Protokoll der Sitzung vom 06.10.2011

Warum ist das sogenannte Ausländerwahlrecht nötig, das DIE LINKE seit Langem fordert? Es ist nötig, weil in Deutschland 7 Millionen Menschen ohne deutschen Pass leben, davon fast die Hälfte seit mehr als 15 Jahren. Warum diese Menschen zwar Steuern zahlen müssen, aber nicht mitentscheiden dürfen, ist weder rational erklärbar noch gerecht.

(Beifall bei der LINKEN)

Warum ist ein sogenanntes Ausländerwahlrecht nötig, wie es DIE LINKE seit Langem fordert? Das Bundesverfassungsgericht hat dies 1990 in zwei Urteilen verworfen. Heribert Prantl schrieb jedoch 1994 zu diesen Urteilen – Herr Greilich, hören Sie zu, auch wenn es Ihnen schwerfällt –:

Die Verlierer von Karlsruhe mussten sich einstweilen damit trösten, dass man eines Tages das Karlsruher Urteil so befremdlich lesen wird, wie man heute die vergilbten Pamphlete gegen das Frauenwahlrecht liest.

Recht hat er.

(Beifall bei der LINKEN)

Prantl hat darauf hingewiesen, dass sich, erstens, die Welt weiter dreht und dass, zweitens, die Rechtsprechung gesellschaftliche Entwicklungen nachvollzieht und Urteilssprüche veränderbar sind.

Das EU-Wahlrecht hat die althergebrachten Verbindungen von Staats- und Wahlrecht seit 1992 aufgeweicht. Die Parlamentarische Versammlung des Europarats hat 2008 beschlossen – ich zitiere –,

... die Integration und demokratische Teilhabe von Migranten in ganz Europa zu verbessern... durch... Gewährung des Wahlrechts einschließlich des aktiven und passiven Wahlrechts bei Kommunal- und Regionalwahlen für Migranten...

In Schweden gibt es das auf kommunaler und regionaler Ebene bereits seit 1975. Bis 1994 hatten dies Dänemark, Finnland und die Niederlande. In Irland gilt das Ausländerwahlrecht bis zum nationalen Parlament. Die Mehrheit der europäischen Staaten hat das Wahlrecht vom Staatsbürgerrecht längst entkoppelt. Nur Deutschland gehört zu einer kleinen Minderheit, bei der das kommunale Wahlrecht sogar bis heute an das Staatsbürgerrecht gekoppelt bleibt.

Herr Kollege Schaus, Sie müssen zum Schluss kommen.

Herr Präsident, ich komme zum Schluss. – DIE LINKE im Hessischen Landtag hat jedenfalls einen Gesetzentwurf eingebracht, in dem das Ausländerwahlrecht kommunal eingeführt werden soll, und die linke Bundestagsfraktion hat jüngst ein generelles Ausländerwahlrecht eingebracht.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Mit der SPD!)

Wir begrüßen, dass wir mit der SPD hierbei einen gemeinsamen Standpunkt haben. Ich verbleibe mit dem Wunsch, dass die SPD gleichen Forderungen der LINKEN dann auch einmal im Parlament zustimmt. So viel Gemeinsamkeit muss man aushalten.

(Beifall bei der LINKEN – Zuruf des Abg. Hans- Jürgen Irmer (CDU))

Vielen Dank. – Das Wort hat Herr Abg. Peter Beuth, CDU-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Mick war so freundlich, bereits am Anfang der Debatte festzustellen, dass die Staatsgewalt vom Volke ausgeht. Staatsangehörigkeitsrecht und Wahlrecht gehören zusammen.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Sehr richtig!)

Die Forderung des Fraktionsvorsitzenden der SPD, Herrn Schäfer-Gümbel, ist verfassungswidrig. Das ist hier deutlich gemacht worden, und diesem Urteil schließen wir uns als CDU-Fraktion an.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Meine Damen und Herren, das Wahlrecht folgt der Staatsangehörigkeit, und die Staatsangehörigkeit folgt einem erfolgreichen Integrationsprozess. Dazu gehören: die deutsche Sprache, die Anerkennung unseres Grundgesetzes, unserer christlich-abendländischen Werteordnung und – ja, meine Damen und Herren – die Anerkennung, dass mit dem Staatsangehörigkeitsrecht, also mit der Zugehörigkeit zur Bundesrepublik Deutschland, eben der Erhalt von Rechten, aber auch die Übernahme von Pflichten verbunden ist. Insofern gehört das zusammen. – So viel als Einleitung.

(Beifall bei der CDU)

Herr Kollege Schäfer-Gümbel, das, was Sie hier gerade vollführt haben, war ziemlich bemerkenswert: Erstens. Den Auftritt, den Sie sich hier gegönnt haben, haben Sie versenkt. Zweitens. Es ist Ihnen nicht gelungen, Ihre wirren Thesen vom vergangenen Wochenende hier in irgendeiner Form vernünftig zu rechtfertigen. Das kann ich einmal feststellen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Die Unverschämtheiten gegenüber unserem Fraktionsvorsitzenden richten sich selbst.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Welche „Unverschämtheiten“?)

