Verantwortliche Haushaltspolitik ist etwas anderes. Verantwortliche Politik gegenüber den Kommunen, den Beschäftigten und den Bürgern ist erst recht etwas anderes. Ich werde gleich noch auf die jüngsten Entwicklungen im rechten Terrorismus, das komplette Versagen des Verfassungsschutzes und die unrühmliche Rolle der Landesregierung eingehen.
Herr Minister Rhein, Sie müssen sich hierzu hier und heute äußern. Wegducken und in Geheimgremien abtauchen, das geht jetzt nicht mehr.
Ich beginne mit der derzeit wahrscheinlich größten Problematik, der finanzfeindlichen Politik der Landesregierung. Viele Kommunen sind in einer finanziell verzweifelten Lage. Sie könnten, selbst wenn sie alle Beschäftigten von heute auf morgen entlassen würden, keinen ausgeglichenen Haushalt vorlegen, geschweige denn, Schulden abbauen. Genau das verlangt die Landesregierung aber von den Kommunen.
Das Problem ist doch: Den Kommunen wurden über Jahre hinweg viel zu viele Aufgaben übertragen, aber das Geld für diese Aufgaben hat man ihnen nicht in ausreichendem Maße gegeben. Hinzu kamen zehn Jahre Steuersenkungen, außerdem sinkende Löhne und damit Verlust an Einnahmen und Kaufkraft vor Ort.
Seit 2008 kamen nie da gewesene Einnahmeausfälle durch die Finanz- und Wirtschaftskrise noch hinzu. Die Probleme haben die Kommunen nicht zu verantworten, und sie können es politisch auch nicht ändern. Aber die Landesregierung hat viel davon zu verantworten, und sie könnte etwas ändern. Aber sie tut es nicht.
Hessische Kommunen und Landkreise mit einem ausgeglichenen Haushalt können wir zwischenzeitlich an einer Hand abzählen. Die Gebühren für die Menschen steigen, aber die Schulden steigen auch. Denn bei CDU und FDP gilt nach wie vor: privat vor Staat. Das tragen Sie weiter wie eine Monstranz vor sich her. Sie bedienen weiter fröhlich die Interessen der Privatwirtschaft und lassen die öffentlichen Interessen nicht ausreichend gelten.
Meine Damen und Herren, es ist nicht nur DIE LINKE, die Ihnen deshalb aufs Dach steigt. Im letzten Jahr hatten wir in Wiesbaden vor dem Landtag eine Demonstration von 200 Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern. Diesen September sind die Kommunalen Spitzenverbände geschlossen an die Presse getreten, um das Sparcredo von Finanzminister Schäfer ins Märchenland zu verweisen. Jetzt wird das Land Hessen von den Landkreisen verklagt. Wo hat es so etwas jemals gegeben, dass die Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker das Vertrauen in die Landespolitiker der eigenen Partei verloren haben?
Die Kommunen brauchen dringend eine andere Politik und die Ablösung dieser Landesregierung. Sie brauchen ausreichende und planungssichere Einnahmen sowie ein Steuerrecht, das die öffentliche Daseinsvorsorge stärkt, statt sie immer weiter abzubauen.
Wie wollen Sie eine Energiewende vor Ort machen ohne die Kommunen? Wie soll das gehen ohne höhere Einnahmen? Wie soll die immer nötigere Pflege alter Menschen vor Ort organisiert und geleistet werden ohne Einnah
Der sogenannte Entschuldungsfonds wurde vor einem Jahr passend zu Beginn des Kommunalwahlkampfes vom Ministerpräsidenten großspurig angekündigt. Gehört haben wir seither nicht mehr viel davon. Stattdessen wurden seit diesem Jahr den Kommunen die Mittel im Finanzausgleich sogar in der schlimmsten Krise um 344 Millionen € pro Jahr gekürzt.
Ähnlich sieht es bei den Beschäftigten des Landes Hessen aus. Der Finanzminister hat beim Jahresabschluss stolz darauf hingewiesen, dass die Verlängerung der Lebensarbeitszeit von Beamten aufgrund des Renteneintrittsalters von 67 Jahren eine buchhalterische Entlastung von 1 Milliarde € bedeute. Die Einsparung bei den Minibesoldungserhöhungen von knapp 150 Millionen € in diesem Jahr sprechen die gleiche Sprache. Das heißt: weiter sparen auf dem Rücken der Beschäftigten und der öffentlichen Infrastruktur.
Das ist nicht unsere Vorstellung von einem modernen Dienstrecht, von echter Mitbestimmung. Wir denken, dass die Landesbeschäftigten ein Anrecht darauf haben, gegen diese verfehlte Personalpolitik nicht nur auf die Straße zu gehen, sondern ihre Forderungen konkret einzubringen.
Die Beschäftigten des Landes Hessen, seien es Lehrerinnen und Lehrer, Polizistinnen und Polizisten oder Richterinnen und Richter, haben die längsten Arbeitszeiten in ganz Deutschland. Herr Minister, echte Wertschätzung, wie sie hier immer vorgetragen wird, sieht weiß Gott anders aus.
