Protokoll der Sitzung vom 22.11.2017

Kolleginnen und Kollegen! ich eröffne die 119. Plenarsitzung und stelle die Beschlussfähigkeit fest.

Zur Tagesordnung. Erledigt sind die Punkte 1 bis 12, 14, 31, 71 und 74.

Noch eingegangen und an Ihren Plätzen verteilt ist ein Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

(Günter Rudolph (SPD): Es gibt keinen Stau in Hessen!)

betreffend Landesregierung stärkt Hessen als Verkehrsdrehscheibe und legt den Grundstein für die Mobilität des 21. Jahrhunderts, Drucks. 19/5442. – Ich sehe, dass die Dringlichkeit bejaht wird. Dann wird dieser Dringliche Entschließungsantrag Tagesordnungspunkt 75 und wird zusammen mit Tagesordnungspunkt 55 zu diesem Thema aufgerufen werden. – Ich sehe keinen Widerspruch.

Zum Ablauf der Sitzung. Vereinbarungsgemäß tagen wir heute bis 19 Uhr bei einer Mittagspause von zwei Stunden. Wir beginnen mit Tagesordnungspunkt 55, und damit wird auch der neue Tagesordnungspunkt 75 aufgerufen. Dann folgt Tagesordnungspunkt 57. Nach der Mittagspause starten wir mit Tagesordnungspunkt 59.

Entschuldigt fehlen heute Frau Staatsministerin Lucia Puttrich ab ca. 13 Uhr und der Abg. Ernst-Ewald Roth wegen Erkrankung. Auch der Kollege Schaus ist noch erkrankt.

Ich möchte Sie auf die Eröffnung der Ausstellung „Schicksale der Opfer des § 175 in Hessen zwischen 1945 und 1985“ hinweisen. Das ist eine Ausstellung des Hessischen Ministeriums für Soziales und Integration in Zusammenarbeit mit dem Schwulen Museum Berlin. Diese Ausstellung wird heute um 13 Uhr in der Ausstellungshalle eröffnet. Ich möchte Sie dazu herzlich einladen.

Heute Abend wird auf Einladung von Landtagspräsident Kartmann der Dokumentarfilm „Der Auftrag – Luther und die Johanniter“, der sich mit der Reformation und der Geschichte des Johanniterordens beschäftigt, im Anschluss an die Plenarsitzung um ca. 19 Uhr im Medienraum gezeigt. Der bekannte Dokumentarfilmer Volker Schmidt-Sondermann hat diesen auch hessische Geschichte tangierenden Film gedreht. Im Anschluss daran findet in der Eingangshalle ein Imbiss statt.

Kolleginnen und Kollegen, damit steigen wir in die Tagesordnung ein. Ich rufe Tagesordnungspunkt 55 auf:

Antrag der Fraktion der SPD betreffend Hessen steht im Stau und in überfüllten S-Bahnen – Drucks. 19/5405 –

zusammen mit Tagesordnungspunkt 75:

Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Landesregierung stärkt Hessen als Verkehrsdrehscheibe und legt den Grundstein für die Mobilität des 21. Jahrhunderts – Drucks. 19/5442 –

Vereinbarte Redezeit sind zehn Minuten je Fraktion. Als Erster hat Kollege Schäfer-Gümbel für die SPD-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin, meine verehrten Damen und Herren! „Hessen steht im Stau und in überfüllten S-Bahnen“. So einfach, aber eindeutig lautet die Überschrift unseres Antrags zu unserem Setzpunkt. Und tatsächlich: Hessen steht im Stau. 61.710 Staumeldungen, 119.280 km Stau,

(Günter Rudolph (SPD): Hört, hört!)

das ist die Bilanz des Landes Hessen im ADAC-Staureport für das Jahr 2016.

Nur in Baden-Württemberg, Bayern und Nordrhein-Westfalen gab es mehr Staumeldungen und Staukilometer als bei uns.

Dreimal um die Erde – auf diese Länge haben sich die Staus auf den Autobahnen in Hessen im vergangenen Jahr summiert. Die Geduld der Bürgerinnen und Bürger wird jeden Tag von der schwarz-grünen Verkehrspolitik auf eine wahrlich harte Probe gestellt.

(Günter Rudolph (SPD): Da lacht er! – Zuruf von der Regierungsbank)

Pendlerinnen und Pendler müssen bei ihrem Weg zur Arbeit fast täglich mit Beeinträchtigungen durch Staus auf den Straßen rechnen. – Ich weiß nicht, Frau Ministerin, was an 61.710 Staumeldungen im Jahr 2016 absurd ist. Aber das werden Sie uns vielleicht gleich erklären.

(Beifall bei der SPD)

Ich bin gespannt, was dazu gleich gesagt werden wird.

Ich wiederhole: Die Pendlerinnen und Pendler müssen bei ihrem Weg zur Arbeit fast täglich mit Beeinträchtigungen durch Staus auf den Straßen rechnen. Diese Stausituation in Hessen schadet den Menschen, der Wirtschaft und der Umwelt.

