Protokoll der Sitzung vom 29.06.2017

Man kann es natürlich so machen, wie es die Kolleginnen und Kollegen der Sozialdemokratie bei jedem landespolitischen Thema tun. Wenn irgendjemand ein Problem anspricht, dann schlagen sie vor, es dadurch zu lösen, dass wir noch mehr Geld ausgeben. Herr Kollege Degen hat vorhin schon wieder damit angefangen. Er hat nicht nur den Grundschullehrern eine A-13-Besoldung versprochen – natürlich ohne irgendeinen Gegenfinanzierungsvorschlag der SPD-Fraktion –, sondern er hat auch noch gesagt: Wenn es Leute gibt, die mit diesen 39 Wochen unzufrieden sind, dann müssen wir halt auch einmal über diese Grenze reden.

Das kann man alles machen, Herr Kollege Degen. Aber wo ist dann die neue Grenze? Wie lange muss man Ihrer Meinung nach in einem Jahr beschäftigt sein, um auch in den Sommerferien bezahlt zu werden? 38 Wochen, 37 Wochen, nur 20 Wochen, nur zehn Wochen? Würden nicht auch Sie sagen, dass es irgendwo eine Grenze gibt? Wenn jemand z. B. nur zehn Wochen lang beschäftigt war, weil er eine Krankheitsvertretung wahrgenommen hat, und diese Krankheitsvertretung im Oktober eines Jahres geleistet wurde, sind Sie dann der Meinung, dass diese Lehrkraft auch in den Sommerferien des Folgejahres bezahlt werden sollte? Herr Kollege Degen, haben Sie wieder einmal versucht, nach dem Motto „Allen wohl und keinem weh“ zu handeln? Durchdacht war auch dieser Vorschlag einmal mehr nicht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Auch wir sehen natürlich, dass nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit die Zahl der in den Sommerferien arbeitslos gemeldeten Lehrerinnen und Lehrer steigt. Noch einmal gesagt: Das ist nicht Ausdruck einer veränderten Politik – wir sind uns einig, in welchen Fällen Lehrerinnen und Lehrer in den Sommerferien bezahlt werden –, son

dern es könnte damit zu tun haben, dass das System Schule in den vergangenen zwei, drei oder vier Jahren durch zusätzliche Herausforderungen noch einmal komplexer geworden ist.

Die eine Herausforderung sind natürlich die Migrantinnen und Migranten, die zusätzlich in das System gekommen sind, für die wir sehr kurzfristig eine Deutschförderung organisieren mussten, teilweise mit befristeten Verträgen, teilweise mit Verträgen mit kurzer Befristung, sodass die 39 Wochen in einem Jahr nicht erreicht wurden und die Sommerferien nicht bezahlt wurden. Das ist aber kein Ausdruck eines politischen Wollens, kein Ausdruck einer geänderten Herangehensweise an dieses Thema, sondern es ist schlicht und ergreifend der Tatsache geschuldet, dass das System unglaublich komplex ist und vor besonderen Herausforderungen steht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP-Fraktion, wenn Sie Fälle kennen, wo die von Ihrer Ministerin eingeführte 39-Wochen-Regelung nicht eingehalten wird, dann müssen wir diesen Fällen nachgehen. Ich sage ganz ausdrücklich: Wer gemäß dieser Regelung Anspruch auf eine Bezahlung und auf eine weitere Anstellung in den Sommerferien hat, der soll das auch bekommen. Ihre Ausführungen zu diesem Punkt sind völlig richtig.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Sie haben in Ihrer Rede aber nicht gesagt, dass es solche Fälle gibt. Wenn es sie im Einzelfall doch geben sollte, gehen wir dem gerne nach.

Ich fasse zusammen. Erstens. Die Probleme in der Bildungspolitik, über die wir im Hessischen Landtag reden, hätten andere Bundesländer gerne. Andere Bundesländer beschäftigen sich mit viel existenzielleren Problemen. Ich habe es erwähnt: In anderen Bundesländern geht es darum, ob die Unterrichtsgrundversorgung abgedeckt ist. Das sage ich, damit man es einordnen kann.

Zweite Bemerkung. An den Rahmenbedingungen in Bezug auf befristete Verträge hat sich seit der Amtszeit der FDPKultusministerin überhaupt nichts geändert.

Dritte Bemerkung. Alle Fraktionen in diesem Hause finden es weiterhin richtig, dass es die 39-Wochen-Regelung gibt, die Frau Henzler eingeführt hat.

Vierte Bemerkung. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP-Fraktion, eines hat sich in den vergangenen drei Jahren aber geändert: Die Rahmenbedingungen und die Unterstützung für unsere Schulen sind an jedem Punkt noch einmal besser geworden als zu der Zeit, als Sie mit in der Regierung waren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Wagner. – Als nächste Rednerin spricht nun Frau Kollegin Faulhaber für die Fraktion der LINKEN. Bitte schön, Frau Kollegin.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Wagner, Herr Schwarz, Sie tun so, als sei es kein Problem, wenn sich Lehrerinnen und Lehrer von einem Zeitvertrag zum nächsten hangeln müssen, und alle Fraktionen im Hessischen Landtag wollen nicht, dass es im Sommer zu einer Arbeitslosigkeit von Lehrerinnen und Lehrern kommt. Ich frage mich: Warum steigt die Arbeitslosigkeit unter den Lehrerinnen und Lehrern denn dann?

