Protokoll der Sitzung vom 01.11.2011

(Anhaltender Beifall bei der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Dr. Wagner. – Zu einer Kurzintervention hat jetzt Herr Schäfer-Gümbel Gelegenheit. Für unsere Zuschauer: Dafür stehen zwei Minuten Redezeit zur Verfügung.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Dr. Wagner, ich will nur drei kurze Bemerkungen machen, die mir möglich sind, nachdem ich mal 80 % Ihrer Rabulistik vor die Klammer ziehe.

Der erste Punkt, der mir wichtig ist, lautet: Wir werden uns zu den Fragen, wie lange dieses Verfahren noch dauern wird und wie mit gerichtlichen Entscheidungen umgegangen wird, nach dem 13. März nächsten Jahres wiedersehen.

(Beifall des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Dann werden wir einmal schauen, welches Verfahren länger gedauert hätte, das, was damals unter Rot-Grün im Koalitionsvertrag vorgeschlagen wurde, weil wir fest davon ausgehen, dass Sie es ohnehin werden tun müssen, oder ob Ihr Versuch der bessere ist, es erst durchzuklagen und am Ende zu schauen, was kommt, wobei wir – anders als Sie – versuchen, die Nachtruhe wiederherzustellen.

(Beifall bei der SPD)

Zweiter Punkt. Ich kann verstehen – auch unter dem Stichwort Rabulistik –, dass Ihnen diese Sitzung nicht passt und dass es Ihnen nicht passt, dass wir dieses Thema immer wieder auf die Tagesordnung holen, weil es ein schwieriges ist. Ich kann auch akzeptieren, dass Sie uns die Ernsthaftigkeit der Vorschläge nicht abnehmen. Das kann ich alles nachvollziehen, sozusagen aus Ihrer krampfhaften Art, in diesem Haus Regierungspolitik umzusetzen. Sie müssen aber zumindest zur Kenntnis nehmen, dass das, was wir Ihnen als Text vorgelegt haben, das ist, was ein schwarz-gelb regierter Main-Taunus-Kreis, eine große Koalition im Hochtaunuskreis, Schwarz-Grün in Frankfurt, Rot-Grün in Groß-Gerau und eine Große Koalition in Wiesbaden im Umgang mit dem Nachtflugverbot und dem gesamten Mediationsergebnis als gemeinsame Position formulieren. Sie könnten in diesem Haus wenigstens Ihre eigenen Leute und Herrn Heinz ernst nehmen, der gestern zugestimmt hat, wenn Sie es uns schon nicht abnehmen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Als letzten Punkt eine ganz kurze Bemerkung:

Bitte ganz kurz.

Herr Wagner, ich finde die Art und Weise, wie Sie hier wieder rabulistisch vorgegangen sind, unangemessen angesichts der emotionalen Verfasstheit der Bürgerinnen und Bürger in Flörsheim, die dieser Debatte auch folgen werden. Ich empfehle Ihnen dringend, dasselbe zu tun wie ich: Gehen Sie nach Flörsheim, reden Sie mit den Betroffenen, werben Sie für Ihre Position. Wir werden dort wenig Sympathie für Ihre und meine Position finden. Lassen Sie die Menschen aber bitte nicht allein, so wie Sie es heute in der Debatte angelegt haben.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke, Herr Schäfer-Gümbel. – Herr Dr. Wagner, Sie haben Gelegenheit, zu antworten. Sie haben ebenfalls zwei Minuten; Sie kennen das.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich bedauere, dass Herr Schäfer-Gümbel in der Kurzintervention nicht die Gelegenheit genutzt hat, um endlich einmal den wahren Grund anzusprechen und sich damit intellektuell auseinanderzusetzen, dass es nach dem absoluten Nachtflugverbot, für das wir auch eingetreten sind, eine Veränderung der Sach- und der Rechtslage gegeben hat. Herr Schäfer-Gümbel, Sie dürfen nicht dauerhaft Rechtsprechung und Recht ignorieren. Eben das führt uns in die Sackgasse. – Das ist das Erste.