Lassen Sie mich aus aktuellem Anlass zum Thema Verfassungsschutz kommen. Ich möchte aus einem Artikel der „Frankfurter Rundschau“ von heute zitieren mit der Überschrift: „Wie soll ich mich sicher fühlen?“
Mohammed Zerouali spricht von einem „großen Skandal“, während er in seinem Laden im Frankfurter Bahnhofsviertel einer Kundin ihre Einkäufe in die Hand drückt. Seiner Meinung nach wussten die Behörden Bescheid, dass hinter der Mordserie an Migranten Rechtsextreme steckten. „Ich zweifele nicht am Können der Behörden. Das war Absicht“, sagt Zerouali. Nun hat der junge Mann Angst. „Wie soll ich mich sicher fühlen, wenn die Sicherheitsbehörden selbst in so was verwickelt sind?“, fragt er. Wie die Mordopfer arbeitet er in einem Ladengeschäft. „Das kann jederzeit wieder passieren“, sagt er. „Das sind ja nicht die Einzigen, die so denken. Da steckt eine Organisation dahinter.“
Herr Minister, ich denke, mit diesem Auszug – der Artikel enthält noch weitere Zitate – ist weit mehr kaputtgegangen als nur der Ruf des Verfassungsschutzes, insbesondere des hessischen Verfassungsschutzes. Deshalb ist es nach wie vor dringend angeraten, hier entsprechend tätig zu werden, öffentliche Aussagen zu machen. Wir haben als LINKE heute einen Dringlichen Antrag eingebracht. Unseren jahrelangen Forderungen – Ausbau statt Kürzung der Programme gegen Rechtsextremismus und öffentliche statt geheimdienstliche Demokratieförderung – sollte angesichts der Ereignisse in den letzten Tagen jeder zustimmen können. Das wäre überfällig.
Wir kritisieren seit Jahren, dass der Verfassungsschutz in Hessen immer weiter aufgebläht wird. Während alle anderen unter Sparzwängen leiden, wird der hessische Geheimdienst auch in diesem Jahr erneut mit zehn zusätzlichen Stellen verhätschelt. Wir kritisieren seit Jahren, dass der Verfassungsschutz nicht in der Lage ist, dem Problem des zunehmenden Rechtsextremismus wirksam zu begegnen. Deshalb schlagen wir erneut vor, dass verstärkt zivile Vereine und Projekte gegen Rechtsaußen und Neonazis massiv gefördert und auch deren Bildungsarbeit finanziell besser unterstützt werden. Deren Arbeit muss gefördert und darf nicht weiter diffamiert oder gar kriminalisiert werden.
Der Verfassungsschutz ist nicht demokratisch zu kontrollieren, schon gar nicht von einer Handvoll Abgeordneter. Das ist die Lehre aus den aktuellen Ereignissen. Es stellt sich hier immer wieder die Frage: Wen schützt eigentlich der Verfassungsschutz?
Lassen Sie mich aus diesem Anlass – wir sind hier nicht alleine – einen Experten zitieren. Rolf Gössner, Rechtsanwalt, Geheimdienstexperte und Vizepräsident der Internationalen Liga für Menschenrechte, hat in der „tz München“ gestern ein Interview gegeben. Die Frage war:
Gössner: Die Kontrollgremien haben noch nie selbst Skandale aufgedeckt, sondern in aller Regel die Medien oder Insider. Geheimdienste widersprechen dem demokratischen Prinzip der Transparenz und Kontrollierbarkeit. Abgeordnete können allenfalls hinterher versuchen, ein wenig Licht ins Dunkel zu bekommen.
Genau das ist unsere Auffassung, die wir seit Jahren hier vertreten und die sich bedauerlicherweise jetzt zu bestätigen scheint. Herr Minister, ich fordere Sie erneut auf, hier und heute zu den öffentlichen Vorwürfen, ein ehemaliger Beschäftigter des hessischen Verfassungsschutzes sei in die schrecklichen Morde involviert, öffentlich Stellung zu nehmen.
Danke schön, Herr Präsident. – Es kann unmöglich sein, dass Informationen aus Hessen, wie gestern geschehen, im Bundestag gegeben werden, aber nicht im Hessischen Landtag. Sie müssen doch wissen, was man in Berlin über Hessen weiß. War der Mitarbeiter des Verfassungsschutzes ein bekennender Rechtsextremer? War er ein Waffennarr? Vor allen Dingen: War er an weiteren Tatorten, wie im Bundestag gestern vorgetragen wurde?
Ich weiß, dass Sie das stört. Aber auch Sie haben sich zum Verfassungsschutz geäußert, Herr Bauer. Ich werde das ebenfalls tun.
Herr Innenminister, räumen Sie die öffentlich geäußerten Vorwürfe auch öffentlich aus – nicht in Geheimgremien. Die Bevölkerung hat ein Recht darauf.
