Protokoll der Sitzung vom 16.11.2011

(Beifall bei der SPD und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Sie geben keine Antwort auf wirkliche Ganztagsschulen. Das wird Ihnen von der kommunalen Seite durchgängig bescheinigt. Sie geben mit dem Schulgesetz keine Antwort auf das große Thema der Inklusion, im Gegenteil: Herr Irmer polemisiert gegen das Thema Inklusion in einer völlig unerträglichen Weise,

(Günter Rudolph (SPD): So ist er!)

wenn er dann auch noch erklärt, dass das Thema Inklusion jetzt missbraucht werden solle, um eine Einheitsschule einzuführen. Sie haben es nach wie vor nicht begriffen, Herr Irmer: Es geht darum, Kinder in die Schule zu integrieren. Es hat nichts mit Einheitssystemen zu tun. Deswegen wird Ihr Schulgesetz dem Anspruch von Inklusion nicht gerecht.

(Beifall bei der SPD)

Von dem Chaos beim Thema Referendariat und Referendare und Ihren anderen Konflikten will ich jetzt gar nichts erzählen. Aber wer glaubt, dass dieses Schulgesetz, das Sie vorgelegt haben, ernsthaft den Herausforderungen von Bildungsgerechtigkeit und Chancengleichheit gerecht wird, der irrt.

Deswegen – das will ich klar auch in Richtung der Schulen, der Lehrerinnen und Lehrer und der Eltern sagen –: Ja, die Schulen sind vieler Reformen überdrüssig. Das kann ich bei dem, was Sie in den letzten zwölf Jahren alles angerichtet haben, auch verstehen.

Ich kann den Schulen nicht versprechen, dass es unter einer rot-grünen Landesregierung keine Reformen mehr gibt,

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Rot-rotgrün!)

weil wir viel zu richten haben, Herr Wagner. Wir haben viel zu richten. Aber ich sagen Ihnen: Wir werden bei unseren Reformen Lehrerinnen und Lehrer wie auch die Eltern zu Bündnispartnern der Schulpolitik machen und sie nicht gegen ihre Widerstände durchsetzen.

(Beifall bei der SPD – Zuruf von der CDU)

„Pure Ideologie“ – Herr Beuth gibt das richtige Stichwort. Ich bin Herrn Beuth dafür außerordentlich dankbar. Das haben wir gerade in den letzten Tagen auf dem

Bundesparteitag der CDU und mit der Reaktion aus der Hessen-Union erlebt. Ich bin Frau Schavan für ihre klaren Worte sehr dankbar, die in der „FAZ“ sagte: „Wir reagieren auf die Wirklichkeit.“ – Was ist gemeint?

(Petra Fuhrmann (SPD): Das unterscheidet sie von der Hessen-CDU!)

Gemeint ist die Debatte in der Union über die Frage, wie man zukünftig mit der Hauptschule umgeht. Volker Bouffier und andere in der Hessen-Union haben sich gleich hingestellt und gesagt: Mit uns gibt es keine Abschaffung der Hauptschule; das wollen wir nicht.

(Peter Beuth (CDU): So ist es!)

Was passiert auf dem Bundesparteitag? Sie sind doch kielgeholt worden.

(Beifall bei der SPD – Zuruf von der CDU: Das stimmt doch gar nicht!)

Der entscheidende Punkt ist, dass Frau Schavan doch recht hat. Sie müssen endlich in der Wirklichkeit ankommen. Das ist doch Ihr Problem in der Bildungspolitik.

(Beifall bei der SPD)

Ich sage es Ihnen in aller Klarheit: Es muss damit Schluss sein, dass Sie in Sonntagsreden weiter über die Ressourcen im Bildungsbereich reden und in Ihrem täglichen Handeln das genaue Gegenteil tun.

Frau Henzler, ich sage das in Ihre Richtung: Das, was Sie am Wochenende beim Thema Kooperationsverbot erreicht haben – gemeint ist die gemeinsame Finanzierung von Bund und Ländern –, wird ein richtiger Bumerang. Das ist ein Pyrrhussieg.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Daniel May (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Sich auf dem Bundesparteitag der FDP hinzustellen und zu erklären: „Wir wollen das Kooperationsverbot, das dem Bund verbietet, finanzielle Mittel für die Bildungspolitik auf der Länderseite zur Verfügung zu stellen“, ist völlig absurd. Öffnen Sie sich den Debatten, wie sie in der SPD, bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und auch innerhalb der Union geführt werden. Das Kooperationsverbot war falsch. Es muss weg. Wir brauchen eine gemeinsame Bildungs- und Finanzierungsverantwortung. Deswegen brauchen wir auch eine Grundgesetzänderung.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN – Peter Beuth (CDU): Sie wollen Sozialismus und Einheitsschule! Mehr fällt Ihnen nicht ein!)

