Protokoll der Sitzung vom 04.05.2017

Ich kenne nur eines. Ich will trotzdem noch einmal meiner Grundhaltung Nachdruck verleihen, dass es gut ist, dass wir jetzt endlich ein solches Gesetz auf den Weg gebracht haben. Das muss man grundsätzlich anerkennen.

Ich glaube auch, dass es eine Verbesserung des bisherigen Zustands ist. Davon bin ich überzeugt. Es verfolgt auch einen Ansatz, den ich für absolut richtig halte.

(Beifall bei der FDP)

Worin besteht dieser Ansatz? Man versucht, Krisen zuvorzukommen. Man versucht, zuvorzukommen, wenn sich die Menschen in einem Bereich befinden, in dem sie Selbststeuerungsmöglichkeiten verlieren. Wenn sich für das Umfeld schon die Situation abzeichnet, dass man auf eine Krise zusteuert, erhält man die Möglichkeit, einer Krise auch mit härteren Mitteln zuvorzukommen.

Diese Abwägung ist schwierig, aber sie ist in diesem Gesetzentwurf versucht worden. Das ist der richtige Weg. Man muss überlegen, zu welch harten Eingriffen es dann im Fall einer Krise für diese Menschen erst kommt – Menschen, die einfach krank sind und in diesem Moment nicht anders behandelt werden können. Da ist dieser Ansatz grundsätzlich zu begrüßen.

(Beifall bei der FDP)

Jetzt muss ich ein bisschen Wasser in den Wein schütten, leider etwas mehr, als ich gehofft habe.

(Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Der Entwurf hat einen sehr langen Vorlauf gehabt; von daher hätte ich mir gewünscht, dass einige Dinge vielleicht etwas stärker abgewogen worden wären. Ich bin kein Jurist, aber die FDP-Fraktion verfügt über einige sehr gute Juristen.

(Nicola Beer (FDP): Danke!)

Sie haben sofort nach Durchsicht dieses Gesetzentwurfs Bedenken angemeldet.

(Vereinzelt Heiterkeit – Unruhe)

Herr Bocklet, ich glaube, dass Sie sich auf dünnes Eis begeben haben, als Sie gesagt haben, dass dieses Gesetz absolut rechtssicher sein werde und dass man keine Bedenken haben müsse, dass die Begriffe, die dort gewählt worden seien, ausreichend konkret seien. Da sind schon andere mit ihren Prognosen auf den Allerwertesten gefallen. Ich glaube, mit dieser Aussage sind Sie sehr mutig gewesen. Da hätten Sie sich besser an Herrn Dr. Bartelt orientieren sollen, als so mutig hier hervorzubrechen. Ich sehe das nicht wie Sie.

(Beifall bei der FDP)

Herr Dr. Bartelt hat, klug wie er war, hier eine wunderbare Formulierung gefunden, die ich mir für die Zukunft merken werde. Er hat von einem lernenden Gesetz gesprochen. Dieses Gesetz wird ein lernendes Gesetz sein. Das ist eine sehr positive Umschreibung dafür, dass wir noch nicht so genau wissen, ob man bei diesem Gesetz, das ganz neu sein wird und das für uns einen neuen Bereich beschreibt, alles richtig gemacht hat. Ich glaube, das ist eine sehr posi

tive Umschreibung. Herr Dr. Bartelt, ich muss Ihnen da wirklich ein Kompliment machen. So sehe ich das auch.

Wer sich mit diesem Terrain auskennt, weiß, dass wir uns in der nächsten Legislaturperiode wahrscheinlich noch einmal damit auseinandersetzen werden, und zwar nicht, weil wir große Vorwürfe erheben wollen. Auch uns ist klar, dass die finanziellen Mittel in dieser Landesregierung umkämpft sind.

Das ist etwas, bei dem ich der einen oder anderen Vorrednerin recht geben möchte. Man hätte die Prävention noch mehr stärken können. Das hätte man machen können. Wir wissen, dass das auch eine finanzielle Frage ist. Es gibt da immer das Armdrücken zwischen den Krankenkassen und dem Land. Für die Menschen vor Ort ist das nicht die Frage, die sie umtreibt. Vielmehr geht es da um die Frage: Was hätte man da noch tun können?

