Ich sage Ihnen ganz deutlich, liebe Frau Kollegin Waschke: Wir gratulieren auch dem Ministerpräsidenten Rutte; denn er hat in diesem sehr schwierigen Wahlkampf mit einem klaren marktwirtschaftlichen und auch mit einem klaren proeuropäischen Kurs gestanden. Was Sie hier unterstellen, dass es Ausgrenzung wäre, klar und deutlich zu sagen, dass Rechtsbrecher in diesem Land ebenso wenig erwünscht sind wie die antidemokratische Wahlkampfkampagne von Herrn Erdogan – mit Verlaub, das teilen wir als Freie Demokraten, und das hat nichts mit Ausgrenzung zu tun, sondern damit, dass Regeln, die gelten, auch klar durchgesetzt werden.
Liebe Frau Kollegin Waschke, ich glaube, das ist ein Teil des Problems der aktuellen Debatte: Wir dürfen solche Probleme – auch Probleme mit den Fragen der Integration – nicht zudecken, sondern wir müssen diese Probleme deutlich und rechtzeitig ansprechen – aber um sie zu lösen. Nur das entzieht den Populisten vom rechten genauso wie vom linken Rand den entsprechenden Boden.
Es ist für uns als Freie Demokarten klar, dass Europa nur dann erfolgreich sein kann, wenn es auch durch seine Bürgerinnen und Bürger getragen wird. Das ist dann eben nicht nur eine Frage des Kopfes, sondern das ist auch eine Herzensangelegenheit.
Da begrüße ich ausdrücklich – und da bin ich durchaus wieder bei Ihnen, Frau Waschke – die Initiative von „Pulse of Europe“, gerade weil sie zeigt, dass quer durch Europa Menschen für Europa auf die Straße gehen und nicht nur gegen Europa.
Sie demonstrieren für Europa, für die Sicherung des Friedens in Europa, sie demonstrieren für die Gewährleistung individueller Freiheiten, für Gerechtigkeit und Rechtssicherheit. Sie setzen den Menschen etwas entgegen, die Europa abschotten wollen, und zwar von der AfD bis auf der anderen Seite Linkspartei und Attac. Aber, das finde ich das Interessante, sie sind nicht blauäugig hinsichtlich des Zustands Europas. Sie glauben aber an die Reformierbarkeit und die Weiterentwicklung der Europäischen Union. Genau da müssen wir ansetzen. Hier liegt auch die Verantwortung der Politik: Wir müssen die Herausforderungen angehen, die gerade durch den Brexit entstanden sind, und jetzt zügig die Europäische Union wieder entscheidungs- und handlungsfähig machen. Genau das muss den Bürgerinnen und Bürgern in Europa deutlich werden, damit dieser entsprechende proeuropäische Kurs quer durch alle Mitgliedstaaten getragen wird.
Denn die Skepsis quer durch Europa ist gestiegen. Auch in Deutschland ist nicht mehr die Mehrheit der Befragten nach einer infratest-dimap-Umfrage der Meinung, dass Europa bzw. die Europäische Union eher Vorteil findet. Die größte Gruppe ist diejenige, die das Gefühl hat, das liege schon irgendwo zwischen Vorteil und Nachteil. Das heißt aber doch, wir brauchen ganz dringend eine Neujustierung der Europäischen Union, und zwar zügig. Wir müssen den Bürgern wieder beweisen, dass Europa in der Lage ist, die großen Fragen zu lösen, dass vereinbarte rechtliche Regelungen eingehalten und auch durchgesetzt werden, um den Populisten quer durch die EU den Boden zu entziehen.
Dafür müssen wir Europa dort stark machen, wo wir nur gemeinsam bessere Regelungen finden können. Das gilt bei einer soliden Währung statt weiterer Verschuldungshilfen, das gilt im Hinblick auf den Europäischen Binnenmarkt. Weder Strom noch Digitalisierung sind etwas für Insellösungen. Das gilt aber auch – das sage ich sehr deutlich, weil die Diskussion hier ja gestern geführt wurde – in der Handelspolitik. CETA ist von großer Bedeutung für diese Europäische Union, und schnelle Abschlüsse mit Japan sind gerade jetzt eine große Chance, wo Trump nicht nur TPP, sondern auch TTIP-Verhandlungen gekündigt hat.
