Nancy Faeser

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Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir stehen für eine weltoffene demokratische Gesellschaft hier in Hessen. Wir akzeptieren nicht, dass Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe, ihrer ethnischen und sozialen Herkunft, ihrer Sprache, ihres Glaubens oder ihrer Weltanschauung, ihrer sexuellen Identität, ihrer Behinderung oder ihres Geschlechts Anfeindungen ausgesetzt sind, dass rechtsextreme Parolen lauter werden, dass Angriffe auf Flüchtlinge und ihre Unterkünfte zunehmen, dass politisch-religiöser Extremismus zunimmt bis hin zu terroristischen Anschlägen. Das akzeptieren wir ausdrücklich nicht.
Ich möchte das aber auch mit der Feststellung verbinden, dass ich glaube, dass dieser Tage, wo politisch Schlimmes in Bewegung geraten ist – dazu will ich auch gleich noch einmal etwas sagen –, die Zivilcourage jedes Einzelnen mehr denn je gefragt ist.
Denn unsere demokratischen weltoffenen Errungenschaften sind in Gefahr. Wir müssen der AfD etwas entgegensetzen. Wenn ihr Parteichef Alexander Gauland droht, die Integrationsbeauftragte – ich zitiere – „nach Anatolien zu entsorgen“, wenn er den Nationalsozialismus als – ich zitiere wieder – „Vogelschiss der Geschichte“ bezeichnet und die Wehrmacht lobt, dann sind das keine Ausrutscher, sondern wohlkalkulierte Schritte über die Grenze dessen hinaus, was innerhalb des demokratischen Konsenses bislang als sagbar galt.
Die Jagdszenen von Chemnitz wirken wie ein besonders makaberer Nachhall auf Gaulands Ankündigung – ich zitiere wieder –: „Wir werden sie jagen“, auch wenn er damit die Politik gemeint hat.
Die AfD hat sich seit dem Einzug in den Deutschen Bundestag weiter radikalisiert. Dass sie nun den Tod eines Deutsch-Kubaners in Chemnitz missbraucht, der die AfD ablehnte, ist dabei eine sehr bittere Pointe am Rande.
Aber dem müssen wir auch aktiv etwas entgegensetzen, weshalb die Worte von unserem Bundestagsabgeordneten Martin Schulz gestern so wichtig waren, der in einer Kurzintervention zu der Äußerung von einem AfD-Abgeordneten gesagt hat, dass sich die Demokraten gegen solche Parolen, die zulasten anderer gehen, auch wehren müssen. Ich darf zitieren – und ich finde das sehr zutreffend –:
Die Reduzierung komplexer politischer Sachverhalte auf ein einziges Thema, in der Regel bezogen auf eine Minderheit im Land, ist ein tradiertes Mittel des Faschismus.
Nichts anderes ist es. Das sollte man dieser Tage auch deutlich sagen.
Wir haben aber auch die Aufgabe – und das ist mir ein bisschen zu kurz gekommen –, die Frage zu beantworten, was wir jetzt eigentlich tun müssen, damit wir die Veränderung in der Gesellschaft auch wahrnehmen.
Der Soziologe Andreas Reckwitz diagnostiziert „eine kulturelle Entwertung und Kränkungserfahrung“ der Mittelklasse, die in Konkurrenz zu einer neuen Avantgarde von Hipstern und Globalisierungsgewinnern meint, nicht mithalten zu können. Wir brauchen einen handlungsfähigen und starken Staat und keine Sparattitüden. Ich will das ausdrücklich sagen. Denn wir brauchen ausreichend Justiz, um rechtsstaatliche Verfahren zeitnah umsetzen zu können.
Wir brauchen eine gut ausgebildete und gut ausgestattete Polizei, mehr Lehrerinnen und Lehrer und bezahlbare Kitaplätze. Da haben Sie noch erheblichen Nachholbedarf.
