Protokoll der Sitzung vom 14.12.2011

Gerade weil wir mehr Studierende an den Hochschulen haben, gibt es den Wunsch und den Willen, um die Qualität zu halten, mehr Lehrende an die Hochschulen zu holen. Diese Lehrenden bekommen auch Geld für ihre Tätigkeit, und das ist gut so. Wenn die Tarife steigen und wir mehr Lehrende haben, dann steigt auch das Minus der Hochschulen. Das ist wieder ein Minus, das durch die Landeskasse nicht honoriert wird und das die Hochschulen aus eigener Kasse, aus dem eigenen Bestand zahlen müssen.

Wir haben es hier faktisch mit drei Dimensionen zu tun, die die Grundfinanzierung der Hochschulen kürzen. Herr Dr. Müller, ich würde mir sehr wünschen, dass Sie dieses Problem endlich einmal anerkennen, anstatt immer wieder das Mantra der steigenden Ausgaben für die Hochschulen vor sich herzubeten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Hans-Jürgen Irmer (CDU): Sie haben doch selbst immer gekürzt!)

Meine Damen und Herren, schauen wir einmal an, wie die Wissenschaftsministerin mit der Kritik der KHU umgeht. Ihre Pressemitteilung dazu lautet:

„Ich halte diese Kritik angesichts der Hochschulausgaben des Landes für unangemessen“... Die finanziellen Leistungen entsprächen den von allen Hochschulen unterzeichneten Vereinbarungen des Hochschulpakts...

Erinnern wir uns doch einmal, wie dieser Hochschulpakt zustande gekommen ist. Der Hochschulpakt bedeutete, dass der Hochschuletat um 30 Millionen € gekürzt wurde, und es gab eine ganze Reihe von Hochschulpräsidenten, die diesen Hochschulpakt nicht unterzeichnen wollten. Nur weil die Ministerin sehr unverhohlen angedeutet hat, dass es gerade für diejenigen, die protestieren, negative Auswirkungen für ihren Etat haben wird, nur deswegen haben die Hochschulen unterschrieben.

Meine Damen und Herren, wenn man das nicht Erpressung nennt, dann weiß ich nicht, wie man es sonst bezeichnen soll.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Holger Bellino (CDU))

Ich kann es Ihnen nicht ersparen, ich weiß, dass Sie gleich wieder aufstöhnen werden. Aber schauen wir uns an, worauf die Ministerin ansonsten ihren Elan verwendet. Die Sorgen der Hochschulen nimmt sie nicht ernst, aber die Sorgen einer Hochschule nimmt sie sehr ernst. Wir haben wiederholt angekreidet: Es kann nicht sein, dass man bei den staatlichen Hochschulen um 30 Millionen € kürzt, während man einer einzigen Privathochschule 25 Millionen € gibt.

(Alexander Noll (FDP): Hauptsache, das Feindbild stimmt!)

Auch das ist unverständlich: dass sich die Ministerin wie eine Löwin hinter die Vorgänge bei der EBS und hinter die Finanzierung des Landes bei der EBS stellt. Hier hätte ich gerne eine Erklärung, warum sie das nicht in gleicher Art und Weise für die Hochschulen des Landes tut.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie bei Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, mir ist daran gelegen – ich merke, dass Sie größtenteils zuhören; das ist ein Fortschritt im Vergleich zu anderen Debatten –, dass Sie anfangen, dieses Problem ernst zu nehmen. Es geht hier nicht um das typische Spielchen von Opposition und Regierung: Die einen sagen, es soll mehr Geld hinein, und die anderen sagen, wir stecken doch Geld hinein.

Vielmehr geht es hier um eines der wichtigsten Zukunftsprobleme unseres Landes. Deswegen hören Sie hin, hören Sie die Signale. Gehen Sie zu den Hochschulen, reden Sie mit den Menschen darüber, was vor Ort los ist. Es geht um die Zukunft der Ausbildung an den Hochschulen. Es geht darum, dass wir verhindern müssen, dass die Qualität eines Hochschulstudiums enorm abnimmt. Es geht darum, dass wir dafür sorgen müssen, dass alle, die in Zukunft studieren wollen, die Möglichkeit dazu haben und nicht vor verschlossenen Türen oder vor allzu vollen Hörsälen stehen. Ich bitte Sie eindringlich: Nehmen Sie dieses Pro

