Protokoll der Sitzung vom 26.09.2017

Deswegen sollten wir nicht lockerlassen und konsequent auf die Expertise der Fachleute vor Ort setzen, nämlich auf unsere Lehrkräfte. Deswegen ist für mich nach achtzehneinhalb Jahren die Konsequenz daraus, dass es dringender denn je ist, Schulen so eigenständig zu machen, dass sie geschützt sind vor permanenten Umschwüngen der Politik. Ich sage das ganz deutlich. Jenseits der Debatten zu Kooperationsverboten brauchen wir eine viel grundlegendere Reform unseres Bildungsföderalismus. Ich glaube, es reicht nicht aus, nur zu diskutieren: Land versus Bund, Bund versus Land. Vielmehr geht es darum, eigenverantwortliche Schulen, Eigenverantwortung in Personal, Budget und Organisation flächendeckend in Deutschland zu erreichen; denn nur so werden wir uns auf das eigentliche Kerngeschäft von Schulen konzentrieren können. So werden wir die Schulen wie die autonomen Hochschulen abschirmen vor politischen Eingriffen.

Ich persönlich bin gespannt, ob die große Zustimmung, die wir in der Bundestagswahl erfahren haben, und zwar dafür, dass zum ersten Mal in einem Bundestagswahlkampf das Thema Bildung prioritär war für die Menschen – –

(Zuruf von der LINKEN: Was? – Janine Wissler (DIE LINKE): Schön wäre es gewesen!)

Frau Kollegin Wissler, in den Wahlkampfveranstaltungen war festzustellen, dass jenseits der Anfragen aus politisch geprägten Kreisen, gerade jenseits der Anfragen von Journalisten, die uns vorhielten, Bildung sei kein Thema für eine Bundestagswahl, die Menschen jedes Mal deutlich gemacht haben, dass ihnen die Auseinandersetzung, dass

ihnen das Schwarzer-Peter-Spiel zwischen Kommune, Land und Bund völlig egal ist. Die Menschen legen Wert darauf, dass hinten gute Bildung herauskommt.

Ich habe die Hoffnung, dass wir, wenn der Druck aus der Bevölkerung da ist, auch eine Möglichkeit haben, uns gemeinsam über alle Ebenen hinweg und vor allem über alle Fraktionsgrenzen hinweg darauf zu einigen, dass wir den Weltmeistertitel nicht nur beim Fußball innehaben, sondern dass wir den Weltmeistertitel auch für die Bildung anstreben sollten.

(Beifall bei der FDP)

Zum Abschied möchte ich sagen, dass ich meinen Einsatz und auch meine Leidenschaft dafür gerne erbringen möchte. Ich nehme die Erfahrungen aus dem hiesigen Parlament, aus der gemeinsamen Arbeit in Ausschüssen, aus Delegationsreisen oder auch aus dem persönlichen Gespräch sehr gern mit. Ich werde vieles und viele vermissen, wenn auch nicht alles, was man gelegentlich in diesem Parlament gehört und erlebt hat. Ich glaube aber, dass es letztendlich wert ist, diesen Einsatz zu zeigen, und zwar unabhängig davon, auf welcher Ebene man das Ziel anstrebt, dass Deutschland Bildungsweltmeister wird. Ich darf mich ganz herzlich bedanken. Auch wenn ich vieles und viele vermissen werde, aber im Wandel liegen letztendlich viele Chancen, für Sie genauso wie für mich. – Schönen Tag.

(Beifall)

Meine Damen und Herren, das war die letzte Rede der Kollegin Nicola Beer im Hessischen Landtag. Wir haben alle Anlass, herzlich Danke zu sagen.

Seit 1999 gehörst du dem Hessischen Landtag an. Du warst – du hast es angedeutet – in vielfältigen Funktionen, unter anderem parlamentarische Geschäftsführerin der FDP-Fraktion, stellvertretende Fraktionsvorsitzende; du warst auf der Seite der Regierung als Staatssekretärin, als Ministerin und hast das ganze Leben im Landtag von allen Seiten miterlebt. Du warst immer eine recht angenehme, nicht immer einfache Kollegin;

(Heiterkeit)

das gehört aber auch dazu. Wir wollen dir aber ganz herzlich danken. Jetzt gehst du nach Berlin. Bring ein bisschen hessische Vernunft nach Berlin; das kann denen dort gar nicht schaden.

