Protokoll der Sitzung vom 22.03.2017

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte noch einmal an die Frage anschließen, weil das auch im FDPAntrag so angelegt ist: Was wird bundespolitisch denn momentan veranstaltet? – Ich möchte daran erinnern, und das ist ein Teil der Mittel, die auch die GRÜNEN für sich reklamieren und hinterlegen, dass diese Mittel in den 1,2 Milliarden € drin sind. Ein Großteil dessen sind Bundesmittel, nämlich die 1,5 Milliarden € für die soziale Wohnraumförderung, auf die ganze Bundesrepublik bezogen, und die zweite Charge der Kompensationsmittel. Unter anderem gibt es ein Programm „Altengerechter Umbau“ von 75 Millionen € und weitere Ansätze, die auf Bundesebene gemacht werden, wie beispielsweise die Reform des Wohngelds mit 635 Millionen € im Jahr 2017.

Ich habe diese Zahlen von der Bundesebene nicht umsonst genannt. Ich will durchaus nicht in Abrede stellen, dass diese Landesregierung, diese Wohnungsbauministerin, bemüht ist, vieles zu veranstalten. Aber angesichts der Dimension des Problems, vor dem wir stehen – ein Kollege aus meiner Stadtverordnetenversammlung in Darmstadt hat einmal ausgerechnet, wir haben einen Investitionsbedarf von 1,2 Milliarden € nur in Darmstadt, Kollege Fürst, jetzt bei den GRÜNEN, früher 24 Jahre SPD-Mitglied –, muss man akzentuieren, dass wir von der momentanen Regelung, dass die Verantwortung für die Wohnungspolitik im Föderalismuskompromiss auf die Länder übertragen worden ist, zu einer Neuregelung kommen müssen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, im Einvernehmen auch mit den Kollegen, die im Programmprozess der SPD auf Bundesebene sind, halte ich es für richtig, eine neue Gemeinschaftsaufgabe „Wohnungsbau und Regionalentwicklung“ in der Bundesrepublik Deutschland anzustoßen.

(Beifall bei der SPD)

Das wird dem gerecht, was wir als Dimension der Problemlage haben. Ich schaue jetzt alle Fraktionen an; denn das wird die Herausforderung auch jetzt in den programmatischen Auseinandersetzungen sein.

Ich mache jetzt keine Bemerkung zum Thema EnEV und Energie. Dazu hat Kollege Lenders auch nichts gesagt, das steht nur im Antrag.

(Jürgen Lenders (FDP): Habe ich doch!)

Nein, du hast nichts dazu gesagt, das steht nur im Antrag. – Okay, wenn du es haben willst: KfW-Förderprogramm „Energieeffizientes Bauen“, 2 Milliarden € ausgelegt.

Aber ich gebe dem Kollegen Lenders an einer Stelle recht

(Stephan Grüger (SPD): Hört, hört!)

na ja, warum nicht, wenn er etwas Kluges sagt –, nämlich bei der Frage der Nachhaltigkeit der EnEV. Ich weiß, dass es richtig wäre und dass viele, die in dem Bereich un

terwegs sind, sagen: Lasst doch einfach einmal ein Jahr oder eineinhalb Jahre die EnEV liegen. – Ich habe jetzt in einem Referat gelernt, dass es wichtig wäre, den Grenzpunkt zu berechnen, an dem die Investition des Kapitals für die energetische Qualifizierung von Wohnungen kompatibel gemacht werden muss mit der entsprechenden Förderung. Das kann man machen. Dafür bin ich sehr, dafür streite ich auch. Das wollte ich hier noch einmal hinterlegen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Jürgen Lenders (FDP))

Darüber hinaus wird über eine sogenannte Grundsteuer C diskutiert; das ist auch eine Bundesangelegenheit. Das trifft nicht viele. Aber all denjenigen, die meinen, mit einem leer stehenden Grundstück spekulieren zu können, aus welchen Gründen auch immer, sollte man ein Stück Motivation geben, dieses Grundstück schneller zu bebauen. Das ist eine der Möglichkeiten.

(Beifall bei der SPD)

Letzte Bemerkung – eigentlich habe ich noch drei Minuten. Die letzte Bemerkung möchte ich noch einmal an die Landesregierung richten und einen sehr konkreten Fall ansprechen: das Agieren des hessischen Finanzministers. Wir haben unseren Kritikpunkt an der BImA, weil wir es für falsch halten, dass dort zu Höchstgeboten von den Kommunen gekauft werden muss. Da wäre es übrigens ganz nett, wenn sich die Kollegen der CDU im Deutschen Bundestag ein bisschen bewegen und diesen einen Satz im BImA-Gesetz streichen, zum Höchstgebot verkaufen zu müssen.

