Protokoll der Sitzung vom 21.04.2009

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf Sie alle herzlich begrüßen. Ich hoffe, dass Sie gut erholt aus der Osterzeit nach Wiesbaden gekommen sind. Der Alltag hat uns sehr schnell wieder. Ich darf Sie zur 9. Plenarsitzung heute, am 21. April, herzlich begrüßen.

Ich stelle fest, dass das Haus beschlussfähig ist. – Dem wird nicht widersprochen.

Zur Tagesordnung darf ich mitteilen, dass insgesamt zwei Punkte vorliegen. – Die Tagesordnung ist genehmigt, kein Widerspruch.

Wir tagen heute bis zur Erledigung dieser beiden Tagesordnungspunkte.Wir beginnen mit der ersten Lesung des Haushaltsgesetzes.

Ich darf mitteilen,dass Frau Kollegin Schott fehlt und dass ab ca. 14:30 Uhr Herr Staatsminister Boddenberg uns verlassen wird.

Das sind auch schon alle sogenannten Mitteilungen zu Beginn der Sitzung. Das war übersichtlich.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:

a) Erste Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung für ein Gesetz über die Feststellung des Haushaltsplans des Landes Hessen für das Haushaltsjahr 2009 (Haus- haltsgesetz 2009) – Drucks. 18/281 –

b) Erste Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung für ein Finanzausgleichsänderungsgesetz 2009 – Drucks. 18/282 –

c) Antrag der Landesregierung betreffend Finanzplan des Landes Hessen für die Jahre 2008 bis 2012 – Drucks. 18/345 –

Ich gehe davon aus, dass Herr Staatsminister Weimar das Wort ergreifen wird. – Keine Überraschung.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Kein anderer da!)

Bitte sehr, Herr Weimar, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der vorgelegte Haushaltsentwurf der Landesregierung für 2009 ist richtig und in Zeiten wie diesen ohne Alternative.

(Beifall bei der CDU – Lachen bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN – Zuruf von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Die Fastnachtszeit ist vorbei!)

Meine Damen und Herren, lassen Sie es mich so formulieren: Es gehört zu den extremen Ärgernissen für Finanzminister und für alle Politiker, dass die Folgen der Fehler, der Gier, der Überheblichkeit und der Verantwortungslosigkeit vieler internationaler Banken- und Wirtschaftsvertreter nun bei den Menschen ankommen und zu extremen Belastungen der öffentlichen Haushalte führen – und damit plötzlich ein Problem von uns geworden sind.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Plötzlich?)

Wir sollen jetzt diese gigantische Vernichtung von Werten, die stattgefunden hat, auffangen und die Probleme lösen.

Ich bin in diesen Tagen mehrfach gefragt worden, wie es mir als Finanzminister ginge. Ich sage mal, schlecht, weil wir jetzt gezwungen sind, diese gigantische Wertevernichtung aufzufangen, gegenzusteuern, weil wir jetzt mit diesen Problemen fertig werden sollen.Aber wir sind für die Menschen in diesem Land verantwortlich und müssen geeignet und schnell reagieren. Gelegentlich kommt es einem vor wie ein Witz, dass wir uns jetzt darüber streiten, wie wir mit diesen uns aufgezwungenen Problemen fertig werden. Es ist an manchen Tagen die Wahl zwischen Pest und Cholera, die richtigen Entscheidungen zu treffen.

Ich sage auch, dass in dieser Zeit niemand von sich behaupten kann, dass er den Stein der Weisen hätte, sondern es kann nur nach intensivem Nachdenken und nach Erfahrungen, die man in der Vergangenheit gemacht hat, dazu kommen, dass man überwiegend überzeugt davon ist, dass man den richtigen Weg geht.Wer in diesen Tagen antritt und erklärt, er wisse, wie alles zu laufen habe, und er könne voraussehen, wie alles laufen werde, der belügt die Menschen. Deswegen sollten wir in der jetzigen Situation auch mit der gebotenen Demut die Diskussion darüber führen, wie der Weg aus dieser Krise sein kann.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Dem anderen Teil des Hauses unbekannt! – Gegenruf des Abg. Günter Rudolph (SPD): Demut ist auch nicht Ihre Stärke! – Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Das sagt der Richtige! – Gegenruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Dafür habe ich ihn auch nicht wählen lassen, dass er demütig ist!)