Meine Damen und Herren, ich fasse zusammen. Wir haben auch in diesem Jahr einige Änderungsanträge zum Einzelplan 03 eingereicht, mit denen wir einen anderen Politikansatz deutlich machen wollen. Wir wollen eine angemessene Bezahlung und mehr Personal für den öffentlichen Dienst. Wir wollen die Kommunen an der Energiewende beteiligen, die kommunale Selbstverwaltung stärken und zu einem partnerschaftlichen Umgang mit den Kommunen zurückfinden. Im Bereich der Polizei setzen wir uns weiterhin für die Erhöhung der Zahl der Polizeianwärterinnen und -anwärter auf jährlich 600 ein und lehnen gleichzeitig den freiwilligen Polizeidienst ab.
Wir sehen uns in unseren schlimmsten Befürchtungen bestätigt, wonach der Verfassungsschutz nicht in der Lage ist, den Rechtsextremismus wirksam zu bekämpfen. Deshalb fordern wir erneut, die Mittel für das Landesamt für Verfassungsschutz auf das Niveau von 2006 zurückzuführen und die dadurch frei werdenden Gelder zur Unterstützung ziviler Projekte, Vereine und Organisationen zur Bekämpfung des Rechtsextremismus umzuwidmen. Im Gegensatz zum Landesamt für Verfassungsschutz ist nämlich die Arbeit in zivilen Projekten, Vereinen und Organisationen transparent, erfolgreich und nachweislich frei von rechten Strukturen.
Herzlichen Dank, Herr Kollege Schaus. – Das Wort hat der Herr Innenminister. Bitte schön, Herr Minister.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich denke, eines steht fest: Hessen ist, seitdem CDU und FDP in diesem Land regieren, ein sicheres Land geworden. Es ist eines der sichersten Bundesländer. Der Herr Ministerpräsident hat schon heute Morgen zu Recht darauf hingewiesen. Wir haben mittlerweile in allen Bereichen des Inneren ein Niveau erreicht, das in vielfacher Hinsicht beispielgebend ist und um das uns andere Bundesländer – insbesondere Bundesländer, die gar nicht weit von uns entfernt sind – enorm beneiden.
Das gilt für die Polizei, das gilt für den Brand- und Katastrophenschutz, und das gilt natürlich auch für den Sport. Trotz der allgemeinen Sparvorgabe ist es uns mit dem Entwurf dieses Einzelplans für das Haushaltsjahr 2012 wieder gelungen, nicht nur das Erreichte zu bewahren, sondern auch positive Schwerpunkte zu setzen.
Ich will jetzt nur auf das eingehen, was Günter Rudolph angesprochen hat. Zunächst will ich auch hier klarstellen, dass wir die Einstellungsoffensive für den Polizeinachwuchs fortführen. Vier Jahre lang haben wir weit über den jährlichen Ersatzbedarf hinaus ausgebildet.
Im Jahr 2011 haben wir mit 550 Kommissaranwärtern 150 Bedienstete über das Soll hinaus eingestellt. Wenn sie im Jahr 2014 ihre Ausbildung beendet haben, werden wir über 13.760 Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte in Hessen haben. Das sind über 1.000 mehr, als es unter RotGrün im Jahr 1999 gegeben hat.
Wir werden dieses Niveau natürlich ausbauen. Wir werden dieses Niveau sichern. Ich will klipp und klar sagen, weil die Presseerklärungen der SPD-Fraktion diesbezüglich sehr verwirrend gewesen sind: In Hessen wird bei der Polizei keine einzige Stelle gestrichen. Das ist ein großer Unterschied zu dem, was Herr Lewentz im rot-grün regierten Rheinland-Pfalz tut. Das ist nämlich das, was Sozialdemokraten tun, wenn sie die innere Sicherheit zu vertreten haben. Bei uns geschieht dies definitiv nicht.
Ich denke, wir können mit den Haushaltsansätzen sehr zufrieden sein. Wir können rundum zufrieden sein. Das gilt für das, was ich eben gesagt habe. Das gilt für die Stellen und für das Plus bei Personal- und Sachausgaben, beim Verfassungsschutz, für die garantierten 30 Millionen € für den Brandschutz. Das gilt für die Sportförderung, die wir in den vergangenen Jahren mehr als verdreifacht haben. All das zeigt, dass wir hervorragend aufgestellt sind.
Ich will mir, weil wir am Donnerstag eine sehr intensive Auseinandersetzung haben werden – darauf freue ich mich sehr –, erlauben, zum Abschluss auf die aktuellen Vorgänge einzugehen. Sie wissen, dass der Herr Generalbundesanwalt wegen des Verdachts der Bildung einer terroristischen Vereinigung die Ermittlungen übernommen hat. Diese Ermittlungen betreffen auch den feigen und abscheulichen Mord am 6. April 2006 in Kassel. Wir Hessen werden ihn dabei mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln unterstützen. In diesem Zusammenhang hilft es aber überhaupt nicht, wenn man reflexhaft aus der Tiefe des politischen Raumes nach einem Verbot der NPD ruft und sich dann auch noch mit fragwürdigen Vergleichen – mit welcher Terrorgruppe auch immer – überbietet.