Protokoll der Sitzung vom 05.10.2011

Vielen Dank, Herr Kollege Rudolph. – Das Wort hat der Abg. Leif Blum, FDP.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Dieser Landtag ist ein offenes Haus, ein Haus transparenter Entscheidungen. Herr Kollege Wilken, wenn Sie beim Vorlesen Ihrer Rede ab und zu aufgeblickt hätten, dann hätten Sie sehen können, dass dieser Landtag und seine Abgeordneten den direkten Kontakt zu den Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes nicht scheuten und auch nicht scheuen müssen.

(Zurufe von der LINKEN)

Was Sie uns hier zur zweiten Lesung vorlegen, ist und bleibt – die Kollegen haben darauf schon zu Recht hingewiesen – ein Akt von rein symbolischem politischem Aktionismus – nicht mehr, aber auch nicht weniger.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich hätte vom Grundsatz her nichts anderes erwartet, weil mir mehr oder weniger schon in der ersten Lesung – das habe ich Ihnen damals schon gesagt – klar war, dass eine Fraktion, die die innere Ordnung des Parlaments nicht wirklich zu respektieren weiß, kein guter Ratgeber bei der Frage der äußeren Ordnung des Parlamentarismus sein kann.

Tatsache ist doch – das ist auch in der Anhörung zum Ausdruck gekommen –, dass Sie mit dem, was Sie hier vorgelegt haben, in der Sache eigentlich nichts bewirken. Wenn nämlich die Quintessenz Ihres Vorschlags ist, dass wir das Bannmeilengesetz abschaffen, dafür aber gesetzliche Rahmenbedingungen im Versammlungsrecht, im Strafrecht oder anderswo so ausgestalten, dass wir damit eine ähnliche oder gleiche Wirkung entfalten, dann ist doch nichts gewonnen. Auf diese Weise drücken Sie sich aber vor der Diskussion, die Sie eigentlich führen müssten, zu der Sie aber keine Position bezogen haben. Wenn es Ihnen in der Sache wirklich ernst wäre, dann würden Sie doch nicht darauf verweisen, dass andere gesetzliche Regelungen dieselbe Schutzwirkung für das Parlament – das ist offensichtlich unstrittig – entfalten können wie das Bannmeilengesetz, sondern Sie hätten mit uns eine Diskussion darüber geführt, ob die enge Bannmeile, die zurzeit um den Hessischen Landtag gezogen ist, vielleicht nicht in Gänze gebraucht wird und ob es wirklich ergänzender Einschränkungen im Versammlungsrecht oder in anderen Gesetzen bedarf, um die Schutzfunktion der Bannmeile zu erhalten. Diese Meinung kann man ja haben, die habe ich von Ihnen aber nicht gehört.

(Zuruf des Abg. Dr. Ulrich Wilken (DIE LINKE))

Sie haben hier nicht die Meinung vertreten, dass es in Ordnung ist, wenn Leute direkt vor den Toren des Landtags demonstrieren, gegebenenfalls nach Abschirmung

durch die hessische Polizei, sondern Sie haben die Meinung vertreten: Die Leute mögen gerne demonstrieren, aber bitte nicht so nahe am Landtag, und wir reden jetzt nicht mehr über die Bannmeile, sondern über das Versammlungsrecht. – Das ist aber keine weiterführende Diskussion.

(Zurufe von der LINKEN)

Die andere Diskussion können wir gerne führen, und zwar zur rechten Zeit und am rechten Ort, nämlich dann, wenn das Bannmeilengesetz ausläuft. Dieser Zeitpunkt rückt näher. Dann sind wir gerne bereit, mit Ihnen streitig – oder auch konsensual – über die Frage zu diskutieren, welche Form einer Bannmeile wir in Zukunft brauchen. Die Frage ist: Was ist in der heutigen Zeit noch gerechtfertigt, um auf der einen Seite den Schutz des Parlaments, damit man hier unbeeinflusst zusammenkommen und Entscheidungen treffen kann, und auf der anderen Seite das Recht der Bürgerinnen und Bürger auf Äußerung ihrer Meinung – auch einer kritischen Meinung – zu Parlamentsentscheidungen und die Demonstrations- und Versammlungsfreiheit zu gewährleisten? Das hat der Kollege Frömmrich zu Recht so dargestellt. Diese Diskussion haben Sie mit uns aber gar nicht führen wollen, sondern Sie haben einfach den Vorschlag in die Debatte geworfen: Wir schaffen das Bannmeilengesetz ab, ergänzen ein paar andere rechtliche Regelungen, und die rechtliche Wirkung ist die gleiche.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Lebhafte Zu- rufe von der LINKEN)

Das kann nicht die Diskussion sein, die wir an der Stelle führen wollen. Insoweit ist es gut, dass bisher alle Fraktionen – ich tue das auch für meine Fraktion – hier vorgetragen haben, dass sie Ihrem Gesetzentwurf nicht zustimmen werden. Wir werden die Diskussion dann führen, wenn das Bannmeilengesetz ausläuft – in aller Ruhe, aber auch in aller Detailliertheit und Breite, die in einer solchen politischen Diskussion notwendig ist.

