Protokoll der Sitzung vom 04.05.2017

Der Gesetzentwurf wurde in über 40 Sitzungen und Veranstaltungen diskutiert. Der Hessische Fachbeirat Psychiatrie hat siebenmal hierzu getagt. Er hat seine Anmerkungen gemacht. Auch das ist etwas, was man lernt. Er hat zum Teil zu diesen Anmerkungen in den Anhörungen nicht mehr gestanden. Insofern ist das auch ein spannender Prozess gewesen, den man an dieser Stelle bemerken musste. Aber wir haben genauso auch im Landtag intensive und ausführliche Debatten geführt.

Letztendlich will ich an dieser Stelle nur auf ganz wenige Kernbereiche eingehen.

Das eine Thema ist immer wieder Zwang – Zwang als Ultima Ratio. Das haben wir im Gesetz klargestellt. Wir haben da die Vorgaben der höchstrichterlichen Rechtsprechung umgesetzt. Solange wir nicht zu 100 % versprechen können, dass es zu keiner Anwendung von Zwangsmaßnahmen kommt, müssen wir das gesetzlich regeln. Dafür

ist der Rechtsstaat da. Er muss bei Eingriffen in Grundrechte klare Regelungen schaffen. Damit haben wir erfüllt, was auf gesetzgeberischer Ebene zu tun ist; denn die Vermeidung von Zwang muss sich konzeptionell in der Haltung und den Konzepten, wie psychiatrische Versorgung geleistet wird, niederschlagen.

Im Übrigen: Das Bundesgesundheitsministerium finanziert bis 2019 ein großes Projekt zu diesem Thema. Damit sind wir wiederum bei dem Thema lernendes Gesetz: Wir erwarten aus dieser groß angelegten Untersuchung natürlich Hinweise; denn es geht dabei im Schwerpunkt auch um die Entwicklung geeigneter Maßnahmen zur Vermeidung von Zwang. Es wird untersucht, ob sich die Einbeziehung von Genesungsbegleitung, der Abschluss von Behandlungsvereinbarungen und eine Nachbereitung, wenn es zu Maßnahmen gekommen ist, im Sinne von Vermeidung positiv auswirken.

Auch die Entwicklung eines regionalen Monitorings – die jeweilige Versorgungsregion, in der man sich gemeinsam verständigt, um Maßnahmen zur Vermeidung von Zwang vorzunehmen – wird dabei eine Rolle spielen. Wenn sich aus einer solchen Untersuchung für uns Aspekte dafür ergeben, was wir in unserem Gesetz bisher noch nicht beachtet haben, werden wir diese Aspekte selbstverständlich berücksichtigen und umsetzen. Insofern ist das ein Beispiel dafür, was man an dieser Stelle unter einem lernenden Gesetz versteht.

Vieles davon ist in unserem Gesetz schon vorgesehen. Die Daten über Zwangsmaßnahmen werden den Gebietskörperschaften anonymisiert zur Verfügung gestellt mit der Verpflichtung, sie zu diskutieren und Verbesserungen auf den Weg zu bringen. Unstrittig ist auch, dass wir die ambulante Krisenhilfe verbessern müssen. Es ist aber ebenso unstrittig, dass dabei alle an der Versorgung Beteiligten mit einzubeziehen sind. Damit meine ich sowohl die Kostenträger als auch die Leistungserbringer. Im Hessischen Fachbeirat Psychiatrie wurde vereinbart, sich diesem Thema nach der Verabschiedung des Gesetzes zu widmen. Wir hätten viel lieber schon jetzt eine Verpflichtung im Hinblick auf Leistungserbringer und Kostenträger mit eingebracht. Ich sage auch sehr deutlich: Die Ärzte in Hessen können sich an dieser Stelle ihren Verpflichtungen nicht entziehen.