Frau Henzler, das wird ein Pyrrhussieg. Das wird sich noch bitter rächen, weil das zu einer Bildungsbremse wird. Schauen Sie sich doch nur Ihre Zahlen bei der mittelfristigen Finanzplanung von Herrn Schäfer an, was wir an Problemen und schon jetzt für ein Theater mit Ihrem Etat hatten, was das auf der mittleren Linie heißt. Da gibt es wenige Spielräume.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Das ist die nächste Erfindung, es ist eine Erfindung nach der anderen, reine Märchenstunde!)

Herr Wagner, das sind alles schwierige Fragen, die Sie selbst intellektuell redlich einmal in Ihren Reihen aufrufen müssten. Nehmen Sie die Verfassungsverantwortung und den Verfassungsauftrag zum Thema Einnahmeverantwortung endlich einmal ernst. Dazu werde ich später noch einmal kommen. Ich will Ihnen klar sagen, es gibt in

der Bildungspolitik in Ihrer Landesregierung keine Ziele mehr. Ich hatte das am Anfang schon gesagt.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Eine Erfindung nach der anderen, nur Erfindungen! – Zuruf des Abg. Peter Beuth (CDU))

Eine der Herausforderungen, die wir beispielsweise haben – Herr Wagner, ich weiß, dass Ihnen das nicht gefällt –, ist, dass wir nach wie vor in Hessen 7 bis 8 % eines Jahrgangs haben, die ohne Schulabschluss von den Schulen gehen. Das ist ein gesellschaftlicher Skandal.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN – Zuruf des Abg. Peter Beuth (CDU))

Wer Ziele definiert, muss sich daran auch messen lassen. Unser Ziel ist klar: Wir wollen bis 2020 die Quote von Schülerinnen und Schülern, die ohne Schulabschluss abgehen, auf null setzen.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Reine Märchenstunde!)

Wir wollen, dass bis 2020 kein Schüler mehr die Schule ohne Schulabschluss verlässt.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN – Dr. Chris- tean Wagner (Lahntal) (CDU): Nur Nebelkerzen! Wir haben von Ihnen 20 % übernommen!)

Meine Damen und Herren, ich darf um etwas weniger Lautstärke aus dem Plenarsaal bitten, damit der Redner von allen gut gehört werden kann. Bitte etwas mehr Ruhe.

(Marius Weiß (SPD): Kein Anstand!)

Ich danke Ihnen. Ich habe aber gesagt, dass Herr Wagner noch Anlass bekommt, sich aufzuregen, weil wir über Wirklichkeit reden und das eben nicht zu dem passt, was die Regierung immer wieder vorträgt.

Zweites Thema: Arbeit. Der Ministerpräsident wird nicht müde, zu erklären, dass die Situation auf dem Arbeitsmarkt in Hessen ausgezeichnet ist

(Ministerpräsident Volker Bouffier: Ja!)

und dass wir gut aus der Krise herausgekommen sind. Das ist auch richtig.

(Demonstrativer Beifall bei der CDU)

Genau, herzlichen Dank, Zustimmung von der Union. – Das ist auch richtig. Was der Ministerpräsident allerdings nie dazusagt, ist, dass das nur eine Seite der Medaille ist und es beim Thema Arbeit eine zweite Seite gibt, die Sie wiederum nicht bereit sind zu bearbeiten.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Die niedrigste Arbeitslosigkeit!)

Diese zweite Seite ist, dass wir beispielsweise so gut aus der Krise herausgekommen sind, weil wir betriebliche Mitbestimmung und starke Betriebsräte in vielen Unternehmen hatten, wie bei Sell und bei Opel, ohne die es heute die Unternehmen nicht mehr geben würde, während Sie ständig an die betriebliche Mitbestimmung die Axt anlegen wollen.

(Zuruf des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU))

Das ist der erste Punkt.

(Beifall bei der SPD)

Zweiter Punkt. Wir hatten damals in der Verantwortung der Großen Koalition mit der Kurzarbeiterregelung ein hervorragendes Instrument, das uns über die Krise hinweggerettet hat, übrigens immer gegen den erbitterten Widerstand aus der FDP, die das nämlich alles gar nicht wollte. Meine sehr verehrten Damen und Herren, dazu gehört auch, und das führt uns zur Diskussion um den Einzelplan 01 zurück, dass wir heute bei arbeitenden Menschen eine Situation haben, die prekär ist.

Wenn wir feststellen, dass die Hälfte der unter 30-Jährigen im Niedriglohnsektor arbeitet, wenn wir feststellen, dass die Hälfte der unter 35-Jährigen noch nie in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis gearbeitet hat,