Jetzt fragen Sie: „Was denn sonst?“ Ich begrüße es außerordentlich, dass die Lufthansa Cargo ihren nächsten Flugplan ohne Nachtflüge aufstellt. Völlig richtig.
(Florian Rentsch (FDP): Wenn sie das anders gemacht hätte, hätten Sie gesagt: Das ist eine Verhöhnung des Landtags und der Rechtsprechung! Das ist lächerlich!)
Regen Sie sich gar nicht auf. Ich wollte die Lufthansa Cargo heute ausnahmsweise gar nicht kritisieren. Ich finde es gut, dass sie den nächsten Flugplan ohne Nachtflüge aufstellt.
Aber ich finde, Sie sollten sich einmal überlegen, warum Sie eigentlich Ihr Versprechen gebrochen haben – wegen eines angeblich unabweisbaren Bedarfs für Nachtflüge –
Jetzt kommen wir in eine Situation, in der es innerhalb von zehn Tagen möglich war, auf die Nachtflüge zu verzichten und sogar für das nächste Sommerhalbjahr eine ordentliche Planung zu machen.
Offensichtlich braucht es diese Nachtflüge nicht. Deswegen sage ich an dieser Stelle – und werde es in jeder Sitzung wiederholen, bis zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts –: Ziehen Sie endlich Ihre Revision zurück, Ihre Klage gegen Ihr eigenes Versprechen, und akzeptieren Sie wenigstens die jetzige Situation.
Damit kommen wir zum nächsten Bereich. Im Jahr 2000 und seitdem immer wieder haben Sie einen Anti-LärmPakt gegen den Fluglärm versprochen. In der letzten Woche tagte zum ersten Mal diese Arbeitsgruppe. Wie immer, wenn man wenig zu sagen hat, aber viel Wind machen muss, nennt man die dann „Taskforce“.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich kann Ihnen nur sagen: Wenn Sie sich betrachten, was da passiert, wenn Sie einmal ein bisschen in die Region um den Flughafen hineinhorchen, dann müssten Sie sehen, dass das, was wir hier debattieren, nicht vorbei ist, sondern dass es gerade wieder neu anfängt – und zwar in einer Art und Weise, die Sie sich gar nicht vorstellen können. Wenn Sie weiterhin denken, Sie könnten den Anwohnerinnen und Anwohnern des Frankfurter Flughafens mit Sprechblasen kommen, dann wird sich das rächen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das wird sich für Sie rächen. Es wird sich aber auch für das Ansehen der Politik insgesamt rächen. Deswegen sage ich Ihnen, Herr Ministerpräsident: Schluss mit den Sprechblasen und endlich reale Handlungen.
Reihenweise vergeben Sie Aufträge in rechtswidriger Art und Weise. Komischerweise profitieren davon oft Leute, die Ihnen politisch nahestehen. Unrechtsbewusstsein? Fehlanzeige. Konsequenzen? Leider auch Fehlanzeige.
Das ist nicht wahr? Herr Bellino, diese Aufträge waren alle rechtskonform? Profitiert haben nicht Leute, die Ihnen politisch nahestehen? – Das ist ja interessant, was Sie da erzählen. Ich finde das alles sehr interessant. Danke, dass Sie bestätigen, dass es bis heute bei Ihnen kein Unrechtsbewusstsein gibt. Vielen Dank für diese Bestätigung.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Holger Bellino (CDU): Das ist nicht wahr! Sie sind ein Spalter! – Heiterkeit bei der SPD – Norbert Schmitt (SPD): Das klingt wie die Linkspartei! – Holger Bellino (CDU): Das ist wider besseres Wissen! Sie sind ein Spalter!)
Sehr gut. Ich bin nicht sprachlos. Ich wundere mich, dass Sie als parlamentarischer Geschäftsführer und bekannter Versöhner andere Leute „Spalter“ nennen. Aber bitte sehr, geschenkt.
