbringung zu ihrem Gesetzentwurf schon vorgetragen habe. Sie haben jetzt auch mitbekommen, dass Herr Hahn das gesagt hat. Ich nehme an, Herrn Hahn ist das heute peinlich. Aber warum sollte man lebenslanges Lernen an dieser Stelle bestrafen? Herr Hahn sieht das offensichtlich heute anders.
Zum Ernst der Sache. Ja, wir haben das im Innenausschuss und im Ältestenrat thematisiert. Wir haben eine Anhörung dazu durchgeführt, und das Ergebnis ist für uns als Sozialdemokraten relativ klar. Wenn man das Bannmeilengesetz aufhebt, was man machen kann, braucht man andere Regelungen.
Herr Dr. Wilken, in Thüringen hat die SPD – ich bedauere es – nicht die absolute Mehrheit. Im Jahr 2010 hatte die CDU noch die Mehrheit. Also haben SPD und CDU das offensichtlich zusammen gemacht. Aber ich bin sehr sicher, ohne dass ich das abschließend verifiziert hätte, dass es dort anderweitige Regeln gibt.
Wenn Sie die Bundesebene einbeziehen: Mit dem Umzug des Bundestages von Bonn nach Berlin ist das Bannmeilengesetz aufgehoben, aber im Spezialgesetz, in § 15 des Versammlungsgesetzes in Berlin, sind Verbotsnormen eingeführt worden. Es untersagt, Versammlungen und Aufmärsche am Brandenburger Tor und anderen historischen Orten durchzuführen, weil wir nicht wollen, dass Feinde des Rechtsstaats das Recht auf Demonstration missbrauchen. Dagegen muss sich ein Rechtsstaat wehren können. Das erfolgt in Berlin in einem Spezialgesetz, und das ist gut so.
Man darf beides nicht gegeneinander ausspielen. Wir im Parlament wechseln ja gelegentlich die Rollen; wir arbeiten wechselseitig daran, dass die Regierung von heute die Opposition von morgen ist – wir besonders intensiv, und ich bin sicher, es wird uns gelingen. Deswegen müssen wir auch gemeinsam ertragen, dass gegen unsere Entscheidungen demonstriert wird. Das ist für die, die regieren, nie angenehm. Ich erinnere nur an die große Demonstration auf dem Dern’schen Gelände im Jahre 2003, bei der 35.000 bis 40.000 Menschen zusammenkamen. Selbst bei geschlossenem Fenster hat man gehört, was die Demonstranten von der Politik der CDU gehalten haben: nichts. Sie hatten Recht. Aber auch das müssen wir als Demokraten ertragen.
Herr Dr. Wilken, wir brauchen andere Regelungen, wenn wir das Bannmeilengesetz aufheben wollen. Die Geschichte lehrt uns nämlich, dass ein Parlament ungestört und ungehindert seine unterschiedlichen Positionen austragen können muss – ein Privileg der Demokratie. Totalitäre Staaten haben das nicht. Dafür treten wir gemeinsam – jedenfalls 98 % von uns – in diesem Landtag ein.
Meine Damen und Herren, Ihr Gesetzentwurf greift zu kurz. Er ist sehr populistisch aufgebaut. Sie suggerieren, wir hätten Angst vor einer Auseinandersetzung. Nein, wir müssen uns den Wahlen stellen. Auch das ist ein Privileg der Demokratie, das mühevoll erkämpft wurde. Herr Kollege Bellino, dieses Privileg gibt es nicht schon seit 1848. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts galt noch ein paar Jahre das Dreiklassenwahlrecht. Die Demokratie, wie wir sie uns vorstellen, gibt es erst seit der Weimarer Republik.
Wir wollen die hart erkämpften demokratischen Rechte verteidigen, und deswegen sind wir konsequent. Wir lehnen Ihren Gesetzentwurf ab. Wir wollen, dass wir ungestört und ungehindert tagen und Entscheidungen treffen
können. Wir alle müssen uns bei den Wahlen mit den Bürgerinnen und Bürgern auseinandersetzen. Auch das ist gut so. Deswegen ist Ihr Gesetzentwurf konsequenterweise abzulehnen.