(Beifall bei der LINKEN – Hermann Schaus (DIE LINKE): Genau das ist die Frage!)

Ich kann Ihnen sagen: Für die Schulen und für die betroffenen Lehrerinnen und Lehrer ist das ein Problem. Das schafft nicht nur Unsicherheit an den Schulen, sondern es schafft auch private Unsicherheit. Wenn Sie hier davon sprechen, es sei nur 1 % der Lehrerinnen und Lehrer betroffen: Was soll das denn heißen? Arbeitslos ist arbeitslos. Da wird es auch nicht besser, dass insgesamt mehr Lehrerinnen und Lehrer eingestellt worden sind. Herr Schwarz, arbeitslose Lehrer als „Dehnungsfuge“ zu bezeichnen, zeigt deutlich Ihren „Respekt“ vor der wichtigen Arbeit der Lehrerinnen und Lehrer.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich möchte sagen, Schwangerschaftsvertretungen kann man auch während der Ferien bezahlen. Es gibt überhaupt keinen Grund dafür, das nicht zu tun.

(Beifall bei der LINKEN)

An dieser Stelle möchte ich nebenbei anmerken, dass das Problem der Sommerarbeitslosigkeit bzw. der Semesterferienarbeitslosigkeit beim Mittelbau der hessischen Hochschulen noch wesentlich ausgeprägter ist. Doch auch an den allgemeinbildenden Schulen gewinnt es wieder an Relevanz; an der Stelle hat Herr Greilich richtig argumentiert. Das kann man an jeder Statistik sehen. Die Zahl der sommerarbeitslosen Lehrer ist wieder deutlich angestiegen: auf ungefähr 1.100. Dabei ist die Sommerarbeitslosigkeit bundesweit rückläufig. In Hessen steigt sie jedoch. Daher finde ich, dies ist ein Thema, das im Landtag dringend behandelt werden muss.

(Beifall bei der LINKEN – Zuruf von der CDU: Hört, hört!)

Das ist umso kurioser, als Hessen in den letzten Monaten vor allem durch den Lehrermangel an bestimmten Schulformen aufgefallen ist. Wir haben in den letzten Monaten viel über die Attraktivität des Lehrerberufs gesprochen und auch darüber, wie es uns gelingen könnte, junge Lehrkräfte anzuwerben und in Hessen zu halten.

An dieser Stelle muss man ganz klar sagen: Gute Werbung ist es für Hessen nicht, wenn es zu den vier deutschen Bundesländern gehört, in denen Lehrerarbeitslosigkeit während der Sommerferien ein deutlich erkennbares Phänomen ist. Eine gute Werbung ist es besonders deshalb nicht, weil schon vor Jahren der bereits mehrfach erwähnte Erlass hätte greifen sollen. Die Zahl der arbeitslosen Lehrer dürfte eigentlich gar nicht ansteigen.

Wie kann es sein, dass wir einerseits händeringend Lehrerinnen und Lehrer suchen und gleichzeitig vermelden müssen, dass in den Sommerferien mehr als 1.000 Lehrkräfte ohne Vertrag sind? Da stimmt doch etwas nicht. Das können Sie hier auch nicht schönreden.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Erklärung, das habe auch mit der Beschulung geflüchteter Kinder zu tun, entbehrt der Logik. Wenn diese Beschulung an den Schulen gut funktioniert, gibt es eigentlich keinen Grund, die Lehrkräfte nicht weiterzubeschäftigen. Selbst wenn die Kinder und Jugendlichen schließlich Deutsch gelernt haben, brauchen Sie weiterhin Unterricht und Unterstützung, und zu einer guten Integration gehören nun einmal engagierte Lehrkräfte in ausreichender Zahl.

Die vielen Überlastungsanzeigen aus den letzten Monaten haben doch gezeigt, dass unsere Lehrkräfte an ihren Grenzen angelangt sind und dass sie Unterstützung sowie eine Reduzierung ihrer Pflichtaufgaben brauchen. Wie geht das jetzt am besten? Es geht dadurch, dass die Arbeit auf mehrere Schultern verteilt wird. Meine Damen und Herren, für mehr Aufgaben werden mehr Lehrkräfte benötigt.

(Beifall bei der LINKEN)

Das betrifft nicht nur die Integration geflüchteter Kinder, sondern auch all die zusätzlichen Aufgaben, die Sie jetzt im Schulprogramm festgelegt haben: den Ausbau der Ganztagsangebote, die Inklusion, die Arbeitszeitverdichtung durch Dokumentationen und Elterngespräche und vieles mehr.

Für eine Umverteilung der Aufgaben braucht man ein teamfähiges Kollegium, das vor allem mit ausreichenden personellen Ressourcen ausgestattet ist. Lehrerinnen und Lehrer mit kurzfristigen Verträgen auszustatten ist nicht nur für diese selbst, sondern auch für den Teamgeist im Kollegium und für die Qualitätsentwicklung katastrophal.

