Gründe gibt es genug. Die G 20 sind ein informeller Zusammenschluss der mächtigsten Staaten der Erde, der keine völkerrechtliche Grundlage besitzt, sich aber anmaßt, über die Zukunftsthemen der Menschheit zu beraten.
Die G 20 diskutieren aus der Perspektive der reichen und mächtigen Staaten der Welt über Probleme, die sie selbst maßgeblich verursacht haben, nämlich über den Klimawandel, die Deregulierung der Finanzmärkte, Hungersnöte sowie über Konflikte und Kriege auf der Welt.
Meine Damen und Herren, Sie reden über den afrikanischen Kontinent, aber nur ein afrikanisches Land sitzt überhaupt mit am Tisch. Sie reden über den Klimawandel, sind aber selbst die größten Klimasünder. Sie stehen für Freihandel, der doch immer nur den großen Konzernen dieser Welt nützt. Sie stehen für eine Flüchtlingspolitik, die viele Menschen das Leben kostet. Sie reden über Frieden, sind aber selbst die größten kriegsführenden und rüstungsproduzierenden Staaten.
Meine Damen und Herren, all das ist Gewalt. Über diese Form der Gewalt sollte sich die CDU einmal empören,
aber doch nicht über den Aufruf, friedlich gegen diesen Gipfel zu demonstrieren, ihn zu kritisieren und ihn zu
blockieren, um damit gegen die alltägliche strukturelle Gewalt durch Hunger und Ausbeutung, durch Krieg und durch Kapitalismus zu demonstrieren.
(Beifall bei der LINKEN – Hans-Jürgen Irmer (CDU): Von Kommunisten kann man nichts anderes erwarten! – Weitere Zurufe von der CDU)
In Hamburg wird der rote Teppich ausgerollt für Trump, für Putin, für den saudischen König, für Erdogan und für andere. Ich sage Ihnen: Statt vor den Protesten zu warnen, sollte man besser auf Erdogans Bodyguards aufpassen, die gerne im Ausland Demonstranten vermöbeln, wie dies zuletzt beim Staatsbesuch in den USA der Fall war.
Dieser fragwürdige Gipfel soll mitten in Hamburg, ausgerechnet im Schanzenviertel, stattfinden. G 20 wird Hamburg über Tage hinweg lahmlegen. G 20 wird die Stadt als Kulisse für ein inszeniertes Schauspiel der Macht missbrauchen, während die dort lebenden Menschen faktisch in ihre Wohnung eingesperrt werden.
Tausende Bürger werden in ihren Grundrechten und in ihrem Demonstrationsrecht eingeschränkt. Ich sage Ihnen: Es ist weder erforderlich noch verhältnismäßig, was gerade in Hamburg passiert.
Das Ganze wird vermutlich weit über 100 Millionen € kosten. Wie viel genau es kosten wird, ist unklar. Der G-20Gipfel in Toronto hat 380 Millionen € gekostet. Wie teuer das in Hamburg wird, weiß niemand.
An dieser Stelle wird von niemandem auf die Schuldenbremse oder sonst etwas verwiesen. Dabei wissen wir doch alle, dass dieser Gipfel keinen Konflikt auf dieser Welt entschärfen, keine Hungerkrise beenden und keine Lösung für den Klimawandel finden wird.
Die CDU-Fraktion will ja über den Polizeieinsatz reden. Deshalb möchte ich gerne aus dem offenen Brief eines Polizeibeamten zum G-20-Gipfel zitieren, über den auch in vielen Medien berichtet wurde. Darin kritisiert der Polizeibeamte unter anderem die horrenden Kosten, aber auch die enorme Belastung der Polizeikräfte durch Überstunden.
(Dirk Landau (CDU): Das liegt an Ihren Freunden! – Manfred Pentz (CDU): Die Polizei ist Ihnen völlig egal!)
Er kritisiert aber auch den Gipfel selbst. Ich möchte Ihnen gerne vorlesen, was der Polizeibeamte geschrieben hat.
ich bin Ende 30 und Polizeibeamter. … Ich bin nicht zur Polizei gegangen, um dafür zu sorgen, dass Menschen in überteuerten Anzügen noch teurer essen und Konzerte besuchen können, um das Ganze noch mit wichtigen politischen Anliegen zu rechtfertigen. …
Ich finde es eine bodenlose Frechheit, wie ignorant dieses Treffen geplant und gegen den Willen Hundertausender Menschen durchgesetzt wird.
