Protokoll der Sitzung vom 06.10.2011

Herr Präsident, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Die Forderung nach einem allgemeinen Ausländerwahlrecht ist mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Die Forderung nach einem allgemeinen Ausländerwahlrecht hilft keinem Migranten im Prozess der Integration. Und die Forderung nach einem allgemeinen Wahlrecht für Ausländer verwirrt die hessische Bevölkerung, weil man ihr Sand in die Augen streut. Herr Schäfer-Gümbel, nehmen Sie diese Forderung bitte heute noch zurück.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Ich will Sie – das ist die Aufgabe eines Justizministers – zunächst über die Rechtslage informieren. Herr Kollege Schaus hat immerhin – hohe Achtung – das Bundesverfassungsgericht zitiert. Im Jahre 1990, Entscheidungsdatum ist der 31.10. – im 83. Band, ab Seite 50 –, hat sich das Bundesverfassungsgericht mit dem damaligen Entwurf bzw. mit dem damals verabschiedeten Gesetz aus Schleswig-Holstein auseinandergesetzt. Es hat – ich zitiere aus drei Passagen – Folgendes festgehalten. Nach Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG

... muss das Volk auch in den Kreisen und Gemeinden eine gewählte Vertretung haben; der Begriff des Volkes wird dabei mit demselben Inhalt wie in Art. 20 Abs. 2 GG verwendet. Diese Vorschrift meint mit „Volk“ das deutsche Volk. Damit erfasst der Begriff des Volkes in den Gemeinden und Kreisen nur deren deutsche Einwohner. Das schließt die Gewährung eines Kommunalwahlrechts an Ausländer aus.

Weiter gehts:

Ist also die Eigenschaft als Deutscher nach der Konzeption des Grundgesetzes der Anknüpfungspunkt für die Zugehörigkeit zum Volk als dem Träger der Staatsgewalt, so wird auch für das Wahlrecht, durch dessen Ausübung das Volk in erster Linie die ihm zukommende Staatsgewalt wahrnimmt, diese Eigenschaft vorausgesetzt.

Dritte Formulierung:

Auch die den Bundesländern zukommende Staatsgewalt

also das Landtagswahlrecht –

kann gemäß Art. 20 Abs. 2, Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG nur von denjenigen getragen werden, die Deutsche im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG sind.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, verehrter Herr Präsident, die Aussagen des Bundesverfassungsgerichts sind eindeutig. Sie sind nicht interpretierbar. Deshalb stelle ich noch einmal fest: Die Forderung nach einem allgemeinen Wahlrecht für Ausländer ist verfassungswidrig.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Und das haben die hessischen Sozialdemokraten gefordert.

Herr Staatsminister, es gibt den Wunsch nach einer Zwischenfrage von Herrn Schäfer-Gümbel.

(Zuruf von der FDP: Dann aber auch sinnerfassend zuhören, Herr Schäfer-Gümbel! – Gegenruf von der SPD: Ah, der Oberlehrer ist auch da!)

Na ja, ich habe ja eine Frage. – Herr Justizminister, ist Ihnen die Vorlage 515 des Bundesrates aus dem Jahr 1997 bekannt, die am 9. Juli 1997 beschlossen wurde? Das ist ein Gesetz, das von mehreren Bundesländern eingebracht und auch mehrheitlich im Bundesrat beschlossen wurde, und zwar ein Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes, um genau den Bedenken des Verfassungsgerichts entgegenzukommen; denn dass es derzeit nicht geht, ist völlig unstrittig. Die Frage ist doch, wie man dahin kommt.

Herr Staatsminister.

Herr Kollege Schäfer-Gümbel, ich frage zurück: Ist Ihnen bekannt, dass diese Gesetzesinitiative des Bundesrates nicht die Zweidrittelmehrheit im Deutschen Bundestag erhalten hat?

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Doch, natürlich! Der hat ja keine Ahnung!)

Und wenn Ihnen das bekannt ist, dann sollten Sie doch aufhören, so zu tun, als ob man es innerhalb von eineinhalb Jahren schaffen könnte, eine entsprechende Änderung des Grundgesetzes vorzunehmen. Sie werden eine Zweidrittelmehrheit im Deutschen Bundestag und im Bundesrat für dieses Gesetz derzeit und in absehbarer Zeit nicht erhalten, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Das wissen auch die Sozialdemokraten in diesem Hause, und deshalb haben sie den Bürgerinnen und Bürgern Sand in die Augen gestreut.

(Zuruf des Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN))

Sehr verehrter Herr Schäfer-Gümbel, nachdem ich Ihre Frage beantwortet habe, möchte ich jetzt mit demselben Trick antworten, mit dem Ihr Kollege, mit dem Sie sich ge

rade unterhalten haben, versucht hat, mich vorgestern in der Integrationsdebatte vorzuführen.