Herr Frömmrich, ich sage das ganz deutlich: Es braucht genau diesen demokratischen Diskurs. Es geht nämlich um die Unterscheidbarkeit von Demokraten und nicht darum, zu entpolitisieren, weil das zum Gegenteil führt. Damit werden Sie gegen Rechtspopulisten in diesem Land nicht durchkommen.
Ich glaube, Anlass der Rede war die sogenannte – ich finde den Namen unsäglich – „Demo für alle“, die heute Nachmittag in Hessen erwartet wird. Dieser rückwärtsgewandten Aktion, die aus dem AfD-Umfeld stammt, tritt zum Glück das Bündnis für Akzeptanz und Vielfalt entgegen, an dem wir uns als Sozialdemokraten auch beteiligen und schon immer beteiligt haben. Diese Gegendemonstration ist wichtig und richtig, um diese Verschiebung in der Gesellschaft eben nicht zuzulassen und frühzeitig zu sagen, dass wir für Offenheit und Vielfalt stehen.
Deswegen will ich auch einmal sagen: Meine liebe CDU, nur reden hilft nicht. Sie sollten auch einmal dahin gehen; denn Sie waren bislang dort noch nicht.
Es wäre in der Tat schön, wenn Sie Ihre Errungenschaften, die Sie in das Schulgesetz hineingeschrieben haben, auch auf der Straße einmal verteidigen würden, meine Damen und Herren der CDU.
Ich will Ihnen zum Schluss noch eines mitgeben: Es geht hier nicht nur um Reden, sondern auch um Handeln.
Wir bitten Sie und fordern Sie nochmals auf: Bitte unterstützten Sie diejenigen, die zivilgesellschaftlich unterwegs sind, die in Institutionen und mit ihren Vereinen gegen Rechtsextremismus wertvolle Arbeit in Hessen leisten, auch dauerhaft finanziell und nicht nur in dem unsäglichen Projektstatus.
Tun Sie endlich etwas für die politische Bildung und für Demokratieerziehung in Hessen. Wir haben erheblichen
Handlungsbedarf, um diesen Dingen auch etwas entgegenzuhalten. Da haben wir so großen Nachholbedarf, und das fehlt mir auch in einer solchen Debatte.
Denn wir müssen darüber reden, wie sich Gesellschaft verändert und warum man darauf eingehen muss.
Herr Präsident, ich komme zum Schluss. – Wir benötigen eine gehörige Kraftanstrengung, um unsere offene, freie und tolerante Gesellschaft zu verteidigen. Lassen Sie uns nicht nur reden, sondern auch handeln, und zwar jeder Einzelne in diesem Haus – privat oder beruflich. Daran kann ich nur appellieren. – Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich habe nicht vor, das Karma kaputt zu machen,
aber es wird gleich um ein paar Fakten gehen.
Ich möchte beginnen mit dem Kollegen Klee. Lieber Horst, ich finde es sehr schade, dass du aufhörst. Ich will deine unnachahmliche Art, den Ausschuss zu führen, betonen. Ich will vor allem aber auch deinen kritischen Geist hervorheben. Für mich ist unvergessen und wird es auch bleiben, wie wir gemeinsam dafür gekämpft haben – du gegen deine Landesregierung –, dass die Wasserschutzpolizei in Wiesbaden bleibt. Das war ein großer Erfolg. Herz
lichen Dank auch im Sinne der hessischen Wasserschutzpolizei.
Herr Kollege Frömmrich, zu Ihrer Rede fällt mir viel ein. Aber ich will sagen: Beim subjektiven Sicherheitsgefühl stimmen wir hier im Hause in der Tat überein, dass man nicht etwas herbeireden sollte, was andere außerhalb des Parlaments gerade machen. Ich glaube, es ist auch wichtig, von dieser Stelle aus das Signal zu setzen, indem wir sagen: Man muss nicht etwas schlechtreden, was nicht so ist. Man darf der Bevölkerung nicht das Gefühl geben, sie lebt unsicher, weil in der Tat die Gesamtkriminalitätszahlen zurückgegangen sind. Das ist aber bundesweit der Fall, und, Herr Kollege Frömmrich, es gehört dazu, es an der Stelle zu erwähnen und nicht so zu tun, als ob es der alleinige Erfolg dieser Landesregierung wäre.
