Protokoll der Sitzung vom 01.11.2011

eingetreten. Die neue Rechtslage müssen Sie zumindest bewerten. Sie dürfen sie jedenfalls nicht ignorieren.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Lebhafte Zu- rufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, das hessische Wirtschaftsministerium hätte es sich damals sehr einfach machen können. Es hätte trotz des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts einfach „null Nachtflüge“ in den Plan hineinschreiben können, um sich für den Moment allen Angriffen zu entziehen. Dieser Plan wäre aber wegen der Rechtsprechung rechtlich angreifbar gewesen und hätte daher zu einer erheblichen Verzögerung des Baus der Landebahn geführt.

(Widerspruch der Abg. Nancy Faeser (SPD))

Stattdessen hat sich die Landesregierung – auch das bitte ich zur Kenntnis zu nehmen – im Dezember 2007, sechs Wochen vor der Landtagswahl am 27. Januar 2008, für Klarheit und für Wahrheit statt für Populismus entschieden.

(Zuruf der Abg. Nancy Faeser (SPD))

Wir wollten den Bürgern vor der Wahl sagen, worum es geht, und wir wollten uns nicht feige wegducken.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ging darum – ich sage das der Opposition zum dritten Mal –, den Planfeststellungsbeschluss in Einklang mit der neuen Rechtsprechung zu bringen. Das war der Grund, warum wir sagten, ein Nachtflugverbot werde nur mit Ausnahmen rechtlich haltbar sein. Das war aus der Sicht der bürgerlichen Regierung der einzige Grund, warum der Wirtschaftsminister 17 Ausnahmen in dem Planfeststellungsbeschluss vorsah. Setzen Sie sich doch bitte damit einmal auseinander.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Zuruf von der SPD: Kleinbürgerliche Regierung! – Weitere Zu- rufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Seitdem ergehen sich die GRÜNEN und die SPD in unerhörten Beschimpfungen. Ich frage Sie jetzt einmal umgekehrt – man muss sich immer auch in die Lage des anderen versetzen –: Welche Motive vermuten Sie eigentlich bei uns, Herr Schäfer-Gümbel, wenn Sie uns vorwerfen, dass wir uns so verhalten, wie Sie es nicht wollen?

(Nancy Faeser (SPD): Wirtschaftliche! – Tarek AlWazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie laufen jedem Lobbyisten hinterher!)

Welche Motive vermuten Sie? Darüber schweigen Sie. War es aus Ihrer Sicht bloße Willkür der Regierung, um der Opposition Futter für Kampagnen zu liefern?

(Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich sage es hier klar und deutlich: Wir wollten und wollen eine Erweiterung des Frankfurter Flughafens auf gesicherter rechtlicher Basis. Das unterscheidet uns von Ihnen.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Motivation der GRÜNEN war und ist bis auf den heutigen Tag eine völlig andere. Genauso wie die Start

bahn West wollen Sie die neue Landebahn mit allen Mitteln verhindern. Sie gaben ein Nachtflugverbot vor und hätten in Kauf genommen, dass dann die alte Nachtflugregelung mit 60 bis 70 Nachtflügen in Kraft geblieben wäre. Das habe ich Ihnen bereits vor zwei oder drei Jahren von dieser Stelle aus vorgehalten. Diese Ihre Motivationen nenne ich intellektuell unredlich. Wir sollten schon sauber miteinander argumentieren.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Lassen Sie mich noch eines hinzufügen. Wer den Koalitionsvertrag, den 2008 Rot, Rot und Grün unter Mitwirkung von Herrn Schäfer-Gümbel geschlossen haben, liest, der stellt fest, dass wir heute, am 1. November, noch viele Jahre auf die Fertigstellung der neuen Landebahn warten müssten, weil Sie bei Ihrem faulen Koalitionskompromiss mit den GRÜNEN und der Linkspartei nämlich bereit waren, in Kauf zu nehmen, dass es zu einer erheblichen Verzögerung der Fertigstellung dieser Landebahn kommen würde. Das halte ich Ihnen hier vor.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Hessen kann heute noch dankbar sein, dass es vier aufrechte Sozialdemokraten waren, die dieses verhindert haben.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Auch das noch! – Weitere Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Lassen Sie mich auf ein weiteres Beispiel purer Polemik von Herrn Schäfer-Gümbel eingehen. Herr Schäfer-Gümbel, Sie werden nicht müde, gegen alle Fakten, die ich Ihnen hier vorgetragen habe, die Sie zum Teil einfach ignorieren, von einem „Wortbruch der Landesregierung“ zu sprechen. Ich muss Ihnen sagen, Herr Schäfer-Gümbel: Ich finde es schon dreist, wenn Sie, die Sie zusammen mit der hessischen SPD und Frau Ypsilanti im Jahre 2008 für den größten Wortbruch in der jüngeren Geschichte der Bundesrepublik Deutschland verantwortlich zeichnen, diesen Begriff zur Verunglimpfung des politischen Gegners gebrauchen.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Gernot Grum- bach (SPD): Märchenerzähler! – Weitere Zurufe von der SPD)

Sie wussten damals ganz genau: An die Macht kommen Sie nur zusammen mit den LINKEN. Dennoch haben Sie vorsätzlich und bewusst im Wahlkampf das Gegenteil von dem behauptet, was Sie anschließend umzusetzen versuchten.

(Lachen bei Abgeordneten der SPD – Norbert Schmitt (SPD): In Ihrer Partei gibt es da noch ganz andere!)