(Allgemeiner Beifall)

Ich will dir namens des Landtags auch ein Präsent überreichen. Das ist die Uhr des Hessischen Landtags, damit ihr in Berlin immer wisst, was die Stunde geschlagen hat. Wir wünschen dir alles Gute, Glück auf und Gottes Segen bei der Vertretung unserer Interessen auch in Berlin. Alles Gute, vielen Dank.

(Allgemeiner Beifall – Vizepräsident Frank Lortz überreicht ein Präsent.)

Meine Damen und Herren, ich unterbreche für eine Minute. Macht eure ganzen Liebeleien.

(Abg. René Rock (FDP) und Abg. Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) überreichen einen Blumenstrauß.)

Meine Damen und Herren, ich glaube, das war angemessen, dass eine Kollegin, die so lange dem Hessischen Landtag angehört und mit uns gemeinsam gewirkt hat, sich in angemessener Form verabschieden konnte. Das war eine richtige Sache. Trotzdem müssen wir in der Debatte fortfahren, wenn keiner etwas dagegen hat. Wenn einer etwas dagegen hat, würden wir es auch tun.

Der Kollege Armin Schwarz hat das Wort für die CDUFraktion. Bitte sehr, Armin.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Es ist jetzt gar nicht so einfach nach dieser Gratulationscour, aber das schaffst du schon. Bitte.

(Minister Stefan Grüttner: Wir können ihm auch gra- tulieren! Armin, wir gratulieren dir auch!)

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen, sehr geehrte Kollegen! Bevor die bildungspolitische Debatte wieder Fahrt aufnimmt: Liebe Kollegin Beer, auch meinerseits alles Gute für Sie. Mögen Sie Hessen in Berlin gut vertreten, mögen Sie für das deutsche Volk gute Entscheidungen treffen. All das gebe ich Ihnen gern mit auf den Weg, also nur das Beste, Gottes reichen Segen.

(Vizepräsident Dr. Ulrich Wilken übernimmt den Vorsitz.)

Den Pfad der bildungspolitischen Debatte jetzt wieder aufzunehmen ist nicht ganz einfach. Aber ich versuche einmal, die Eckpfeiler aufzunehmen, die eben von der Opposition gesetzt worden sind. Deswegen bin ich froh darüber, dass ich am Ende der Debatte als letzter Redner noch ein paar Dinge geradeziehen kann. Denn in einem Punkt sind wir uns sehr einig, glaube ich: Qualitativ hochwertiger Unterricht und die Rekordinvestition in Schulen sichern die besten Bildungs- und Zukunftschancen für die hessischen Schülerinnen und Schüler.

Meine Damen und Herren, dabei gilt selbstverständlich, dass Qualität und Quantität zwei Seiten derselben Medaille sind. Deswegen müssen wir sehr deutlich sagen, dass 1.700 zusätzliche Stellen allein in diesem Haushalt nicht nur geschaffen und ausfinanziert worden sind, sondern die haben wir auch besetzt. Das heißt, zum vierten Mal in Folge haben wir die Lehrer-Schüler-Relation verbessert und liegen jetzt im Schnitt bei einem Lehrer-Schüler-Verhältnis von 1 : 13,8. Darauf können wir stolz sein.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, das sind Bestwerte, das ist eine Leistungsschau. Denn die 53.000 Stellen, die wir haben, sind besetzt. Bei 770.000 Schülerinnen und Schülern ist das ein Bestwert. Mehr Lehrer gab es noch nie in Hessen. Ich will es noch einmal erwähnt haben, damit das nicht völlig aus der Erinnerung kommt: Zur Grundunterrichtsversorgung – wir sind alle Profis hier und wissen genau, was das bedeutet – bedarf es 38.000 Stellen. Ich habe es gerade gesagt: Wir haben 53.000 Stellen. Das heißt, 15.000 Stellen on top, so viel Personal wie noch nie. Ich sage sehr deutlich, das ist gut investiertes Geld, das leisten wir uns aus tiefer und fester Überzeugung. Wir haben die kleinsten Klassen aller Zeiten, zuzüglich der 105 %, und die gibt es nur in Hessen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, einen Spitzenwert haben wir auch in der relativen Entwicklung der Bildungsausgaben der öffentlichen Hand für Schulen. Allein in den letzten 15 Jahren haben wir hier einen Zuwachs von 67,6 %; das ist so viel an Zuwachs wie in keinem anderen Bundesland. Das sind unerreichte Werte. In diesem Haushaltsplan sind wir noch bei knapp 5 Milliarden €. Im nächsten Haushaltsplan, das darf ich sagen, werden wir 5 Milliarden € reißen. Das wird eine Rekordinvestition sein. Das ist eine Schallmauer, die ist in der Dimension wirklich historisch.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Qualität und Quantität, verbunden mit den richtigen Schwerpunkten, mit den erfolgreichen Konzepten der Landesregierung, das sind die Schlüssel zum Erfolg. Der Minister hat es gesagt: Wir leben in durchaus schnell sich verändernden Zeiten. Das sind Turbulenzen, das sind Veränderungen, die alle Lebensbereiche betreffen. Diese Veränderungen betreffen die Familien, die Arbeitswelt, den Beruf, die ganze Gesellschaft und selbstverständlich auch die Schulen. Genau deswegen gibt es diese Querschnitts- und Daueraufgaben, die wir kraftvoll und mit sehr präzisen Konzepten angehen. Da möchte ich doch noch einmal in Erinnerung rufen, was bereits erfolgreich läuft und was wir weiter konsequent an Intensität und Kraft hineinstecken.

