Protokoll der Sitzung vom 23.11.2017

(Die Rednerin hält ein Blatt Papier in die Höhe.)

Das ist § 5 des Landesaufnahmegesetzes von RheinlandPfalz. Er besteht aus drei Absätzen. Das ist das, was in Rheinland-Pfalz zur Frage der Abschiebehaft geregelt ist. Ich finde, das sollte man zumindest zur Kenntnis nehmen und die Kritik, die geäußert wird, angesichts des von mir eben Gezeigten und Gesagten entsprechend einordnen.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Es ist so, dass die Anhörung – ich glaube, da waren wir uns im Innenausschuss weitgehend einig – ein sehr indifferentes Bild gezeigt hat. Das hat natürlich auch etwas damit zu tun, wer bei der Anhörung zugegen war, welche Institutionen eingeladen waren und wer welche Institution vertre

ten hat. Den einen waren die gesetzlichen Regelungen, die wir vorsehen, viel zu weitgehend; darin seien zu viele Freiheiten. Die anderen waren der Auffassung, dass wir viel zu viele Restriktionen in diesem Gesetzentwurf haben. Wir befinden uns hier natürlich in einem Spannungsfeld, da wir uns nicht im Bereich der Strafhaft bewegen, sondern uns in einem besonderen rechtlichen Rahmen bewegen müssen. Dabei muss es uns gelingen, die Sicherheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieser Einrichtung, aber natürlich auch der Unterzubringenden zu regeln. Ich glaube, dass wir das mit diesem Gesetzentwurf in einer guten Form getan haben.

Ich möchte sagen, weil mir das wichtig ist und weil wir es angekündigt haben: Wir werden zur dritten Lesung Änderungsanträge einbringen. Ich möchte heute zumindest stichpunktartig darstellen, was das für Änderungen sein werden.

Zum einen wollen wir klarstellen, dass die Abschiebehaft eine Ultima-Ratio-Maßnahme ist. Sie wissen, dass wir in Hessen immer auf eine freiwillige Ausreise setzen. Das ist bekannt, und da sind wir uns, glaube ich, einig. Das hessische Innenministerium tut unglaublich viel dafür, dass ausreisepflichtige Menschen unser Land freiwillig verlassen, dass es zu keinen Abschiebungen kommen muss. Das ist im Übrigen nicht nur für die Betroffenen, sondern auch für diejenigen, die das von polizeilicher Seite begleiten müssen, keine angenehme Aufgabe. Insofern sind wir auf einem sehr richtigen Weg, das genau so zu machen. Dafür gilt, das darf man an der Stelle auch einmal sagen, mein Dank allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die hieran Anteil haben.

Wir wollen aber auch den Zweck dieser Maßnahme mit dem Gesetzentwurf deutlicher herausarbeiten. Wir wollen außerdem einen Verweis auf datenschutzrechtliche Regelungen des hessischen Strafvollzugs aufnehmen. Wir wollen eine eigenständige Regelung zur Freizeitgestaltung sowie zum Bezug von Zeitungen und zur Mediennutzung hinzufügen. Wir wollen einen Verweis auf die Gesundheitsversorgung einfügen. Es geht uns darum, dass anwaltliche und konsularische Verfahrensbevollmächtigte einen uneingeschränkten Zugang bekommen. Außerdem wollen wir einen Hinweis bezüglich der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge aufnehmen. – Da schaue ich Kollegin Faeser an, weil sie das in der Sondersitzung des Innenausschusses explizit angesprochen hat.

(Nancy Faeser (SPD): Sehr gut!)

Wir werden diesen Hinweis aber in die Begründung des Gesetzentwurfs aufnehmen, weil das eine Sache ist, die die Gesetzgebung des Bundes betrifft. Wir werden aber eine klare Formulierung aufnehmen.