Mit Ihrem damaligen Wortbruch sind Sie zum Glück auf ganzer Linie gescheitert. Herr Schäfer-Gümbel, ich empfehle Ihnen, den Begriff Wortbruch nur noch dann zu verwenden, wenn Sie von Ihrer Parteigeschichte des Jahres 2008 reden.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Mathias Wag- ner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Falsche Rede!)

Ich möchte aber auch noch etwas an die Adresse der GRÜNEN sagen. Sie waren von Anfang an gegen den Ausbau des Flughafens. Dazu bekennen Sie sich auch heute. Das ist nicht neu. Überall, wo es um die Verhinde

rung von Infrastrukturprojekten geht, finden wir die GRÜNEN ganz vorne: bei der A 44, bei der A 49, beim Flugplatz Kassel-Calden, beim Frankfurter Flughafen. Sie sind immer dagegen. Das aktuellste Beispiel in Deutschland ist Ihre Haltung zur A 100 im Lande Berlin. Dazu hat der sozialdemokratische Bundesvorsitzende vor wenigen Tagen gesagt: „Ich will zwar Wohlstand, behaupten die GRÜNEN, aber nicht die damit verbundenen Belastungen.“ Das hat er an die Adresse der GRÜNEN gesagt. Hier hat er ausnahmsweise recht.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Münchner Oberbürgermeister Ude sagte: „Es scheint ein Hobby der grünen Partei zu sein, Verkehrsprojekte fundamentalistisch abzulehnen, sodass am Ende kein Spielraum mehr für Kompromisslösungen ist.“ So der Genosse Sozialdemokrat Ude aus München. Ich wundere mich, dass die SPD-Fraktion jetzt nicht klatscht, dass Sie Ihrem Parteifreund jetzt nicht Beifall zollen.

(Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, ich möchte zur Frage der Revision noch Folgendes klarstellen. Die Revision – das hat der Herr Ministerpräsident bereits in aller Deutlichkeit gesagt – ist der schnellste Weg zum Rechtsfrieden und zu einer rechtlich gesicherten Existenz des Flughafens. Die Opposition ist an einem wirklich seriösen Gedanken- und Argumentationsaustausch nicht interessiert, wie wir auch heute wieder gehört haben.

Meine Damen und Herren, wenn wir angesichts des Urteils des VGH auf die Feststellung, die Zahl der nächtlichen Flugbewegungen müsse „nahe null“ sein, reagierten, dann müssten wir, wie der Herr Ministerpräsident völlig zu Recht ausgeführt hat, ein neues Planfeststellungsverfahren durchführen.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja!)

Das wollen Sie gerne. Sie wollen ja nur verzögern. Das ist der Leim, auf den Sie die anderen zu führen versuchen. Ich danke Ihnen für diese ausdrückliche Bestätigung.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Entscheidung im Übrigen gesagt: Das Verfahren gibt dem Bundesverwaltungsgericht Gelegenheit, sich zu Fragen im Zusammenhang mit dem neuen Fluglärmschutzgesetz grundsätzlich zu äußern.

Lassen Sie mich zum Schluss noch ein Wort zum Prozedere sagen. Wenn es den Sozialdemokraten hier im Hause wirklich ernst wäre und es ihnen um die Sache ginge, dann würden sie mit uns einverstanden sein, dass sämtliche Anträge der Fraktionen an die Ausschüsse verwiesen und dort beraten werden und dann, mit einer entsprechenden Beschlussempfehlung versehen, wieder in das Plenum kommen. Nein, sie wollen heute Klamauk veranstalten. Sie haben eine namentliche Abstimmung gefordert, weil das in Ihre Polemik und in Ihre Kampagne passt. Da machen wir im Rahmen unserer Möglichkeiten – das will ich ausdrücklich sagen – nicht mit.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Lassen Sie mich zusammenfassen. Der Planfeststellungsbeschluss vom 18. Dezember 2007 sieht unter anderem

Folgendes vor: erstens die Errichtung einer neuen Landebahn mit einem absoluten Nachtflugverbot, zweitens ein Nachtflugverbot für den übrigen Flughafen mit bis zu 17 Ausnahmen – statt bisher 60 Nachtflügen.

Diese Ausnahmen, ich wiederhole, sind allein der geänderten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geschuldet. Ein Unterlassen der Revision hätte eine jahrelange Verzögerung des Ausbaus des Flughafens bedeutet.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich ganz zum Schluss feststellen – ich wiederhole, was ich eingangs gesagt habe –: So wenige Nachtflüge wie möglich, Lärmminderung in der Nacht und am Tag bleiben für uns als christlich-liberale Koalition weiterhin höchste Priorität.

(Gernot Grumbach (SPD): Wann denn?)

Der Ministerpräsident hat völlig zu Recht darauf hingewiesen, dass wir durch die erweiterten Flugzahlen jetzt natürlich auch tagsüber zusätzliche Belastungen der Bevölkerung haben; auch damit müssen wir uns in verantwortlicher Weise auseinandersetzen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Ich rate uns allen – jenseits aller Polemik, jenseits aller Kampagnen –, mit hoher Sensibilität über diese Dinge, den Lärmschutz und die Befindlichkeit der betroffenen Bevölkerung, weiterhin im Dialog zu bleiben und über weitere Maßnahmen zu sprechen. Der umfangreiche Dialog der Gegenwart und der Vergangenheit, den ich vorgetragen habe, ist nicht abgeschlossen; er wird weiterhin fortgesetzt werden müssen. Das ist unser Auftrag im Dienste und zum Schutze der Menschen in unserem Lande. – Herzlichen Dank.

(Anhaltender Beifall bei der CDU und der FDP)