Protokoll der Sitzung vom 22.03.2017

Guten Morgen, Kolleginnen und Kollegen! Ich bitte Sie, Platz zu nehmen. Ich eröffne die 101. Plenarsitzung und stelle die Beschlussfähigkeit des Hauses fest.

Zur Tagesordnung. Erledigt sind die Punkte 1 bis 4, 10, 52 und 54.

Gestern Abend tagte der Hauptausschuss und hat zu dem Gesetzentwurf der Landesregierung für ein Gesetz zu dem Zwanzigsten Rundfunkänderungsstaatsvertrag, Drucks. 19/4502, einen Beschluss gefasst, Drucks. 19/4706. Die zweite Lesung dieses Gesetzentwurfs steht unter Tagesordnungspunkt 6 auf der Tagesordnung und wird am Donnerstag aufgerufen.

Zum Ablauf der Sitzung. Wir tagen heute vereinbarungsgemäß bis 18 Uhr bei einer Mittagspause von zwei Stunden. Wir beginnen mit Tagesordnungspunkt 22 zusammen mit Tagesordnungspunkt 55. Dann folgt Tagesordnungspunkt 24, der zusammen mit Tagesordnungspunkt 18 aufgerufen wird. Nach der Mittagspause beginnen wir mit Tagesordnungspunkt 20.

Entschuldigt fehlen heute Herr Ministerpräsident Volker Bouffier bis 16 Uhr, Frau Staatsministerin Lucia Puttrich ganztägig und Herr Abg. Lothar Quanz wegen Erkrankung ebenfalls ganztägig.

Jetzt darf ich noch zum Geburtstag gratulieren. Seinen Geburtstag begeht heute Herr Abg. Klaus Peter Möller. Ich spreche Ihnen im Namen des gesamten Hauses die herzlichsten Glückwünsche aus.

(Allgemeiner Beifall – Schriftführerin Abg. Karin Müller (Kassel) überreicht ein Weinpräsent.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, dann können wir mit der Arbeit beginnen. Ich rufe Tagesordnungspunkt 22 auf:

Antrag der Fraktion der SPD betreffend Recht auf Informationsfreiheit gewährleisten – Drucks. 19/4658 –

zusammen mit Tagesordnungspunkt 55:

Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Informationsfreiheit gewährleisten und Datenschutz sichern – Drucks. 19/4702 –

Vereinbarte Redezeit: zehn Minuten. Als Erster hat Herr Abg. Holschuh, SPD-Fraktion, das Wort.

(Beifall bei der SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin, einen wunderschönen guten Morgen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ja, schon wieder, und ja, schade, dass es immer noch notwendig ist, dass wir wieder nachbohren müssen, wann endlich umgesetzt wird, was mittlerweile in fast allen Bundesländern und dem Bund tadellos funktioniert: Hessen braucht endlich ein Informationsfreiheitsgesetz.

(Beifall bei der SPD)

Die Bürgerinnen und Bürger in Hessen haben von den Ankündigungen, den leeren Versprechungen und der Beteue

rung der Notwendigkeit einer Regelung genug. Vor mittlerweile 45 Sitzungen des Hessischen Landtags

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Was?)

hat die SPD hier ihren Gesetzentwurf eines Transparenzgesetzes zum wiederholten Male eingebracht. Wir haben eine konstruktive Anhörung durchgeführt, wir haben hier im Plenum diskutiert, und die Regierungsmehrheit hat unseren Entwurf abgelehnt. – Seis drum. Wir haben deshalb nicht wieder einen neuen Gesetzentwurf auf den Weg gebracht, aber wir fordern Sie auf, alles, was Sie in der Diskussion versprochen haben, endlich umzusetzen.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Dr. Ulrich Wilken (DIE LINKE))

Der ewige Verweis auf „Wir werden das evaluieren und die Erfahrungen aus anderen Bundesländern auswerten“ und das beliebte „Gründlichkeit vor Schnelligkeit“ dienen doch nur als Beruhigungspille, weil Sie die internen Auseinandersetzungen, die Sie an dieser Stelle zwischen Schwarz und Grün haben, nicht auflösen können.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren: „Wir wollen Verwaltungshandeln offen und transparent gestalten.“ So steht es in Ihrem Koalitionsvertrag, den Sie auch sonst bei jeder Gelegenheit als unausweichlich zitieren. Ja, genau das fordern wir für mündige Bürgerinnen und Bürger in unserem Land.