blem endlich ernst. Hören Sie die Signale. Gehen Sie an die Hochschulen, und hören Sie hin. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Danke, Frau Sorge. – Als Nächste spricht Frau Wissler für die Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wieder einmal müssen wir uns mit der dramatischen Situation an den Hochschulen Hessens befassen. Jeder, der derzeit eine Hochschule in Hessen besucht, weiß, dass das so gerne von der Landesregierung gezeichnete Bild einer blühenden Hochschullandschaft mit der Realität überhaupt nichts zu tun hat.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Die Zahlen liegen auf dem Tisch, und jeder kann daraus selbst die reale Lage ersehen. Die Hochschulen erleben einen Studierendenansturm, wie es ihn bisher noch nie gab. Die Konferenz der hessischen Universitätspräsidenten hat es Ihnen Ende November vorgerechnet. Herr Müller, wenn Sie diesen Appell ernst nehmen, wie Sie das sagen, dann machen Sie konkrete Vorschläge, dann handeln Sie auch, damit der Appell nicht einfach verpufft, sondern damit sich dort etwas ändert.

Denn das, was die Unipräsidenten dort gemacht haben, ist ein Hilferuf. Es ist ein Alarmsignal, und das müssten die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen ernst nehmen.

Meine Damen und Herren, wir haben absolute Hochstände mit 25.000 Studierenden an der TU Darmstadt. In Gießen sind es 25.000, in Frankfurt 41.000, in Kassel 21.000 und in Marburg 22.000. Das sind Steigerungen von fast 30 % gegenüber dem Jahr 2007. Bei den Erstsemestern sind es sogar 40 %, und das sind nur die Zahlen für die Universitäten. Addiert man die Zahlen der Fachhochschulen, nimmt man die der Kunsthochschulen hinzu, dann kommt man in Hessen auf fast 210.000 Studierende. Das alles sind absolute Rekordzahlen, und es ist eine weitere kontinuierliche Steigerung absehbar.

Herr Müller, wenn Sie sagen, dass diese hohe Studierquote, die wir in Hessen haben, quasi ein Beleg für eine gute Hochschulpolitik der Landesregierung ist, dann kann ich nur sagen: Diese hohe Studierquote gibt es in Hessen trotz der Landesregierung und nicht wegen der Landesregierung.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Karlheinz Weimar (CDU))

Das liegt vor allem daran, dass die hessischen Hochschulen gute Arbeit machen, und es liegt daran, Herr Müller – daran waren Sie leider nicht beteiligt –, dass wir in Hessen die Studiengebühren abgeschafft haben, sodass viele Menschen die Möglichkeit haben, zu studieren.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- NEN)

Wir erleben den Wegfall der Wehrpflicht. Wir erleben, wie die ersten G-8-Jahrgänge durch die G-8-Umstellung in den anderen Bundesländern jetzt an die Hochschulen kommen. Ab 2012 kommen auch die hessischen G-8-Jahrgänge. Daher rechnet das Hessische Statistische Landesamt auch in den kommenden Jahren mit einem weiteren Anstieg der Studierendenzahlen.

Was tut die Landesregierung? Sie kürzt den Hochschulen die Etats, und zwar nicht nur dadurch, dass sie die Landesmittel nicht im selben Ausmaß steigert, wie die Studierendenzahlen steigen. Nein, sie streicht auch bei den absoluten Zahlen. Sie streicht den Hochschulen trotz des Studierendenansturms die Mittel zusammen.

Wir haben hier oft genug – Frau Kollegin Sorge hat es angesprochen – über den Hochschulpakt, den man eigentlich Hochschulkürzungs- und -knebelungspakt nennen müsste, gestritten. Wenn Sie sich hier immer damit brüsten, dass Sie heute so viel Geld ausgeben, wie in der Geschichte Hessens angeblich nie für Hochschulen ausgegeben wurde, dann ist das eine absolute Scheinrechnung. Sie müssen sich die Mittel pro Studierenden bei der Rekordzahl von Studierenden ansehen, die wir heute haben. Wenn Sie sich die Mittel pro Studierenden inflationsbereinigt anschauen, frage ich mich, wo Sie da, bitte schön, eine Steigerung sehen. Da gibt es keine Steigerung, sondern da gibt es eine abnehmende Tendenz. Das zeigt, dass die Studienplätze in Hessen völlig unterfinanziert sind.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn wir über HEUREKA reden, muss man dazu sagen, dass viele dieser Baumaßnahmen nachholende Maßnahmen waren, weil viele Jahre lang nichts passiert ist. Jetzt sind 20 Millionen € zusätzlich – –

(Karlheinz Weimar (CDU): Wie war das in den Neunzigerjahren? Ihr habt doch die Unis verkommen lassen!)