Ich denke, man kann abschließend sagen, dass wir einen Gesetzentwurf vorgelegt haben, der stimmig und solide ist und auch Änderungshinweise aus der Anhörung aufgreift. Wir tragen am Ende einer notwendigen Maßnahme Rechnung.

Fakt ist: Wir werden Abschiebungen vornehmen müssen, wenn ein Betroffener es nicht vorzieht, freiwillig auszureisen, wenn man in einem rechtsstaatlichen Verfahren zu dem Ergebnis kommt, dass er nicht in unserem Land bleiben kann. Daher ist es als Ultima Ratio eben geboten, eine eigene Abschiebungshaftanstalt hier in Hessen zu haben. Insofern ist der Gesetzentwurf eine runde Sache.

Wir werden in der dritten Lesung abschließend Gelegenheit haben, über die Details der Änderungsanträge zu diskutieren. Ich beantrage die dritte Lesung dieses Gesetzentwurfs.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. – Als Nächste spricht Kollegin Faeser, SPDFraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir haben es wieder einmal mit einer Anhörung zu tun, die eindrucksvoll gezeigt hat, dass alle Anzuhörenden etwas an diesem Gesetzentwurf zu kritisieren hatten. Es gab niemanden, der gesagt hat, der Gesetzentwurf könne so bleiben.

Ich denke, man muss den Grundsatz voranstellen, den ein früherer Vorsitzender Richter des Verwaltungsgerichts in Berlin einmal so formuliert hat: Abschiebungshaft ist als „normales Leben minus Freiheit“ darzustellen. – Das gelingt mit dem vorliegenden Gesetzentwurf nicht.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und der FDP)

Zur Unterscheidung: Wir haben es hier mit Verwaltungshaft und gerade nicht mit Strafhaft zu tun. Abschiebungshaft dient nämlich nicht der Strafe, sondern der Sicherstellung der Rückführung. Sie betrifft Menschen, die nach einem rechtskräftig abgelehntem Asylantrag, nach der Ablehnung der Verlängerung eines Aufenthaltstitels oder nach Ausweisung vollziehbar ausreisepflichtig sind und abgeschoben werden sollen. Sie ist also als Ultima Ratio im Einzelfall vorgesehen.

Wir haben auch in der letzten Beratung über diese Thema hier im Plenum dennoch gesagt: Wir halten eine eigene Abschiebungshaftanstalt in Hessen für nötig, aber nur dann, wenn alle humanitären Voraussetzungen dafür geleistet sind und wenn der Ultima-Ratio-Grundsatz auch im Gesetz verankert wird, wie es in Nordrhein-Westfalen und in Baden-Württemberg der Fall ist. – Auch das haben wir in der ersten Lesung schon gesagt. Frau Wallmann, ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie jetzt eine entsprechende Änderung des Gesetzentwurfs vorgeschlagen haben. Insofern findet das unsere Unterstützung.

(Beifall bei der SPD – Dr. Ulrich Wilken (DIE LIN- KE): Schauen wir einmal!)

Wenn es so gemacht wird. Da hat Herr Wilken recht. – Wir werden uns das aber nicht nur anschauen, sondern wir werden, wie wir schon in der ersten Lesung des Gesetzentwurfs angemerkt haben, eigene Änderungsvorschläge zur dritten Lesung einbringen.

Ich möchte etwas zu den Anzuhörenden sagen. Der Deutsche Anwaltverein hat kein gutes Haar an den Regelungen des Gesetzentwurfs gelassen. Besonders kritisch sieht er – wie auch die Liga der Freien Wohlfahrtspflege – den pauschalen Verweis auf die Regelungen des Strafvollzugsgesetzes. Ich darf zitieren:

Der Deutsche Anwaltverein warnt eindringlich davor, das Gesetz mit Verweisen auf das Strafvollzugsrecht zu versehen.