(Beifall des Abg. Jürgen Lenders (FDP))

Aber das Land Hessen verhält sich auch nicht viel anders. Deshalb fordere ich den Finanzminister auf, einmal darüber nachzudenken, ob er tatsächlich jede Landesliegenschaft zum Höchstpreis verkauft oder ob er nicht vielmehr bereit ist, in Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten die Grundstücke auch zum Bodenrichtwert zu veräußern. Das wäre ein Beitrag des Landes Hessen zur Lösung des Problems, was letztendlich auch die Grundstücke angeht.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Jürgen Lenders (FDP))

Ich will damit schließen, dass wir folgende vier Punkte, die nicht ganz unerheblich sind, vor uns liegen haben:

Erstens. Die SPD-Fraktion hat einen Antrag eingebracht, unter anderem weitere 50 Millionen € für sozial gebundenen Wohnungsbau in einen Nachtragshaushalt einzustellen. Ich appelliere da insbesondere an die Kollegen der Koalition: Wir haben schon einmal an einem Punkt eine gemeinschaftliche Anstrengung unternommen, um etwas für den Wohnungsbau zu investieren. Ich will jetzt nicht noch einmal die Bemerkung des Kollegen Lenders in Richtung Nassauische Heimstätte akzentuieren – das machen wir später –, deshalb denken Sie einmal darüber nach.

Zweitens. Wir erwarten mit Spannung die Ergebnisse aus dem Bündnis für kostensparendes Bauen und insbesondere die Auswirkungen dieser auf die Hessische Bauordnung.

Drittens. Ich möchte ernsthaft darum bitten, dass die Verkaufspolitik für landeseigene Grundstücke überdacht wird und – es wurde schon gesagt – man dort in Flächen mit erhöhtem Wohnungsbedarf auf den Bodenrichtwert geht.

Viertens. Ich würde mir sehr wünschen, dass es bei den Wahlen zum Deutschen Bundestag viele Parteien gäbe, die sich der Frage einer Gemeinschaftsaufgabe „Wohnungsbau und Regionalentwicklung“ tatsächlich und ernsthaft widmen würden. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Siebel. – Als nächster Redner spricht Kollege Caspar von der CDU-Fraktion. Bitte schön, Herr Kollege, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Hessen hat ein energisches und gutes Programm aufgelegt, um das Wohnungsangebot insbesondere in den Ballungszentren zu erhöhen: 1,3 Milliarden € – im Übrigen nicht, wie hier vorhin gesagt wurde, überwiegend Bundesmittel, sondern 72 % davon sind Landesmittel, vom Bund kommen 343 Millionen €. Daran kann man sehen, dass es überwiegend originäres Landesgeld ist. Dafür möchte ich auch der Landesregierung und insbesondere der dynamischen und jungen Ministerin – wie ich sagen würde, Herr Siebel – herzlich danken.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben in Hessen sehr unterschiedliche Situationen. Insbesondere im ländlichen Raum, in Nordhessen und in Mittelhessen haben wir Situationen, in denen die Vermieter bzw. Eigentümer von Wohnraum Schwierigkeiten haben, Mieter zu finden. Dort haben wir teilweise Leerstände, und das bedeutet, dass wir zu Recht daran arbeiten, die Infrastruktur im ländlichen Raum auszubauen – sei es im Straßenbau, sei es im Bereich des öffentlichen Personennahverkehrs oder auch, indem wir alles tun, um dort Arbeitsplätze anzusiedeln.

Wenn es uns gelingt, im ländlichen Raum mehr Arbeitsplätze anzusiedeln – hier ist die CDU-geführte Landesregierung schon seit einiger Zeit unterwegs; ich erinnere daran, dass das frühere Straßenbauamt, Hessen Mobil, in Frankfurt am Main zugemacht wurde und die Arbeitskräfte in den ländlichen Raum verlagert worden sind, oder auch aktuell im Bereich der Steuerverwaltung –, sind das meiner Meinung nach sinnvolle und richtige Schritte, dass wir als Land das, was wir tun können, dazu beitragen, um Arbeitsplätze im ländlichen Raum anzusiedeln, damit die Kapazität, die dort an Wohnraum zur Verfügung steht, auch genutzt werden kann.

(Zuruf des Abg. Timon Gremmels (SPD))

Wie war Ihre Zwischenfrage, Herr Gremmels?

(Timon Gremmels (SPD): Zu den Amtsgerichten!)

Auch da ist es so, dass wir eine Konzentration haben, aber nicht auf die Ballungszentren, sondern durchaus auch im ländlichen Raum, sodass ich glaube, dass das System hier keineswegs unterbrochen wurde.

(Zuruf)

In den Ballungszentren und insbesondere in den Universitätsstädten haben wir aber viele Gründe, die zu einer verstärkten Nachfrage nach Wohnraum geführt haben. Hier

nenne ich z. B., dass die Quote der Schüler, die Abitur machen, ansteigt, ebenso wie die Quote derjenigen, die studieren. Die gehen zum Studieren selbstverständlich in die Universitätsstädte. Wenn sie anschließend Akademikerinnen und Akademiker sind, suchen sie Berufe. Diese finden sie überwiegend in den Ballungsräumen, sodass wir aus Gründen der Ausbildung, aber auch des Arbeitsplatzes in den letzten Jahren sehr stark den Zuzug und Druck in Universitätsstädte bzw. in große Städte verspüren.