Eines ist sicher: Patentrezepte hat in dieser Situation niemand. Deswegen ist es natürlich richtig, dass man sich über den Weg streitet – übrigens über Wege, wie ich gleich aufzeigen will, über die wir für hiesige Verhältnisse erstaunlich wenig Streit geführt haben.

Auf der anderen Seite muss man einfach feststellen, dass neben den Folgen für die Bürgerinnen und Bürger – Folgen, von denen ich sehr hoffe, dass sie nicht schwerwiegender werden, als schon sichtbar ist – zwei Folgen für die öffentlichen Haushalte sichtbar sind: erstens sinkende Einnahmen der öffentlichen Hand – darüber wird noch zu sprechen sein – mit enormen Folgerisiken, z. B. durch die Bürgschaften und Sonstiges, was alles vom Staat an Risiken übernommen worden ist; zweitens steigende Ausgaben zur Stabilisierung der Konjunktur und für ein Auffangen der Kollateralschäden, die zwischenzeitlich entstanden sind.

Inzwischen sind die Probleme in der Realwirtschaft angekommen, sodass wir mitten in der schwersten Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg stehen. In diesem Umfeld bringt die Landesregierung den Landeshaushalt 2009, die Finanzplanung 2008 bis 2012 sowie das Finanzausgleichsänderungsgesetz in den Landtag ein.

Meine Damen und Herren, die Menschen erwarten angesichts dieser Situation vom Staat zu Recht Handlungsfähigkeit. Die Hessische Landesregierung und der Hessische Landtag haben mit dem Unternehmensstabilisierungsgesetz und den Sonderinvestitionspaketen des Landes und des Bundes diese Handlungsfähigkeit in den letzten Wochen bewiesen.

Meine Damen und Herren, es wäre kontraproduktiv, gegen diese Krise anzusparen. Das hieße, die Abwärtskräfte

zu verstärken. Die Nachfrage und die Wirtschaft insgesamt würden weiter geschwächt. Es war in Volkswirtschaften schon immer so, dass die Frage, ob es aufwärtsgeht oder weiter abwärtsgeht, zu einem beachtlichen Teil in der Psychologie der Menschen entscheiden wird. Es ist dort angelegt, ob wir es schaffen, möglichst schnell aus dem Tal herauszukommen. Deswegen ist es auch eine Aufgabe der öffentlichen Hand und des Haushaltsgesetzgebers und damit letztlich des Landtags, in dieser Frage Signale zu setzen, die ein Stück Optimismus verbreiten, und auf der anderen Seite mit aller Kraft gegen diese schlimme Krise anzukämpfen.

Deswegen hat es keinen Sinn, die zusätzlichen Anstrengungen zur Konjunkturstärkung durch Kürzungen an anderer Stelle zu kompensieren – erst recht nicht in der Größenordnung, über die zu sprechen sein wird, die derzeit ins Haus steht und die auch objektiv bei einem Landeshaushalt in der derzeitigen Situation gar nicht realisierbar wäre. Massive Kürzungen in wichtigen Zukunftsbereichen wie Kinderbetreuung, Schule, Hochschule und Wirtschaft wären zudem langfristig falsch und teurer.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Es ist eines der Probleme von Haushalten, über die wir uns immer streiten, ob wir uns sozusagen kaufmännisch verhalten, indem wir die Grundlagen dafür schaffen, dass wir auch in den nächsten Jahren Steuern einnehmen, dass auch in den nächsten Jahren Arbeitsplätze da sind, dass auch in den nächsten Jahren über die Bildung unsere Zukunft gesichert werden kann, oder ob wir nur ein Haushaltsjahr betrachten. Wenn man die Dinge verbinden kann wie im vorliegenden Fall, ist es sicherlich besonders gut und richtig.Aber wir müssen, wie gesagt, auch aufpassen, dass wir in diesen wichtigen Zukunftsbereichen die Zukunft gewinnen und nicht insgesamt verlieren.

Um die negativen Konsequenzen der Krise auf Arbeitsund Ausbildungsmarkt so gering wie möglich zu halten, sind Maßnahmen ergriffen worden, die auch nach Auffassung der hessischen Wirtschaft kurzfristig insbesondere den Binnenmarkt stützen. Trotz der zu erwartenden gewaltigen Einbrüche bei den Steuereinnahmen muss das Land gerade jetzt Geld in die Hand nehmen und damit antizyklisch agieren.