Abschiebungshäftlinge sind unbedingt im Vollzug von Strafhäftlingen zu trennen. Sie dürfen auch nicht wie Straftäter behandelt werden. … Der Landesgesetzgeber sollte daher auf jegliche Verweise auf das Strafvollzugsgesetz verzichten, sondern vielmehr die einzelnen erforderlichen Regelungen an das Abschiebungshaftrecht anpassen und entsprechend in das Gesetz … formulieren.

So auf Seite 6 der Stellungnahme des Deutschen Anwaltvereins. Meine Damen und Herren, da haben Sie einen umfangreichen Bearbeitungsbedarf. Wir sind sehr gespannt, wie Sie das zur dritten Lesung vorlegen.

(Beifall bei der SPD)

Es geht hier schließlich um massive Eingriffe in Freiheitsrechte. Wir hatten schon zur ersten Lesung angemerkt, dass die Unterbringung von Kindern im Gesetz nicht geregelt ist. Frau Wallmann, jetzt habe ich von Ihnen gehört, dass Sie in Bezug auf die unbegleiteten Minderjährigen etwas regeln wollen, zumindest in der Begründung. Wir sind der Auffassung, dass unbegleitete Minderjährige gar nicht in Haft gehören.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN – Zuruf des Abg. Alexander Bauer (CDU))

Herr Bauer, ich will es noch einmal sagen: Wir haben in der ersten Lesung gesagt, dass es um die Kinder geht, die mit ihren Familien untergebracht werden. – Dazu haben Sie in dem Gesetzentwurf nichts geregelt. Dazu haben wir Änderungsbedarfe; und wir werden unsere Änderungen auch einbringen. Dort wird es vermutlich nicht anders gehen, aber unbegleitete Minderjährige, die ohnehin schon sehr stark traumatisiert sind, gehören aus unserer Sicht überhaupt nicht in Haft.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN – Alexander Bauer (CDU): Das hat auch keiner vor!)

Wir haben sehr umfangreiche Anmerkungen der Liga der Freien Wohlfahrtspflege und des Paritätischen Wohlfahrtsverbands Hessen gehabt; insbesondere die Einschränkung der Besuchsrechte wurde kritisiert – vor allem die Einschränkung der Besuchsrechte von Rechtsanwälten; diesen Punkt will ich noch einmal herausstellen. Eine derartige Einschränkung – ich zitiere – „ist in einer Abschiebungshaft unangemessen“. Auch hier muss eine Änderung erfolgen.

(Beifall bei der SPD)

Sie haben jetzt gesagt, Sie würden die Freizeitregelung noch einmal mit aufgreifen. Das halte ich auch für wichtig und richtig. Aber ebenso sollten Sie – wir werden auch dazu einen Vorschlag machen – die Seelsorge und die psychische Beratung dringend ordentlich regeln, weil das hier sehr angemessen und wichtig ist.

Ich will es heute kurz machen, weil wir eigentlich alles im nächsten Plenum in zweiter Lesung hätten besprechen können. Ich will noch einmal darauf hinweisen: so viel zu den ordnungsgemäßen Verfahren, meine Damen und Herren. Am Ende des Jahres kommen Sie plötzlich mit allen wichtigen Gesetzen.

(Günter Rudolph (SPD): Ja!)

Das hätten Sie im laufenden Jahr ordnungsgemäß machen können. Die FDP und wir haben immer wieder darauf hingewiesen, dass wir eine eigene Abschiebehafteinrichtung brauchen und dass es dafür eines Gesetzes bedarf. Jetzt kommen Sie damit kurz vor knapp; Sie wollen schon zu Beginn des nächsten Jahres eröffnen.

(Ulrich Caspar (CDU): Stellen Sie im November schon die Arbeit ein?)