Ich finde spannend, was in einer Debatte über die Stärkung des Sicherheitsgefühls der Menschen vor Ort heute verarbeitet wird. Ich versuche, mich an dem Antrag von CDU und GRÜNEN zu orientieren, der erneut das tolle Programm KOMPASS in den Mittelpunkt stellt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, „toll“ meine ich sehr ironisch, weil wir immer noch nicht wissen, was sich seit Ende Mai, als wir das letzte Mal einen Setzpunkt der CDU dazu hatten, verändert hat – bis auf die Tatsache, dass es statt vier Modellkommunen jetzt 17 sind.
Das sind immerhin nur 4 % aller Kommunen in Hessen. Wir finden nicht, dass das ein besonderer Punkt ist, den man hier herausheben muss.
Der Kollege Greilich hat es richtig beschrieben. Was ist das Programm KOMPASS? – „Viel Lärm um ziemlich wenig“, das ist eine gute Beschreibung. Man muss einmal schauen, was es ist. Es ist eine Kooperation des Landes und der Kommune, um die lokale Sicherheitsarchitektur zu stärken.
Meine Damen und Herren, das machen die Kommunen doch schon seit Jahrzehnten. Ich will ein paar Beispiele hier aufführen, die sicherlich Ihre Zustimmung finden. „Sicheres Gießen“ – in der Stadt Gießen gibt es seit 2007 eine Vereinbarung zu einer ganz engen Kooperation zwischen dem Land Hessen und der Stadt Gießen. In Marburg gibt es seit Neuestem, unterzeichnet von Ihrem Bürgermeister Stötzel und dem Polizeipräsidenten Paul, eine Vereinbarung zur Erhöhung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung der Stadt Marburg. – Das geht alles ohne KOMPASS und diesen Innenminister. Das sind sehr erfolgreiche Projekte, wofür man ein solches Programm nicht braucht.
Lieber Kollege Bauer, dass Sie jetzt hineinschreien, dass jetzt 66 Kommunen Interesse daran haben, macht das Ganze doch nicht besser. Sie machen ein Programm, um vor der Landtagswahl zu suggerieren, es sei vor Ort so sicher,
Sie würden so viel für die innere Sicherheit vor Ort tun. Das ist falsch, wie ich Ihnen gleich aufzeigen werde.
Lieber Herr Frömmrich, von 423 Kommunen 17 zu haben, das sind gerade einmal 4 %, und es werden auch nicht mehr, wenn Sie das ständig hereinrufen.
Herr Kollege Frömmrich, ich sage gleich auch noch einmal etwas zu meiner Heimatkommune. Das macht mir nämlich an der Stelle auch Freude.
Ich will Ihnen einmal etwas dazu sagen, was die öffentliche Sicherheit und Ordnung vor Ort stärken würde. Dazu habe ich heute nichts gehört. Was die innere Sicherheit vor Ort nämlich wirklich stärken würde, wäre, wenn Sie die Polizeidienststellen vor Ort endlich personell verstärken würden.
Was sind denn Ihre Initiativen? – Sie sprechen die ganze Zeit davon, Sie hätten so viele Polizisten eingestellt. Das haben Sie nicht. Sie haben in 19 Jahren unter der Regierungsverantwortung der CDU 1.000 Polizeistellen abgebaut. Das ist Fakt in diesem Land.
Sie haben erst ein Jahr vor der Landtagswahl, nämlich 2017, ein Personalverstärkungsprogramm beschlossen, das auch unsere Zustimmung findet und richtig ist. – Da kommen die Ersten im Jahr 2020 – und keinen Tag früher. Sie sind noch nicht da. Tun Sie doch nicht so, als ob alle schon da wären.