Die schon beschlossenen Konjunkturprogramme auf Landes- und Bundesebene sind hierzu wirkungsvolle Möglichkeiten. Das Hessische Sonderinvestitionsprogramm Schul- und Hochschulbau und das Konjunkturpaket II des Bundes weisen für Hessen ein Gesamtvolumen von über 2,6 Milliarden c aus. Das Land Hessen steuert mit dem Sonderinvestitionsprogramm 1,7 Milliarden c bei. Vom Konjunkturpaket II des Bundes profitiert Hessen mit insgesamt rund 958 Millionen c inklusive dem Eigenanteil von Land und Kommunen von rund 240 Millionen c. Das ist eine riesige Summe, die wirtschaftspolitisch relevant ist und gleichzeitig für die Schulträger und unsere Kommunen einmalige Chancen bietet.

Wir haben gemeinsam mit den Kommunalen Spitzenverbänden das Prozedere abgestimmt, wie wir das Geld am schnellsten und effektivsten einsetzen können, um die gewünschte Wirkung zu entfalten. Die Förderrichtlinien sind veröffentlicht, die Anträge gehen bei der LTH ein, und in den nächsten Tagen werden die Bescheide herausgehen.

Unser Ziel ist es, die hessische Bauwirtschaft durch konzentrierte und – ich lege Wert auf das Wort – vorgezogene Investitionen in die hessischen Schulen und Hochschulen,

in Sportstätten und die kommunale Infrastruktur anzukurbeln und damit heimische Arbeitsplätze zu sichern.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Wir werden in kurzen Fristen die Lern- und Lehrbedingungen an den Schulen und Hochschulen deutlich verbessern und insbesondere den Kommunen helfen können, den Investitionsstau aufzulösen. Dem Gedanken der Nachhaltigkeit tragen wir Rechnung, da mit dem Investitionsschub ein deutlicher Umwelt- und Spareffekt durch erhebliche Energieeinsparungen erreicht wird. Wir sind davon überzeugt, dass wir mit dem Haushaltsplan 2009 einen wirksamen, antizyklischen Beitrag zur Stabilisierung der konjunkturellen Lage leisten, ohne hierbei das Konsolidierungsziel aus den Augen zu lassen. Wir wollen und wir werden die Krise gemeinsam meistern.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Noch aber entfaltet sich die Rezession weiter. Die Finanzkrise hat auf die reale Wirtschaft durchgeschlagen und ist auch im Baugewerbe angekommen – übrigens ein Eckpfeiler der konjunkturellen Entwicklung eines Landes. Sie müssen davon ausgehen, dass Anfang des Jahres ein Rückgang von bis zu 50 % der Bauaufträge zu verzeichnen gewesen ist, sodass das Programm genau in diesen Bereich hineinpasst.

Es ist ein gutes Zeichen,dass die meisten Unternehmen in Deutschland versuchen, Entlassungen zu vermeiden. Sie wissen, dass sie ihre hoch motivierten und gut qualifizierten Mitarbeiter dringend brauchen, wenn sie die Krise überwinden wollen. Das kostet auch Kapital. Wir unterstützen das z. B. durch unser Bürgschaftsprogramm.

Zu den gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Betrachten wir unsere gesamtwirtschaftliche Situation im vierten Quartal 2008, so stellt man fest, die konjunkturelle Talfahrt hat sich deutlich beschleunigt. Die globale Wachstumsprognose des IWF ist die niedrigste seit 1945. Wesentliches Kennzeichen auch in der historischen Rückschau dieses Abschwungs ist, dass er mehr oder weniger synchron die gesamte Weltwirtschaft betrifft. In der Vergangenheit war es immer so, dass, wenn in Amerika eine Krise war, Asien durchaus positive Konjunkturdaten liefern konnte oder umgekehrt. Irgendwo auf der Welt war immer auch für die deutsche, sehr stark exportorientierte Wirtschaft etwas zu verkaufen. In der derzeitigen Situation gibt es das Phänomen,dass weltweit ein Einbruch der Konjunktur zu verzeichnen ist. Etwas Vergleichbares haben wir noch nicht erlebt.