Ich habe das schon während der zweiten Lesung gesagt. Wir begrüßen, dass dieses Gesetz auf den Weg gebracht wurde. Wir glauben wie Herr Dr. Bartelt auch, dass es ein lernendes Gesetz sein wird. Wir haben aber die Einschätzung, dass wir noch ein bisschen mehr lernen müssen, als die Landesregierung vielleicht glaubt. Deswegen können wir dem Gesetzentwurf heute leider nicht unsere Zustimmung geben. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP – Florian Rentsch (FDP): Das war eine ganz starke Rede!)

Das Wort erhält Frau Abg. Dr. Sommer für die SPD-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Als letztes Bundesland wird heute Hessen den Entwurf des Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetzes zum Gesetz erheben. Herr Rock hat gerade schon darauf hingewiesen, dass man manchmal gedacht hat, man wäre in zwei verschiedenen Anhörungen gewesen.

Herr Bocklet, Sie haben gesagt, die Hinweise der Experten seien aufgenommen worden. Davon sehen wir wenig. Wir haben deswegen einen Änderungsantrag eingebracht, der sich mit diesen Hinweisen aus der Anhörung beschäftigt hat. Diese Änderungen wurden von den Ärztinnen und Ärzten, aber auch von den Vertreterinnen und Vertretern der Einrichtungen befürwortet. Sie haben ihn aber abgelehnt.

Wir haben Ihnen während der letzten Ausschusssitzung vorgeschlagen, über die Punkte einzeln abzustimmen, um eben partiell vielleicht die eine oder andere Verbesserung noch zu bewirken. Sie wollten das aber alles insgesamt ablehnen. Das ist schade.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Angesichts der kurzen Zeit, die wir heute für die dritte Lesung zur Verfügung haben, möchte ich nur auf ein paar wenige Punkte eingehen, die für uns wichtig gewesen wären. Zum einen geht es um den Krisendienst. Da haben wir verschiedene Auffassungen. Wir hätten es wichtig gefunden, diesen mit einer Kostennote zu versehen. So ist es beispielsweise in Rheinland-Pfalz geregelt.

Wir finden, dass Kinder und Jugendliche auch nicht nur kurzfristig in eine Erwachsenenpsychiatrie gehören. Denn das entspricht nicht den Vorgaben der UN-Kinderrechtskonvention.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Marjana Schott (DIE LINKE))

Vorbildliche Regelungen hierzu gibt es beispielsweise in Mecklenburg-Vorpommern und Rheinland-Pfalz.

Auch Menschen mit somatischen Erkrankungen haben erst einmal nichts in der Psychiatrie zu suchen. Auch da hätte man handeln können.

Auch die fürsorgliche Zurückhaltung hat in andere Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetze längst Eingang gefunden. In Hessen wird das leider nicht der Fall sein.

Uns wäre wichtig gewesen, die Beratung und die Hilfen in verständlicher, einfacher Sprache und der Muttersprache durchzuführen, weil das eine ganz sensible Thematik ist.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und bei der LIN- KEN)

In der Anhörung wurden vor allem auch die Regelungen zur Zwangsbehandlung und zur Fixierung moniert. Sie wurden als unzureichend benannt. Hier wären Änderungen zum Wohle, aber auch zur Sicherheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der Patientinnen und Patienten wichtig gewesen.

Zum Schluss meiner Rede möchte ich noch einmal das wiedergeben, was auch Herr Rock schon gesagt hat. Eigentlich befürworten wir alle, dass ein neues Gesetz kommen wird und das alte Gesetz über die Entziehung der Freiheit geisteskranker, geistesschwacher, rauschgift- oder alkoholsüchtiger Personen vom Mai 1952 endlich abgelöst werden wird. Ich finde, schon an dem Titel sieht man, dass das nicht mehr haltbar und zeitgemäß war. Wir brauchen ein zeitgemäßeres Gesetz.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und bei der LIN- KEN)

Weil wir nun das letzte Bundesland sind, das diesen Gesetzentwurf beschließen wird, hätten wir uns natürlich gewünscht, von den Erfahrungen der anderen Bundesländer ein Stück weit besser zu profitieren.

