Eines der Gestaltungsfelder, die wir in unserem Konzept beschrieben haben, ist die Integration in Staat und Gesellschaft. Das bedeutet auch die Integration durch politische Partizipation; denn die Integration lebt davon, dass die Menschen mit Migrationshintergrund aktiv am politischen Leben teilhaben und auf der kommunalen, der Landes- und der Bundesebene in Entscheidungsprozesse einbezogen werden. Aber, Herr Kollege Schäfer-Gümbel, ich möchte eines sagen: Es ist ein Unterschied, ob man ein kommunales Wahlrecht oder ein allgemeines Wahlrecht auf Landes- und Bundesebene fordert.
Die Diskussion, die in den letzten Wochen dazu geführt worden ist, geht meiner Meinung nach am Kern des Problems vorbei; denn damit eröffnen wir eine Scheindebatte und lösen kein einziges Problem der Menschen mit Migrationshintergrund, die politisch teilhaben wollen.
Wir haben das Problem, dass wir in Deutschland noch mehr darüber nachdenken müssen, wie wir die Menschen an der Politik beteiligen und sie für sie gewinnen können. Das ist eine Aufgabe, der wir uns stellen müssen.
Viele Menschen haben zwar das Wahlrecht, gehen aber nicht wählen. Auch Menschen mit Migrationshintergrund gehen nicht wählen, weil sie nicht dort abgeholt werden, wo sie sich befinden. Das heißt, wir müssen uns darüber Gedanken machen, wie wir die Politik transportieren, wie wir unsere politischen Parteien öffnen, damit die Menschen dort teilhaben können, und wie wir die gesetzlichen Hürden beseitigen, damit die Menschen die Möglichkeit haben, politisch zu partizipieren.
Da wir schon einmal bei den gesetzlichen Hürden sind: Wir GRÜNE sind dafür, dass wir uns auf Probleme konzentrieren, die wir mit einer einfachen Mehrheit im Bundestag lösen können: die Erleichterung der Einbürgerung, die Hinnahme der Mehrstaatigkeit und die Aufhebung der Optionspflicht. Auf diese drei Punkte müssen wir uns konzentrieren.
Demokratietheoretisch müssen wir uns fragen, wie wir als Politikerinnen und Politiker mit der Situation umgehen wollen,
dass in manchen Städten und Gemeinden im Lande Hessen die Zahl derer, die nicht wählen und nicht politisch teilhaben können, stetig steigt. Von daher ist es erst recht wichtig, dass wir uns auf das konzentrieren, was wir machen können.
Ich möchte noch eine Bemerkung an die Adresse der CDU-Fraktion richten: Herr Dr. Wagner hat gesagt, dass die Einbürgerung am Ende eines erfolgreichen Integrationsprozesses steht. Dazu möchte ich sagen, dass Herr Dr. Wagner von der Realität dieser Gesellschaft und vom Kern der Integrationspolitik nichts verstanden hat.
Es gibt Tausende von Menschen in unserem Land, die zwar sehr gut integriert sind und die deutsche Sprache perfekt beherrschen, aber aus irgendwelchen Gründen nicht die deutsche Staatsbürgerschaft annehmen wollen. Diese Menschen sind genauso gut integriert wie diejenigen, die die deutsche Staatsbürgerschaft haben.
Umgekehrt gibt es Tausende von Menschen, die sehr gut integriert sind und hier auf der Basis des Grundgesetzes friedlich leben, aber niemals die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten werden, weil sie die Sprache nicht ausreichend beherrschen.
Es gilt, auch diesen Personen Respekt zu zollen; denn sie nehmen seit Jahren an unserer Gesellschaft produktiv teil und erziehen ihre Kinder hier.
Man darf den Integrationserfolg also nicht an die Staatsbürgerschaft koppeln. Das wäre falsch und an der Realität dieser Gesellschaft vorbeigedacht. Konzentrieren wir uns von daher also auf die wesentlichen Punkte – Hinnahme der Mehrstaatigkeit, Erleichterung der Einbürgerung und Aufhebung des Optionszwangs –, damit wir von einem „Ihr“ zu einem „Wir“ gelangen. – Herzlichen Dank.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich war angesichts des Antrags der FDP für diese Aktuelle Stunde ein bisschen hin- und hergerissen.
Einerseits ist die FDP politisch kaum noch relevant. Da ihr Thema zudem recht bizarr gewählt ist, könnte ich also getrost schweigen. Andererseits lässt sich genau daran wunderbar zeigen, wie weit die FDP außerhalb der Zeit steht und dass sie keine politischen Ideen und keine politischen Ideale mehr hat.
Man muss sich das nur einmal anschauen: Nachdem der FDP-Integrationsminister vorgestern eine halbe Stunde lang wortreich erklärt hatte, dass er in fast drei Jahren nichts geschafft hat und auch in den weiteren zwei Jahren nichts schaffen möchte, legen Sie hier nicht etwa einen Vorschlag in Sachen Integration auf den Tisch – etwas, zu dem man sagen könnte: aha, die FDP gibt es noch, die wollen etwas –, sondern Sie beantragen eine Aktuelle Stunde, nur um sich über einen Vorschlag der Opposition aufzuregen.
Herr Rentsch, der Vorsitzende der SPD war nämlich so hundsgemein, eine Reform des Wahlrechts anzuregen.
Ja, das hat er. Er hat die Schaffung eines Wahlrechts für EU-Ausländer angeregt und hat dabei auch die Unterstützung des Ausländerbeirats. Das ist in Ihren Augen unerhört.
Unerhört? Nein, meine Damen und Herren, eigentlich ist das normal; denn das Wahlrecht hat sich entwickelt und wird sich hoffentlich auch weiterentwickeln. Der Streit um das Wahlrecht gehört zur politischen Geschichte, und er wird auch in Zukunft eine Rolle spielen.
Das Wahlrecht wurde den Menschen weder von den Kirchen noch von den Königen, noch von den Parlamenten geschenkt, sondern es wurde immer erstritten und erkämpft: von Freiheitskämpfern, von Demokraten, von der Frauenbewegung, von Minderheiten und von Bürgerrechtlern.
Herr Rentsch, Sie merken, ich spreche nicht von der FDP. Denn wann haben die Liberalen zum letzten Mal für ein fortschrittliches Wahlrecht gestritten? Ich glaube, das ist etwa 160 Jahre her.
Bei fünf Minuten Redezeit nicht. – Herr Rentsch, ich bin gerade an der entscheidenden Stelle. Hören Sie zu.
Als 1918 das Frauenwahlrecht kam, war die FDP nicht dabei. Ein Blick in Ihre Männerreihen zeigt, dass Sie es bis heute nicht verstanden haben.
Warum ist das sogenannte Ausländerwahlrecht nötig, das DIE LINKE seit Langem fordert? Es ist nötig, weil in Deutschland 7 Millionen Menschen ohne deutschen Pass leben, davon fast die Hälfte seit mehr als 15 Jahren. Warum diese Menschen zwar Steuern zahlen müssen, aber nicht mitentscheiden dürfen, ist weder rational erklärbar noch gerecht.