Im Übrigen muss ich eingestehen – ich hätte nie gedacht, dass es einmal so weit kommt, aber es ist so –, der Kollege Frömmrich hat vollumfänglich das vorgetragen, was zu diesem Punkt zu sagen ist. Insoweit habe ich dem nichts hinzuzufügen.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP sowie bei Ab- geordneten der CDU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Blum. – Es gibt keine weiteren Wortmeldungen.

Wir sind am Ende der Debatte und kommen zur Abstimmung. Wer dem Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE für ein Gesetz zur Aufhebung des Gesetzes über die Bannmeile des Hessischen Landtags in zweiter Lesung seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Die Fraktion DIE LINKE. Wer ist dagegen? – CDU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Damit ist dieser Gesetzentwurf abgelehnt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 9 auf:

Zweite Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung für ein Gesetz über das Landesblindengeld – Drucks. 18/4522 zu Drucks. 18/4123 –

Außerdem rufe ich Tagesordnungspunkt 42 auf:

Antrag der Fraktion DIE LINKE betreffend Einführung von Gehörlosengeld analog zum Landesblindengeldgesetz – Drucks. 18/4533 –

Berichterstatter zu dem Gesetzentwurf ist der Kollege Mick. Bitte sehr.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf Ihnen die Beschlussempfehlung des Sozialpolitischen Ausschusses zu dem Gesetzentwurf der Landesregierung für ein Gesetz über das Landesblindengeld, Drucks. 18/4123, und zu dem Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Drucks. 18/4477, vortragen.

Der Sozialpolitische Ausschuss empfiehlt dem Plenum einstimmig, den Gesetzentwurf in zweiter Lesung unverändert anzunehmen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Mick. – Ich eröffne die Aussprache. Redezeit: fünf Minuten je Fraktion. Erste Wortmeldung, Herr Kollege Decker, SPD-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das Landesblindengeldgesetz besteht bekanntlich seit 30 Jahren nahezu unverändert. Deswegen halten wir eine Novellierung des Gesetzes im Grunde genommen für längst überfällig.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LIN- KEN)

Die sich ständig verändernde Verwaltungspraxis und eine Fülle einschlägiger Rechtsprechung machen eine Anpassung mehr als notwendig. Die gilt auch und gerade mit Blick auf die Notwendigkeit, künftig immer mehr EUtaugliche Regelungen zu schaffen. Es gibt also eine ganze Reihe formaler Gründe, die diese gesetzliche Anpassung notwendig machen.

Inhaltlich betrachtet gibt es aus unserer Sicht in jedem Fall zwei gute Gründe, die wir in dieser Novelle sehr begrüßen und die ich deswegen voranstellen will. Zum einen begrüßen wir, ebenso wie die Verbandsseite und die Interessenvertretungen, dass das Landesblindengeldgesetz, wie die anderen landesgesetzlichen Regelungen, jetzt ebenfalls auf fünf Jahre und nicht mehr auf nur zwei Jahre befristet werden soll.

Vor allem begrüßen wir aber, dass auch Kinder, die das erste Lebensjahr noch nicht vollendet haben, künftig einen Anspruch auf Blindengeld haben. Das ist eine der wesentlichen Errungenschaften dieser Novellierung.

(Beifall bei der SPD)

Wie es bei gesetzlichen Neuregelungen üblich ist, hat die Landesregierung eine Anhörung durchgeführt. Auch der Sozialpolitische Ausschuss des Landtags hat dies getan.

Der Gesetzentwurf ist auf breite Zustimmung gestoßen. Es wurde in ihm auch eine Reihe von Anregungen und Verbesserungsvorschlägen berücksichtigt. Das gilt z. B. für einige bedeutsame Vorschläge des Landeswohlfahrtsverbands, der bekanntlich für die Ausführung des Gesetzes in Hessen zuständig ist. Er hat noch eine Reihe weiterer Vorschläge gemacht, die zwar nicht in den Gesetzentwurf eingeflossen sind, deren Umsetzung jedoch im Sinne einer praktischen Handhabung gewesen wäre.