Qualität, inhaltliche Arbeit und Schulkonzepte brauchen Zeit zur Entwicklung, und sie brauchen stabile Arbeitsbeziehungen. Das ist es doch, was Sie immer wieder sagen: Sie wollen eine Qualitätsentwicklung an den Schulen. Aber dafür müssen Sie auch die Bedingungen schaffen.

(Beifall bei der LINKEN)

Daher unterstützen wir diesen Antrag der FDP. Wir fordern die Landesregierung auf, die Praxis der befristeten Verträge an den hessischen Schulen abzuschaffen, zumindest aber bei befristeten Verträgen die Bezahlung in den Sommerferien fortzusetzen, damit sich Lehrerinnen und Lehrer nicht jedes Jahr für mehrere Wochen arbeitslos melden müssen. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Faulhaber. – Für die Landesregierung spricht nun Staatsminister Lorz. Bitte schön, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Problematik der Lehrerarbeitslosigkeit in den Sommerferien ist eine altbekannte Herausforderung. Da hat der Abg. Degen völlig recht. Selbstverständlich ist das Hessische Kultusministerium darum bemüht, dieses Phänomen so gering wie möglich zu halten. Wir sind in ständigem Kontakt mit der Bundesagentur für Arbeit, um im Rahmen des rechtlich und haushaltstechnisch Möglichen Lösungen

zu finden, die das Problem der Lehrerarbeitslosigkeit mindern.

Aber die Ehrlichkeit gebietet es auch, festzustellen, dass das nicht allein in unserer Hand liegt. Solange es in Deutschland eine Berufswahlfreiheit gibt, wird es auch die Situation geben, dass die Bewerberlage und der Einstellungsbedarf nicht genau übereinstimmen. Das gilt übrigens in beide Richtungen. Daher werden Bewerber, für deren Lehramt und für deren Fächerkombination gerade kein Bedarf besteht, zumindest vorübergehend arbeitslos sein. Das ist in einer freiheitlichen Gesellschaft nicht zu vermeiden.

(Gabriele Faulhaber (DIE LINKE): Aha!)

Aber das nur als grundsätzliche Vorbemerkung. Jetzt schauen wir uns das Problem ein bisschen näher an. Ich will dabei der Versuchung widerstehen – der die Opposition nicht widerstehen konnte –, dieses Thema zu einem bildungspolitischen Rundumschlag zu nutzen. Das zeigt übrigens – ich finde das bezeichnend –, dass Sie offensichtlich dachten, das Thema allein gebe für zehn Minuten nicht genug her.

(Günter Rudolph (SPD): Es gibt Zusammenhänge!)

Ja, aber man kann sich die Probleme auch im Einzelnen anschauen.

(Günter Rudolph (SPD): Dann brauchen wir aber mehr Zeit!)

Dazu machen wir als Allererstes einen ordentlichen Faktencheck. Dieses Hohe Haus hat sich schon im Jahr 2009 intensiv mit dem Thema beschäftigt. Damals sind für die Weiterbeschäftigung von Lehrkräften in den Sommerferien zusätzliche Mittel in Höhe von fast 17 Millionen € zur Verfügung gestellt worden, die wir seither im Haushalt mit den entsprechenden Erhöhungen kontinuierlich fortschreiben. Parallel dazu – da besteht wirklich ein Zusammenhang – hat die damalige Kultusministerin, Frau Henzler, im März 2009 den Erlass herausgegeben, der hier schon mehrfach angesprochen worden ist.

Ich will daher darauf verzichten, hier im Einzelnen über die 39 Kalenderwochen zu reflektieren, sondern nur hinzufügen: Es gibt noch eine weitere Alternative, bei der Verträge über ein komplettes Schuljahr abgeschlossen werden, also vom August bis zum Juli des Folgejahres. Eigentlich kommt man damit – isoliert betrachtet – in beiden Jahren nicht auf jeweils 39 Kalenderwochen. In diesem Erlass gibt es aber eine Extraregelung, wonach auch in diesem Fall die Bezahlung über die Sommerferien hinweg erfolgt. Das zeigt, wie ausgewogen dieser Erlass damals formuliert worden ist und dass er verschiedene Konstellationen berücksichtigt.

Ja, Herr Greilich, dieser Erlass war eine Großtat. Man hat das daran gesehen, dass die Zahlen sofort heruntergegangen sind. Ich bin auch nach wie vor der Meinung – in diesem Haus habe ich bisher noch keinen wirklichen Widerspruch dazu gehört –, dieser Erlass ist fair und gut.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen haben wir ihn seit 2009 ohne Unterbrechung völlig unverändert beibehalten. Daher muss ich sagen: Es ist zumindest merkwürdig, dass ausgerechnet die Partei, deren Ministerin den Erlass herausgebracht hat und die bis heute – meiner Meinung nach zu Recht – stolz darauf ist, jetzt seine Beibehaltung kritisiert.