Nur, wir wissen, dass sich diese alte Erfindung nicht durchsetzen konnte. Das hatte Gründe. Bewegte Fahrzeuge, egal ob sie fahren oder fliegen, müssen nämlich die Energie, die sie für ihre Bewegung brauchen, mit sich führen. Wenn diese Energie in Batterien abgespeichert ist, führt das zu großen Gewichtsproblemen. Das heißt, Energie in Form von Strom abzuspeichern, braucht erheblich mehr Gewicht, das sie dann auch mit sich führen müssen. Damit wird allein dadurch ein weiterer Energieverbrauch erzeugt. Wenn sie demgegenüber Energie in Form von Fetten und Ölen mit sich führen, ist dies leichter, und sie brauchen saldiert weniger Energie.
Denjenigen, die mir das nicht glauben, gebe ich den Hinweis, sich einmal mit der Natur auseinanderzusetzen; dort geschieht ganz viel Forschung. Die Natur hat bekanntlich auch Strom erfunden; denken Sie an die Gehirnströme oder den Zitteraal, der ihn sogar als Waffe einsetzt. Aber diese Energie wird in den sich bewegenden Körpern nicht abgespeichert, sondern das geschieht über Fette und Öle, weil die leichter sind.
Wenn es uns gelingt, Treibstoffe herzustellen, die nicht zu einem CO2-Ausstoß führen – die Wissenschaft ist ja auf diesem Weg unterwegs –, dann könnten sie auch in Verbrennungsmotoren zum Einsatz kommen. Solche CO2-freien Treibstoffe könnten beispielsweise aus Algen gewonnen oder durch Bakterien produziert werden. Aber das wird sicherlich noch viele Jahre dauern. Deswegen kann die Elektroenergie, der Elektroantrieb bis zu dem Zeitpunkt, zu dem wir CO2-neutrale Treibstoffe haben, eine Übergangstechnologie sein. Wenn das der Fall ist, ist vielleicht die Idee des Elektromotors auch schon wieder am Ende.
All das sind Spekulationen. Nur, wenn Sie sich heute mit den Wissenschaftlern unterhalten, die in dem Bereich tätig sind, dann werden Sie feststellen, dass wir in der politischen Umsetzung immer etwas hinter dem zurück sind, was andere schon vordenken.
Weil das so ist, ist meiner Ansicht nach der Ansatz, dass wir bestimmte Ziele definieren müssen, z. B. die CO2-Freiheit, sinnvoll, ohne dass wir im Detail bestimmte Techniken festlegen. Technologieoffenheit ist die Voraussetzung für Innovation und Fortschritt, auch im Verkehrsbereich. Wir sind, glaube ich, auch hier auf gutem Weg. Das zuständige Ministerium unterstützt auch dies. Auch hierfür, Herr Al-Wazir, bin ich Ihnen dankbar.
Meine Damen und Herren, Sie können daran sehen: Hessen ist auf einem guten Weg. Wir bringen die Verkehrspolitik in unserem Land voran. Für uns steht im Mittelpunkt der Mensch mit seinem individuellen Verkehrsbedürfnis. Wir arbeiten daran, dass es für alle Menschen hier besser wird, und wir arbeiten daran, dass wir sagen können: Hessen ist ein Land, in dem wir gut und gerne leben.
Vielen Dank, Herr Kollege Caspar. – Als Nächste spricht Frau Abg. Wissler für die Fraktion DIE LINKE. Bitte sehr.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zunächst einmal: Wir sind erstaunt, dass wir hier heute nicht, wie zu Beginn eines jeden Schuljahres üblich, eine Regierungsregierung zur Schulpolitik erleben. Offensichtlich möchte die Landesregierung vier Wochen vor der Bundestagswahl nicht über Lehrermangel,
(Beifall bei der LINKEN, der SPD und der FDP – Michael Boddenberg (CDU): Ach du liebe Zeit! – Weitere Zurufe von der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
den stockenden Ausbau der Ganztagsschulen, die mangelnde Umsetzung der Inklusion, marode Schulgebäude und Schulschließungen reden. Da fällt es offenbar selbst einer um Eigenlob nicht verlegenen Landesregierung schwer, sich zu rühmen.
