Protokoll der Sitzung vom 01.06.2017

Herr Kollege Schmitt, wir haben nach den jetzt vorgeschlagenen Regelungen ein Verfahren, bei dem – wenn Sie die Zahl der Fälle hochrechnen – ganze acht Sekunden für die Entscheidung zur Verfügung stehen, ob gelöscht wird oder nicht. Wie hätten Sie denn im Fall Böhmermann agiert, wenn Sie acht Sekunden gehabt hätten, um zu entscheiden, ob das noch geschützte Kunstfreiheit ist oder ob das gelöscht gehört?

(Beifall bei der FDP – Zurufe von der SPD und der FDP)

Nein, liebe Freunde von der Sozialdemokratie, das ist allenfalls ein gutes Geschäftsmodell für die, die jetzt schon anbieten, geschäftsmäßig zu löschen. Es gibt mittlerweile die ersten Unternehmen, die Löschen am Fließband anbieten. Da besteht auch keine Gefahr, dass man für das Löschen in irgendeiner Weise in Haftung genommen wird; denn der Entwurf Ihres Justizministers sieht nicht einmal eine Möglichkeit der Nutzer vor, sich gegen eine unrechtmäßige Löschung zu wehren, keine Möglichkeit, eine Stellungnahme abzugeben.

(Beifall bei der FDP und der Abg. Marjana Schott (DIE LINKE))

Es gibt keine Möglichkeit, Widerspruch einzulegen, z. B. bei einer Clearingstelle. Nein, stattdessen soll hier im Zweifel in die Freiheit eingegriffen werden. Dieses Gesetz ist ein Zensurgesetz und sonst nichts.

(Beifall bei der FDP – Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Herr Kollege Schmitt, ja, wir müssen bei der Bekämpfung strafbarer Inhalte im Internet eine hohe Dringlichkeit walten lassen. Ja, bei der Rechtsdurchsetzung gegenüber Straftaten im Internet muss es einen hohen Handlungsbedarf geben.

(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD) – Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Sehr geehrter Herr Kollege Schmitt, ich frage Sie allen Ernstes: Warum gehen wir bei den Hasskommentaren nicht wie bei der Kinderpornografie vor? Hier haben wir ein staatlich legitimiertes Verfahren. Das schafft über unsere Landesmedienanstalten mit den zugehörigen Jugendschutzstellen in der größten Anzahl der Fälle innerhalb von 48 Stunden Klärung. Herr Schmitt, die sind staatlich legitimiert, die sind unabhängig.

(Beifall bei der FDP – Norbert Schmitt (SPD): Was ist denn das für eine Haltung?)

Frau Kollegin, Sie müssen zum Schluss kommen.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von SchwarzGrün, Sie haben es in der Hand. Es reicht nicht, nur – wie in der kritischen Stellungnahme im Bundesrat – Zweifel zu formulieren. Es reicht nicht, nur Prüfaufträge zu vergeben. Sie müssen dieses Gesetz stoppen. Sie müssen den Vermittlungsausschuss anrufen und dieses Gesetz in die Diskontinuität schicken.

(Beifall bei der FDP)

Frau Kollegin Beer, Sie müssen jetzt wirklich zum Schluss kommen.

Herr Präsident, ich komme zum Schluss. – Ich glaube, es ist wichtig, zu sagen: Lippenbekenntnisse reichen hier nicht. Dieses Maas-Gesetz muss gestoppt werden. Die Landesregierung hat es in der Hand. Sie muss den Vermittlungsausschuss anrufen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank. – Das Wort hat Kollege Jürgen Frömmrich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Beer, ich würde, da Sie hier derart vorgetragen haben, einmal fragen: Geht es auch eine Nummer kleiner?

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Vielleicht kann man erst einmal abschichten und dann darüber reden. Ich weiß ja, dass die FDP die Digitalisierung jetzt als Thema entdeckt hat; aber deswegen braucht man nicht so einen großen Strauß von Dingen abzufeuern.

(Zuruf der Abg. Nicola Beer (FDP))

Man sollte vielleicht einmal abschichten und sich in der Diskussion auf das berufen, was das Thema ist.