(Nancy Faeser (SPD): Das ist hier nicht gefragt!)

Herr Bocklet, Sie haben gesagt, es sei ein langer partizipatorischer Prozess gewesen. Das war so. Wir hätten uns aber eine bessere Einbindung genau dieser einzelnen Hinweise gewünscht.

Wir werden dem Gesetzentwurf nicht deswegen nicht zustimmen, weil wir kein neues Gesetz benötigen. Vielmehr haben wir uns ein noch fortschrittlicheres Gesetz für die Ärztinnen und Ärzte, für die Beschäftigten, für die Patientinnen und Patienten und auch für die Angehörigen gewünscht.

Herr Minister, ich kann mich noch daran erinnern. In der ersten Lesung haben Sie davon gesprochen, dass das Gesetz ein Meilenstein werden wird. Das hat Herr Bocklet heute wiederholt. Da muss ich Ihnen wirklich recht geben. Denn Meilenstein bedeutet, dass es sich um die erste Marke auf einer Wegstrecke handelt. Es ist quasi ein Etappenziel, ein Teilziel auf dem Weg zu einem Ziel, das wir alle erreichen wollen.

Wir sind aber bei der Versorgung psychisch kranker Menschen noch nicht am Ziel angelangt. Hätten die die Regierung tragenden Fraktionen unserem Änderungsantrag zugestimmt, wären wir dem Ziel schon etwas näher.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Gabriele Faul- haber (DIE LINKE))

Herr Dr. Bartelt, das muss ich noch einmal sagen. Ich hoffe, dass Sie mir nicht böse sind. Es war aber Herr Grüttner, der den Begriff des „lernenden Gesetzes“ geprägt hat. Damit ist natürlich die Hoffnung verbunden, dass wir die ersten Erfahrungen und auch die konstruktive Kritik demnächst in das Gesetz einbinden können und dass es so zu Verbesserungen für all diejenigen kommt, die die Hilfe benötigen.

Herr Minister Grüttner, vielleicht können Sie einfach noch einmal etwas dazu sagen, was Sie unter einem lernenden Gesetz in diesem Sinne verstehen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Das Wort erhält Herr Sozialminister Grüttner. Bitte schön.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich finde, dass es schon einer besonderen Bemerkung bedarf, dass wir heute einen Gesetzentwurf verabschieden, nämlich den für ein Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz. Es wird ein Gesetz ablösen, das in Hessen 65 Jahre lang Gültigkeit gehabt hat. Das ist das Hessische Freiheitsentziehungsgesetz. Das ist ein Gesetz, das ausschließlich auf die Intervention abgestellt hat. Es wird nun durch ein Gesetz ersetzt werden, das tatsächlich Hilfen anbietet. Ich finde, das ist ein guter Tag für die betroffenen Menschen. Heute ist auch ein guter Tag für Hessen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es wird nicht nur ein lernendes Gesetz sein. Dazu werde ich gleich noch etwas sagen. Ich habe in diesem Prozess sehr viel gelernt. Denn es war ein Prozess mit intensiven Diskussionen. Manchmal war er durchaus auch mühsam. Ich denke aber, dass sich das gelohnt hat.

Der Gesetzentwurf wurde in über 40 Sitzungen und Veranstaltungen diskutiert. Der Hessische Fachbeirat Psychiatrie hat siebenmal hierzu getagt. Er hat seine Anmerkungen gemacht. Auch das ist etwas, was man lernt. Er hat zum Teil zu diesen Anmerkungen in den Anhörungen nicht mehr gestanden. Insofern ist das auch ein spannender Prozess gewesen, den man an dieser Stelle bemerken musste. Aber wir haben genauso auch im Landtag intensive und ausführliche Debatten geführt.