Protokoll der Sitzung vom 02.02.2012

sellschaftlichen Leistungen der Landwirte entlohnt werden.

Auch aus diesem Grund müssen wir eine ehrliche Diskussion um die Wettbewerbsfähigkeit der Landwirte führen. Sollen wir nur diejenigen fit für den Wettbewerb machen, die möglichst billig Rohstoffe für die Energieindustrie oder für die Supermärkte liefern? Oder wollen wir auch Betriebe unterstützen, die das Wagnis eingehen, eine multifunktionale Landwirtschaft zu betreiben, eine Landwirtschaft, die sich nicht nur auf die Produktion beschränkt, sondern Kulturlandschaft und soziales Leben gestaltet, ökologische Landwirtschaft, die einen Ausgleich für die Ballungsräume schafft?

(Beifall bei der SPD)

In der Vergangenheit musste ich im Übrigen häufig das Argument hören, dass mit ökologischer Landwirtschaft nicht die Hungersnot auf unserem Planeten gelöst wird. Herr May hat es schon erwähnt. Dieses Argument kommt meist aus den Reihen der CDU.

(Dr. Ralf-Norbert Bartelt (CDU): Blödsinn!)

Das ist nicht nur zynisch, sondern schlichtweg falsch.

(Beifall der Abg. Marjana Schott (DIE LINKE) – Zuruf des Abg. Dr. Ralf-Norbert Bartelt (CDU))

Die Hungersnot wird nicht dadurch gestoppt, dass in Deutschland oder Europa mehr Lebensmittel produziert werden. Überlegen Sie einmal, dass mittlerweile ein Siebtel der weltweiten Maisernte zu Ethanol verarbeitet wird. Meine Damen und Herren, der Welthunger darf nicht gegen den Umweltschutz ausgespielt werden.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der LINKEN sowie des Abg. Daniel May (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Herr Kollege.

Wir brauchen eine gute Landwirtschaft in den betroffenen Schwellenländern und in den Ländern der Dritten Welt.

Herr Präsident, ich versuche, zum Schluss zu kommen.

(Beifall bei der SPD – Heiterkeit)

Herr Kollege, Sie müssen jetzt zum Schluss kommen.

Meine Damen und Herren, was wir in Europa brauchen – Herr Präsident, meine letzten Sätze –, sind zielgenaue Investitionen für die Wirtschaft der ländlichen Räume, in die Qualität der Lebensmittel und in den Boden- und Gewässerschutz. Die Milliardensubventionen an die Landwirtschaft müssen aber gegenüber der Gesellschaft besser begründet werden. Die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik nach 2013 muss aus unserer Sicht als Chance gesehen werden.

(Holger Bellino (CDU): Jetzt reicht es aber mal, mein Lieber!)

Meine Damen und Herren von der CDU und der FDP, es reicht. Herr Bellino, Sie haben recht. Sie haben in Ihrem Antrag nur auf ein „Weiter so“ plädiert. Wir wollen eine Weiterentwicklung.

(Beifall bei der SPD)

Deswegen werden wir auch Ihrem Antrag nicht zustimmen. – Ich bedanke mich.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Daniel May (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Zuruf des Abg. Holger Bellino (CDU))

Schönen Dank, Herr Kollege Lotz. – Für die Fraktion DIE LINKE erteile ich nun Frau Schott das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Gemeinsame Agrarpolitik der Europäischen Union soll ein Instrument zur Sicherung der Ernährungssouveränität der Mitgliedstaaten, der Versorgung mit Nahrungsmitteln, Rohstoffen, erneuerbaren Energieträgern, zur Honorierung von Umwelt- und Klimaleistungen sowie zum Erhalt und zur Entwicklung von Kulturlandschaft sein.

Die europäische Agrarpolitik muss gerechter, umweltverträglicher und sozialer werden. Das leistet die bisherige EU-Agrarförderung nicht. Wir brauchen einen Richtungswechsel in der europäischen Agrarpolitik. Nötig ist eine konsequentere Bindung der Agrardirektzahlungen aus Brüssel, der sogenannten ersten Säule, an soziale und ökologische Leistungen.

(Vizepräsident Lothar Quanz übernimmt den Vor- sitz.)