Zweitens. Herr Schäfer-Gümbel, es ist doch falsch – dazu braucht man wirklich nur die vier Grundrechenarten zu beherrschen –, wenn Sie behaupten, bei Ihren Verfahren wäre es kürzer gegangen. Wir haben jetzt einen Planfeststellungsbeschluss; der ist vom VGH beschieden worden,

und zwar ein „Ja“ zum Ausbau und ein „nahe null“ zum Nachtflug.

(Lachen des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Jetzt sind wir in der zweiten Instanz. – Bei Ihren Verfahren hätten wir nach dem Planfeststellungsbeschluss, nach der Entscheidung des VGH einen neuen, geänderten Planfeststellungsbeschluss gehabt, der wieder zum VGH und dann zum Bundesverwaltungsgericht gegangen wäre. Meine Damen und Herren, wie kann man da eigentlich auf die Idee kommen, dass das kürzer sei?

(Beifall bei der CDU und der FDP – Gernot Grum- bach (SPD)) : Das ist es!)

Lassen Sie uns klar und deutlich sagen – Sie haben dies in den Äußerungen des Ministerpräsidenten und hoffentlich auch in meinen bemerkt –: Wir stellen uns dieser Thematik,

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Ja, ja!)

und zwar mutig, klar und deutlich, wie wir es vor der Landtagswahl getan haben und wie wir es heute tun. Diese heutige Sitzung war völlig überflüssig, weil wir dasselbe Thema auch in zwei Wochen miteinander besprechen können.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Clemens Reif (CDU): So sieht es aus!)

Vielen Dank, Herr Dr. Wagner. – Als Nächster spricht Herr Al-Wazir, Fraktionsvorsitzender von BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN. Sie haben 22 Minuten Redezeit.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Sowohl Ministerpräsident Bouffier als auch der Fraktionsvorsitzende der CDU halten diese Landtagssitzung für überflüssig.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Ja, als Sondersitzung!)

Herr Kollege, ich finde, dass das gegenüber den Belastungen der Bürgerinnen und Bürger, gegenüber den Sorgen und Nöten eine unerträgliche Ignoranz ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Das ist an Scheinheiligkeit nicht mehr zu überbieten!)

Herr Wagner, ich weiß, Sie kriegen gar nichts mit, aber dann sage ich es halt dem Herrn Bouffier. – Ich will Ihnen vielleicht einmal die Geschichte der letzten Nacht erzählen. Ich bin nach Hause gekommen und habe mich gewundert, warum es auf einmal so leise ist, weil ich die ganze letzte Woche, jedenfalls vorher, ziemlich viel Lärm hatte – zusätzlichen Lärm, den es vorher nicht gab.

(Florian Rentsch (FDP): Von außen oder von innen?)

Ich habe dann gemerkt, dass Ostwind ist. Ich gebe zu, ich habe mich kurz über diesen Ostwind gefreut und habe nachher gedacht: Was ist das für eine perverse Situation, dass ich mich über den Ostwind freue und in derselben Zeit in Flörsheim die Tassen im Schrank wackeln?

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bin dann eingeschlafen und um 4:57 Uhr aufgewacht. Das mag ein Zufall gewesen sein, dass ich um 4:57 Uhr aufgewacht bin, aber ich konnte ohne Öffnen der Augen sagen, dass sich der Wind gedreht haben muss. Ich habe nachher nachgeschaut: Es war die US Airways 700 aus Philadelphia.

Herr Bouffier und Herr Wagner, Sie haben nur über die Vergangenheit geredet. Sie haben für die Bürgerinnen und Bürger, die jetzt zusätzlich belastet sind, keine einzige Antwort.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Die Situation ist die, dass wir seit vorletztem Freitag, seit der Eröffnung der neuen Nordwestbahn, in der RheinMain-Region dramatische zusätzliche Belastungen durch Fluglärm haben. Die südlichen Stadtteile von Frankfurt, die Innenstadt von Offenbach, Teile des Main-TaunusKreises, ein Gebiet vom Main-Kinzig-Kreis bis hinüber nach Rheinland-Pfalz sind in unterschiedlichem, aber bisher nicht gekanntem Maße vom Fluglärm betroffen. Teile der Stadt Flörsheim sind bei Ostwind aus meiner Sicht faktisch unbewohnbar geworden. Meine sehr verehrten Damen und Herren, dann überlegen Sie sich noch einmal, ob Sie diese Debatte wirklich für überflüssig halten können.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Manche Bürgerinnen und Bürger haben erstmals eine Belastung durch Fluglärm, andere haben eine höhere Belastung als bisher. 14 Jahre nach Beginn der Diskussion über einen erneuten Ausbau des Flughafens erleben viele, was die bisher abstrakte Zunahme des Lärms real heißt. Ich nehme wahr, dass die Menschen entsetzt sind. Teilweise fallen sie sogar in eine Art Schockzustand. Ich höre immer wieder: Es ist noch schlimmer, als wir zuvor befürchtet hatten.