Sie haben 2017 noch 69 Beamte abgebaut. Das sind Ihre Zahlen in einer Antwort auf unsere Anfrage. Hören Sie doch auf, so zu tun, als ob Sie hier Personal verstärkt hätten.
Herr Kollege Frömmrich, man kann sich nicht hierhin stellen und sagen: Es ist alles so toll und so prima. – Wir muten den Polizeibeamtinnen und -beamten in unserem Land ziemlich viel zu. Ich will das einmal sagen, und zwar allen miteinander: Das, was wir in der Politik machen, wirkt sich zuerst auf der Straße aus. Die Polizeibeamtinnen und -beamten sind die Ersten, die den Kopf auf der Straße, auch für Verfehlungen der Politik, hinhalten. Deshalb hat dieses Haus, verdammt noch mal, die Verpflichtung, für diese Beamtinnen und Beamten die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass sie ihre Arbeit gut machen können. Das haben Sie versäumt, meine Damen und Herren.
Die Polizeibeamtinnen und -beamten in Hessen arbeiten am Limit. Sie sind insbesondere nicht nur im Schichtdienst so belastet, dass sie keine planbaren freien Zeiten mehr ha
ben, was gleichermaßen für die Familie wie für die Gesundheit schädigend ist. Ich will einmal ausführen, was Sie ihnen zumuten. Sie haben keine verlässlichen freien Zeiten mehr. Das zeigen die hohen Überstundenberge von fast 3 Millionen und die ebenso hohe Zahl an Lebensarbeitszeitkontostunden, was eigentlich nichts anderes ist als Mehrarbeit – das sind auch 3 Millionen. Damit haben sie 6 Millionen Mehrarbeitsstunden. Meine Damen und Herren, das ist doch ein Ausdruck von Belastung, oder was denn sonst?
Dazu kommen 30 Krankheitstage im Jahr. Das sind nahezu doppelt so viele wie von allen anderen Arbeitnehmerinnen und -nehmern in Hessen. Auch das ist nichts anderes als ein Ausdruck von immenser Belastung der Polizeibeamtinnen und -beamten in diesem Bundesland. Das muss verändert werden. Dazu habe ich heute nichts von Ihnen gehört.
Ich kann Ihnen auch aufzeigen, woran man das sieht. Weil wir heute so schön über Fakten geredet haben, kann man sich einmal die Tabelle zur Polizeidichte in der Bundesrepublik Deutschland anschauen. Da ist Hessen mit 226 Beamtinnen und Beamten pro 100.000 Einwohner auf dem drittletzten Platz deutschlandweit.
Zum Vergleich: Bayern hat 326, das sind 100 Beamte pro 100.000 Einwohner mehr. Selbst Thüringen hat 294, und Sachsen hat 266.
Dann schauen Sie sich doch diese Tabelle einmal an. Hessen ist ganz unten. Dazu haben Sie heute gar nichts gesagt. Das ist Ausdruck Ihres Personalmangels.
Herr Kollege Bauer, Sie haben die Fläche vernachlässigt. Sie haben die Dienststellen in diesem Land vernachlässigt. Sie haben immer mehr Aufgaben dorthin verlagert.
Sie haben das personell überhaupt kein bisschen abgebildet. Deshalb fordern wir Sie auf, unserem Programm zu folgen und eine Streife mehr pro Dienststelle in ganz Hessen rund um die Uhr auf die Straße zu bringen.
