Kollege Wagner hat vorhin gemeint, Symbolpolitik werde von der SPD gemacht. Okay, diesen Vorwurf kann man meinetwegen auch erheben; das ist mir relativ egal.
Aber die Symbolpolitik ist vielleicht nicht das, womit wir vorankommen und unsere politischen Ziele realisieren können.
Deswegen will ich zwei Punkte herausgreifen. Bei dem einen Punkt geht es um das, wofür Sie sich am meisten loben – wofür sich insbesondere der Herr Innenminister gern lobt –: um den sogenannten Schutzparagrafen 112. Ich muss ehrlich sagen, nach dem Verlauf der Debatten, die wir in den letzten zwei Jahren zu dem Thema geführt ha
ben, bin ich etwas verwundert über den Jubel des hessischen Innenministers darüber, dass es jetzt so gekommen ist, wie es gekommen ist.
Ich darf daran erinnern: Vor ziemlich genau zwei Jahren, am 19. Mai 2015, haben Sie als Koalition einen Antrag eingebracht, über den wir hier ausführlich diskutiert haben. Die wesentliche Aussage unter Punkt 1 ist, dass der Landtag die Initiative der Hessischen Landesregierung begrüßt – das macht die Mehrheit dieses Hauses meistens –, diese Taten „durch diese spezielle Regelung mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren“ zu bedrohen.
Eine Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten: Das war die zentrale Forderung, mit der dieser Innenminister angetreten ist und zu der er auch die Koalition motiviert hat. Was ist das Ergebnis? Wofür bejubeln Sie sich jetzt?
Herr Kollege Bauer, gehen Sie einmal objektiv an die Tatsachen heran, und überlegen Sie sich, wofür Sie sich jetzt bejubeln. Wie ist es denn gelaufen? Was ist aus der hessischen Initiative geworden? Was haben Sie denn wirklich durchgesetzt?
Herr Kollege Bauer, die Landesregierung hat – das ist das Ergebnis – im Bundestag, im Bundesrat und in der gesamten Debatte sehr klar aufgezeigt bekommen, dass es manchmal klug wäre, juristische Expertise ernst zu nehmen, statt einfach populistisch darüber hinwegzugehen.
Schon vor zwei Jahren – das können Sie in den Landtagsprotokollen nachlesen, falls Sie es damals nicht wahrgenommen haben sollten – haben wir Sie und den Herrn Innenminister klar darauf hingewiesen, dass wir seinen Vorschlag für grundsätzlich erwägenswert halten, wenn es darum geht, den besonderen Tatunwert von völlig unmotivierten Angriffen auf diejenigen zu dokumentieren, die da sind, um uns zu helfen. Dass aber die von Ihnen angestrebte Mindeststrafe von sechs Monaten verfassungsrechtlich kaum tragbar, weil völlig unverhältnismäßig, ist, habe ich Ihnen damals schon im Einzelnen erklärt. Aber Sie wollten es nicht hören. Sie sind darüber hinweggegangen.
Man muss da in der Tat die juristischen Feinheiten im Blick behalten. Bei einer Mindeststrafe von drei Monaten, so, wie sie jetzt in dem Antrag enthalten ist, ist auch die Verhängung einer Geldstrafe möglich. Bei einer Mindeststrafe von sechs Monaten, die Sie gefordert haben,
Das ist wahr. Deswegen habe er das gewollt, sagt der Innenminister. Der Innenminister wollte, dass jeder, der auf einer Demonstration einmal jemanden, möglicherweise vorsätzlich, schubst oder ein Ei wirft, sofort für sechs Monate in den Bau marschiert. Herr Minister, das ist unverhältnismäßig; das geht nicht. Genau das haben Sie in der Diskussion in Berlin vorgeführt bekommen.
(Beifall bei der FDP – Günter Rudolph (SPD): Das wollen also die GRÜNEN! – Vizepräsident Frank Lortz übernimmt den Vorsitz.)
Dazu muss ich dann wirklich sagen: Dank gebührt sicherlich dem Koalitionspartner SPD in Berlin, aber sicherlich auch den etwas nachdenklicheren Innenpolitikern der Union, die in Berlin tätig waren und erkannt haben, dass man sich über den Rechtsstaat nicht hinwegsetzen kann. Man muss diese Verfassung achten, auch wenn man über diesen Bereich diskutiert. Das ist der wesentliche Punkt.
Deswegen: Herr Innenminister, hätten Sie entsprechend unserer Diskussion, unseren Vorschlägen, vor zwei Jahren einen vernünftigen Vorschlag mit einem vernünftigen Strafmaß gemacht, hätte es vielleicht nicht bis heute gedauert, bis dieser Gesetzentwurf in Kraft treten kann, sondern dann hätten wir die Einigung wahrscheinlich viel schneller gehabt. Herr Minister, meine Damen und Herren von der Koalition, mit diesem Vorhaben sind Sie krachend gescheitert, Sie versuchen hier aber das Gegenteil zu dokumentieren.