Wir brauchen eine andere, gemeinsame Flüchtlings- und Asylpolitik. Dieser Politikbereich ist ja ein Paradebeispiel für Verschleppung in den letzten Jahren und Jahrzehnten, die zur aktuellen Krise geführt hat. Und wir brauchen auch, Herr van Ooyen, eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik. Denn wenn man Binnenmarktgrenzen abbauen will, dann muss man Außengrenzen garantieren.
Wir haben große Chancen, aber nicht auf der Basis des Sammelsuriums, das Herr Kommissionspräsident Juncker momentan vorlegt. Führung in Europa geht anders. Wir müssen es schnell angehen, damit Europa zum Kontinent der Chancen quer durch die Mitgliedstaaten wird. – Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Frau Kollegin Beer. – Für die Landesregierung spricht Frau Staatsministerin Puttrich. Bitte sehr, Sie haben das Wort.
Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Ich will damit beginnen, dass wir am Wochenende 60 Jahre Römische Verträge feiern können und dass das in der Tat ein Grund zum Feiern ist. Wir sollten uns in dieser Zeit einmal darauf besinnen, vor welchen großen Herausforderungen diejenigen standen, die die Römischen Verträge ausgehandelt haben.
Wenn man sich einmal anschaut, wer daran beteiligt gewesen ist, und wenn man heute über die Presse Äußerungen einer Zeitzeugin liest, und zwar von der Tochter des damaligen belgischen Außenministers Paul-Henri Spaak, die von ihrer Seite aus wiedergibt, wie ihr Vater diesen Vertrag mitverhandelte, wie es fast unmöglich schien und wie insbesondere ihre Tante ihrem Bruder sagte: „Ich werde dir nie verzeihen, wenn du einen solchen Vertrag abschließt, weil mein Sohn im Krieg gefallen ist“, dann sollte uns das an dieser Stelle schon einmal ein Stück bewegen, uns daran zu erinnern, was uns 60 Jahre Römische Verträge und die Europäische Union gebracht haben: Frieden und Freiheit.
Und Frieden und Freiheit, die wir in diesem Land haben, sind etwas, was wir zu verteidigen haben und wofür wir vor allen Dingen sehr dankbar sein sollten.
Das auch vor dem Hintergrund der Aussagen der Zeitzeugen – man kann sich in diesen Tagen die vielen Zitate ansehen –, die nicht zu hoffen gewagt haben, dass die Europäische Union in dieser Art und Weise funktionieren und leben kann.
Wenn ich die Pessimisten höre und auch diejenigen, die hier Umfragen zitieren, dann kann ich nur raten: Schauen Sie sich doch einfach einmal die positiven Umfragen an, die ganz aktuellen.
Gerade gestern ist über dpa eine neue Umfrage gelaufen, die von der Gesellschaft für Konsumforschung im Auftrag des Bankenverbandes erstellt worden ist. Diese Umfrage zeigt, zwei Drittel der Deutschen sind mit der Europäischen Union zufrieden oder sehr zufrieden – zwei Drittel.
Wenn man dann wieder davon redet, dass die Zustimmung in Deutschland gegenüber der Europäischen Union nachlassen würde, stimmt das wiederum auch nicht, weil diese repräsentative Umfrage zu dem Ergebnis kommt, dass die Zustimmungswerte vor drei Jahren um 5 % niedriger waren. Sie sind gestiegen. Und wenn man sich dann auch noch einmal vergegenwärtigt, dass die Zustimmungswerte vor neun Jahren um 10 % niedriger lagen, dann lassen Sie uns heute doch nicht vom Untergang der Zustimmung zur Europäischen Union reden, sondern uns dahin schauen, wo Licht ist, dass es nämlich viele Menschen gibt, die sich in der Vergangenheit nicht geäußert haben, jetzt aber Hoffnungen auf Europa setzen und auch bereit sind, sich dafür einzusetzen.