(Beifall bei der SPD)

Transparenz und Zugang zu Informationen sind notwendige Voraussetzungen für Partizipation, Teilhabe und Mitbestimmung in einer modernen und lebendigen Demokratie. Ohne diese Transparenz und Mitbestimmung fehlt staatlichem Handeln die Legitimationsgrundlage. Darüber waren sich auch in der Anhörung zu unserem Gesetzentwurf fast alle einig. Es gibt auch keinen Streit über den Zweck einer solchen Regelung. Moderne Verwaltung muss durch ein umfassendes Informationsrecht den Zugang zu amtlichen Informationen gewähren, um über die bestehenden Informationsmöglichkeiten hinaus die Transparenz der Verwaltung zu gewährleisten. Nur auf diese Weise können die Kontrolle staatlichen Handelns verbessert, die Nachvollziehbarkeit von politischen Entscheidungen erhöht sowie die Meinungs- und Willensbildung in der Gesellschaft gestärkt und gefördert werden. Landauf, landab übersteigt die Anzahl der Befürworter eines solchen Gesetzes die Gegner bei Weitem. Informations- und Zugangsfreiheit sind elementare Bürgerrechte. Staat, Politik und gerade diese Landesregierung müssen sich öffnen und Vorhaben und Entscheidungsgrundlagen in diesem Land nachvollziehbar machen.

Schauen wir doch einmal, wie es in Hessen bestellt ist. In Hessen ist lediglich ein Umweltinformationsgesetz in Kraft. Selbst das gäbe es nicht, wenn Sie nicht über EURegelungen dazu gezwungen worden wären. Meine Damen und Herren, es geht nicht um ein rot-grünes Bürokratiemonster oder ein überflüssiges Schnüffelgesetz, wie der heutige Innenminister dies in seiner Abgeordnetenzeit gerne benannt hat.

(Holger Bellino (CDU): Da hat er recht gehabt! – Günter Rudolph (SPD): Da hat er recht gehabt, sagt Herr Bellino! – Heiterkeit bei der SPD)

Es geht darum, die Informationen für die Bürgerinnen und Bürger einfach zugänglich zu machen.

Meine Damen und Herren, die meisten anderen Bundesländer haben bereits Informationsfreiheitsgesetze, bei denen Informationen auf Antrag herausgegeben werden. Hamburg und Rheinland-Pfalz haben es sogar geschafft, Transparenzgesetze zu erlassen, die die Behörden zusätzlich verpflichten, eigenständig wichtige Informationen für die Bürgerinnen und Bürger zu veröffentlichen. Die Erfahrungen mit diesen Gesetzen gibt es also schon seit geraumer Zeit. Dass für die Klärung der Fragen rund um die Einführung eine gesonderte Evaluation nötig sein soll, bezeichnet mittlerweile sogar die Presse als skurril. Die Erfahrungen der Länder basieren teilweise auf Gesetzen, die schon seit mehr als 20 Jahren in Kraft sind, beim Bund immerhin schon seit zehn Jahren. Nirgends, aber auch nirgends wird von Erfahrungen berichtet, die belegen, dass Verwaltungen lahmgelegt werden, weil Tausende Bürger plötzlich ihr Informationsinteresse entdeckt haben.

(Günter Rudolph (SPD): Außer beim Innenminister in seinem Büro!)

Nein, die Bürger gehen mit diesem Recht verantwortlich um, und so schätzen wir auch die Bürgerinnen und Bürger in Hessen ein.

(Beifall bei der SPD)

Die Regel ist das berechtigte Interesse an Entscheidungsgründen, um die Beschlüsse der Gremien verständlich zu machen und das Wie und Warum zu verstehen. Das hilft den Menschen in Bürgerinitiativen genauso wie Unternehmen und Privatpersonen, die Informationen als Grundlage für Planungssicherheit benötigen.

