wenn die Bewohnerinnen und Bewohner in der Lage sind, ihre Lebens- und Haushaltsführung weitgehend selbstbestimmt zu gestalten, und die erbrachten Betreuungsleistungen nicht auf die ständige Anwesenheit des Betreuungspersonals ausgerichtet sind.
Wer ist denn dann Betreiber, der Vermieter oder die Dienste, die dort im Einsatz sind, oder vielleicht sogar die Betroffenen selbst, die die Dienste in Anspruch nehmen?
Überlegen Sie sich: Wenn Sie mit Ihrer Familie in einer Wohngemeinschaft leben und eine Haushaltshilfe in Anspruch nehmen, wen bezeichnen Sie dann als Betreiber? Das wäre eine vergleichbare Situation. Die gibt es nicht. Kurt Tucholsky hat einmal sinngemäß gesagt: Erst verstehen sie nicht, um was es geht, und dann drücken sie es auch noch schlecht aus. – Genau das ist bei Ihrem Gesetzentwurf der Fall.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie der Abg. Torsten Warnecke (SPD) und Marjana Schott (DIE LINKE))
Da stellen Sie z. B. in § 15 Qualitätsanforderungen für betreute Wohngruppen auf. In Abs. 3 heißt es dann, das Gesetz finde auf das „Zusammenwohnen von Personen, die besondere persönliche... Beziehungen zueinander“ haben, keine Anwendung. So weit, so gut.
Man stelle sich vor, eine Frau und ein Mann, jeweils mit Downsyndrom, leben gemeinsam in einer Wohnung, beide arbeiten in einer Werkstatt für behinderte Menschen – ein Beispiel, das es häufig gibt. Wie wollen Sie dann untersuchen, ob zwischen ihnen besondere persönliche Beziehungen bestehen? Wollen Sie nachgucken, ob es zwei Butterdosen gibt oder nur eine? Wollen Sie dann, wenn die Betten in unterschiedlichen Zimmern stehen, sagen, es gibt keine persönliche Beziehung, da geht die Heimaufsicht hin, und wenn sie in einem Zimmer stehen, bleibt sie weg? Das ist doch absurd. So etwas können Sie doch nicht ernst meinen.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie der Abg. Torsten Warnecke (SPD) und Marjana Schott (DIE LINKE))
Das Grundproblem bei der Thematik ist: Sie haben den ganzen Themenkomplex gedanklich nicht mit der notwendigen Tiefe durchdrungen. Sie haben keinen Plan von dem, was Sie regeln wollen. Sie wissen in vielen Punkten nicht einmal selbst, was Sie geregelt haben, wie Sie es regeln wollen.
Sie haben schon einen Titel gewählt, der irreführend ist: „Hessisches Gesetz über Betreuungs- und Pflegeleistungen“ soll es heißen, obwohl Sie gar keine Gesetzgebungskompetenz haben, Pflegeleistungen und Betreuungsleistungen zu regeln. Es geht um den institutionellen Rahmen, es geht um die Einrichtungen, innerhalb derer diese Dienste erbracht werden. Aber die Leistungen selbst sind entweder im BGB, im Pflege- und Betreuungsleistungsgesetz, im Sozialgesetzbuch oder wo auch immer geregelt, nicht in Ihrem Gesetz.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie der Abg. Torsten Warnecke (SPD) und Marjana Schott (DIE LINKE))
Wir können einem solchen Unsinn sicher nicht zustimmen. Wir werden dem Gesetzentwurf der SPD zustimmen, nicht weil wir glauben, dass er zu 100 % gelungen ist. Sie haben zwar nicht vom Bundesgesetz, aber ein bisschen von Rheinland-Pfalz abgeschrieben. Das ist durchaus legitim. Aber beim Abschreiben – das habe ich in der ersten Lesung schon gesagt – ist das eine oder andere nicht ganz richtig gelaufen.