Meine Damen und Herren, es scheint Ihnen lieber zu sein, heute über fliegende Autos im Jahr 2070 zu reden als über Schulen im Jahr 2017.
Herr Minister, Sie haben heute eine schöne neue Welt der Mobilität gezeichnet und Zukunftsvisionen, von denen wir noch sehr weit weg sind. Nun sind wir – das wissen Sie, Herr Minister – Visionen ja nicht abgeneigt, aber leider haben Sie bei Ihrer Zukunftsvision für den Verkehr 2035 einige Aspekte völlig ausgeklammert.
Beispielsweise zur Bezahlbarkeit von Bussen und Bahnen haben Sie nichts gesagt, ebenso wenig wie zur Barrierefreiheit. Das sind aber Grundvoraussetzungen für Mobilität für alle. Denn wer sich die Fahrkarte nicht leisten kann oder als Rollstuhlfahrer gar nicht erst auf den Bahnsteig kommt, bleibt außen vor.
Herr Minister, auch zu den Beschäftigten, die mit Bussen und Bahnen tagtäglich Fahrgäste quer durchs Land fahren – und das leider zu immer schlechter werdenden Bedingungen –, haben Sie kein Wort verloren. Ich finde, das ist der Arbeit der vielen Menschen, die im ÖPNV arbeiten, nicht angemessen.
Herr Minister, Ihren Ausführungen zum sogenannten Dieselskandal kann ich in großen Teilen zustimmen. Aber dieser sogenannte Dieselskandal ist eigentlich kein Dieselskandal, sondern ein politischer Skandal. Es ist ein Skandal um einen Filz aus Politik und Automobilindustrie. Es ist ein Skandal um einen Bundesminister und ein Kraftfahrt-Bundesamt, die ihren Kontrollpflichten nicht nachkommen.
Wir haben in den letzten Jahren einen munteren Personalaustausch zwischen Autoindustrie und staatlichen Aufsehern, zwischen Politik und Lobby erlebt. Ingenieure haben viel Zeit und Energie darauf verwendet, durch Betrugssoftware Grenzwerte zu unterlaufen, statt eine umweltfreundliche Technik zu entwickeln. Und die politisch Verantwort
Meine Damen und Herren, Grenzwerte sind keine unverbindlichen Empfehlungen. Jedes Jahr sterben Tausende Menschen durch Schadstoffe, deren Emission vermeidbar wäre. Und das ist auch eine soziale Frage;
denn an den stark belasteten Straßen wohnen tendenziell die weniger wohlhabenden Menschen, diejenigen, die sich keine andere Wohnung leisten können, während die dicksten Autos in der Regel von denen gefahren werden, die sie sich leisten können und woanders wohnen. Deshalb ist die Frage von Luftreinheit und von Umweltschutz auch eine soziale Frage.
All das hat nichts mit technischen Problemen zu tun. Es kann nur durch eine andere Politik gelöst werden. Wir brauchen kein Software-Update, sondern wir brauchen eine grundlegende Verkehrswende, und dazu muss man bereit sein, sich mit den Vorständen der Automobilindustrie anzulegen, auch wenn das am Ende die eine oder andere Parteispende kostet.
Ja, Elektromobilität kann manche Probleme lindern. Elektroautos können helfen, die Schadstoffbelastung in den Städten zu senken. Man muss aber schon hinzufügen – das haben Sie auch gemacht, Herr Minister –, dass sie Innenstädte entlasten, weil die Schadstoffe einfach räumlich woanders entstehen. Oder, wie es die „Anstalt“ so schön auf den Punkt gebracht hat: „Der Auspuff des Elektroautos ist der Schornstein des Kohlekraftwerks“. Das Elektroauto ist also so schmutzig oder sauber wie der Energiemix insgesamt, und beim heutigen Energiemix nutzt ein Elektroauto dem Klima kaum. Die Schadstoffe kommen einfach nicht mehr aus dem Auto, sondern woanders aus dem Schornstein. Um die international vereinbarten Klimaziele zu erreichen, brauchen wir dringend Energieeinsparungen und natürlich die Energiewende.