Zweitens. In Bezug auf die Symbolpolitik wird es jetzt ein bisschen spannend. Ich finde das schon bemerkenswert; ich habe die Schutzschleife, die Sie eingeführt haben, von Anfang an unterstützt. Ich finde, das ist ein schönes Zeichen dafür, dass man dort einsteht. Sich aber nun in einem solchen Maße zu bejubeln, meine Damen und Herren, ist in der Tat Symbolpolitik. Auch wenn es ein schönes Symbol ist, ist es nichts, wofür man sich besonders loben kann.
Ich sage Ihnen dazu eines sehr deutlich, auch wenn es den Antrag nicht direkt betrifft, aber es hängt damit zusammen: Sie fordern Respekt vor den ehrenamtlich Tätigen, insbesondere z. B. auch vor den Feuerwehren. Aber warum tun Sie in diesem Bereich dann nicht das, was deutlich notwendig wäre? Gerade dieser Tage ist es durch die Zeitungen gegangen; insbesondere in der „Oberhessischen Presse“ ist darüber berichtet worden. Was passiert denn mit einem konkreten Projekt, wenn es nicht mehr um Symbole, um die Schleife, geht, sondern z. B. um die Landesjugendfeuerwehrschule? Was passiert denn dann? – Es ist ewig verzögert worden. Die erste Verzögerung ergab sich durch einen Rechtsstreit: Vergabekammer, Oberlandesgericht. Herr Minister, was war das Ergebnis des Rechtsstreits? – Die Landesregierung hat bescheinigt bekommen, dass sie rechtswidrig vergeben hat; sie hätte anders vergeben müssen. Das war das erste Ergebnis.
Der zweite Punkt ist: Jetzt ist der Rechtsstreit entschieden. Aber was passiert? – Jetzt wird eine neue Diskussion über den Standort aufgemacht, statt den längst ausgewählten Standort tatsächlich zu realisieren. Meine sehr verehrten Damen und Herren von der Koalition, es ist nicht die Schutzschleife, die letztlich dafür sorgt, dass unsere Feuerwehren richtig arbeiten können, sondern die Taten sind es. Sie sollten sich nicht so viel auf Eigenlob konzentrieren, sondern lieber handeln. Taten statt Worte sind der wahre Respekt gegenüber ehrenamtlich Tätigen.
Ja, es ist alles gesagt, oder? – Es gibt noch eine Wortmeldung; das ist der Kollege Schaus. Bitte sehr.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! „Schwarz-Grün fordert Knast“. Das war die Überschrift eines „taz“-Artikels im Jahre 2015 zu diesem sogenannten Schutzparagrafen. Wir sollten uns in der Tat einig sein, dass es natürlich – da muss man auch zustimmen – darum geht, Einsatz- und Rettungskräfte so weit wie möglich vor gewalttätigen Übergriffen zu schützen. Gewalt, außer zur Selbstverteidigung, oder um Gewalt gegen andere zu verhindern, geht unserer Ansicht nach grundsätzlich nicht, schon gar nicht gegen diejenigen, die anderen helfen wollen. Gewalt gibt es aber leider in unserer Gesellschaft nicht nur gegen Polizistinnen und Polizisten, Einsatz- und Rettungskräfte. Es gibt darüber hinaus im öffentlichen Dienst weitere gefährdete Berufsgruppen. So verdienen auch Lehrerinnen und Lehrer, Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter die gleiche Unterstützung. Auch diese werden zuweilen bedroht oder körperlich angegangen, kriegen Härten hautnah ab.
„Warum aber bekommen die jetzt keinen eigenen Paragrafen?“, frage ich, aber darauf komme ich später noch zurück. Mit unserer Kritik an der Gesetzesverschärfung des neu geschaffenen § 114 des Strafgesetzbuchs stehen wir auch nicht allein. So lehnt beispielsweise der Deutsche Anwaltverein in einer rechtlichen Würdigung die Strafrechtsverschärfung ebenso eindeutig ab wie der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein. Ablehnungen finden wir zudem bei der Bundesarbeitsgemeinschaft kritischer Polizistinnen und Polizisten, der Humanistischen Union, dem Komitee für Grundrechte und Demokratie, der Bundestagsfraktion der GRÜNEN, ebenso bei der Bundestagsfraktion der LINKEN. Bis vor wenigen Monaten war übrigens auch die Bundes-SPD gegen diese Gesetzesverschärfung. Interessant für mich war dabei, dass auch die Rednerin der GRÜNEN, nämlich Frau Michalic, selbst Polizistin, gegen diese Gesetzesverschärfung im Deutschen Bundestag ist.