Wenn ich mir also diese Umfragen anschaue, dann sage ich: Ja, selbstverständlich, wir freuen uns, wenn Menschen auf die Straße gehen, die positiv sagen: „Wir stehen für Europa“, wir freuen uns über ein Wahlergebnis in den Niederlanden – uneingeschränkt –, bei dem Populisten, die eigentlich wollen, dass man aus der Europäischen Union aussteigt, die nach dem Brexit weitere Ausstiege aus der Europäischen Union wollen, ganz klar keine Zustimmung bekommen, wenn sich Menschen in Deutschland der Initiative „Pulse of Europe“ in über 50 Städten anschließen und wenn in zehn europäischen Ländern Menschen auf die Straße gehen. Dann kann ich sagen: Endlich ist die schweigende Mehrheit auf der Straße und nicht die laute Minderheit.
Ich war gestern bei der Vereidigung des Bundespräsidenten. Ich finde, dass er eine sehr schöne Formulierung für Nationalisten verwendet hat, für diejenigen, die rückwärtsgewandt sind. Er sagte, das sind diejenigen, die sich hinter den Butzenscheiben des Nationalismus verstecken.
Wir machen das nicht. Wir sind davor. Wir sind keine Nationalisten. Wir sind stolz auf unsere Identität, aber wir sind überzeugte Europäer.
In der Tat schließt das eine das andere nicht aus. Wenn jemand fest verwurzelt ist, kann er auch für das Gemeinsame stehen.
Wenn ich hier höre, dass die Zustimmungen innerhalb Europas nachlassen würden, dann schauen Sie sich doch einmal in vielen europäischen Ländern an, wie stark die Zustimmung dort ist. Ich nenne als ein kleines Beispiel diejenigen, die in den baltischen Staaten leben, die große Hoffnungen auf Europa setzen. Ich erinnere aber auch an die vielen, die Mitglieder der Europäischen Union wurden, weil sie gesagt haben: Wir wollen eine Bindung an die Europäische Union, weil wir wissen, dass das die einzige
Die Wahlbeteiligung in den Niederlanden hat gezeigt, dass dann, wenn es darauf ankommt, die Menschen wählen gehen. Das ist ein ermutigendes Ergebnis.
Aber eines ist auch klar: Das ist nichts, worauf man sich ausruhen kann. Es ist Mut machend, dass in den Niederlanden eine hohe Wahlbeteiligung war – ja –, aber das heißt, dass wir in unseren Bemühungen, in unseren Aktivitäten nicht nachlassen dürfen, für Europa zu werben.
Aber es kommen demnächst noch weitere Wahlen, zunächst die Wahl in Frankreich. Es kommen viele Herausforderungen, die wir zu bewältigen haben.
Ich möchte an der Stelle noch das Mutmachen für die jungen Leute ansprechen. Ich bin in vielen Schulen unterwegs. Wenn Sie in Schulen unterwegs sind und mit den jungen Leuten über Europa reden – wir haben ja auch einige Europaschulen –, dann müssen Sie denen gar nicht viel erklären. Wenn Sie junge Menschen fragen, was sie an Europa gut finden, dann sagen die Ihnen sofort, wie aus der Pistole geschossen: Frieden, Freiheit, Demokratie, Freizügigkeit. Wir können studieren, wir können arbeiten, wir können uns ausbilden lassen, wir können in einem freien Europa leben, und das ist das, was wir wollen.
Deshalb sage ich klar: Mit einem miesepetrigen Gesicht kann man Menschen nicht für Europa begeistern. Wenn wir mit frohem Herzen die Vorteile sehen, dann können wir sie begeistern. Deshalb begrüßen wir jeden, der mitmacht.
Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend ein Ticket für Hessen – Einführung eines landesweiten Schülertickets unterstützt eigenständige Mobilität von Schülerinnen und Schülern – Drucks. 19/4661 –
Für die Antragstellerin, die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, hat sich Frau Kollegin Müller zu Wort gemeldet.