Protokoll der Sitzung vom 23.03.2017

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Wahlbeeinflussend war wohl auch der Kurs, den Mark Rutte gegenüber der Türkei eingeschlagen hat. Aber auch die klare Absage von Rutte an eine erneute Zusammenarbeit mit Geert Wilders war ausschlaggebend. So wird der konservativ-liberale Ministerpräsident Mark Rutte auch weiterhin sein Amt ausüben können.

Meine Damen und Herren, wir konnten auch mit großer Freude zur Kenntnis nehmen, dass die Grünen in den Niederlanden so deutlich Stimmen hinzugewonnen haben. Sie sind mit ihrem klaren offenen Kurs für ein starkes weltoffenes Europa eingetreten. Das hat sich ausgezahlt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Willi van Ooyen (DIE LINKE): Das sind aber linke Grüne!)

Ihr gutes Abschneiden ist ermutigend, da gerade sie gezeigt haben, dass sie mit ihrem europafreundlichen Profil, mit ihrem europafreundlichen Programm erfolgreich waren. Dies beweist, dass eine klare Abgrenzung von den Rechtspopulisten und den Europafeinden sinnvoll und notwendig und auch erfolgreich ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Man kann doch feststellen, dass diese klare Abgrenzung auch dazu führt, dass z. B. jetzt in der Wiener Hofburg mit Alexander Van der Bellen ein überzeugter Europäer sitzt und im Wiener Rathaus weiterhin der Sozialdemokrat Michael Häupl, statt dem FPÖ-Vorsitzenden Heinz-Christian Strache, sitzt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Meine Damen und Herren, wir feiern am Samstag den 60. Jahrestag der Römischen Verträge. Diese bilden die Grundlage der Europäischen Union. Nach einem verheerenden Weltkrieg haben die Europäische Union und die Vorläuferorganisationen dem Kontinent Zusammenarbeit, Frieden, Wohlstand und Freiheit gebracht. All dies hat am 25. März 1957 in Rom seinen Anfang genommen. Bei aller Kritik an der EU heute: Dies ist ein Grund zur Dankbarkeit und ein Grund zum Feiern.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, für ein vereintes und demokratisches Europa und gegen EU-feindliche Populisten gehen seit einigen Wochen in Dutzenden Städten in Deutschland und in Europa Tausende von Menschen auf die Straße. Dieser Bewegung „Pulse of Europe“ gehören unsere volle Sympathie und unsere Anerkennung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Es ist dem Frankfurter Ehepaar Sabine und Daniel Röder zu verdanken, dass ähnliche Demonstrationen inzwischen auch in zahlreichen Städten in Deutschland und in Städten der Europäischen Union stattfinden. Das ist gut so.

Vor der Wahl in den Niederlanden fanden diese Demonstrationen unter dem Slogan „Blijf bij ons“ – also: bleib bei uns – statt. Sie warben für eine proeuropäische Wahlentscheidung. Folgerichtig konnte man feststellen, dass rund 3.000 Pro-Europa-Demonstranten von „Pulse of Europe“ in Frankfurt das niederländische Wahlergebnis feierten.

Für die Organisatoren ist dieses Wahlergebnis ein absoluter Hoffnungsschimmer. Sie haben bereits angekündigt, diesen Schwung nun für die anstehende Präsidentenwahl in Frankreich und für die Bundestagswahl im Herbst zu nutzen. Dieses überparteiliche, zivilgesellschaftliche Engagement ist ein großartiges Heilmittel gegen das Gift der Ignoranz, das rechtspopulistische Menschenfänger zusammenbrauen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Daher sollten wir jene Kräfte unterstützen, die sich für ein modernes Europa der Toleranz und der Vielfalt einsetzen. Die Antwort auf den Brexit und die Angriffe durch Europas Feinde von rechts muss heißen: mehr Europa und nicht weniger.

Das bedeutet: Europa erklären, statt es anzugreifen. Europa verbessern und nicht abschaffen wollen. Für das, was uns verbindet, kämpfen, statt immer nur spalten zu wollen. Die Rückbesinnung auf die gemeinsamen europäischen Werte ist die eine Seite der Medaille. Die andere Seite der Medaille ist ein eigenes positives Signal. Das beste Mittel gegen Rechtspopulismus ist ein eigenes positives integratives Szenario einer gelingenden offenen europäischen Gesellschaft.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, regional verwurzelt zu sein und europäisch zu denken, schließen einander in keiner Weise aus. Es sind keine Gegensätze. In diesem Sinne demonstrieren die Menschen auf den Straßen. In diesem Sinne sollten wir im Parlament handeln. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Vielen Dank, Frau Kollegin Hammann. – Als Nächster hat sich Herr Abg. van Ooyen, Fraktion DIE LINKE, zu Wort gemeldet.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Auf dem bereits angesprochenen Sondertreffen der europäischen Staatsund Regierungschefs in Rom zum 60. Jubiläum der sogenannten Römischen Verträge von 1957 soll eine Erklärung über die weitere Zukunft der Union nach dem Austritt Großbritanniens verabschiedet werden. Dass die weitere Entwicklungsrichtung des europäischen Verbundes strittig ist, ist evident und bleibt sicherlich das Problem.

Angesichts des anstehenden Austritts Großbritanniens – immerhin der zweitgrößten Volkswirtschaft Europas mit ca. einem Achtel der Bevölkerung der gegenwärtigen Europäischen Union mit den 28 Mitgliedstaaten – wird sich sowohl das globale Gewicht als auch das interne Gleichgewicht in der Union verändern. Seit dem britischen Referendum sind die politischen und wirtschaftlichen Konflikte und Erscheinungen der Desintegration in der EU nicht geringer geworden.

