Protokoll der Sitzung vom 16.11.2011

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie haben keine Perspektiven für das Land. Sie haben nichts erreicht, und Sie haben offensichtlich auch nichts mehr vor.

(Peter Beuth (CDU): Das sind nur Phrasen! Das ist noch schlimmer als Schäfer-Gümbel! Das ist furchtbar!)

Herr Kollege Beuth, da hilft es Ihnen auch nichts, die ständigen Beschwörungen vermeintlicher Erfolge der Vergangenheit weiter zu betreiben. Da haben Sie es inzwischen – um ein Lieblingswort von Roland Koch zu benutzen – eher mit einstürzenden Leuchttürmen zu tun.

Wir blicken einmal zurück. Ich nenne jetzt alles, was Sie nicht angesprochen haben.

(Peter Beuth (CDU): Wir wollen uns mit Zukunft befassen! Es geht um den Haushalt des nächsten Jahres!)

Uniklinik Gießen-Marburg: Alles sollte großartig werden, verfassungswidrige Überleitung des Personals, groß angekündigte Partikeltherapie – Leuchtturm eingestürzt.

Die European Business School, ein typischer KochLeuchtturm: große Klappe, am Ende ein Skandal nach dem anderen, inklusive Zweckentfremdung von Landesgeld – Leuchtturm eingestürzt.

Kassel-Calden: der verrückteste Flughafen, seit es Regionalflughäfen gibt, kein Betreiber, keine Flüge, kein Konzept, aber am Ende fast 300 Millionen € sinnlos vergraben.

Ferienanlage Beberbeck: Europas größtes Luftschloss – Leuchtturm eingestürzt.

Zur Finanzpolitik insgesamt. Schauen wir einmal in den Haushalt des Jahres 2012. Sie haben in zwölf Jahren kein einziges Mal den Haushalt ausgeglichen. Sie haben stattdessen in schlechten Jahren Rekordneuverschuldungen gemacht und in guten Jahren hohe Neuverschuldungen. Der Gesamtschuldenstand ist von 22 auf jetzt 40 Milliarden € angestiegen.

Herr Ministerpräsident, ich fand es geradezu abenteuerlich, dass Sie sich gerade hierhin gestellt und gesagt haben: Freut euch doch einmal. Wir haben die Neuverschuldung reduziert. – Denn Sie haben in einer Situation, in der Sie selbst gesagt haben: „Wir haben fast 5 % Wirtschaftswachstum“, es noch nicht einmal geschafft, im Entwurf des Haushalts 2012 die hessische Verfassungsgrenze einzuhalten, wie sie immer galt, nämlich weniger Neuverschuldung als landeseigene Investitionen. Dafür kann man sich doch nicht allen Ernstes feiern lassen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Übrigens ein weiterer Leuchtturm: neue Verwaltungssteuerung. Alles sollte besser werden, alles sollte günstiger werden. Inzwischen haben wir da wahrscheinlich 1 Milliarde € versenkt – und große Teile der Verwaltung sind

jetzt damit beschäftigt, aufzuschreiben, was sie gearbeitet haben, statt zu arbeiten.

Herr Ministerpräsident, dass Sie als ehemaliger Innenminister sich ernsthaft trauen, hier die Innenpolitik zu loben, das ist ein besonders starkes Stück.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Denn noch nie in der Geschichte des Landes Hessen gab es eine solche Anhäufung von Polizeiskandalen, von Mobbingvorwürfen, von Entlassungen höchstrangiger Beamten – vom Landespolizeipräsidenten über die LKA-Chefin –, von Zuständen, wie wir sie in den vergangenen Jahren niemals erlebt haben. Sich dann hierhin zu stellen und zu sagen: „Alles toll, alles prima“ – dafür muss man schon ein gehöriges Maß an Realitätsverweigerung haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Reden wir doch einmal darüber, was man in diesem Haushalt machen könnte. Wir haben Ihnen zusätzliche Einsparungen von über 300 Millionen € vorgeschlagen. Wir haben Ihnen Rücklagenauflösungen von 250 Millionen € vorgeschlagen. Wir haben Ihnen – das gehört zur Ehrlichkeit dazu – ausdrücklich Mehreinnahmen von über 200 Millionen € vorgeschlagen, und wir haben auch gesagt, in Sachen Bildung, Umwelt, Soziales, Kinderbetreuung und zukunftsfähige Infrastrukturpolitik brauchen wir Mehrausgaben von über 200 Millionen €. Zieht man darunter einmal einen Strich, dann wird Ihnen meine Fraktion zwischen der zweiten und der dritten Lesung des Haushalts Vorschläge machen, die es ermöglichen, eine in der Sache bessere Politik zu machen und gleichzeitig die Nettoneuverschuldung um 500 Millionen € zu senken und damit die Verfassungsgrenze wirklich einzuhalten.

Die spannende Frage, die Sie dann beantworten müssen, ist: Warum lehnen Sie eigentlich diese Anträge immer alle ab – selbst dann, wenn Ihre eigenen Fachleute sagen, so doof sind die gar nicht? Auch dies ist eine der Fragen, die Sie, Herr Ministerpräsident, in Ihrer Rede nicht beantwortet haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir reden über die Zukunft. Herr Finanzminister, Sie sind jetzt 15 Monate im Amt.