Elektroautos sind also kein Allheilmittel. Die meisten Probleme bleiben nämlich erhalten oder werden durch neue ersetzt. Wenn man den gesamten Produktionsprozess berücksichtigt, sind die CO2-Emissionen von Elektrofahrzeugen nicht wesentlich geringer als die von normalen Fahrzeugen, da für die Batterieproduktion viel mehr Energie gebraucht wird als für die Produktion eines normalen Motors.
Hinzu kommt, dass für die Herstellung von Batterien viele kritische Rohstoffe gebraucht werden, deren Vorkommen unter katastrophalen Umweltbedingungen und unter menschenverachtenden Arbeitsbedingungen im globalen Süden ausgebeutet werden. Und natürlich sind auch diese Rohstoffe endliche Ressourcen. Von daher löst das Elektroauto nicht die grundlegenden Verkehrsprobleme, die wir heute haben.
Auch Elektroautos stehen noch im Stau und verstopfen die Städte. Auch sie machen Autobahnen täglich zur Standspur und schöne Altbaustraßen zum vollgestellten Parkplatz. Vielfach sind Elektroautos heute Luxus- und Statusartikel, meistens werden sie zusätzlich zu Benzinern angeschafft als Spielzeug oder als Einkaufs-Zweitwagen.
Meine Damen und Herren, Oslo ist heute die Stadt mit den meisten Elektroautos weltweit, und zwar auch, weil man
dafür insgesamt 20.000 € Förderung vom norwegischen Staat bekommt. Fakt ist allerdings, dass 60 % dieser Elektroautos als Zweit- oder Drittwagen angeschafft worden sind, die Elektroautobesitzer insgesamt mehr Auto fahren und die Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs zurückgegangen ist. Im Ergebnis heißt Elektromobilität hier also konkret: noch mehr Autos in der Stadt. – Das ist natürlich völliger Unsinn und kann nicht die Vision für die Zukunft sein.
Wenn die deutschen Automobilhersteller nun mit dicken Premium-Limousinen und SUVs mit Elektroantrieb punkten wollen, dann zeigt das wieder, dass sie nichts begriffen haben. Wenn weiterhin mehrere Tonnen Gefährt für eine einzige Person durch die Gegend gefahren werden, dann löst das keine Energieprobleme. Wenn die Autos weiterhin 23 Stunden am Tag ungenutzt herumstehen, dann löst das keine Platzprobleme in den Städten. Wenn die Autos weiterhin immer mehr werden, dann löst das keine Verkehrsprobleme. Es ändert die Verkehrsprobleme nicht, wenn es einen geänderten Antrieb gibt.
Wirkliche Antworten auf die Verkehrsprobleme heute zu finden, heißt auch, Verkehr zu reduzieren, die erzwungene Mobilität zu reduzieren. Frankfurt ist dieses Jahr wieder Vize-Pendlerhauptstadt – kein Titel, auf den man stolz sein sollte. Die Menschen, die tagein, tagaus im Stau nach Frankfurt morgens rein und abends wieder raus stehen, können über den Titel Ihrer Regierungserklärung „Schnell … ans Ziel“ vermutlich nur den Kopf schütteln.
Viele Menschen sind gezwungen, teilweise weit zu pendeln, weil sie keinen bezahlbaren Wohnraum in der Stadt finden. Menschen müssen sich mittlerweile ins Auto setzen, wenn sie einen Hammer oder ein Werkzeug kaufen wollen, weil es in den Innenstädten dafür überhaupt keine Einkaufmöglichkeiten mehr gibt.