Die Patientenrechte werden erheblich gestärkt. Es werden Besuchskommissionen gebildet. Wir haben im Maßregelvollzug erste – und zwar positive – Erfahrungen damit gesammelt. Es wird in jeder Stadt und jedem Landkreis eine unabhängige Beschwerdestelle geben. Das ist ein gut nutzbares, niederschwelliges Angebot. Es gibt viele Sozialgesetzbücher, in denen Bereiche der Versorgung von Menschen mit psychischen Störungen geregelt werden, sei es das SGB V für die medizinische und psychotherapeutische Behandlung oder das Bundesteilhabegesetz. In diese Regelungsbereiche kann ein Landesgesetz nicht eingreifen. Das Hessische Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz ist deshalb ein Gesetz, das nicht nur lernend, sondern auch ehrlich ist. Wir werden den Inhalt umsetzen können. Das, was wir hier normiert haben und was wir umsetzen können, werden wir auch tun.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. – Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Wir können jetzt in dritter Lesung über das Gesetz der Landesregierung für ein Gesetz zur Regelung des Rechts der Hilfen und Unterbringung bei psychischen Krankheiten abstimmen. Wer diesem Gesetzentwurf in dritter Lesung zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Wer ist dagegen? – SPD, FDP und DIE LINKE. Enthaltungen? – Ich stelle fest, dass der Gesetzentwurf mit den Stimmen von CDU und GRÜNEN mehrheitlich angenommen worden ist und damit zum Gesetz erhoben wird.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, ich freue mich, einen Gast auf der Tribüne begrüßen zu dürfen. Ein ganz herzliches Willkommen Ihrer Exzellenz, der Botschafterin Kolumbiens, Frau Maria Lorena Gutiérrez Botero.

(Ihre Exzellenz Frau Gutiérrez Botero erhebt sich von ihrem Platz auf der Besuchertribüne und entbie- tet ihren Gruß.)

Ich wünsche Ihnen einen guten Tag und freue mich, dass Sie hier bei uns sind.

(Allgemeiner Beifall)

Ich hoffe, Ihr Aufenthalt in Hessen ist ertragreich. Übermitteln Sie bitte dem Parlament Ihres Landes unsere herzlichsten Grüße. – Danke schön.

Meine Damen und Herren, ich rufe jetzt Tagesordnungspunkt 13 auf:

Antrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN betreffend Stärkung der Bildungssprache Deutsch – Drucks. 19/4603 –

Die vereinbarte Redezeit beträgt fünf Minuten pro Fraktion. Die erste Wortmeldung kommt vom Kollegen Schwarz, CDU.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen, sehr geehrte Kollegen! Die deutsche Sprache ist die Grundlage für den Erwerb von Wissen. Die deutsche Sprache ist die Grundlage für die Fähigkeit zur Kommunikation. Die deutsche Sprache ist die Grundlage für die Teilhabe in unserer Gesellschaft.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, die deutsche Sprache ist die elementare Grundlage für schulische Karriere und die Voraussetzung dafür, dass sich spätere berufliche Erfolge einstellen. Deswegen haben die Grundschulen einen klaren Auftrag. Dazu zählt unter anderem die Vermittlung der Schlüsselqualifikationen des Lesens und des Schreibens. Voraussetzung für eine erfolgreiche Arbeit sind dabei zum einen kleine Klassen, zum anderen aber auch gute, qualifizierte und ausreichend vorhandene Lehrer. Wir halten beides vor. Deswegen sei es mir an dieser Stelle gestattet, den Kolleginnen und Kollegen herzlichen Dank für ihre gute Arbeit auszusprechen, die sie leisten.

(Beifall bei der CDU)

Voraussetzung ist aber auch, dass in der Grundschule von vornherein darauf geachtet wird, dass orthografisch, grammatikalisch und syntaktisch gleich richtig gelehrt und gelernt wird. Die Nutzung von Anlauttabellen kann deshalb auch nur zu Beginn der 1. Klasse ein probates Mittel sein, um die Schriftsprache dann zielführend zu lernen. Eine Anlauttabelle ist nach meiner Einschätzung auch nur im Rahmen eines pädagogischen Gesamtkonzepts zu sehen.