Das spüren die Menschen, besonders diejenigen, die von der EU durch grenzenlose Reisen, durch einheitliche Wäh

rungen, durch Niederlassungsfreiheit bis hin zur doppelten Staatsbürgerschaft profitiert haben. Diese Besitzstände werden nun sonntags auf der Straße verteidigt. Die Demonstranten wenden sich auch gegen um sich greifenden Nationalismus, Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und neue Mauern und Grenzbefestigungen in vielen Ländern Europas. Das ist erfreulich.

(Beifall bei der LINKEN)

Der Kampf gegen rechte Ideologien und Gewalt kann aber nur gewonnen werden, wenn die EU einen europäischen Neuanfang wagt, wenn klar ist, welches Europa wir meinen. Hierfür braucht es einen klaren Bruch mit der bestehenden Politik, die auf Kapitalfreiheit und Sozialabbau setzt und Demokratie und Freiheitsrechte als nationale Accessoires missachtet.

Wer über Menschenrechte und Demokratie spricht, der darf über Abschottung und Aufrüstung nicht schweigen. Wer wegschaut, der macht mit.

Der Gründungsgedanke einer europäischen Staatengemeinschaft war, dass Europas Länder nie wieder Krieg gegeneinander führen sollten und alle Menschen nach den Werten der Menschlichkeit und der Demokratie in Freiheit, Wohlstand und Frieden leben können.

(Beifall bei der LINKEN)

60 Jahr später hat das Projekt der Europäischen Union seine Strahlkraft verloren. Die herrschende Politik befeuert soziale Spaltungen und wirtschaftliche Ungleichheit. Mich beunruhigt, wie ideenlos und kalt die EU-Regierungen das europäische Projekt steuern.

Statt Europa zum Zentrum der Kreativität, Weltoffenheit und der Freiheit zu machen, herrschen unter den EU-Regierungen Ideenlosigkeit und Frust.

Die Frage nach der Zukunft Europas bewegt nicht nur die politische Klasse, sondern schlägt sich auch in der Bewertung der Bevölkerung nieder. Angesichts der schwierigen politischen Großwetterlage und der Krisen in Europa ist es bemerkenswert, dass die Zustimmung der Bürgerinnen und Bürger zur EU in Deutschland und europaweit – wenn auch nur leicht, aber immerhin – zunimmt.

Die unübersehbaren Differenzen zwischen den Regierungen in den EU-Staaten verhindern eine Verständigung für eine Antikrisenpolitik, die notwendig wäre. Das Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs in Rom kann angesichts dieses Lavierens und der politischen Differenzen im Rat bestenfalls der Auftakt für eine Grundsatzdebatte sein. Die Aussichten auf eine Überwindung der politischen Blockade in der EU sind nicht gut.

Flüchtlinge und Migranten werden hier bei uns angegriffen, und Unterkünfte werden angezündet. Rassistische Hetze auch aus der Mitte der Gesellschaft wird schließlich in Abschottungs- und Ausgrenzungspolitik umgesetzt.

Wir als LINKE stehen für Solidarität mit Geflüchteten statt der aktuellen Abschreckungs-, Ausgrenzungs- und Abschiebepolitik. Wir sagen Nein zur Asylrechtsverschärfung und wollen, dass ein anderes Gesetz umgesetzt wird.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir als LINKE stehen für Solidarität mit Geflüchteten statt der aktuellen Abschreckungspolitik. Wir sagen: Grenzen öffnen für Menschen, Grenzen schließen für Waffen. DIE LINKE kämpft international gemeinsam mit sozialen Be

wegungen gegen die Militarisierung der EU. Wir treten dafür ein, Auslandseinsätze zu beenden und Rüstungsproduktionen und Exporte zu verbieten.

(Beifall bei der LINKEN)

Statt auf einen weiteren Ausbau einer Militärmacht EU setzen wir auf ein friedliches und ziviles Europa. Wir sollten für ein Europa der Liberté, Egalité, Fraternité, den Zielen der Französischen Revolution, gemeinsam auf die Straße gehen, für ein Europa, das größer ist als die EU und keine Region ausgrenzt.

Herr Abgeordneter, Sie müssen bitte zum Ende kommen.

Ich komme zum Ende. – Ich kann mir ein grenzenloses Europa von Wladiwostok bis Lissabon gut vorstellen. Dafür, so meine ich, lohnt es sich zu kämpfen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank. – Als Nächster hat sich Kollege Tobias Utter für die Fraktion der CDU gemeldet. Bitte sehr, das Rednerpult gehört Ihnen.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Herr van Ooyen, ich befürchte, Herr Putin kann sich das auch so vorstellen.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU und der FDP)

Die Römischen Verträge, die Geburtsurkunde der Europäischen Union, werden 60 Jahre alt. Am 25. März 1957 unterzeichneten die Niederlande, Belgien, Luxemburg, Frankreich, Italien und die Bundesrepublik Deutschland in Rom die Römischen Verträge: den Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, den Vertrag zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft sowie den Vertrag über gemeinsame Organe in der EWG. Diese Verträge, die in der Folgezeit weiterentwickelt und ergänzt wurden, bis hin zur Schaffung der EU, gelten als Gründungsdokumente der europäischen Integration.

Die europäische Einigung hat uns eine nie gekannte Phase des Friedens, der Freiheit und des Wohlstands gebracht.

(Beifall bei der CDU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der FDP)