Ich will Ihnen zum Schluss noch etwas zu den Fakten sagen. Wir haben, verdammt noch mal, die Verpflichtung, die Rahmenbedingungen für die hessische Polizei zu verbessern. Das heißt, sie brauchen echte Perspektiven bei der Beförderung. Sie haben die nicht. Das wurde bei der Einführung der zweigeteilten Laufbahn versäumt. Wir haben mittlerweile ein Besoldungsgefüge, das nicht mehr stimmt. Wenn nämlich ein Bundespolizist in der A 8 im mittleren Dienst mehr verdient als der Polizeibeamte in Hessen in der A 9 im gehobenen Dienst, dann stimmt etwas nicht. Ich kann Ihnen sagen: Wenn man den Vergleich zwischen der A 10 bei der Bundespolizei und der hessischen Polizei
zieht, dann sind das bei der Bundespolizei 190 € mehr pro Monat.
Da rede ich nur vom Grundgehalt. Herr Kollege Frömmrich, es ist noch keine Zulage dabei. Der Bund – übrigens unter Beteiligung der SPD – hat gerade einen Gesetzentwurf vorgelegt, wonach es demnächst 290 € Unterschied sein werden.
Also fordere ich Sie auf, die Beamtinnen und Beamten hier angemessen zu besolden, sie anständig zu behandeln und nicht einfach nur alles schönzureden.
Meine Damen und Herren, zum Schluss noch einmal mein Appell: Wir sind in der Verpflichtung, gerade die hessischen Polizeibeamtinnen und -beamten, die so belastet sind, ordentlich zu behandeln und hier nicht einfach nur Schauanträge und Schauprogramme zu machen und alles schönzureden. Nehmen Sie Ihre Verantwortung endlich wahr. Stärken Sie die Polizei in Hessen.
Vielen Dank.
Herr Innenminister, in der Zeitung war die Aussage des stellvertretenden Polizeipräsidenten in Nordhessen zu lesen, dass die Kommunen auch einen finanziellen Beitrag dazu leisten müssten. Wie hoch ist der jeweils?
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Im November 2011 wurde die Bundesrepublik durch das
Aufdecken der furchtbaren NSU-Morde erschüttert. Zehn Jahre lang konnte eine rechtsterroristische Organisation unbemerkt morden, und das vor den Augen der Sicherheitsbehörden.
Diese Morde haben wir damals, ich erinnere daran, 2011, fraktionsübergreifend als einen Angriff auf unsere freie Gesellschaft gewertet. Sehr viele Menschen in Hessen wollten eine Aufklärung, vor allem aber auch die Familie des ermordeten Opfers Halit Yozgat.
Aus diesem Grund hat die SPD-Fraktion im Jahr 2014, nach Abschluss des ersten Bundestags-Untersuchungsausschusses in Berlin, einen Untersuchungsausschuss in Hessen eingesetzt.
Ich möchte mich zu Beginn bei allen zivilgesellschaftlichen Initiativen, wie z. B. „NSU-Watch“, „Nachgefragt“ aus Kassel und den vielen Journalisten, die den Ausschuss so intensiv über vier Jahre begleitet haben, sehr herzlich bedanken, weil ihre Arbeit sehr wichtig für unsere Ausschussarbeit war.
Ich möchte auch positiv erwähnen, Herr Frömmrich, dass es gut und richtig war, dass auf unsere Initiative hin fraktionsübergreifend ein gemeinsames Vorwort zustande kam, in dem sich der Ausschuss bei der Familie Yozgat und bei der Familie Simsek – auch das war ein hessisches Opfer – und den Familien der weiteren Opfer entschuldigt. Sie haben nicht nur das Schlimmste erlebt, was passieren kann. Sie hatten auch bis zur Aufdeckung des NSU eine sehr schwere Zeit.
Von allen Fraktionen wurde 2011, nach Aufdecken des NSU, in diesem Haus die Aufklärung versprochen. Umso unverständlicher ist es aus unserer Sicht, dass der Ausschuss nur mit den Stimmen der SPD und der LINKEN eingesetzt wurde und dass Hessen bis heute das einzige Bundesland ist, in dem bei einer solch tief greifenden Materie der Ausschuss streitig eingesetzt und auch geführt wurde.