Verkehrspolitik ist eben mehr als die Planung von Verkehr. Verkehrspolitik ist auch Stadtplanung, die Steuerung von Gewerbeansiedlungen, die Stärkung regionaler Wirtschaftskreisläufe, und Verkehrspolitik ist auch Wohnungspolitik. Denn einfach nur immer mehr und immer breitere Straßen zu bauen und Elektroautos darauf zu setzen, das kann nicht die Lösung sein.
Ich sage Ihnen auch: Wer sich tagtäglich darüber ärgert, dass Lieferwagen von UPS, DHL, und wie sie alle heißen, Fahrbahnspuren und insbesondere Radwege zuparken, der sollte sich darüber im Klaren sein, dass das auch eine Folge der Privatisierung der Deutschen Post und der Liberalisierung des Paketmarktes ist.
Herr Landau, ja, das ist richtig. Da stehen auch die Wagen der Deutschen Post. Auch sie parken die Radwege zu. Nur, wissen Sie: Seit der Liberalisierung ist es eben so, dass nicht ein Lieferwagen der Deutschen Post nach Hintertupfingen fährt und dort alle Pakete ausliefert, sondern dass gleich mehrere Unternehmen mit mehreren Fahrzeugen dorthin fahren. Sie liefern dann an die Bewohner verschiedene Pakete aus.
Das ist ein Irrsinn. Das zeigt ganz konkret, dass die Liberalisierung keine Probleme löst, sondern Probleme schafft. In diesem Fall geschieht das durch mehr Verkehr.
(Dirk Landau (CDU): Sie sind doch wieder bei Astrid Lindgren! „Ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt!“)
Das mit Astrid Lindgren ist eine schöne Formulierung. Herr Landau, ich erkläre Ihnen das gerne noch einmal. Da besteht natürlich ein Unterschied. Für die Paketzulieferung war ein Unternehmen, die Deutsche Post, zuständig. Sie konnte sich dementsprechend die Wege zurechtlegen. Sie konnte schauen, wie man möglichst effizient mit einem Auto irgendwo hinfährt. Jetzt machen das zehn bis 15 Unternehmen in Konkurrenz zueinander. Ja, auch das bedeutet mehr Verkehr.
Es ist gut, dass mit dem Thema Elektromobilität nach Alternativen geforscht wird. Das gilt auch für andere Antriebsmethoden. Aber sie ist eben kein Allheilmittel. Vielmehr dient sie oft auch als Alibi der Industrie, die sich reinwaschen will.
Ich finde, eines sollte man bei dem ganzen Elektroautohype nicht vergessen: Funktionierende Elektromobilität gibt es seit mehr als einem Jahrhundert. Es gibt sie mit Straßenbahnen, U-Bahnen und Eisenbahnen. Ich finde, das zeigt, dass wir genau auf diesen Weg setzen müssen: nicht immer mehr motorisierten Individualverkehr, sondern die Stärkung des öffentlichen Verkehrs.
Genauso ist es beim Güterverkehr. Natürlich kann man noch anfangen, die hintereinander herfahrenden Lkw zu institutionalisieren. Man kann Gigaliner zulassen. Man kann dann noch eine Oberleitung darüber klemmen, wie es mit dem Feldversuch auf der A 5 geschehen soll.
Man kann die Oberleitung aber auch dahin tun, wohin sie gehört, nämlich über eine Schiene. Das kann gerne auch parallel zu einer Autobahn geschehen. Den Lkw-Fernverkehr zu fördern ist nicht sinnvoll. Stattdessen brauchen wir eine Trendwende auch im Güterverkehr. Dafür muss die Lkw-Maut erhöht werden. Sie muss ausgeweitet werden, um eine Lenkungswirkung zu erzielen. Es sollte nur noch das mit dem Lkw gefahren werden, was mit dem Lkw gefahren werden muss.
Wir müssen neue, menschenverträgliche Eisenbahngütertrassen und flexible Umschlagplätze planen. Das brauchen wir ganz dringend, anstatt immer noch mehr Verkehr und Güter auf die Straße zu verlagern.