Kollege Wagner hat es gesagt: Der Pakt für den Nachmittag ist das größte Ausbauprogramm für den Ganztag, das es jemals in Hessen gab. Zwei Drittel der Schulträger sind dabei. Sie hören das immer wieder, weil Sie es offensichtlich anders bewerten; aber vielleicht lernen Sie dazu. Es sind 2.600 Lehrer, die nur im Bereich des Ganztags tatsächlich aktiv sind, und 1.100 Schulen, die sich im Ganztagsprogramm, vom Pakt für den Nachmittag über Profil 1 bis Profil 3, engagieren. Das ist wirklich ein enormer Zuwachs. Ich will es nur einmal sagen: Als wir übernommen haben, gab es gerade mal 100 Schulen, die sich im Ganztag engagiert haben. Jetzt liegen wir bei über 1.100 Schulen, und das ist wirklich epochal.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, reden wir darüber, was wir im Bereich der Integration und der Deutschförderung machen. Auch das will ich in Erinnerung rufen

(Günter Rudolph (SPD): Das habe ich auch schon einmal gehört!)

das ist schön –: 40.000 Seiteneinsteiger seit Anfang der Legislaturperiode. Da warten wir nicht ab, da schauen wir nicht zu, da agieren wir; denn Deutsch ist die Grundlage für alles. Deutsch ist die Grundlage für gesellschaftliche Teilhabe, für Karriere und Schulperspektiven. Von daher: 2.630 Stellen, das sind noch einmal 450 mehr in diesem Bereich, die wir mit Qualität besetzen. Mittlerweile haben bereits über 500 Kolleginnen und Kollegen eine Weiterbildung – Sie wissen, das ist ein Studium – in diesem Bereich „Deutsch als Zweitsprache“ gemacht, und über 4.000 Kolleginnen und Kollegen haben eine Deutsch-Basisqualifikation erworben. Ich glaube, das kann sich wirklich sehen lassen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Das führt dazu, dass wir mittlerweile fast 9.000 Kinder und Jugendliche in die Regelklassen überführt haben. Sie sind integriert und kommen da gut klar, weil sie über diese passgenauen Maßnahmen gut gerüstet und in deutscher Sprache gut ausgebildet wurden. Deswegen ist auch dieses Konzept sehr erfolgreich.

Zum Thema Inklusion will ich in aller Kürze doch noch ein paar Dinge sagen. Ja, wir setzen die UN-Menschenrechtskonvention für behinderte Menschen um. Das gilt, und das machen wir auch in der nötigen Form. Aber eines ist auch klar: Die Wahlfreiheit der Eltern bleibt bestehen, und vor allem gilt eines: Das Kindeswohl ist entscheidend. Das Kind muss dort beschult werden, wo die idealen Rahmenbedingungen sind. Das Kind muss dort beschult werden, wo die optimalen Förderprogramme tatsächlich greifen.