Deswegen arbeiten wir in Hessen seit 2003 an verschiedenen Maßnahmen, um das Lesen und Schreiben verpflichtend als Schwerpunkt an den Grundschulen immer wieder zu betonen. Deswegen gibt es Förderpläne für Leistungsschwächere. Deshalb ist darauf zu achten, dass auch jenseits des Faches Deutsch in den anderen Unterrichtsfächern richtig geschrieben wird. Das ist eine gemeinschaftliche Aufgabe im Kollegium.

(Beifall bei der CDU)

Sehr geehrte Kollegen, auch im digitalen Zeitalter bleibt analoge Bildung elementar. Gerade im digitalen Zeitalter mit Verkürzungen und Slangbegriffen muss darauf geachtet werden, dass das Erlernen und Üben von Lesen und Schreiben ein permanenter Schwerpunkt in der Arbeit der Schulen ist. Dabei spielt die Schreibschrift eine ganz wichtige Rolle; denn die Grundschrift und das Schreiben am PC dürfen die Schreibschrift nicht ersetzen. Meine Damen und Herren, das darf an hessischen Schulen nicht passieren.

(Beifall bei der CDU)

Die Hirnforschung zeigt hier eindeutig, dass das Schreiben mit der Hand die Merkfähigkeit, aber auch die Motorik und die Konzentration fördert. Es gab einen bemerkenswerten Artikel in der „FAZ“ vom 6. April 2017, der sich genau diesem Thema der Didaktik widmete. Ein Gymnasiallehrer aus Berlin äußerte sich sehr besorgt darüber, dass in Berlin das Prinzip „Schreiben nach Gehör“ verfolgt werde. Herr Präsident, Ihr Einverständnis vorausgesetzt, möchte ich dem Landtag zeigen, was dabei herauskommt. Ich halte das Schild einmal hoch. Lesen Sie das bitte einmal oder versuchen Sie, es zu interpretieren:

Di foirwer retete eine oile aus dem Stal.

Es ist im Gesamtergebnis auch bei den Auswertungen ein Desaster. Ab der 3. Klasse gibt es Überprüfungen durch VERA 3. Über 50 % derjenigen, die so schreiben lernen, erfüllen nicht die Mindeststandards der Kultusministerkonferenz.

Deswegen sage ich sehr deutlich, werte Kolleginnen und Kollegen: Das Prinzip „Schreiben nach Gehör“ gehört aus meiner Sicht auf den pädagogischen Müllhaufen.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der SPD)

Deswegen bleibt es dabei: üben, üben und nochmals üben, und zwar gleich richtig, gleich ordentlich schreiben, gleich ordentlich korrigieren, mit einem Bündel von Maßnahmen beispielsweise im Bereich von Fortbildungen, aber auch mit der freundlichen Bitte, wie in unserem Antrag zu lesen ist, einen obligatorischen Grundwortschatz bis zum Ende der Jahrgangsstufe 4 vorzuhalten. Wir würden uns freuen, wenn das Kultusministerium in einem Pilotprojekt ab dem Schuljahr 2017/2018 einen Grundwortschatz von 800 bis 1.000 Wörtern als Grundvoraussetzung für den Besuch der weiterführenden Schule vorhält. Das ist eine Unterstüt

zungsmaßnahme für die Kolleginnen und Kollegen vor Ort, eine Entlastung, eine Leitlinie und eine Hilfe.

Die Stärkung der Bildungssprache Deutsch ist eine Aufgabe für alle. Von einer Stärkung der Bildungssprache Deutsch profitieren alle. Aus einer Stärkung der Bildungssprache Deutsch erwachsen bessere Karrierechancen für die Schülerinnen und Schüler. Deswegen lohnt sich eine Stärkung der Bildungssprache Deutsch. Ich bitte Sie fröhlich und freundlich um Ihre Unterstützung. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. – Nächste Wortmeldung, Herr Abg. Greilich für die FDP-Fraktion.

Fröhlich und freundlich, Herr Kollege Schwarz. Das ist doch schon einmal gut.