Das hat alles nichts mit der Zeit zwischen 23 und 5 Uhr und nichts mit der Debatte über das Nachtflugverbot zu tun, sondern es sind die Folgen eines Ausbaus, der zum Ziel hat, den Frankfurter Flughafen, der mitten in einer der am dichtesten besiedelten Regionen und in einem der am dichtesten besiedelten Ballungsräume Deutschlands liegt, zum größten Flughafen Europas zu machen. Wir hielten das immer für falsch, weil der Flughafen unserer Ansicht nach aufgrund der Stelle, an der er liegt, die Grenzen des Wachstums schon lange erreicht hatte.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Sie würden doch keinen Flughafenausbau in Deutschland unterstützen! Sie wären immer dagegen!)

Herr Wagner, sehen Sie, Sie sind ein Flughafenexperte, der nicht wahrgenommen hat, was in Berlin passiert ist, und der nicht wahrgenommen hat, was in München passiert, sondern Sie sind jemand, der einen Flughafen mitten in einem Ballungsraum immer weiter ausbauen will.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): In Berlin haben Sie schlecht ausgesehen!)

Herr Kollege Wagner, ich finde es sehr interessant, wie sehr Sie sich heute entlarven.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Unserer Ansicht nach ist dieser Flughafen in der Mitte des Ballungsraums jetzt endgültig über die Grenzen des Wachstums hinausgegangen. Er hat sie überschritten.

Die aktuelle Flut an Briefen, Anrufen und E-Mails, in der sich Empörung und Entsetzen äußern, spricht für sich. Manche Menschen – am drastischsten ist das in Flörsheim – haben das Gefühl, dass man ihnen die Heimat nimmt und dass sie aus ihrer Heimat vertrieben werden.

Wir verkennen nicht, dass seit der ersten Forderung der Lufthansa nach einem neuerlichen Ausbau des Flughafens vier Landtagswahlen stattgefunden haben. Bei jeder dieser Wahlen haben die Ausbaubefürworter der CDU, der SPD und der FDP über 75 % der Stimmen bekommen. Etliche derer, die jetzt von der zusätzlichen Einflugschneise oder von der Verschiebung der Gegenanflugstrecken betroffen sind, haben den Flughafenausbau lange befürwortet, da sie die Konsequenzen nicht erkennen wollten oder konnten.

Ich sage an dieser Stelle gerade nicht: „selbst schuld“, sondern ich weise die Abgeordneten der CDU und der FDP darauf hin, dass auch Menschen betroffen sind, von denen Sie in dieses Parlament gewählt wurden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie sollten sie endlich ernst nehmen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Seit Sonntagabend gilt erstmals ein absolutes Nachtflugverbot. Das Mediationsverfahren wird in seinem Erfolg oder Misserfolg von uns hier unterschiedlich bewertet. Hinsichtlich des absoluten Nachtflugverbotes waren wir uns allerdings anfangs einig. Im Mai 2000 hat dieses Parlament einstimmig beschlossen, dass es ein absolutes Nachtflugverbot geben muss. Sie haben sogar immer davon gesprochen, dass das die Bedingung für den Ausbau sei.

Ich habe die markigen Worte von Roland Koch noch im Ohr. Ich habe aber auch noch die Äußerung des Jörg-Uwe Hahn im Ohr, der gesagt hat, es handele sich um zwei Seiten ein und derselben Medaille. Jetzt gehört derselbe Jörg-Uwe Hahn einer Regierung an, die gegen die Erfüllung des von ihm gegebenen Versprechens klagt. Das ist doch verrückt.