Aber der Unterschied ist: Der Gesetzentwurf der Koalition muss von einer neuen Landesregierung komplett überarbeitet werden, es muss ein komplett neuer Gesetzentwurf gemacht werden. Der Gesetzentwurf der SPD wäre vielleicht in der einen oder anderen Richtung ein bisschen nachbesserungsbedürftig, insgesamt aber in sich logisch und schlüssig und deswegen eine gute Grundlage für die weitere Arbeit.
Was Sie den Betreibern und den Menschen, die pflegebedürftig und auf Hilfe angewiesen sind, mit diesem Gesetzentwurf zumuten – wenn Sie sich das in einer ruhigen Stunde vergegenwärtigten, dann könnten Sie das nicht verabschieden.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie der Abg. Torsten Warnecke, Regine Müller (Schwalmstadt) (SPD) und Marjana Schott (DIE LINKE))
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Rahmen der Föderalismusreform verabschieden die Bundesländer Pflege- und Betreuungsgesetze, die das Bundesheimgesetz von 1974 ersetzen.
Betreuung und Pflege haben sich weiterentwickelt. Die ambulante Pflege hat an Bedeutung gewonnen. Die Pflege hat sich von der hauswirtschaftlichen Hilfe zu einer qualifizierten Dienstleistung gewandelt. Der Mangel an Pflegekräften und die zu geringe Wertschätzung des Berufsbildes sind Probleme geworden.
Die Sensibilität in der Gesellschaft ist gestiegen: In der Pflege soll die Würde des Betreuten geachtet werden; die
Selbstbestimmung der Menschen soll so lange wie möglich erhalten bleiben; und die Teilhabe am gemeinschaftlichen Leben soll durch Erhalt der persönlichen und örtlichen Bezugspunkte gefördert werden.
Daher wollen wir die ambulante Pflege und vermittelte Pflegekräfte im Dienst berücksichtigen. Denn wir wollen Qualität sichern. Wir wollen den Verbraucherschutz an der Dienstleistung stärken, die in Deutschland von mehr als einer halben Million Menschen in Anspruch genommen wird. Wir wollen das Berufsbild stärken, und wir wollen den Einrichtungen der Pflege Rechtssicherheit geben.
Meine Damen und Herren, in der Diskussion unseres Gesetzentwurfs wurde einerseits die Frage gestellt, ob eine der Behörde vorgetragene Beschwerde festgelegte Folgen hat – das fragten die GRÜNEN –, und andererseits, ob eine Prüfung durch die staatliche Behörde Heimaufsicht vom Aufwand her gerechtfertigt ist – dies fragten vor allen Dingen die Leistungsanbieter.
Anregungen, Hinweise und Beschwerden hinsichtlich der Pflege und Betreuung in Einrichtungen oder bezüglich... Pflegekräfte... können schriftlich bei der Behörde oder über das einzurichtende Beschwerdetelefon... abgegeben werden. Die zuständige Behörde ist verpflichtet, den Beschwerden unverzüglich nachzugehen.
Zur Verdeutlichung. Der Begriff „Einrichtung“ bezieht sich auch auf ambulante Einrichtungen. Hier gibt es aber eben nur eine anlassbezogene Prüfung. Im Gegensatz zu stationären Einrichtungen gibt es dort keine regelmäßigen Prüfungen. Treten keine Beschwerden auf, gibt es dort gar keine Prüfung. Wird ein Mangel festgestellt, erfolgen gemäß § 17 eine Beratung und eine Fristsetzung zur Beseitigung. So wird der Mangel schnell abgestellt. Gerichtsverfahren werden vermieden.
Die Möglichkeit einer Einschaltung der Behörde ist auch deshalb sinnvoll, weil eine berufsinterne Schlichtung nicht existiert; die Pflegeberufe selbst sind nicht in beispielsweise Kammern organisiert. – Am Dienstag haben wir die Bedeutung von Kammern in einer eindrucksvollen Veranstaltung kennengelernt.
Meine Damen und Herren, die Oppositionsfraktionen müssen an dieser Stelle schon klarstellen, ob sie die ambulante Pflege in den Verbraucherschutz einbeziehen wollen oder nicht.
Bislang sagte die SPD Nein. Er ist im SPD-Gesetzentwurf auch gar nicht erwähnt. Die Kollegin hat das eben nochmals bekräftigt.