Das Verhältnis von Staat und Bürger wird sich durch eine solche Regelung ändern. Das ist klar. Es wird zu einem wirklichen Kulturwandel kommen – das hoffen wir zumindest. Durch den einfachen Zugang zu mehr Informationen wird es den Bürgerinnen und Bürgern auch weitaus besser möglich sein, politische Entscheidungen nicht nur nachzuvollziehen, sondern sich auch aktiv einzubringen und zu beteiligen.

(Norbert Schmitt (SPD): Sehr gut!)

Aus diesem Grund ist das Transparenzgesetz einer der zentralen Bestandteile für mehr Bürgerbeteiligung.

Unsere Nachbarn in Rheinland-Pfalz sind übrigens bereits beim Gesetzgebungsverfahren neue Wege gegangen. Sie haben zwischen der ersten und zweiten Ministerratsbefassung die klassische und in der dortigen Geschäftsordnung vorgeschriebene Verbändeanhörung um ein freiwilliges Beteiligungsverfahren ergänzt. Rheinland-Pfalz wollte sich damit die Expertise der Bürgerinnen und Bürger, insbesondere aber auch der besonders betroffenen Fachgruppen einholen. In sieben moderierten Veranstaltungen sowie einer begleitenden Onlinebeteiligung haben sich die Teilnehmenden ausführlich mit dem Transparenzgesetz befasst.

Ich kann die innovative Vorgehensweise unserer Nachbarn beim Gesetzgebungsverfahren nur empfehlen. So kann man den Kulturwandel innerhalb der Verwaltung, den wir mit dem Gesetz anstoßen wollen, bereits im Verfahren initiieren.

Wie sieht es in Hessen aus? – Hessen ist weit von einem transparenten Verfahren entfernt. Ein Zitat von Frau Goldbach aus der Debatte zu unserem Gesetzentwurf:

Da wir die Regierungskoalition sind, entscheiden wir, wann wir welches Gesetz umsetzen, …

Na danke. Das lässt ja auf eine tolle Beteiligung hoffen.

(Günter Rudolph (SPD): So kommt sie nicht in den Bundestag!)

Auf eine Anfrage der Fraktion DIE LINKE hin, ob eine Evaluation, die bis zum Herbst 2016 abgeschlossen sein soll, veröffentlicht wird, folgt die lapidare Antwort:

Eine Veröffentlichung ist nicht beabsichtigt.

So sieht Transparenz der Landesregierung aus, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Wo stehen wir also heute? Keine Aussage dazu, wie es im Prozess weitergeht. Nach meinem Kenntnisstand ist zurzeit keine Beteiligung der Kommunalen Spitzenverbände geplant. Also ist auch nichts im Verfahren. Meine Damen und Herren, selbst in der Enquetekommission Verfassungskonvent wurde von den Fachleuten vielfach kritisiert, dass Hessen kein Transparenzgesetz hat. Es wurde gefordert, ein Recht auf Informationsfreiheit zu verankern.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Aber keine Reaktion, außer dem Placeboantrag, den Sie uns heute zu unserem Setzpunkt vorgelegt haben.

(Norbert Schmitt (SPD): Hessen Schlusslicht!)

Meine Damen und Herren, Sie haben in der Diskussion um unseren Entwurf immer wieder angeführt, dass Sie intensiv mit den Kommunalen Spitzenverbänden diskutieren wollen und Ihren Vorschlag den Kommunen nicht einfach vor die Füße werfen wollen. Auch wenn die Kommunalen Spitzenverbände unseren Entwurf kritisiert haben – das gebe ich zu –, gibt es zumindest bei einigen Mitgliedskommunen ein Umdenken. Vielfach wird darüber diskutiert, Transparenzsatzungen einzuführen, weil das Land nicht in die Pötte kommt. Meine Damen und Herren, wir können doch nicht wollen, dass eine Vielzahl von Satzungen mit unterschiedlichsten Regelungen entsteht, obwohl wir mit einem Landesgesetz Einheitlichkeit und Klarheit für die Menschen schaffen können. Da braucht es auch ein Umdenken bei den Spitzenverbänden.