Daneben haben auch die großen Städte viel getan, damit die Lebensbedingungen dort besser werden – denken Sie daran, dass es nicht mehr die „schmutzige und laute Industrie“ gibt, wie es sie noch vor einigen Jahrzehnten gegeben hat, und dass die Flüsse sauber geworden sind.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Ob man unbedingt eine Runde im Main schwimmen will?)

Das heißt, die Großstädte haben sich bemüht, die Lebensbedingungen für die Menschen zu verbessern. Auch das ist ein Grund, warum Menschen in diese Städte ziehen. Aber das hat natürlich eine Konsequenz, nämlich dass die Nachfrage nach Wohnraum aus diesen Gründen steigt.

Wenn das so ist, muss eben auch das Angebot steigen. Das Angebot steigt, wobei hier neben den Mitteln, die das Land Hessen einführt, vor allem auch das niedrige Fremdkapitalzinsniveau einen wichtigen Beitrag dazu leistet, dass wieder mehr bereit sind, Investitionen in Wohnungsbau zu leisten. Wir können das anhand der Zahlen sehen: Sie gehen nach oben, es werden mehr Wohnungen gebaut, das ist auch wichtig.

Natürlich haben Sie recht, wenn Sie sagen, dass die Wohnungen, die heute gebaut werden, mit den heute teuersten Bodenpreisen, den höchsten Baustandards – denken Sie an Schallschutz, an energetischen Schutz, an Wärmedämmung oder auch an Brandschutz –, die teuersten Wohnungen sind, die wir je erstellt haben. Dass die nicht zu den billigsten Mieten führen, ist völlig klar. Aber das zusätzliche Angebot trägt eben dazu bei, dass günstigere Wohnungen freigezogen werden. Ein Problem wäre es nur dann, wenn die teureren Wohnungen leer stehen würden – das ist ja nicht der Fall, die werden gleichwohl bezogen.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Weil es nichts anderes gibt!)

Das geschieht mit der Konsequenz, dass günstigere Wohnungen frei werden und dadurch auch diejenigen, die günstigen Wohnraum suchen, zusätzliche Möglichkeiten haben.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Was ist denn das für eine Logik?)

Herr Lenders hat natürlich insoweit recht, dass es bestimmte Faktoren gibt, die das Bauen verteuern. Das sind aber Faktoren, die wir aus anderen Gründen wollen. Wenn wir höhere energetische Standards wollen, bedeutet das natürlich nicht, dass wir hier primär im Blick haben, möglichst billig zu bauen, sondern dann haben wir andere Ziele, die wir auch für sinnvoll und notwendig halten, etwa CO2-Einsparung oder Energieeinsparung. Oder denken Sie daran: Wenn wir wollen, dass Menschen nicht durch Feuer und Brand in ihren Häusern sterben, dann ist es nun einmal so, dass wir hohe Brandschutzbestimmungen haben. Ich habe hier zwar immer gehört, die Brandschutzbestimmungen seien so hoch, aber ich habe noch nicht gehört, an welcher Stelle sie denn reduziert werden sollen.

(Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. Stephan Grü- ger (SPD))

Auch hier muss man doch sehen, wo man das konkret umsetzen möchte. Es gibt durchaus andere Ziele, die natürlich kostenerhöhend sind. Aber wir können uns diese anderen Ziele durchaus leisten, auch die höheren energetischen Standards, weil wir eben auf der anderen Seite dieses extrem niedrige Zinsniveau haben und dadurch gleichwohl genügend gebaut wird.

(Zuruf des Abg. Jürgen Lenders (FDP))

Wenn das Zinsniveau nach oben geht, wird das natürlich Konsequenzen haben müssen. Wenn wir dann, je nachdem, wie die Marktlage ist, weiter so viel Wohnungsbau haben wollen, müssen wir über die Standards nachdenken, das ist völlig klar, oder in anderen Bereichen etwas tun oder zusätzlich fördern oder dann z. B. mit degressiver AfA arbeiten. Das alles sind Instrumente, die wir grundsätzlich ergreifen können, wenn es notwendig ist. Zurzeit ist es eben nicht notwendig, weil durch das niedrige Zinsniveau Investitionen in den Wohnungsbau stattfinden – trotz all dieser hemmenden Dinge, die Sie auch hier beschrieben haben.

Ich nenne noch etwas anderes. Herr Lenders, Sie haben die Mietpreisbremse und ihre investitionshemmende Wirkung angesprochen. Unter dem Gesichtspunkt betrachtet, ist das richtig, aber auch hier gilt: Bei dem niedrigen Zinsniveau führt das trotzdem nicht dazu, dass weniger gebaut wird. Die Mietpreisbremse hat ja einen anderen Sinn.