Nun zur letzten Bemerkung, die ich in dieser Debatte machen will, warum wir dieses Thema zum Setzpunkt machen. Vonseiten der FDP und der Union kam der Vorwurf, es handele sich nur um OB-Wahlkampf in Frankfurt.
Herr Rentsch hat ja recht, wobei Hinweise von Parteien, die unter der Nachweisgrenze sind, vielleicht nicht nur zielführend sind. Sie sollten darüber nachdenken.
(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Peter Beuth (CDU): Hochmut kommt vor dem Fall! – Weitere Zurufe von der CDU und der FDP)
Ich will es noch einmal wiederholen: Diese Debatte hat der Finanzminister am 14. Dezember eröffnet. Sie wird von Ihnen auch mit Blick auf die Oberbürgermeisterwahl in Frankfurt vorbereitet. Wir nehmen zur Kenntnis, dass es Gespräche zwischen Ihnen, Herr Dr. Schäfer, ganz offensichtlich Herrn Junker, dem Geschäftsführer der ABG, und Herrn Rhein gibt, um am Ende dieses Monats Herrn Rhein zum weißen Ritter der Wohnungsbestände in Frankfurt zu machen,
(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Das ist Ihr Problem, Sie reden, wir handeln! – Weitere Zurufe von der CDU und der FDP)
nach dem Motto: Die ABG kauft die Anteile der Nassauischen Heimstätte auf. – Ich sage Ihnen: Das ist aus Landessicht alles andere als in Ordnung. Es geht nicht, dass Sie die 45.000 Wohneinheiten außerhalb von Frankfurt dem OB-Wahlkampf in Frankfurt – neben den wenigen Themen, die Herr Rhein noch hat und mit denen er sich noch profilieren kann – feilbieten. Das ist im Interesse der Mieterinnen und Mieter nicht in Ordnung. Herr Rhein, wir werden unsere Möglichkeiten nutzen, das zu verhindern.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist eine Aufgabe des Landes, die Anteile an einem solchen Unternehmen zu halten. Wir sollten sie nicht auf dem Altar des Oberbürgermeisterwahlkampfs von Herrn Rhein opfern. – Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Herr Schäfer-Gümbel. – Frau Wissler, Sie haben jetzt Gelegenheit, die Position für die Fraktion DIE LINKE vorzutragen.
(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Noch einmal ein Beitrag zum demokratischen Sozialismus! – Weiterer Zuruf von der CDU: Auch ein Beitrag zum OB-Wahlkampf!)
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, zunächst weise ich den Vorwurf ganz entschieden zurück, hier OB-Wahlkampf zu betreiben.
Meine Damen und Herren, Wohnen ist ein Menschenrecht, und deshalb trägt der Staat eine ganz besondere Verantwortung. Die Versorgung der Bevölkerung mit
Leider muss sich der Landtag heute erneut mit einer möglichen Privatisierung der Nassauischen Heimstätte beschäftigen, weil Teile des Landtags und auch der Finanzminister das Betreiben einer Wohnungsbaugesellschaft nicht zu den Kernaufgaben eines Bundeslandes zählen. Da kann es wenig beruhigen, dass der Finanzminister erklärt, er habe eine Heuschreckenallergie, man denke daher eher an einen öffentlich-rechtlichen Träger, der die Nassauische Heimstätte übernehmen könne, und dass der Verkauf für die Mieterinnen und Mieter dann gar keine bedeutsamen Veränderungen mit sich bringen werde.
Meine Damen und Herren, Ihr bisheriger Umgang mit der öffentlichen Daseinsvorsorge spricht doch Bände. Seit der Regierungsübernahme der CDU 1999 hat die Landesregierung die öffentliche Daseinsvorsorge immer weiter beschnitten und privatisiert. Auf der Homepage der Staatskanzlei ist nach wie vor zu lesen, dass die Privatisierung staatlicher Aufgaben ein wichtiges Ziel sei und dass jede staatliche Leistung auf ihre Notwendigkeit und ihre Privatisierungsfähigkeit hin überprüft werden solle.
Privat vor Staat, das ist Ihre Devise, egal wie hanebüchen sich die Umsetzung dieser Losung in der Realität gestaltet. Das Traurige ist, dass die tiefe Finanz- und Wirtschaftskrise, die wir erlebt haben, daran offenbar nichts ändern konnte.