Wir haben die Unis verkommen lassen? Herr Weimar, ich weiß, dass Sie seit 1978 im Landtag sind. Für meine Fraktion gilt das nicht. Wir sind seit 2008 hier, und wir haben in den Neunzigerjahren nicht die Hochschulen verkommen lassen.

(Beifall bei der LINKEN – Clemens Reif (CDU): Sie sollten öfter einmal dorthin gehen! – Weitere Zurufe von der CDU)

Herr Reif, ich sage es einmal so: Lieber ein paar Jahre länger, dafür aber ehrlich studiert, als in Bayreuth abgeschrieben.

(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Von daher nehme ich Ratschläge von Ihrer Seite gerne entgegen. Aber ich denke, ich mache das solide.

(Clemens Reif (CDU): Machen Sie einmal Examen, dann wird die Hochschule entlastet!)

Ich schlage vor, dass die Zwischenrufe jetzt unterbleiben. Die Dialoge waren ganz amüsant, aber jetzt reicht es.

(Heiterkeit – Zurufe von der CDU: Oh!)

Herr Präsident, Sie haben völlig recht. – Wir kommen wieder zum Ernst der Sache, und zwar zur Unterfinanzierung der hessischen Hochschulen. Sie haben jetzt 20 Millio nen € auf den Hochschuletat draufgeschlagen. Ich will aber klarmachen: Das sind keine zusätzlichen Mittel, die Sie bereitstellen, das ist kein Rückgängigmachen der Kürzung, sondern das ist allenfalls eine Reduzierung der Kürzung, also eine Abmilderung. Bei den gestiegenen Studierendenzahlen entwertet sich die Abmilderung auch noch.

Dazu kommen jetzt die gestiegenen Preise und – ganz wichtig, Herr Müller hat es angesprochen – die anstehenden Tariferhöhungen. Diese stellen die Hochschulen vor ein ganz enormes Problem.

Die Folgen für die Hochschulen liegen auf der Hand: überfüllte Seminare und Vorlesungen, überfüllte Laboratorien und überarbeitetes Personal, dem immer mehr abverlangt wird, während gleichzeitig seine Beschäftigungssituation immer schwieriger wird. Immer mehr Lehre wird durch prekär Beschäftigte getätigt, oftmals in Kurzzeitverträgen. Auch dazu liegen konkrete Zahlen vor. Wir haben vor ungefähr zwei Jahren eine Kleine Anfrage an die Hessische Landesregierung gestellt. In der Antwort ist schwarz auf weiß bestätigt worden, dass die Zahl der kurzfristigen Lehraufträge immer weiter steigt.

(Ismail Tipi (CDU): Vor zwei Jahren!)

Richtig, vor zwei Jahren, Herr Tipi. Die Situation hat sich aber eher verschärft. Trotzdem ist das eine gute Anregung. Die nehme ich gerne auf. Wir stellen eine neue Anfrage.

(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- NEN)

Ich gehe davon aus, dass sich die Situation eher verschärft hat. Ich finde aber, dazu sollte man aktuelle Zahlen haben.

Durch die kurzfristigen Zeitverträge werden reguläres Personal mit Dauerverträgen und nicht zuletzt Professorinnen und Professoren immer stärker verdrängt. Diese Form der Beschäftigung ist billiger, aber sie bringt natürlich keine bessere Lehre. Außerdem bedeutet sie für junge Wissenschaftler natürlich ständige Existenzängste. Wir fordern gute Arbeitsbedingungen an den Hochschulen statt dieser immer weiter zunehmenden Prekarisierung.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, die schwarz-gelbe Landesregierung rühmt sich ihrer Vorzeigeprojekte, vor allem des LOEWE-Programms zur Förderung exzellenter Forschung. Sie lässt sich auch die Reklame dafür einiges kosten. Eine halbe Million Euro sind in den Haushalt allein für eine groß angelegte Werbekampagne für LOEWE eingestellt. Diese Kampagne soll „zufälligerweise“ natürlich im Vorfeld der Landtagswahlen stattfinden. Damit wollen Sie den Eindruck erwecken, dass an den Hochschulen doch alles gar nicht so schlecht ist. Solche Forschungsprogramme ersetzen aber ein reguläres Angebot in der Lehre nicht, das die bestmögliche Betreuung der Studierenden voraussetzt. Nur das gewährleistet nämlich ein erfolgreiches Studium.

(Beifall bei der LINKEN)