Wenn wir schon bei der Frage sind, was da auf den Hund gekommen ist und wie wir miteinander umgehen, kann man nur sagen: Natürlich gibt es eine Arbeitsteilung zwischen Regierung und Opposition. – Machen Sie sich eigentlich Gedanken darüber, wie die Aufarbeitung Ihrer Skandale vorankommt und wie Sie sogar in der Aufarbeitung dieser Skandale versuchen, diese Aufarbeitung zu behindern?
Wir sind bei der Frage des Steuerfahnder-Untersuchungsausschusses vor den Staatsgerichtshof gegangen. Wir werden heute Mittag wieder vor dem Staatsgerichtshof sein. Kann es eigentlich auf Dauer richtig sein, dass eine Mehrheit mit allen Mitteln versucht, die Aufklärung zu behindern, und dabei sogar die Rechte der Minderheit einschränkt?
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Schon wieder eine Erfindung!)
Herr Wagner, alles eigene Erfindung. Ich weiß, die Hessen-CDU in ihrem Lauf hält weder Ochs noch Esel auf. – So funktioniert es leider nicht.
(Heiterkeit bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Sie wiederholen sich!)
Wenn man sich über den Zustand der Koalition Gedanken macht, kommt man zu der Feststellung, es hat lange keiner mehr gesagt – Herr Kollege Rentsch, das war lange Ihr Standardsatz neben dem Länderfinanzausgleich –, dass Schwarz-Gelb in Berlin nicht so gut regiert, aber dass Schwarz-Gelb in Hessen umso sachgerechter und einiger regieren würde. – Das hat schon lange keiner mehr behauptet.
Wir müssen uns jetzt für die nächsten zwei Jahre – denn diese Agonie wird noch die nächsten zwei Jahre andauern – Gedanken darüber machen, wie wir zu sachgerechten Lösungen in diesem Land kommen. Diese Frage stellt sich bei der Gemeindeordnung, beim Energiegipfel, diese Frage stellt sich in der Bildungspolitik, diese Frage stellt sich in der Wirtschaftspolitik, diese Frage stellt sich in der Umweltpolitik insgesamt, und diese Frage stellt sich in der Sozialpolitik.
Die Frage ist, ob der Zustand der FDP es noch möglich macht, in diesem Land zu sachgerechten Lösungen zu kommen, oder ob die FDP in ihrer Existenzangst dazu führt, dass in diesem Bundesland gar nichts mehr geschieht. Diese Frage wird sehr spannend sein. Diese Frage wird die CDU beantworten müssen, die einen Koalitionspartner in einem solchen Zustand hat.
In einem der wichtigsten Themenfelder der Landespolitik, wenn nicht dem wichtigsten Themenfeld, nämlich in der Bildungspolitik, haben Sie sich in den letzten Wochen und Monaten ein Schauspiel und die Demontage der Kultusministerin geliefert. Ich habe es in diesem Land noch nie erlebt, dass eine Kultusministerin nur noch als Kühlerfigur im Schaufenster steht, hinten ein Aufpasser ist, der von der Sache nicht viel Ahnung hat, und ansonsten die inhaltliche Politik keinen Millimeter weiterkommt. Das ist schlicht Verweigerung vor den Aufgaben, die auf der Tagesordnung stehen. Das können wir uns nicht leisten.
Es gibt für eine Oppositionsfraktion zwei Möglichkeiten, mit diesem Zustand einer Koalition umzugehen. Man kann es sich gemütlich machen, zuschauen, wie die Regierung vor sich hinwurstelt, sich dabei die Hände reiben und auf die nächste Landtagswahl warten. Das ist die eine Möglichkeit. Die zweite Möglichkeit, das ist die bessere Möglichkeit, ist, immer und immer wieder auf die Tagesordnung zu bringen, wie es in der Sache gehen könnte. Man muss jeden Tag zeigen, was die Alternativen sind.
Deswegen sage ich sehr deutlich: Wir könnten in diesem Bundesland eine andere Bildungspolitik machen, wenn endlich, endlich die Ideologie über Bord ginge und die sachgerechte Lösung im Vordergrund stünde.