(Florian Rentsch (FDP): Das ist doch schön!)

Schön für ihn. Die spannende Frage ist aber doch: Was hat Hessen davon?

Herr Rentsch, wissen Sie, Sie haben lange nicht mehr über den Länderfinanzausgleich geklagt.

(Florian Rentsch (FDP): Dazu komme ich gleich!)

Sie kommen gleich dazu? Sehen Sie, Sie sind so ausrechenbar.

(Florian Rentsch (FDP): Nein!)

Sie sollten sich überlegen, ob das auf die Dauer hilft. Ich wollte heute Herrn Güllner nicht zitieren – aber Sie wissen, was ich meine.

Herr Finanzminister, Sie müssen sich überlegen, wo eigentlich Ihr Zukunftskonzept für die Neuregelung des Länderfinanzausgleichs bleibt. Immer nur zu sagen: „So geht es nicht weiter, im Notfall klagen wir“, aber keinen einzigen eigenen Vorschlag zu machen, das funktioniert auf die Dauer nicht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn wir schon über fehlende Konzepte reden: Wo ist eigentlich Ihr Vorschlag für eine Verbesserung der desolaten Lage der hessischen Kommunen? An den Rettungsschirm glaube ich erst dann, wenn er wirklich da ist. Die spannende Frage ist doch eigentlich, ob die Neuverschuldung, die die Kommunen auf ihre alten Schulden aufgetürmt haben, bis er da ist, nicht sogar das Volumen dieses Rettungsschirms übersteigt.

Bis heute haben Sie keinerlei Antwort auf die Frage, was wir eigentlich tun, damit das nicht zunehmend auseinanderdriftet. Auf der einen Seite von Frankfurt existiert eine Gemeinde – das habe ich neulich in der Zeitung gelesen –, die 170 Millionen € oder sogar 270 Millionen € liquide Mittel auf dem Konto hat; auf der anderen Seite von Frankfurt existiert eine Gemeinde, die jedes Jahr 80 Millionen € Defizit macht. Darauf haben Sie keine Antwort. Aber Sie müssen dringend eine geben – denn so, wie es jetzt ist, kann es auf die Dauer nicht weitergehen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Herr Schäfer, wir haben einen Vorschlag gemacht. Wenn Sie den falsch finden – was Ihr gutes Recht ist –, dann erwarten wir aber, dass es endlich einmal einen Gegenvorschlag gibt, statt immer nur diese komische Arbeitsteilung: Die Opposition legt Konzepte auf den Tisch, die Regierung mäkelt daran herum, macht aber selbst nichts. – Meine sehr verehrten Damen und Herren, das funktioniert nicht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Das stimmt doch alles gar nicht! Es wird ganz konkret verhandelt! Reine Erfindung! Es gibt konkrete Verhandlungen mit den Kommunalen Spitzenverbänden! Reine Erfindung!)

Herr Wagner, es ist eben keine reine Erfindung. Aber da Sie gerade dazwischenrufen, liefern Sie mir mein nächstes Stichwort.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Sie weichen aus!)

Es kommt noch eines hinzu: Die politische Kultur in diesem Land ist auf den Hund gekommen. Sie ist wirklich auf den Hund gekommen. Diese Regierung löst keines ihrer Wahlversprechen ein.

(Widerspruch des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU))

Es ist ihr sogar völlig egal, was sie in der Vergangenheit versprochen hat. Nach dem guten alten Adenauer-Motto: „Was kümmert mich mein dummes Geschwätz von gestern?“, wird hier Landespolitik betrieben.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Das haben Sie auch schon vor zehn Jahren gesagt! – Gegenruf des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE): Damals war das auch schon richtig!)

Herr Wagner, ich will Ihnen das an bestimmten Punkten verdeutlichen.

Sie stellen sich hin und versprechen ein Nachtflugverbot. Wie oft haben wir das diskutiert: Ist ein Ausbau vertretbar? Was kommt als Gegenleistung? Kommt diese Gegenleistung – mit allem was dazugehört? Wir haben dazu unterschiedliche Positionen. Es ist aber unbestreitbar, dass es dieses Versprechen gab.

Jetzt sind Sie in der Situation, dass Sie Ihr Versprechen halten können. Was aber tun Sie? Sie klagen vor dem Bundesverwaltungsgericht dafür, dass Sie Ihr eigenes Versprechen nicht halten müssen. Die politische Kultur in diesem Land ist auf den Hund gekommen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Das hat er auch schon 20-mal gesagt!)

Herr Wagner, jetzt können Sie sagen: Das alles haben wir schon vor zwei Wochen in einer Sondersitzung besprochen.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Das haben Sie hier schon 20-mal vorgetragen!)

Herr Wagner, ich sage Ihnen einmal, was gestern passiert ist: Die Lufthansa Cargo hat gesagt, dass sie den nächsten Flugplan ohne Nachtflüge plant.

(Florian Rentsch (FDP): Was soll sie denn sonst machen?)