Mir und den anderen eingesetzten Kollegen wünsche ich eine einigermaßen entspannte Zeit, dass alle gesund bleiben
Ich wünsche aber auch den Menschen, die zum Protest nach Hamburg kommen, ein gutes Gelingen. Ich hoffe, dass nicht Gewalt und Krawall die Nachrichten bestimmen, sondern dass die mit Sicherheit vielfältigen friedlichen Proteste wahrgenommen werden.
Meine Damen und Herren, diesen Wünschen kann ich mich nur anschließen. In diesem Sinne: Auf nach Hamburg! Grenzenlose Solidarität statt G 20!
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Wissler, ich hätte mir gewünscht, dass Sie hier eine klare Aussage auch zu dem treffen würden, was in unserem Grundgesetz steht.
Unser Grundgesetz ist weitreichend. Unser Grundgesetz sagt: Demonstrationsfreiheit und Meinungsfreiheit sind ganz hohe Güter. Die Väter und Mütter unseres Grundgesetzes haben da sehr weit gedacht und haben sehr weitreichende Regelungen in das Grundgesetz geschrieben. Frau Wissler, wenn Sie hier vorne etwas zum Demonstrationsrecht und zur Demonstrationsfreiheit – für die auch wir ausdrücklich sind – sagen, würde ich mir aber auch wünschen, dass Sie hinzufügen, was ebenfalls im Grundgesetz steht: friedlich und ohne Waffen.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Hermann Schaus (DIE LINKE): Das hat sie gesagt! Sie hätten nur bis zum Schluss zuhören müssen!)
(Janine Wissler (DIE LINKE): Ich habe von friedlichen Protesten gesprochen! Hören Sie doch einmal zu!)
Das ist der Punkt, wo ich mich an die Debatte erinnert fühle, die wir hier zu Blockupy geführt haben. Erinnern Sie sich daran? Frau Wissler, damals haben Sie und der Kollege Schaus von diesem Pult aus von einem „martialischen Aufgebot von Polizisten“ gesprochen, davon, dass das „vollkommen überzogen“ sei, dass das „überhaupt nicht“ gehe. Wir hatten es damals mit der Einweihung der Europäischen Zentralbank in Anwesenheit hoher Regierungsvertreter zu tun. Wir hatten es damit zu tun, dass es zu einer Demonstration kam. Da sollte das Demonstrationsrecht geschützt werden. Erinnern Sie sich noch an die Bilder, Frau Kollegin Wissler? Am Morgen brennende Polizeistationen und brennende Polizeiautos. Ich würde mir wünschen, dass wir im Hessischen Landtag sehr deutlich sagen: Demonstrationsrecht, Demonstrationsfreiheit und Meinungsfreiheit sind bei uns ganz hohe Güter, aber Demonstrationen müssen friedlich und ohne Waffen durchgeführt werden.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Janine Wissler (DIE LINKE): Nichts anderes habe ich gesagt!)
In unserem Land darf jeder seine Meinung äußern. Diese Meinung braucht einem nicht zu passen, aber man muss die Meinungsäußerung ertragen. Die Sicherheitsbehörden und die Polizei sollen das Grundrecht auf Meinungsfreiheit und das Grundrecht auf Demonstrationsfreiheit schützen. Ich würde mir wünschen, dass diese Rechte in allen Ländern dieser Welt so wahrgenommen werden könnten wie bei uns in Deutschland.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU sowie bei Abgeordneten der SPD – Man- fred Pentz (CDU): Auch in sozialistischen Ländern! – Hans-Jürgen Irmer (CDU): Venezuela! – Weitere Zurufe von der CDU)
Friedlicher Protest ist verbrieftes Grundrecht – Gewalt und Eskalation hingegen sind keine legitimen Formen des Widerspruchs, sondern Ausdruck einer den Rechtsstaat verachtenden Haltung.