Insofern will ich deutlich sagen: Die Beratungs- und Förderzentren sowie die Schulen beraten in beide Richtungen. Das gilt nicht nur für die Beratung in Bezug auf Inklusion – die zielgleich zu erfolgen hat –, sondern auch für eine Beratung in der Richtung, dass ein Kind an einer Förderschule besser aufgehoben sein kann. Das halte ich für vernünftig. Wir stehen für den Erhalt der Förderschulen. Da gibt es überhaupt keine Zweifel. Ich kann aus Gesprächen mit Müttern berichten, die ihre Kinder zuerst in inklusiver Beschulung untergebracht haben und nach einer gewissen Zeit erkannten, dass ihr Kind an einer Förderschule besser aufgehoben ist. Wenn nämlich ein behindertes Kind bzw. ein Kind mit Einschränkungen von einer Klassengemeinschaft nicht mitgenommen wird, möglicherweise nicht zu Kindergeburtstagen eingeladen wird, dann tut das dem Kind schon weh. Deshalb kam es zu der genannten Entscheidung pro Förderschule. Es waren sehr beeindruckende Erfahrungsberichte, die ich da aus erster Hand bekommen habe. Sie haben mir gezeigt, dass die Förderschulen in diesem Bereich ganz wichtige Aufgaben erfüllen.

(Beifall bei der CDU)

Vierter Punkt: der Sozialindex. Da stecken wir nicht nur Geld hinein, sondern auch Stellen, um die Schulen zu entlasten und zu unterstützen. Das Ganze wird durch den Integrationsindex flankiert. Das sind summa summarum, über den Daumen gepeilt, 8.500 Stellen. Das ist wirklich eine Kraftanstrengung und zeigt, wie ernst wir es mit einer passgenauen Unterstützung der hessischen Schulen meinen. Das ist uns sehr, sehr wichtig.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN)

Zur Qualität von Schule gehört selbstverständlich auch eine ordentliche Fort- und Weiterbildung. Ich möchte darauf schon noch eingehen; denn es wird hier so getan, als sei die Fort- und Weiterbildung eine nur im Moment notwendige Sache. In einem Berufsleben von 40 oder mehr Jahren ist es doch eine Selbstverständlichkeit, dass die Lehrerinnen und Lehrer lebenslang dazulernen. Das hat es früher schon gegeben, und das wird es weiterhin geben. Deshalb setzen wir aktuell eine Priorität in den Bereichen, die besonders im Fokus stehen: Heterogenität, Digitalisierung und Inklusion. Das tun wir mit aller Konsequenz. Da gibt es überhaupt keinen Dissens.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN)

Gelegentlich ist es schön, wenn man ein Zitat platzieren kann. An dieser Stelle bietet sich ein Zitat von John F. Kennedy an. Er hat gesagt: Es gibt nur eines, was auf Dauer teurer ist als Bildung, nämlich keine Bildung – oder eine schlechte Bildung, wie ich ergänzen möchte. Das ist eine Steilvorlage, hier noch einmal zu beschreiben, wie wir die Rahmenbedingungen für die Grundschulen zusätzlich verbessern. Wir wollen eine gute Bildung, konsequent von der ersten bis zur letzten Klasse, in allen Bildungsgängen. „Gute Bildung von Grund auf“ ist unser Motto – flankiert durch massive Investitionen, die ich gerade beschrieben habe.

Herr Kollege Degen, wenn Sie sich hierhin stellen und erzählen, dass in der Amtszeit des Kollegen Holzapfel die Welt in Ordnung gewesen sei, dann falle ich fast vom Stuhl. Zu der Zeit bin ich noch an einer Schule tätig gewesen und hatte einen regen Austausch mit den Kollegen, die unterrichtet haben. Ich will Ihnen eines sagen: Eine 80-prozentige Lehrerversorgung gleich 100 % zu setzen und dann auch noch zu erklären, dass kein Unterricht ausfalle, das ist eine Darstellung am Rande des Irrsinns. Das muss man der Welt wirklich einmal vergegenwärtigen.

(Beifall bei der CDU – Zurufe von der SPD)

Ich will Ihnen noch eines sagen: Der Kollege Holzapfel ist damals so unter den Schlitten der GEW gekommen, dass er freiwillig aus der GEW ausgetreten ist. So ein Zufall; manche Dinge fügen sich eben ineinander. Deshalb bin ich dankbar für Ihren Hinweis und komme zu dem Unterstützungspaket zurück, das wir für die Grundschulen auf den Weg gebracht haben.