Wir könnten mehr Chancengerechtigkeit bekommen. Wir könnten uns endlich um die Risikogruppe kümmern, die seit PISA nicht deutlich kleiner geworden ist. Wir könnten uns endlich um die Zahl der Schulabbrecher kümmern, um die wir uns wirklich kümmern müssten. Wir könnten uns mit der Sache beschäftigen. Meine sehr ver
Wir könnten uns in diesem Land mit einer anderen Umwelt- und Energiepolitik auseinandersetzen. Wir könnten sie umsetzen, wenn Sie in der Sache wirklich Interesse daran hätten. Herr Ministerpräsident, in den nächsten Wochen wird auf Sie eine sehr spannende Frage zukommen: Sind Sie in der Lage, sich in der Sache gegen die Ideologen von der FDP durchzusetzen? – An dieser Frage wird sich das Wohl der Energiepolitik in diesem Land entscheiden. Wir wünschen uns sehr, dass Sie sich durchsetzen und die Sache in den Vordergrund stellen.
Herr Ministerpräsident, wir könnten eine andere Sozialpolitik machen. Ich fand es sehr spannend, was Sie in Ihrer Rede mit der Familienkarte angesprochen haben. Manche Leute freuen sich, wenn sie Rabatt im Supermarkt bekommen. Andere Leute freuen sich auch, wenn sie bei der Toilettenbenutzung an einer Autobahnraststätte nicht so viel zahlen müssen. Die spannende Frage ist, ob es das ist, was Familien in diesem Bundesland brauchen.
Die spannende Frage ist, ob wir nicht z. B. bei der Betreuung der unter Dreijährigen in diesem Bundesland angesichts eines Rechtsanspruchs, der ab 2013 gilt, genug tun, um die Kapazitäten auszubauen, ob wir als Land Hessen genug tun, um die Kommunen dabei zu unterstützen, zusätzliche Betreuungsplätze zu schaffen, und genug tun, um zusätzliche Erzieherinnen und Erzieher auszubilden oder sie im Job zu halten. Auf diese Fragen haben Sie keine Antwort. Herr Ministerpräsident, da hilft Ihnen auch eine Rabattkarte nichts.
Wir könnten in diesem Bundesland eine andere Sozialpolitik machen. Sie müssten eine Antwort auf die Frage geben, wie viele Menschen in diesem Land arbeiten, aber von dieser Arbeit nicht mehr leben können. Ich fand es sehr spannend, dass Sie in einem Interview zum Beschluss des CDU-Bundesparteitags gesagt haben, in der Sache werde sich nichts ändern, das sei nur, um ein Symbolthema abzuräumen. – Herr Ministerpräsident, das ist keine Antwort.
Das, was momentan im unteren Drittel der Gesellschaft passiert, ist ein Angriff auf die soziale Marktwirtschaft. Die soziale Marktwirtschaft und die alte Bundesrepublik haben immer von einem Leitsatz gelebt, den Sie eigentlich teilen müssten: Leistung muss sich lohnen. – Wenn Menschen den ganzen Tag arbeiten und am Ende des Monats zum Amt gehen müssen, weil sich ihre Leistung nicht lohnt, dann legen Sie die Axt an die soziale Marktwirtschaft. Das müsste doch eine CDU umtreiben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir könnten eine andere Wirtschaftspolitik machen. Dazu gehört, dass wir endlich Schluss machen mit der Vorstellung, das sinnlose Ausgießen von möglichst viel Beton sei schon eine gute Infrastrukturpolitik.
(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Das haben Sie schon mehrfach gesagt, es muss jetzt mal was Neues kommen!)
Ja, ich habe es schon mehrfach gesagt. Ich werde es auch noch öfter sagen. Ich werde es so lange sagen, solange Sie eine Wirtschaftspolitik machen, die immer noch aus der Perspektive von Georg Leber – um jetzt einmal einen Sozialdemokraten zu nennen – ausgeht, nach dem Motto: kein Bürger, der nicht in zehn Minuten am nächsten Autobahnanschluss ist.
Herr Wagner, ich glaube, dass das im Jahr 2011 keine zukunftsfähige Wirtschaftspolitik ist. Solange Sie diese falsche Wirtschaftspolitik betreiben, werde ich es immer wieder sagen.