Ja, aus einer Laune heraus, Herr Kollege Rudolph. Denn es fehlt auch nur der Hauch von Seriosität in diesem Antrag.
Ich sage das an dieser Stelle ganz bewusst, um es an einem Beispiel deutlich zu machen. In Ihrem gesamten Antrag und in Ihrer gesamten Begründung, angefangen bei der Überschrift bis zum letzten Satz, nehmen Sie Eltern, Kommunen und anderes in den Mund und schreiben es auf. An einer einzigen Stelle erwähnen Sie in einem kleinen Teil diejenigen, die über 50 % der Kinderbetreuung in Hessen sicherstellen. Das sind die freien Träger, das sind die Kirchen, das ist die Diakonie, das ist die Caritas. Die freien Träger haben Sie an einem einzigen Punkt erwähnt und sonst nirgendwo in Ihrem Antrag. Wer meint, dass an dieser Stelle eine Thematik so angegangen werden kann, der ist schlicht und einfach falsch gewickelt.
Insofern ist das ein Wunschkonzert aus einer Laune heraus. Wir haben die Aufgabe, es sehr viel realistischer zu sehen.
Dann geht nicht alles auf einmal: Quantitäts- und Qualitätssteigerung, Entlastung der Kommunen und Entlastung der Eltern. Ja, das kostet alles Geld. Aber das soll das Land ganz lapidar aus Mehreinnahmen und letztlich aus dem LFA finanzieren.
Ich habe gestern mit großem Interesse den Schwerpunkttag in hr-iNFO gehört. Ich habe Herrn Rudolph gehört, der erklärt hat, durch den Länderfinanzausgleich und die entsprechende Reform wird sehr viel Geld in die Kassen gespült. Was er nicht gesagt hat, ist, dass das frühestens ab 2020 passiert.
Wenn wir das heute auf das Jahr 2017 herunterrechnen, will ich Ihnen sagen, was es bedeutet, was Sie hier schreiben. Schauen Sie in die letzte Statistik des Statistischen Bundesamts. Dann sehen Sie für 2016, wie die öffentlichen Ausgaben für Kindertageseinrichtungen gewesen sind. Für Hessen sind es im Jahr 2016 insgesamt 1,878 Milliarden € gewesen.
Schauen Sie sich Ihren Antrag an. In Ihrem Antrag sprechen Sie von öffentlichen Ausgaben. Darin sind die privaten Träger gar nicht berücksichtigt, die auch entsprechende Ausgaben haben.
Jetzt schauen Sie sich Ihren Antrag an. Sie wollen, dass das Land zwei Drittel dieser Kosten übernimmt. Bei 1,9 oder 1,8 Milliarden € – das ist dann leichter zu rechnen – sind es ohne die freien Träger alleine für die Entlastung der Kommunen 1,2 Milliarden €.
Dazu kommen noch die Entlastungen für die Elternbeiträge, die, auch wenn man sehr konservativ hochrechnet, noch einmal eine Größenordnung zwischen 500 und 600 Millionen € haben. Das bedeutet, das Wunschprogramm, das in diesem Antrag aufgeführt ist, beinhaltet locker und leicht 1,8 Milliarden € Mehrausgaben zu finanzieren. Lapidar haben Sie den Bund angeführt und sonst gar nichts, und auch noch keine Investitionskosten.
Das ist unseriös, das ist falsch, und das ist schlicht und einfach Sand in die Augen der Bevölkerung gestreut.
(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Lebhafte Zurufe des Abg. Norbert Schmitt (SPD))
Herr Schmitt, man sieht, wie laut Sie auf einmal werden, wie nervös Sie sind, weil Sie sich irgendwann als Haushaltspolitiker hinstellen und sagen müssen, wie es ist.