Bei den GRÜNEN ist es interessant. In der ersten Lesung haben Sie die Einbeziehung ambulanter Dienste prinzipiell unter Verweis auf das entsprechende Gesetz in Hamburg befürwortet. Dieser sieht übrigens bei den ambulanten Diensten zusätzlich stichprobenartige Kontrollen vor, die wir gar nicht wollen. – Im Laufe der Beratung wurde die Haltung der GRÜNEN immer unklarer, und jetzt sagen sie, der SPD-Gesetzentwurf ist der bessere.
(Demonstrativer Beifall des Abg. Dr. Thomas Spies (SPD) – Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN): Das war ein Erkenntnisprozess!)
Meine Damen und Herren, die Einbeziehung von ambulanten Diensten mag zwar, wie Frau Müller gesagt hat, problematisch sein, aber Sie sind diesem Problem aus dem Weg gegangen; wir aber haben es in unserem Gesetzentwurf pragmatisch gelöst.
Bei der Qualitätssicherung im stationären Bereich war die Abgrenzung der Beprüfung des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen – MDK – und der Heimaufsicht ein Diskussionspunkt.
Es ist zwar richtig, dass beide Dienste notwendig sind. Der MDK prüft die Berechtigung des Zahlungsflusses und die Heimaufsicht die Qualität der Leistung. Richtig ist aber auch, dass Doppelprüfungen vermieden werden sollen.
Die Träger sollen hier nicht belastet werden. Daher ergänzen wir § 24 dahin gehend, dass MDK und Heimaufsicht in Arbeitsgemeinschaften Ergebnisse der Überprüfung austauschen, eine Arbeitsteilung der Prüfung vereinbaren und eine Vereinfachung der Dokumentationspflichten anstreben,
Meine Damen und Herren, Teilhabe an der Gesellschaft ist für die Bewohner stationärer Einrichtungen zuerst die Mitsprache in der Einrichtung selbst. Daher hat der Betreiber gemäß § 6 darauf hinzuwirken, dass Einrichtungsbeiräte gewählt werden. Die bestehen in erster Linie aus den Bewohnern. Ob Angehörigenbeiräte oder externer Sachverstand sinnvoll sind, wurde in der Anhörung höchst unterschiedlich bewertet. Angehörigenbeiräte sind sicherlich dort sinnvoll, wo aufgrund der Bewohnerstruktur diese einen Bewohnerbeirat nicht bilden können. Insofern ist es aufgrund der Differenziertheit sinnvoll, dies in einer Verordnung im Einzelnen sachgerecht zu regeln. Das ist in Abs. 4 vorgesehen.
Meine Damen und Herren, kurz zu dem Gesetzentwurf der Sozialdemokraten. Dies sind in erster Linie Forderungen an die Betreiber stationärer Einrichtungen hinsichtlich der Personalausstattung und baulicher Maßnahmen. Die flächendeckende Umsetzung von Personalmindeststandards und das ausschließliche Angebot von Einzelzimmern
sind weder vom Arbeitsmarkt noch von den Investitionsmitteln der Betreiber zu leisten. Dies kann in einzelnen Fällen zur Schließung von Einrichtungen, insbesondere im dünn besiedelten ländlichen Raum, führen.
Das wollen wir nicht. Bei kommunalen Trägern würde sich auch die Frage der Konnexität stellen, und darum drücken Sie sich natürlich herum.
Meine Damen und Herren, abschließend: Mit unserem Gesetzentwurf wollen wir einen Beitrag dazu leisten, die Qualität der Pflege und Betreuung erheblich zu verbessern. Das ist Teil eines Paketes, wie bundesgesetzliche Maßnahmen, Teilzeitarbeit für Angehörige, die Menschen pflegen, und Schaffen eines attraktiven Berufsbildes der Kranken- und Altenpflege sowie diverse landspolitische Maßnahmen: Arbeitsplatzförderung, vermehrte Zurverfügungstellung von Altenpflegekräften durch entsprechende Erhöhung der Ausbildungsplätze.