Die aktuellen Vorschläge aus Brüssel gehen in die richtige Richtung. Der Antrag von CDU und FDP tut das nicht. Die Förderungen aus Brüssel müssen die Betriebe unterstützen, die mit sozialer und ökologischer Verantwortung wirtschaften. Die Gemeinsame Agrarpolitik muss die landwirtschaftlichen Betriebe auf die Herausforderungen der Globalisierung, des Klimawandels und der Sicherung der Welternährung vorbereiten. All diese Überlegungen zu einer solchen Neugestaltung spielen leider in dem Antrag von CDU und FDP keine Rolle – im Gegenteil.

Der Antrag blendet problematische Entwicklungen und Auswirkungen heutiger Landbewirtschaftung aus, auch solche, die unmittelbar aus der Beantwortung der Großen Anfrage hervorgehen. Das Zwei-Säulen-Modell der EUAgrarförderung, also betriebliche Direktzahlungen aus der ersten Säule und Maßnahmen der landwirtschaftlichen Entwicklung und Ökologie als zweite Säule, soll nach der Vorstellung von CDU und FDP beibehalten werden. Eine Verschiebung zugunsten der Entwicklung der ländlichen Räume und zur Honorierung ökologischer Leistungen der Landwirtschaft, wie Grundwasserschutz, Schutz der biologischen Vielfalt und Klimaschutz, lehnen CDU und FDP ab.

Es reicht aus unserer Sicht aber nicht aus, die Umweltpolitik weiter auf die Förderprogramme für die ländlichen Räume zu beschränken. Es muss Anliegen und Verantwortung aller Betriebe sein, die biologische Vielfalt auf

und neben dem Acker tatsächlich zu erhalten und einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten, zur Ressourcenschonung beizutragen und die Gewässer reinzuhalten. Das alles sind Aufgaben, die für die europäische, also auch für die hessische Landwirtschaftspolitik insgesamt gelten sollten.

Die Direktzahlungen sollen nach Vorstellungen der LINKEN als gekoppelte Umwelt- und Arbeitsprämie ausgestaltet werden. Voraussetzungen für den Umweltprämienanspruch sind der Verzicht auf den Umbruch von Grünland zu Ackerland sowie auf den Anbau und die Verfütterung gentechnisch veränderter Pflanzen sowie die Begrenzung des betrieblichen Tierbesatzes auf zwei Großvieheinheiten pro Hektar Nutzfläche. Der Betrieb muss zudem 5 bis 10 % ökologische Vorrangfläche ausweisen oder die Flächen nach den Prinzipien des ökologischen Landbaus bewirtschaften.

(Beifall bei der LINKEN)

Das sieht auch die EU-Kommission so. Nach einem Schlüssel sollen für mehr Umweltschutz 7 % ökologischer Vorrangfläche auf jedem Bauernhof eingerichtet werden.

Eine weitere Aufgabe der landwirtschaftlichen Förderung ist es, die ländlichen Räume auch für die Menschen lebenswert zu gestalten. Die LINKE schlägt deswegen in ihrem Konzept vor, die Fördermittel für die Landwirtschaft künftig nicht nur an ökologische, sondern auch an soziale Leistungen zu binden. Soziale Bindung heißt, die Zahl der Arbeitsplätze zu berücksichtigen.

Das würde arbeitsintensiven, auch tierhaltenden Betrieben zugutekommen. Die Arbeitsprämie soll pro Arbeitskraft gezahlt werden. Die Arbeit muss bei lohnabhängig Beschäftigten selbstverständlich existenzsichernd sein und, wo vorhanden, nach dem nationalen Mindestlohn bezahlt werden. Das will auch die EU-Kommission, mit der wir uns an der Stelle sehr einig sind. In Deutschland sind wir aber die einzige Partei, die eine solche Bindung will. Wir halten diese Bindung für wichtig und notwendig.

(Beifall bei der LINKEN)

CDU und FDP in Hessen müssen ihre Blockadehaltung endlich aufgeben und sich in eine produktive Debatte für eine sozial-ökologische Agrarpolitik begeben. Erstmals wird der Faktor Arbeit in die Prämienberechnung einbezogen. Das unterstreicht die große Bedeutung der Landwirtschaft als Arbeitgeber. Das können Sie in der Antwort auf Ihre eigene Große Anfrage nachlesen.

Die Agrarpolitik von CDU und FDP zerstört aber die bäuerliche Landwirtschaft und fördert Agrarmultis und die industrielle Nahrungsmittelproduktion auf den Äckern und im Stall. Die wichtigste Aufgabe der Agrarpolitik ist die Gewährleistung der Ernährungssicherheit. Mit der globalen Liberalisierung und der immensen Zunahme des internationalen Agrarhandels hat der Hunger in der Welt nicht ab-, sondern zugenommen – und das bei einer an sich für die Ernährung aller Menschen ausreichenden Menge an erzeugten Nahrungsmitteln.