Im letzten Quartal 2008 ist die deutsche Wirtschaft um 2,1 % gegenüber dem Vorquartal geschrumpft, so stark wie noch nie seit der Wiedervereinigung. Die Bundesrepublik Deutschland geht in eine Rezession, wie wir sie in dieser Tiefe seit Gründung der Bundesrepublik und auch seit der Wiedervereinigung nicht erlebt haben. Die Jahresprojektion von minus 2,25 %, von der die Bundesregierung bisher ausgeht, wird sich so nicht halten lassen.

Der konjunkturelle Einbruch schlägt mittlerweile auf den Arbeitsmarkt durch. Seit November 2008 sinkt auf Bundesebene saisonbereinigt die Zahl der Erwerbstätigen, allein im Januar 2009 um 83.000 Personen im Vergleich zum Vormonat. Gleichzeitig steigt die Arbeitslosigkeit. Im Februar 2009 waren rund 40.000 Personen mehr arbeitslos gemeldet als im Vormonat. Insgesamt haben sich damit die Aussichten auf dem Arbeitsmarkt eingetrübt. Hierauf deuten auch die stark steigenden Zahlen von Anträgen auf Kurzarbeit und der merkliche Rück

gang des Angebots an offenen Stellen hin. In Abhängigkeit von Dauer und Schärfe des Konjunktureinbruchs muss daher davon ausgegangen werden, dass die Beschäftigung in Deutschland, die derzeit noch in erheblichem Umfang durch die Ausweitung der Kurzarbeit gestützt wird,durch die Konjunkturkrise zunehmend in Mitleidenschaft gezogen wird.

Die drastische konjunkturelle Abkühlung im Laufe des vergangenen Jahres hat auf Hessen voll durchgeschlagen. Erhöhte sich das hessische BIP im ersten Halbjahr 2008 noch um 2,3 %, so ist es nach vorläufigen Berechnungen des Arbeitskreises volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder im Gesamtjahr 2008 real nur noch um 1,3 % gewachsen. Das Wachstum entsprach damit dem Bundesdurchschnitt. In jeweiligen Preisen gerechnet, stieg das hessische BIP um 2,6 % auf knapp 221 Milliarden c,was unsere außerordentliche Wirtschaftsstärke signalisiert.

Da der Arbeitsmarkt erst mit einer gewissen Zeitverzögerung auf den Wirtschaftsabschwung reagiert, wirkt sich die Konjunktureintrübung noch nicht auf das Jahresergebnis für die Zahl der Erwerbstätigen sowie die Zahl der Arbeitslosen aus.Mit 3,13 Millionen Personen erreicht die Erwerbstätigkeitszahl eine neue Höchstmarke, und die Arbeitslosenquote sank mit dem Jahresdurchschnitt von 6,6 % auf den niedrigsten Stand seit 1992, was die Wirksamkeit und die richtige Tätigkeit der Landesregierung in den letzten Jahren belegt.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Traditionell liegt Hessen aufgrund seiner Wirtschaftsstärke beim Pro-Kopf-Vergleich zwischen den Ländern auf einem Spitzenplatz. Beim BIP je Erwerbstätigen sicherte sich Hessen mit einem Wert von 70.300 c im Jahr 2008 wieder Platz 1 unter den Flächenländern.

Aufgrund der hohen wirtschaftlichen Verflechtungen der heimischen Wirtschaft mit dem Ausland treffen die Auswirkungen des Konjunktureinbruchs Hessen allerdings besonders stark. Als zentraler Bankenplatz in Deutschland, als wichtiger Standort der Automobil- und der Chemieindustrie sowie als bedeutender Verkehrsknotenpunkt beherbergt das Land Branchen, die von der globalen Krise in besonderer Weise tangiert sind. Daher ist nicht verwunderlich, dass die Steuereinnahmen in Hessen als einzigem Bundesland im Jahr 2008 gesunken sind. Die Absenkung ist dort mit 1,8 % zu verzeichnen. Alle anderen Länder haben ein Wachstum von 3,3 % aufwärts gehabt. Immerhin mussten wir doch noch über 2,6 Milliarden c in den Länderfinanzausgleich zahlen, obwohl wir als Einzige diesen Steuerrückgang haben.

Das zeigt die ganze Dramatik im Hinblick darauf,dass wir als Land auf der einen Seite ungewöhnlich wirtschaftsund leistungsstark sind und auf der anderen Seite ungewöhnlich stark abkassiert werden. Das ist einer der Punkte, mit denen ich mich dauerhaft nicht abfinden werde,

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)