(Norbert Schmitt (SPD): Nein, Sie haben Netto und Brutto verwechselt! Sie haben keine Ahnung! Das ist das Problem! – Glockenzeichen der Präsidentin)
Weiterhin wird in diesem Antrag eine ganze Reihe von Umstellungen gefordert, sei es die Umstellung der Landesförderung weg vom Kind und hin zur Gruppe. Gleichzeitig wird über ein größeres Maß von Gerechtigkeit gesprochen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wer das macht, fördert Ungerechtigkeiten, fördert Ungleichheiten. Die Lebensverhältnisse in unseren hessischen Kindertageseinrichtungen sollen eine gleichermaßen gute Qualität aufweisen. Deswegen ist aus gutem Grund der Zuschuss auf das Kind bezogen ausgestattet und nicht gruppenbezogen.
Mit der Subjektförderung ist die Konzentration auf das einzelne betreute Kind gegeben. Auf dieser Grundlage wird dann auch eine kindbezogene Fördergerechtigkeit hergestellt; denn für jedes Kind wird nach Alter und Betreuungszeit überall im Land die gleiche Fördersumme ausgezahlt, und die Förderung gilt unabhängig von der Einrichtungsart, auch ob Kindergartenkinder beispielsweise in Krippen betreut werden. Würden wir der Forderung der SPD nachkommen, gruppenbezogen zu fördern, würden diejenigen profitieren, die in einer nicht voll besetzten Gruppe sind. Das kann überhaupt nicht gerecht sein. Es würde zu unterschiedlichen Lebensverhältnissen in Hessen führen, so etwas umzusetzen.
Es ist ein großes Problem, wenn hier jemand zu einem solchen Thema spricht, der sich nur oberflächlich mit der Materie auseinandersetzt, der zwar weiß, dass es einen Evaluationsbericht gibt, aber diesen Evaluationsbericht wahrscheinlich nicht richtig gelesen hat; denn der größte Teil findet die jetzige Ausgestaltung gerecht.
Ich zitiere, weil Herr Schäfer-Gümbel auch zitiert hat, den Evaluationsbericht. Auf Seite 251 sagt ein Teilnehmer einer Fallstudie:
Da, wo Kinder sind, da sollte das Geld hinfließen, und da, wo die Kinder nicht sind, da soll das Geld nicht hinfließen. Das ist ja für den Steuerzahler, der ich ja auch bin, total richtig.
Auch die in der Begründung aufgestellte Behauptung, dass es betriebswirtschaftliche Zwänge durch die kindbezogene Landesförderung gibt, stimmt nicht. Ich kann nur wiederholen, was gesagt worden ist. Die Betreuungsmittelwerte setzen nicht den Anreiz, Betreuungszeiten zu reduzieren. Ganz deutlich sagt der Evaluationsbericht: Es sind keine entsprechende Reduktionen von Betreuungszeiten vorgenommen worden. Vielmehr haben die Träger überwiegend eine Orientierung an den oberen Grenzen und nicht an den unteren Grenzen vorgenommen.
Dann kommt man neben den Zahlen an die Frage einer schrittweisen Beitragsfreistellung durch das Land. Wir müssen, wenn wir die aktuellen Studien und die aktuellen Diskussionen und auch die Analysen verfolgen, die von der von Ihnen so oft zitierten Bertelsmann Stiftung und anderen Bereichen ins Feld geführt werden, drei Dinge unterscheiden, und das findet sich, denke ich, auch im Antrag der Koalitionsfraktionen richtigerweise wieder.
Wir haben nach wie vor einen regional sehr differenzierten Bedarf an Betreuungseinrichtungen. Das stellt sich in Ballungsräumen sehr viel anders dar als in ländlichen Räumen. Aber das, was wir im Bereich der Unter-Dreijährigen-Betreuung in den letzten Jahren in Hessen geschaffen haben, kann sich sehen lassen. Wir sind in der Zwischenzeit auf einem guten vorderen Platz bei den westlichen Bundesländern.
Das kommt auch nicht von ungefähr. Es ist noch nicht gesagt worden: Wir haben in den letzten Jahren über 300 Millionen € in den Ausbau investiert. Auch dies darf man nicht vergessen. Deswegen brauchen wir den quantitativen Ausbau.