Meine Damen und Herren, das ist doch Kalkül von Ihnen. Was sollen denn die Menschen denken, wenn sie dieses Interview mit der Überschrift: „Wahlrecht für alle“ in der „Frankfurter Rundschau“ vom 1. Oktober 2011 lesen? Herr Schäfer-Gümbel, Sie haben auch von „sinnerfassendem Lesen“ gesprochen.

(Dr. Thomas Spies (SPD): So sollten Sie einmal lesen!)

Dann will ich Ihnen einmal vorlesen, was in dem Interview steht. Ich unterstelle, dass Sie es sich zu eigen gemacht haben, weil Sie sich in diesem Interview mit dem Vorsitzenden der Ausländerbeiräte geschmückt haben. Darum geht es im Kern der Sache eigentlich. „Sinnerfassendes Lesen“: Der Kollege Di Benedetto hat Folgendes formuliert – ich glaube nicht, dass das missverständlich ist –:

Die Position der Hessen-SPD, dass wir mit dem kommunalen Wahlrecht beginnen wollen, ist der richtige Schritt.

„Beginnen wollen“ – womit denn „beginnen“? Natürlich mit dem allgemeinen Wahlrecht. Das ist die Position in einem Interview von Ihnen und Herrn Di Benedetto.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Jetzt können Sie sich auch nicht herausreden, indem Sie sagen: Na ja, das hat Herr Di Benedetto, unser neues Mitglied, gesagt. – Das will ich auch gar nicht kritisieren. Aber ich unterstelle noch nicht einmal Ihnen so viel Unprofessionalität, dass Sie das nicht freigegeben haben, da von Ihrem neuen Mitglied doch die SPD-Position beschrieben wurde.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Also, da fragt man sich ernsthaft: Warum wird diese Forderung, die unmöglich zu erfüllen ist, von Herrn SchäferGümbel aufgestellt? Geht es jetzt um die Sache? – Nein, meine Damen und Herren, es geht doch nicht um die Sache. Es geht um die Aufmerksamkeit, die er erheischen möchte. Es geht nur um die Aufmerksamkeit.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Was machen Sie in Ihrer Aktuellen Stunde?)

Heute lese ich in der „FAZ“: „Es geht uns nicht um Showeffekte“. So hat es Herr Schäfer-Gümbel gesagt. Natürlich geht es darum. Es geht nur darum.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Es geht nur um die Schlagzeile. Es geht nur um den Effekt gegenüber den Medien und den Effekt – das ist fast verwerflich – gegenüber den Ausländern, denen etwas vorgemacht wird, indem von der SPD eine nicht zu erfüllende Forderung aufgestellt wird. Es geht Ihnen am Ende nur um die Show.

Meine Damen und Herren, ich lese in diesem „FAZ“Interview heute auch: „Ich werde künftig mich nicht mehr in jede Auseinandersetzung im Landtag einmischen...“

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Hoffentlich!)

Fürs Protokoll: Herr Kollege Irmer hat gerade das Wort „hoffentlich“ zugerufen. So weit will ich gar nicht gehen.

(Heiterkeit bei der CDU)

„Ich werde mich künftig nicht mehr in jede Auseinandersetzung im Landtag einmischen, damit sich auch andere profilieren können.“ Heute hätte doch jemand die Gelegenheit gehabt, sich hier zu profilieren. Meine Damen und Herren, Sie haben aber offensichtlich niemanden gefunden, der diese wirre These von diesem Rednerpult aus auch noch verteidigt.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Nein, Herr Kollege Schäfer-Gümbel, am Ende stelle ich fest: Sie haben nicht nur in der eigenen Fraktion niemanden gefunden, sondern auch bei dem potenziellen Koalitionspartner nicht. Sie wollen das große Projekt RotGrün. Nicht einmal die GRÜNEN sind bei dieser Forde

rung am Ende noch mit dabei. Herr Kollege SchäferGümbel, ich kann Ihnen von hier aus nur zurufen: Der Einzige, der am Ende noch an Ihrer Seite steht – nicht einmal Ihre Fraktion, nicht einmal die GRÜNEN –, ist doch der Kollege Schaus von den LINKEN. Das ist ein Stück weit erbärmlich. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Anhaltender Beifall bei der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Beuth. – Das Wort hat Herr Staatsminister Hahn.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich will den Boddenberg wiederhaben! – Heiterkeit bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Anhaltende Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Die Forderung nach einem allgemeinen Ausländerwahlrecht ist mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Die Forderung nach einem allgemeinen Ausländerwahlrecht hilft keinem Migranten im Prozess der Integration. Und die Forderung nach einem allgemeinen Wahlrecht für Ausländer verwirrt die hessische Bevölkerung, weil man ihr Sand in die Augen streut. Herr Schäfer-Gümbel, nehmen Sie diese Forderung bitte heute noch zurück.