Ich befürchte, die Beruhigungspille, die Sie den Mieterinnen und Mietern der Nassauischen Heimstätte in der Vorweihnachtszeit gegeben haben, war eine reine Hinhaltetaktik, und der Verkauf wird im Hintergrund schon längst geplant. Hauptsache, der Verkauf der Nassauischen Heimstätte bringt Geld, Heuschreckenallergie hin oder her.
Meine Damen und Herren, wenn wir über den Verkauf der Nassauischen Heimstätte sprechen, dann muss man auch wissen, um was es hier geht. Es geht hier um 62.500 Wohnungen in über 150 Gemeinden. Es leben fast 150.000 Menschen in diesen Wohnungen, davon sind knapp 42 % Rentnerinnen und Rentner. Ein Großteil hat ein geringes Einkommen unterhalb von 1.450 € pro Monat.
Die Nassauische Heimstätte ist aber auch Arbeitgeber. Auch das will ich hier ansprechen. Es wurden bereits 150 von den ursprünglich 700 Arbeitsplätzen abgebaut, und im Falle eines Verkaufs droht weiterer Stellenabbau.
Der Verkauf dieser Wohnungen wäre für die überwiegend einkommensschwachen Mieterinnen und Mieter ein Drama. Jeder weiß doch, was nach Wohnungsverkäufen üblicherweise passiert. Die jüngsten Erfahrungen, z. B. in Maintal, haben wieder einmal deutlich gemacht, dass es zu erheblichen Mietsteigerungen kommt, dass teilweise über Jahrzehnte ansässige Mieterinnen und Mieter vertrieben werden, dass Räumungsklagen durchgesetzt werden sowie vermeintliche und echte Modernisierungen mit ebenfalls drastischen Mietaufschlägen durchgeführt werden.
Nach dem Verkauf der Gemeinnützigen Wohnungsgesellschaft vor zehn Jahren haben Sie noch erklärt, dass eine große Gesellschaft gebraucht werde, um auf dem überhitzten Wohnungsmarkt weiter regulierend eingreifen zu können. Deswegen frage ich Sie: Was hat sich seitdem auf
dem Wohnungsmarkt geändert, dass Sie zu dem Ergebnis kommen, dass man eine solche Gesellschaft nicht mehr braucht?
Dabei ist es doch so, dass allein die Entwicklung in Frankfurt alarmierend ist, wo wir Mietsteigerungen von bis zu 50 % erleben, wo nur noch 20 % derer, die einen Anspruch auf preiswerten Wohnraum haben, versorgt werden können, wo jede vierte Familie mehr als 40 % ihres Einkommens allein für die Kaltmiete aufbringen muss und wo nicht einmal mehr 10 % der 350.000 Wohnungen einer Mietpreisbindung unterliegen – und das alles bei stagnierenden Nettoeinkommen und sinkenden Einkommen bei Beziehern von Transferleistungen, und wir haben schon gehört, dass diese einen großen Teil der Mieterschaft der Nassauischen Heimstätte ausmachen.
Wir reden hier allein über 16.000 Wohnungen in Frankfurt, die sich im Besitz der Nassauischen Heimstätte befinden. Ich denke, dass die Situation auf dem Wohnungsmarkt heute noch gravierender ist als Anfang des vergangenen Jahrzehnts. Deshalb sage ich Ihnen: Es ist eine ganz fatale Fehleinschätzung, wenn Sie zu dem Schluss kommen, eine solche Wohnungsgesellschaft nicht mehr zu brauchen.
Mit dem Verkauf der Nassauischen Heimstätte würde sich das Land Hessen endgültig aus dem ohnehin kaum noch existenten sozialen Wohnungsbau verabschieden. Wir lehnen diesen falschen Weg, den Sie mit der Zerstörung der öffentlichen Daseinsvorsorge immer weiter vorangehen, ab. Wir sind der Meinung, dass das Angebot und auch der Ausbau öffentlich geförderter Sozialwohnungen sehr wohl Kernaufgabe des Landes sind. Was ist denn sonst eine Kernaufgabe, wenn nicht diese existentielle Frage?