Er hat gesagt – ich übersetzte das jetzt einmal positiv –: Herr Hahn, ganz so schlecht ist das, was Sie da mit dem Religionsunterricht machen, nicht. Aber da hat ein CDUKollege etwas gesagt, und davon hätten Sie sich doch immerhin ganz streng distanzieren müssen.

Herr Di Benedetto, Ihr neuer Kandidat, um zu zeigen, dass die Sozialdemokraten in Hessen auch etwas mit Ausländern machen können, hat in einem gemeinsamen Interview Folgendes gesagt. Ich zitiere: „Ja, ich rede ganz bewusst über das allgemeine Wahlrecht, das aktive und das passive. Natürlich weiß ich, dass es ein Fernziel ist.“

Meine sehr verehrten Damen und Herren, daneben saß der Vorsitzende der SPD Hessen.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja, und?)

Der Vorsitzende der SPD Hessen hat nicht gesagt, die hessische SPD sei gegen diese Forderung. Sie sind also für das allgemeine Wahlrecht, und das ist eine falsche Politik, die ich hier noch einmal entlarven möchte.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Eine vorletzte Bemerkung. In dem Interview in der Mitte beziehen Sie sich auf 1999 und sagen, was Sie da alles gut gemacht haben. Das, was dort verabschiedet wurde, sei gut. Darf ich, Herr Schäfer-Gümbel, daraus die Schlussfolgerung für die Landesregierung ziehen, dass die größere Oppositionsfraktion der SPD die Position der Landesregierung unterstützt, dass auch weiterhin die Optionsmöglichkeiten bestehen bleiben müssen? Denn Sie waren Teil des Kompromisses im Jahr 1999, der im Zusammenhang mit dem Staatsbürgerschaftsrecht zwischen Rot-Grün in Berlin und den FDP-Regierungen in den Ländern getroffen worden ist. Heißt das also, dass die Sozialdemokraten in Hessen sich jetzt nicht mehr dem anschließen, dass die Optionsmöglichkeiten abgeschafft werden sollen? Ich stelle diese Frage sehr bewusst. Denn Sie können nicht mit verwirrenden Botschaften so tun, als würden Sie inhaltliche Politik machen. Sie werfen einmal dorthin eine Meldung und einmal dorthin. Sie verwirren die Bürgerinnen und Bürger. Sie schaden damit dem Integrationsprozess in unserem Lande.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Tarek Al-Wa- zir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Hahn! Das kann doch nicht ihr Ernst sein!)

Kümmern Sie sich bitte z. B. auch in den verschiedenen Gremien des Landes – im Integrationsbeirat und in anderen Gremien dieses Landes – um die Lösung der praktischen Probleme, die wir haben. Da würden wir gern noch ein bisschen mehr Ihre Unterstützung einfordern. – Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Herr Kollege Merz, Sie haben eineinhalb Minuten.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Minister Hahn, ich glaube, ich bin mehr und öfter im Integrationsbeirat als die CDU-Kollegen. So viel dazu.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU und der FDP: Oh!)

Ja, wenn wir schon austeilen, dann kriegt er es auch zurück.

(Lachen bei der FDP)

Zweitens. Herr Kollege Beuth, wer für die SPD-Fraktion in einer Aktuellen Stunde des Landtags hier ans Rednerpult geht, bestimmt in erster Linie der Vorsitzende der SPD-Fraktion, und er hat entschieden, dass er das selbst macht. Mit mangelnder Solidarität der SPD-Fraktion hat das überhaupt nichts zu tun.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU)

Deswegen stehe ich jetzt noch einmal hier, weil der Minister mir Gott sei Dank die Möglichkeit dazu gegeben hat.

Jetzt zur Sache. Erstens.

(Anhaltende Zurufe von der CDU – Glockenzei- chen des Präsidenten)

Was der Vorsitzende der SPD und der SPD-Landtagsfraktion gesagt hat, ist, dass wir das kommunale Wahlrecht für Ausländer wollen – so, wie viele vernünftige Menschen innerhalb der CDU und innerhalb der FDP auch. Das ist hier zitiert worden.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Zweitens. Wir wissen, dass das gegenwärtig verfassungsrechtlich nicht möglich ist. Aber wir wissen auch, dass – –

Herr Kollege Merz, es gibt auch bei dieser knappen Redezeit den Wunsch des Kollegen – –

Aber wir wissen auch – –

Lass mich doch einmal ausreden. Kreisch doch nicht mit mir. Da brauchst du nicht mit mir zu schreien. Schreit doch mit euch selbst. – Also bitte, mach weiter.