Dieser Antrag der Koalition enthält im Wesentlichen zentrale Punkte und Zielsetzungen, die eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollten und müssten und insofern nicht zwingend einer parlamentarischen Initiative mit Handlungsaufforderungen bedürften; es sei denn, man befürchtet besondere Problemlagen. Ich glaube, da sind wir ganz nah beieinander. Wir haben die Vermutung, dass die Erkenntnisse aus den Antworten auf unsere beiden Kleinen Anfragen betreffend Schreiblernmethoden und Schreibschrift in der Grundschule sowie Deutschkenntnisse und Deutschunterricht in Hessen der Grund waren, dass sich die Koalition auch mit diesem Thema beschäftigt hat.

(Beifall bei der FDP)

Immerhin hat es zwei bzw. vier Wochen gedauert, bis uns nach der Antwort des Ministers dieser Antrag auf den Tisch flatterte.

Die mit den Anfragen und mit Ihrem Antrag verbundenen Themen „Bildungssprache Deutsch“, „mangelnde Rechtschreibkenntnisse“, „abnehmende Lesekompetenz“, „vermeintlich schlechter werdende bzw. aussterbende Handschrift“ sind gerade in den letzten Jahren wieder verstärkt ins öffentliche Bewusstsein getreten. Das ist auch Ihnen nicht verborgen geblieben. Darüber freue ich mich.

Die Diskussionen in den vergangenen Jahren haben auch gezeigt, dass es keine einheitlichen Ergebnisse gibt, diese Themen oftmals sehr emotional, teilweise auch dogmatisch oder ideologisch diskutiert werden. Kollege Schwarz hat schon das eine oder andere erwähnt. Die unterschiedlichen Studien – ich nenne nur die IGLU-Studie, die Metastudie von Funke und die Vergleichsstudie VERA – decken sich nur zum Teil mit den persönlichen Erfahrungen, die von Eltern, ausbildenden Arbeitgebern und Lehrkräften an weiterführenden Schulen an uns herangetragen werden. Aber – und das ist das Entscheidende – wir müssen die vorgetragenen Sorgen und Kritikpunkte natürlich ernst nehmen, ja, sogar sehr ernst nehmen, weil mein persönlicher Eindruck auch ein anderer ist als das, was aus manchen Studien hervorgeht.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, es gilt aber auch zu beachten, dass nicht alles, dessen Sinnhaftigkeit sich im ersten Moment nicht erschließt, wirklich falsch ist. Wir brauchen Transparenz und Informationsaustausch zwischen Eltern und Schulen. Wir brauchen Verständnis für das, was in der Schule passiert. Wir brauchen Kommunikation zwischen den Lehrern. Das wird unter Punkt 3 Ihres Antrags ausdrücklich angesprochen. Ich kann sagen, dass wir diesen Antrag, der das umsetzt, was sich aus den Informationen zu unseren Anfragen ergibt, insgesamt unterstützen.

Trotzdem gibt es ein paar Nuancen zu dem, was Herr Kollege Schwarz gesagt hat. Der Methodenstreit, den es seit Jahren gibt, über das Prinzip „Schreiben nach Gehör“ oder über die klassische Fibel, dieses Gegenüberstellen rückt meines Erachtens einen falschen Aspekt in den Vordergrund, der in dieser plakativen Form zu kurz greift.

Eines müssen wir festhalten: Die Reinform dieser Methoden wird zum Glück kaum mehr irgendwo verwendet. Wenn sie noch in Reinform verwendet werden, dann kann man nur sagen: Da hat wohl jemand den Anschluss an die pädagogische Entwicklung verloren. – Die Reinform wird kaum mehr verwendet. Was verwendet wird, sind Mischmethoden oder Anlehnungen, sodass heute keine klassische Fibel mehr zu finden ist, die nicht nebenbei auch die Anlauttabelle in irgendeiner Form integriert hat.

Es gibt also gerade mit Blick auf die zunehmende Heterogenität der Grundschulklassen kein Schwarz-Weiß-Schema, mithilfe dessen man das entscheiden könnte. Es erfolgt kaum noch ein methodenreiner Unterricht. Deshalb sollten wir auch im Plenum keine Debatte über die vermeintliche Wirksamkeit oder Unwirksamkeit bestimmter Methoden führen, an denen sich die Fachwelt in zahlreichen Stellungnahmen schon die Zähne ausgebissen hat.

(Beifall bei der FDP und der SPD)