Das ist nicht nur ein Verteilungsproblem. Das Problem ist auch eine politisch gewollte Abhängigkeit, um den industriellen Nahrungsmittelherstellern und Agrarmultis sogenannte Wachstumsmärkte zu erschließen und hohe Profite zu sichern.

Besonders die ländliche Bevölkerung in den Ländern des Südens hat immer öfter keinen Zugang zu Nahrung, Wasser, Land, Saatgut und Düngemitteln. Die Gemeinsame

Agrarpolitik ist somit auch in der Verantwortung, das Recht auf die Ernährungssouveränität in den Ländern außerhalb der EU nicht zu gefährden. Meine Damen und Herren, Agrarexportsubventionen sind abzuschaffen und faire Handelsbeziehungen aufzubauen.

Herr Vorsitzender, ich kann dem Hessischen Bauernverband auch gern den Kontakt zum Vorsitzenden des Bauernverbandes in Ghana vermitteln, der Ihnen sehr deutlich beschreiben kann, was der Export von Hähnchenteilen in seinem Land angerichtet und welche Armut dies insbesondere unter den Landwirten und Tierzüchtern hervorgerufen hat; es wäre mir eine große Freude.

Aktuell werden Lebensmittel und Landwirtschaftsflächen immer öfter zu Spekulationsobjekten auf einem deregulierten Weltagrarmarkt. Deshalb ist es eine Schlüsselaufgabe der EU-Agrarpolitik, eine flächendeckende, nachhaltige Landwirtschaft in einer vielfältigen Agrarstruktur und breiten Eigentumsstreuung in den Händen der regionalen Akteurinnen und Akteure zu sichern.

Dazu gehört einerseits eine faire Marktordnung. Andererseits werden Fördermittel gebraucht, die aber stärker an gesellschaftliche Leistungen gebunden werden müssen. Ein einfaches „Weiter so“ kann und darf es aus Sicht der LINKEN nicht geben; denn es führt in die Sackgasse.

(Beifall bei der LINKEN)

Schon heute wird die Agrarpolitik den Anforderungen nicht mehr gerecht, wie z. B. der immer größere Druck durch nicht landwirtschaftliches Kapital und sinkende landwirtschaftliche Einkommen und Arbeitsplatzzahlen zeigen. Die Politik der Hessischen Landesregierung führt in genau diese Sackgasse. Ich zitiere aus der Antwort auf die Große Anfrage von CDU und FDP:

Der Strukturwandel in der hessischen Landwirtschaft stellt einen zwangsläufigen Entwicklungsprozess dar, der aus einem arbeitsteiligen, wettbewerbsorientierten Wirtschafts- und Gesellschaftsgefüge resultiert. Er ist eine grundlegende Bedingung für einzelbetriebliches Wachstum, trägt maßgeblich zur Verbesserung der Arbeitsproduktivität bei und ist somit eine wichtige Voraussetzung für die Erhaltung eines konkurrenz- und somit zukunftsfähigen Agrarsektors.

Der aktuelle Strukturwandel in der Landwirtschaft sei ein „zwangsläufiger Entwicklungsprozess“, und diesen findet die Hessische Landesregierung auch noch richtig. Sie zementiert damit die Agrarpolitik, die Hühnerklein und Getreide in die Länder des Südens exportiert. Dort zerstören Sie – unter dem Deckmantel der Hungerbekämpfung – regionale Märkte, treiben Millionen Menschen erst in die ökonomische Abhängigkeit und dann in die Armut.

(Zuruf des Staatssekretärs Mark Weinmeister)

Ich kann Ihnen gern den Kontakt zu Herrn Amoah in Ghana vermitteln. Das ist gar kein Problem.

Hier werden bei der exportorientierten Produktion Arbeitsplätze und Ressourcen vernichtet und Umwelt und soziale Strukturen in den ländlichen Räumen zerstört. Auch das ist zwangsläufig so, und das nimmt die Landesregierung kommentarlos hin, meine Damen und Herren.

Die bisher bekannten Vorstellungen der EU-Kommission – dies habe ich bereits kurz angesprochen – kommen unseren Vorstellungen schon sehr nahe. Auch die Verbraucherinnen und Verbraucher fordern eine Debatte über die Neuausrichtung der Agrarpolitik. Ich denke – das muss

man klar sagen –, dass auch bei den Landwirtinnen und Landwirten ein Umdenken erforderlich ist.