Deshalb wird sich DIE LINKE weiter dafür stark machen, dass bezahlbarer Wohnraum erhalten und ausgebaut wird. Das ist ein Gebot der sozialen Gerechtigkeit, und das ist auch die Voraussetzung für die gesellschaftliche Teilhabe aller Einwohner unseres Landes.
Die Nassauische Heimstätte sorgt aufgrund ihres Unternehmensziels für die konkrete Umsetzung des Menschenrechts auf eine Wohnung auch für einkommensschwache Menschen. Herr Finanzminister, es ist völlig abwegig und unaufrichtig, anzunehmen, dass sich für die Mieterinnen und Mieter nichts ändern würde, wenn ein privater Käufer die Landesanteile an der Nassauischen Heimstätte übernähme. Er wird den Kaufpreis und die anfallenden Zinsen auf die Mieten umlegen, und er wird wie jeder Unternehmer Renditen aus seiner Anlage ziehen wollen.
Das heißt konkret: Einnahmesteigerungen auf Kosten der Mieterinnen und Mieter. Preiswerter Wohnraum steht diesem Vorhaben im Wege. – Herr Milde, da Sie gerade dazwischenrufen: Natürlich ist das auch gerne ein scheibchenweiser Prozess. Natürlich werden Privatisierungen oftmals so durchgeführt, dass erst einmal die Rechtsform umgewandelt und dann vielleicht an einen anderen öffentlich-rechtlichen Träger verkauft wird. Wie wollen Sie denn kontrollieren, was danach passiert? Das Problem ist: Das Land verabschiedet sich aus seiner Verantwortung. Und das wollen wir nicht. Wir wollen, dass das Land die
Sie haben schon im Kommunalwahlkampf keinen Hehl daraus gemacht, dass für Sie die Nassauische Heimstätte eine der drei veräußerbaren Ressourcen des Landes sei. Wir fordern Sie auf: Kehren Sie um. Bekennen Sie sich zum Erhalt und zum Ausbau der Nassauischen Heimstätte in öffentlicher Hand, und beenden Sie ein für allemal die Spekulationen um den Verkauf der Nassauischen Heimstätte und auch die Verunsicherung der Mieterinnen und Mieter und der Beschäftigten. Einzig der Erhalt, die Stärkung und der Ausbau der öffentlichen Wohnungsbestände werden langfristig dazu beitragen, dass es preiswerte Mieten für Menschen mit geringen Einkommen geben wird. Deshalb brauchen wir einen Neueinstieg in den sozialen Wohnungsbau, der sich an den heutigen Wohnund Lebensbedürfnissen orientiert.
Herr Lenders, wenn Sie in der letzten Plenarsitzung behauptet haben, die öffentliche Daseinsvorsorge in Bezug auf den Wohnungsbau gehöre in die Fünfziger- und Sechzigerjahre und sei nicht mehr aktuell, dann ist das grundfalsch.
Denn ich frage Sie: Was hat sich denn im Grundsatz seitdem geändert? Solange Menschen in Wohnungen leben und dafür Miete bezahlen – und ich gehe davon aus, dass dies noch eine ganze Weile so sein wird –, bleibt der soziale Wohnungsbau eine Notwendigkeit und eine öffentliche Aufgabe.
Was wir gerade in Ballungsräumen brauchen, ist eine Wohnungspolitik, die den Menschen in den Mittelpunkt stellt und nicht die Profitinteressen von Maklern und Investoren.
Abschließend möchte ich noch ein paar Sätze an die Kolleginnen und Kollegen der SPD-Fraktion richten. Auch sie wenden sich gegen den drohenden Verkauf der Nassauischen Heimstätte, und das finden wir natürlich richtig. Aber es hat sich schon im Herbst 2010 abgezeichnet, dass die Schuldenbremse als Begründung für jeden erdenklichen Sozialabbau und auch für die Privatisierung der Nassauischen Heimstätte benutzt werden würde.
Herr Schäfer-Gümbel, Sie sagen „Oh“. Das sage nicht ich, sondern ich verweise Sie auf den Deutschen Gewerkschaftsbund und den Mieterbund Hessen,
die im Vorfeld dieser Abstimmung genau auf diese Gefahr hingewiesen haben. Sie haben genau vor dem Hintergrund vor einer Einführung der Schuldenbremse gewarnt. Genau deshalb haben sie vor der Zustimmung gewarnt.