Bedauerlich fanden wir allerdings, dass der von uns unterstützte Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN von der Regierungsmehrheit abgelehnt wurde. Das, was dort vorgeschlagen worden ist, hätte nämlich aus unserer Sicht weitere Verbesserungen für die Betroffenen gebracht, z. B. bei den Einrichtungsmodalitäten beim Bezug anderer Leistungen.

(Beifall bei der SPD)

Da die Gesetzesnovelle dringend notwendig ist und die blinden und sehbehinderten Menschen in Hessen Rechtssicherheit im Hinblick auf die ihnen zustehenden Leistungen brauchen, stimmen wir dem Gesetzentwurf zu. Damit wird sichergestellt, dass diese Menschen den so wichtigen Nachteilsausgleich auch in den nächsten fünf Jahren erhalten.

(Günter Rudolph (SPD): Sehr gut!)

Bei der Einbringung des Gesetzentwurfs habe ich für meine Fraktion bereits darauf hingewiesen, dass wir es für sinnvoll und notwendig halten, das Anliegen der Gehörlosen, ebenfalls einen angemessenen Nachteilsausgleich zu erhalten, und die Frage, ob und wie man einen solchen gewähren kann, ernsthaft zu prüfen. Soweit ich es in Erinnerung habe, haben zwar auch die Fraktion der CDU und die Fraktion der FDP diesen Bedarf im Grundsatz gesehen; aber irgendwie haben sie sich der Sache nicht konkret angenähert. Ich habe jedenfalls den Eindruck, dass das bei ihnen ein wenig im Sande verlaufen ist.

Wir, die SPD-Fraktion, möchten jedoch, dass das Thema auf der Tagesordnung bleibt und dass die Landesregierung eingehend prüft, in welchem Rahmen unterstützende Leistungen für die gehörlosen Menschen in Hessen möglich sind. Es empfiehlt sich dabei, sich anzuschauen, wie das in anderen Bundesländern geregelt ist. Wir haben in der Anhörung erfahren, dass es mindestens fünf oder sechs Bundesländer mit ähnlichen Regelungen gibt. Dem sollten wir dringend nachgehen.

Daher sollten wir den Antrag der LINKEN an den Ausschuss überweisen – das wird wahrscheinlich ohnehin passieren –, dort eingehend darüber beraten und ihn in einen konkreten Prüfauftrag an die Landesregierung einmünden lassen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. – Das Wort hat Herr Kollege Dr. Jürgens, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die blinden Menschen in Hessen können sich auch weiterhin darauf verlassen, dass ihnen der Nachteilsausgleich in Form des Blindengelds zur Verfügung steht. Das ist die Botschaft des einstimmigen Beschlusses des Sozialpolitischen

Ausschusses. Deswegen ist dieser Tag ein guter Tag für die blinden Menschen in Hessen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Der Gesetzentwurf hat in der Anhörung viel Zustimmung bekommen. Das Blindengeld bleibt in seiner ursprünglichen Höhe erhalten. Es wird nicht, wie in anderen Bundesländern, weiter gekürzt. Wie Herr Decker schon gesagt hat, wird der berechtigte Personenkreis um die unter einjährigen Kleinkinder erweitert. Der Betrag wird entsprechend dynamisiert, und der Landeswohlfahrtsverband bleibt der allein zuständige Träger für das Blindengeld.

All dies sind Aktivposten, die auch meine Fraktion dazu veranlassen, dem Gesetzentwurf im Ergebnis zuzustimmen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Wir haben nach der Anhörung einen Änderungsantrag eingebracht. Damit wollten wir aus einem passablen einen hervorragenden Gesetzentwurf machen. In der Anhörung wurden nämlich durchaus Einwände gegen einzelne Regelungen des Gesetzentwurfs erhoben. Das betrifft vor allem die Abstimmung des Landesblindengelds mit anderen vorrangigen und teilweise auch nachrangigen Leistungen, z. B. wenn ein Pflegebedürftiger, der ein Pflegegeld nach dem SGB IX – Pflegeversicherung – bezieht, gleichzeitig blind ist. Wenn er Pflegegeld auf der einen Seite und Blindengeld auf der anderen Seite beanspruchen will, muss es natürlich Regelungen geben, wie das aufeinander angerechnet wird.