Wir brauchen als Zweites den qualitativen Ausbau. Wer die Forderung erhebt, Qualitätspauschalen in Kindertagesstätten wie die BEP-Pauschale abzuschaffen, der geht nicht in einen Qualitätsfortschritt, sondern der geht in einen Qualitätsrückschritt hinein. Denn gerade die BEP-Pauschale bietet das Gerüst für Qualität. Wir werden das ausbauen. Wir sind auch sehr dankbar dafür, dass sich die Kindertagesstätten in der Zwischenzeit in einem sehr großen Umfang an der Grundlage BEP-Pauschale orientieren. Sie arbeiten damit weiterhin voran.
Als Letztes möchte ich sagen: Natürlich müssen wir auch sehen, welche Belastungen der Eltern mit der Kinderbetreuung einhergehen. Deswegen werden wir in dem Rahmen, in dem wir finanzielle Verantwortung tragen, überprüfen, wo wir weitere Entlastungen vornehmen können. Das geht aber nur in dem Dreischritt Quantität, Qualität und Entlastung. Das ist verantwortungsbewusstes Handeln.
Herr Kaufmann, auch Sie können nach vorne kommen und etwas Qualifiziertes wie zum Flughafen sagen. Ich bin immer gerne bereit, mit Ihnen zu diskutieren.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will im Nachgang zu der eben geführten Aussprache gerne noch einmal vier Punkte kurz ansprechen, die mir wichtig sind.
Erstens. Frau Wiesmann, es ist immer ein Vergnügen, mit Ihnen über dieses Thema zu diskutieren. Ich werde das gerne an Herrn Merz weitergeben. Angesichts des grundsätzlichen Widerspruchs, den Sie heute hier zu diesem Thema angemeldet haben, frage ich mich allerdings, ob Sie diese Rede auch am 6. Juli 2013 auf dem Landesparteitag der CDU Hessens gehalten hätten. Ich verstehe nämlich nicht, wie sich das, was Sie heute hier vorgetragen haben, mit dem verträgt, was der Ministerpräsident auf diesem Parteitag unter tosendem Beifall sagte:
Sie haben das grundsätzlich infrage gestellt. Deswegen will ich schon einmal auf eines hinweisen: Auf einer Veranstaltung von ver.di vor wenigen Tagen haben Sie davon gesprochen, dass die Vorstellung der SPD einer kostenfreien Bildung der Kinder in Kindergärten eine Schnapsidee sei.
Ich will daran erinnern, dass diese Schnapsidee vom Hessischen Ministerpräsidenten und Landesvorsitzenden der CDU vor der Landtagswahl vertreten wurde. Nach der Wahl hat er erklärt, dass das so nicht mehr kommen werde, sondern dass die Mehreinnahmen aus dem Länderfinanzausgleich zum Schuldenabbau und für Verbesserungen an den Hochschulen verwendet werden sollten. Vor wenigen Wochen hat er auf einem Gesprächskreis für Finanzwirtschaft in Frankfurt erklärt, dass man sich dem Thema wahrscheinlich nicht länger werde verweigern können. In einem Brief vor wenigen Tagen an eine kommunale Gebietskörperschaft hat er wieder auf die kommunale Bedeutung hingewiesen.
Welche Position haben Sie eigentlich? Es gab fünf verschiedene Positionen in fünf Jahren. Wir hätten gern irgendwann einmal Klarheit darüber, was Sie eigentlich wollen.
Zweitens. Dabei geht es um das Kinderförderungsgesetz. Sie haben gefragt: Warum? – Ich will es Ihnen sagen. Ihr eigener Evaluierungsbericht sagt im Kern: Ja, es ist mit dem Kinderförderungsgesetz nicht schlechter geworden. Es gibt zwar keinen Mehrwert, aber es gibt mehr Bürokratie.