Die aktuellen Staumeldungen will ich Ihnen heute ersparen. Das hatten wir im Rahmen der Regierungserklärung, und außerdem würde mir das heute Morgen zu viel Zeit wegnehmen.

Herr Minister, die Gesamtbilanz ist eindrucksvoll genug. Letztes Jahr standen die Menschen auf Hessens Autobahnen insgesamt 31.600 Stunden im Stau.

(Zuruf von der CDU)

31.600 Stunden, in denen die Menschen nicht ihrer Arbeit nachgehen konnten, 31.600 Stunden, in denen sich die Menschen nicht mit ihren Kindern beschäftigen konnten,

(Judith Lannert (CDU): Oh!)

31.600 Stunden, in denen sich die Menschen nicht um ihren Haushalt kümmern konnten, und 31.600 Stunden, in denen sie sich nicht ehrenamtlich engagieren konnten.

(Judith Lannert (CDU): Oh!)

31.600 Stunden. „Staufreies Hessen“ ist in Wirklichkeit die größte staatlich verantwortete Lebenszeitvernichtung der Republik.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der FDP – Zuruf von der CDU)

Die „Ohs“ und „Wehs“ aus der Regierungsfraktion der Union überraschen mich in der Tat nicht.

Das gravierende Stauaufkommen wird von der Landesregierung mit der großen Anzahl von Baustellen begründet,

um dem seit Jahren bestehenden Sanierungsstau zu begegnen. Diese Antwort kann für die Pendlerinnen und Pendler zumindest keine zufriedenstellende sein;

(Zuruf von der SPD)

denn diese müssen die verfehlte Infrastrukturpolitik der letzten CDU-geführten Landesregierungen ausbaden.

(Norbert Schmitt (SPD): So ist es!)

Die CDU hat sich immer als Infrastrukturpartei verstanden. In Wahrheit hat sie Hessens Straßen unter ihrer Regierungsverantwortung verkommen lassen.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN – Michael Boddenberg (CDU): Ach du lieber Gott!)

Ich erinnere mich noch gut, Herr Boddenberg, als ein gewisser Roland Koch, der Ihnen ja bekannt ist, im Jahre des Herrn 1998

(Michael Boddenberg (CDU): Ist das eine Rede von 1998?)

öffentlich erklärt hat, dass am Tag nach seinem Regierungsantritt die Bagger an der A 49 rollen würden.

Kollege Rudolph war dabei. Sie wissen, dass die einzigen Bagger, die anschließend rollten, die Matchbox-Modelle auf Roland Kochs Dienstschreibtisch waren – aber nicht an der A 49.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

Wir haben im Hessischen Landtag schon oft über den Investitions- und den Sanierungsstau in der Verkehrsinfrastruktur diskutiert. Die Hälfte aller Straßen und Brücken in diesem Land ist in schlechtem oder sehr schlechtem Zustand. Das sind Daten, die Sie selbst erhoben haben. Der Zustand der Straßen und Brücken wird nicht besser, wenn die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen weiterhin weniger Geld zur Verfügung stellen, als allein für den Erhalt des Status quo notwendig wäre. Die Unterfinanzierung zeigt Wirkung. Sie fordern ständig „Sanierung vor Neubau“ – eine Zielsetzung, die jedenfalls im Rhein-MainGebiet aufgrund des Bevölkerungswachstums nicht zu halten ist. In Wahrheit ist es aber auch so, dass Sie an vielen Stellen weder das eine noch das andere tun.

(Beifall bei der SPD)

Die SPD-Landtagsfraktion hat in den Beratungen mehrfach beantragt – und tut dies immer wieder –, die Mittel im Haushalt zu erhöhen, um die Unterfinanzierung des Landesstraßenbaus zu reduzieren. Das werden wir auch in diesem Jahr tun. Bauprojekte sind notwendig. Die Ursache für die Verzögerungen in den letzten Jahren ist zu einem ganz wesentlichen Teil der seit Jahren praktizierte Personalabbau, ebenfalls von der CDU-geführten Landesregierung zu verantworten. Die Landesregierung versäumt es weiterhin, diesen Personalabbau zu stoppen. Hatte Hessen Mobil Anfang der Neunzigerjahre noch 5.000 Stellen, sind es aktuell 3.274 Beschäftigte auf 3.176 Vollzeitstellen. Das ist ein Abbau um sage und schreibe fast 40 %. Das ist der Grund dafür, warum in den letzten Jahren die erhöhten Bundesmittel durch das Land Hessen nicht hinreichend abgerufen werden konnten. Am Ende ist es nämlich so, dass nicht Haushaltsposten Straßen und Brücken bauen, sondern Ingenieure, Straßenbauarbeiterinnen und Straßenbauarbeiter.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der FDP)

Deswegen erwarten wir eine Kurskorrektur und einen Personalaufbau. Wir werden in Bezug auf Ingenieure und Techniker Anträge zum Haushalt stellen, um am Ende den Personalstand auch bei Hessen Mobil zu erhöhen.