Herr Kollege Caspar, Sie sind nicht im Innenausschuss, daher wissen Sie auch nicht, dass wir extra eine Sondersitzung brauchten, um die Anhörung zu diesem Gesetzentwurf auszuwerten. – Wenn man ein ordnungsgemäßes Verfahren gemacht hätte, wenn Sie das ordentlich vorbereitet hätten, hätten wir die dritte Lesung vielleicht nicht gebraucht.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege Bauer, wir hätten vor allen Dingen nicht so ein Hauruckverfahren gebraucht,

(Günter Rudolph (SPD): Ja, und nichts kam!)

und dann hätte man viele der Regelungen, die Sie jetzt ändern wollen, von Anfang an und in einem ordnungsgemäßen Verfahren ändern können. Ich finde, diese Sache ist so wichtig, dass man das in einem geordneten Verfahren und langfristig hätte aufrufen müssen und dass man gemeinsam etwas hätte vorlegen können. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. – Als Nächster spricht Herr Kollege Dr. Blechschmidt, FDP-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Kollegin Wallmann, Frau Kollegin Faeser, die jetzige Beratung unterscheidet sich von der vorhergehenden schon darin, dass alle Beteiligten Änderungsanträge einbringen und wir eine lebhafte Diskussion bekommen werden, mit der Überschrift – Frau Wallmann hat das vorweggenommen; dies wurde aber auch im Ausschuss diskutiert –: „Eine dritte Lesung ist dringend erforderlich“. Von meiner Seite hätte es keiner dritten Lesung bedurft,

(Beifall der Abg. Nancy Faeser (SPD))

wenn wir im Dezember die zweite Lesung gemacht, alles vorbereitet und eingebracht hätten. Alle Fraktionen haben im Ausschuss signalisiert – ich glaube, es war gestern oder vorgestern –, dass es Handlungsbedarf gibt. Auch meine Fraktion wird Anträge vorlegen, die gegebenenfalls abgeglichen und verglichen werden und in einer Schnittmenge vielleicht gemeinsam getragen werden. Ich weiß es nicht; ich denke da positiv.

In der Tat ist es so, dass uns die Thematik der Abschiebehaft als Landtag seit Langem beschäftigt. Es gibt die Kleine Anfrage des Abg. Greilich vom Januar 2017; dazu haben wir im Mai erfahren, dass die Hessische Landesregierung in Hessen eine eigene Abschiebehaftanstalt plant. Herr Minister, wir unterstützen ausdrücklich, dass diese Abschiebehaftanstalt kommt. Wir sehen diese als unerlässlich an, weil dies die Zahl ausreisepflichtiger Menschen

und die geringen Kapazitäten einfach erfordern. Dies findet auch vollumfänglich die Unterstützung der FDP. Das monatelange Prüfen, welcher Standort in Betracht kommt, ob Kassel, Limburg oder Friedberg, mit Auswirkungen auf andere Ministerien, ist uns auch noch gegenwärtig. Dass jetzt Darmstadt als Standort ein bisschen aus dem Hut gezaubert wurde, ist auch gut, weil man dann einmal einen konkreten Ort und ein Gesetz hat. Dass es so eines Gesetzes bedarf – Herr Minister, ich gebe Ihnen insoweit in Bezug auf die Anhörung recht –, hätte ich als Jurist nicht gedacht. Dass das Gesetz notwendig ist, zeigen der heutige Tag sowie die Anhörung. Deshalb bringen wir auch die entsprechenden Änderungsanträge ein.

Gesichtspunkte sind angeführt worden, zum Teil von Frau Wallmann, etwas näher von Frau Faeser, so auch das Trennungsgebot. Es wurde von beiden Vorrednerinnen sehr problematisiert. Dazu werden wir auch einen Änderungsantrag stellen; ob dieser dann notwendig sein oder gar zurückgezogen wird, weil vielleicht die SPD oder sogar CDU und GRÜNE einen etwas besseren haben, weiß ich nicht. Vielleicht kriegen wir es hin, dass wir einmal eine Schnittmenge haben, dass wir vielleicht das eine oder andere mischen und gemeinsam vorwärtsbringen werden.