Herr Kollege Frömmrich, sicherlich weiß sie genau oder zumindest ziemlich genau, warum sie im Bundestag dagegen gesprochen hat. Übrigens hat dies auch der Redner der LINKEN im Bundestag, Frank Tempel, unser stellvertretender Fraktionsvorsitzender, getan. Er ist ebenfalls Polizist von Beruf. Sicher haben auch ihn seine beruflichen Erfahrungen veranlasst, die Gesetzesverschärfung abzulehnen. Beide haben hierzu interessante Reden gehalten, auch mit Blick auf die Praxis. Diese kommen zu anderen Ergebnissen als die CDU und die GRÜNEN in Hessen. Vielleicht geht es im Bundestag und im Landtag am Ende auch gar nicht um eine Lösung, sondern einmal mehr, zumal es sich ja um eine bundesweite Gesetzesänderung handelt, um CDU-Symbolpolitik. Das fände ich in dieser Frage völlig unangemessen.
Warum aber lehnen Anwaltsvereine, Grundrechtsorganisationen, zahlreiche politische Kommentatoren wie GRÜNE und LINKE die Gesetzesverschärfung im Bundestag ab?
Erstens, weil das Gesetz seinen angeblichen Sinn verfehlt und nicht bewirkt, was die Union so lauthals verspricht. Es werden immer Beispiele von Angriffen und Beleidigungen gebracht, aber das sind bereits Straftaten. Tätliche Beleidigungen und tätliche Angriffe sind immer strafbar. Statistisch gesehen ist das, worüber wir hier reden, im Übrigen zu 75 % Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte. Wenn man die Täter kriegt, dann werden sie nach geltendem Recht schon bestraft, und zwar nicht zu knapp. Man muss zudem wissen, dass 80 % dieser Taten unter Alkoholeinfluss verübt werden.
Das macht es nicht besser, aber stark alkoholisierte Menschen überlegen eben nicht, Herr Pentz. Sie haben das Strafgesetzbuch nicht im Kopf und wissen nicht, was in welchem Paragrafen gerade so drinsteht.
Taten unter Alkoholeinfluss finden unüberlegt, spontan und aggressiv statt. Da nützt Ihnen Ihre Gesetzesverschärfung null.
Wir würden deshalb weit mehr erreichen, wenn wir den massiven Missbrauch von Alkohol konsequenter bekämpfen würden, statt mit dieser Strafrechtsverschärfung nur damit zu drohen. Aber dieses Thema ist weitgehend ein gesellschaftliches Tabu.
Mein Zwischenergebnis lautet deshalb: Die Gesetze müssen angewandt werden. Eine Strafverschärfung brauchen wir dazu nicht. Die hilft uns bei der Verhinderung von Übergriffen, wie schon dargestellt, übrigens gar nichts. Der Begriff „Schutzparagraf“ wird im Übrigen, wenn ich das medial verfolge, fast ausschließlich in Hessen verwandt; denn selbst in der bundesweiten Debatte, also immer dann, wenn es um Darstellungen im Internet geht – Sie können das einmal googlen und „Schutzparagraf“ eingeben, dann werden Sie fast immer auf hessische Artikel und hessische Stellungnahmen stoßen –, wird dieser Begriff so überhaupt nicht verwendet, selbst in den eigenen Reihen der CDU nicht. Aber die Wirkung ist voll daneben, weil dieser sogenannte Schutzparagraf die Betroffenen aufgrund der Sachlage, des Verhaltens und der Grundlage, auf der diese Übergriffe passieren, nicht schützt.
Zweitens. Es gibt zu dem ein ernst zu nehmendes rechtsstaatliches Problem. Wir haben Bedenken gegen diese Gesetzesänderung. Hier spielt die Rechtsfrage der Gleichbehandlung vor dem Gesetz eine entscheidende Rolle.
Damit komme ich zurück zu dem, was ich am Anfang gesagt habe. Nehmen wir von mir aus einen Sozialarbeiter oder auch eine Lehrerin, alles ehrbare Berufe, die zeitweise Zorn bis hin zur Gewalt abbekommen können. Warum soll jetzt eine Drohung oder ein Angriff auf eine Lehrerin weniger sanktioniert werden als eine Drohung oder ein Angriff auf eine Polizistin?
Auch eine Lehrerin repräsentiert den Staat, um in der Logik der CDU zu bleiben, oder etwa nicht, Herr Bauer? – Ist die angegriffene Lehrerin nun weniger schützenswert, oder
will die CDU jetzt für alle gefährdeten und helfenden Berufsgruppen eigenständige Strafrechtsparagrafen einführen? Für die Justizbeamten so und für die Finanzbeamten dann wieder anders – das wäre eigentlich die logische Konsequenz daraus.