Ich will noch einmal erläutern, warum das so negativ für die Aufklärungsarbeit war. Wir konnten z. B. die Zeugen nicht an einem Stück zu einem Punkt befragen, sondern mussten immer dann, wenn die Zeit abgelaufen war, an andere Fraktionen weitergeben, die dann an einem anderen Punkt die Befragungen fortgesetzt haben.
Wenn es einheitlich läuft, wie im Deutschen Bundestag oder in anderen Bundesländern, dann kann man einen Zeugen am Stück befragen, was zur Aufklärung wesentlich beiträgt. Überall wurde an einem Strang gezogen, nur nicht in Hessen. Das bedauern wir außerordentlich, meine Damen und Herren.
Aber der Ausschuss wurde nicht nur streitig geführt, es kam noch schlimmer. Die Hessische Landesregierung und die Regierungsfraktionen erschwerten die Aufklärungsarbeit, verzögerten sie und bekämpften sie sogar. Erst gegen Ende zeigte man sich kooperationsbereit. Vielleicht könnte das auch an den bevorstehenden Wahlen liegen. Es begann mit einem Streit über veraltete und unzureichende Verfahrensregeln. Es gab Streit über die Geheimschutzregeln, da jede Kleinigkeit in einer Akte, die geheim zu halten war, dazu führte, dass der gesamte Rest der Akte als geheim eingestuft wurde.
All das musste erst mühsam erstritten werden. Wir hatten es mit stark verzögerten Aktenlieferungen zu tun, und letztlich, das ist auch einmalig, können wir bis heute nicht mit Gewissheit sagen, dass wir alle Akten gesehen haben.
Wir haben zwar zwischendurch eine Vollständigkeitserklärung der Landesregierung erhalten. Da wir aber Nachlieferungen bekommen haben, können wir bis heute nicht sagen, ob wir tatsächlich alle Akten gesehen haben.
Wir hatten es mit unvollständigen Akten und mit zum großen Teil geheim gehaltenen und geschwärzten Akten zu tun.
Es war mit unglaublichen Anstrengungen, das möchte ich noch einmal persönlich sagen, mit unglaublich viel Streit verbunden, um an die notwendigen Informationen zu kommen. Ich habe in 15 Jahren Erfahrung in Untersuchungsausschüssen in diesem Bundesland so etwas noch nicht erlebt. Das bei einem solchen Thema, das ist eigentlich ein Skandal, meine Damen und Herren.
Also keine gemeinsame Einsetzung, kein gemeinsames Aufklärungsinteresse, keine gemeinsame Arbeit und kein gemeinsamer Abschlussbericht. Leider sind Sie unseren umfangreichen Änderungsvorschlägen zum Abschlussbericht nicht gefolgt. Bei einem echten Interesse an einem gemeinsamen Bericht, das will ich wiederholen, hätte man uns von Anfang an mit in die Erarbeitung eines solchen Berichts einbeziehen müssen.
Wir haben im Untersuchungsausschuss zahlreiche Versäumnisse der Behörden feststellen müssen, auf die ich gleich noch einmal näher eingehen möchte. Aber der eigentliche moralische Skandal ist und bleibt, dass sich der damalige Innenminister und jetzige Ministerpräsident Volker Bouffier bis heute nicht entschuldigt hat und vor allem keinerlei Fehler eingeräumt hat.
Überall sonst, ob im Bund, im Land, ob Otto Schily, ob Günther Beckstein aus Bayern, alle haben Fehler eingeräumt, und alle haben sich entschuldigt. Nur Sie, Herr Ministerpräsident, haben das nicht getan. Ich empfinde das als schäbig, vor allem gegenüber der Familie Yozgat.
Wir fordern Sie auf, Herr Ministerpräsident, Ihre Verantwortung wahrzunehmen und sich für die damaligen Versäumnisse aus dem Jahr 2006 zu entschuldigen. Dazu haben Sie heute die Gelegenheit.