(Zuruf des Abg. Jürgen Lenders (FDP))

Im Übrigen ist die Landesregierung in Gesprächen. Dieser Prozess ist auch noch nicht abgeschlossen. Wir befinden uns im Deutschen Bundestag in der ersten Lesung; das Gesetz kommt jetzt in den Bundesrat und wird dort beraten. Dazu gibt es Stellungnahmen, und es gilt bei solchen Gesetzen immer das strucksche Gesetz: Kein Gesetz verlässt den Deutschen Bundestag so, wie es eingebracht worden ist. – Darauf vertrauen wir, meine Damen und Herren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

In der Sache sollten wir uns doch sicherlich einig sein: Hass und Hetze dürfen im Netz keinen Platz haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Darüber haben wir im Übrigen bereits im November 2016 ausführlich debattiert und uns auf den Grundsatz geeinigt, dass wir Lösungen zur effektiven Löschung von strafbaren Hasskommentaren suchen. Da waren wir uns, glaube ich, einig.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Wir waren uns auch einig, dass wir es hier mit einem schwierigen Regelungszusammenhang zu tun haben, und zwar mit den Fragen: Wie weit geht die Meinungsfreiheit? Wann ist ein Kommentar im sozialen Netzwerk noch Meinung, und ab wann ist er Hass oder Hetze? Darüber waren wir uns in dieser Diskussion einig.

(Norbert Schmitt (SPD): Beleidigung und Verleumdung!)

Wir waren uns auch einig, dass man in sozialen Netzwerken extreme Meinungen vertreten kann. Das ist übrigens durch unser Grundgesetz und die freie Meinungsäußerung gedeckt.

(Norbert Schmitt (SPD): Aber keine Straftaten!)

Aber eines ist doch auch klar, liebe Kolleginnen und Kollegen: Was im realen Leben, in der analogen Welt, strafbar ist, ist auch in sozialen Netzwerken strafbar.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der CDU und der SPD)

Wir haben doch auch für die Printmedien und den Rundfunk Regelungen. Auch dort darf nicht alles gesagt, geschrieben oder veröffentlicht werden; auch die müssen sich an Regeln halten.

(Norbert Schmitt (SPD): Das muss auch strafbar sein!)

Auch diesbezüglich haben diejenigen, die aufgrund von Kommentaren verletzt werden, die Möglichkeit, dagegen vorzugehen. Genau das Gleiche brauchen wir für Facebook und Co.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Wir haben im November auch gesagt, dass die Anbieter in diesem Bereich ihrer Verantwortung nachkommen müssen, dass Facebook und Co. Beschwerden und Anzeigen von

Nutzern zeitnah bearbeiten und nötigenfalls die Einträge löschen müssen. Wir haben auch gesagt: Wenn sie ihrer Verantwortung nicht nachkommen, wenn nichts passiert, dann muss der Gesetzgeber Regelungen treffen und damit die Anbieter zum Handeln zwingen. – Dies ist jetzt ein solcher Versuch, den Herr Kollege Maas in Berlin macht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist doch geradezu absurd: Der Herkules in Kassel bekommt auf Facebook eine rote Badehose verpasst, um anstößige Inhalte zu verbergen, aber volksverhetzende, antisemitische und menschenverachtende Kommentare werden nicht aus dem Netz entfernt. Das geht nicht, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der CDU und der SPD)

Das Weltkulturerbe in Kassel wird netztauglich bedeckt. Die verfassungsfeindlichen Symbole von Rechtsextremisten bleiben aber weiterhin im Netz. Das geht nicht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Worum geht es letztendlich? – Justizminister Maas hat zum Thema Hass und Hetze im Netz den Entwurf eines Netzwerkdurchsetzungsgesetzes eingebracht. Der Entwurf hat in der Zwischenzeit viel Kritik erfahren. Morgen wird der Bundesrat dazu differenziert Stellung nehmen. Das letzte Wort ist auf Bundesebene aber noch nicht gesprochen. Bezüglich konkreter Lösungsansätze besteht weiterhin Gesprächsbedarf. In der Zielsetzung stimmen wir aber mit dem Gesetzentwurf überein.

(Norbert Schmitt (SPD): Sehr gut!)

Wie bisher kann es nicht weitergehen. Die Betreiberinnen und Betreiber sozialer Netzwerke müssen in die Verantwortung genommen werden. Was von der Meinungsfreiheit geschützt wird und was nicht, ist auch jetzt schon durch Gesetz geregelt.

(Norbert Schmitt (SPD): So ist es!)

Das gilt auch für die Rechtsschutzmöglichkeiten bei der Verletzung von Persönlichkeitsrechten.