Der NSU-Untersuchungsausschuss hatte den Auftrag, umfassend die Fehler der Behörden bei der Aufklärung des Mordes an Halit Yozgat und der NSU-Mordserie aufzuklären. Leider, das hat Herr Frömmrich gesagt, sind viele Fragen unbeantwortet geblieben. Unser Auftrag war auch nicht, das Verbrechen aufzuklären, so wie ein Strafgericht, sondern Versäumnisse der Behörden aufzudecken. Der Untersuchungsausschuss hat sehr viel aufgedeckt, wie ich im Folgenden zeigen werde. Sie werden aber auch gleich merken, dass es schon bei der Einschätzung des Sachverhalts große Unterschiede gibt, weshalb wir auch einen eigenen Bericht vorgelegt haben.
Eine wichtige Erkenntnis des Untersuchungsausschusses ist, dass die rechtsradikale Szene in ihrer Gewaltbereitschaft und Vernetzung unterschätzt wurde.
Der Ausschuss konnte zahlreiche Kontakte der rechten Szene aus Kassel und Umgebung nach NRW – insbesondere nach Dortmund –, Thüringen und Sachsen aufdecken. Bis zur Aufklärung durch den Untersuchungsausschuss wurde die rechte Szene in Hessen insbesondere von der CDU gerne als Einzelfälle abgetan und eine Vernetzung abgestritten. Hierzu gibt es genügend Protokolle dieses Hauses. Das ist durch den Untersuchungsausschuss eindrucksvoll widerlegt worden, und diese Feststellung wird heute zum Glück nicht mehr bestritten. Das ist eine gute Erkenntnis des Ausschusses.
Die fehlende Bereitschaft des Verfassungsschutzes zur Kooperation mit der Polizei damals war sehr hinderlich und ist sicherlich als einer der größten Fehler zu bezeichnen. Leider hat Herr Frömmrich das nicht mehr erwähnt, weil es eine Menge an Konsequenzen auch für Gesetzgebung und Veränderungsprozesse hatte.
Das Besondere an dem furchtbaren Mord an Halit Yozgat, der das letzte Opfer dieser Mordserie in Deutschland war, ist, dass zur Tatzeit am 6. April 2006 ein Mitarbeiter des Verfassungsschutzes, Andreas Temme, am Tatort war. Es gab nur in Kassel zur Tatzeit Zeugen. Bislang wurde sowohl von Andreas Temme als auch von seinen Vorgesetzten und – Achtung – bis hin zum damaligen Innenminister Volker Bouffier behauptet, es habe keine dienstlichen Bezüge zur Tat gegeben.
Der Untersuchungsausschuss konnte diese Behauptung aber widerlegen: So war Andreas Temme bereits vor dem Mord in Kassel dienstlich mit der Mordserie befasst. Es gab nämlich eine E-Mail der Dienstvorgesetzten, die vor dem Mord im Landesamt für Verfassungsschutz abgefragt hat, ob jemand etwas über die Mordserie wisse. Es gab Gespräche zwischen dem Landesamt und dem BKA, von denen niemand im Innenministerium gewusst haben will, eine E-Mail-Abfrage, die Andreas Temme unterschrieb, an die er sich aber leider nicht erinnern konnte; und niemand kam auf die Idee, das nach dem Mord noch einmal aufzugreifen. – Hier liegen die Versäumnisse bei den Tatsachen, die damals ermittelt wurden.
Der Ausschuss hat im Übrigen herausgefunden, dass Temme bereits früher als Ermittler im Landesamt für Verfassungsschutz mit der rechten Szene dienstlich Kontakt hatte. So gab Temme vor dem Untersuchungsausschuss auch an, dass er den Namen Corryna Görtz noch aus der Zeit vor 2000 kannte. Andreas Temme war zur Tatzeit am Tatort und hat sich trotz eines öffentlichen Aufrufs nicht bei der Polizei gemeldet. Erst durch eine Auswertung der Computerprogramme ist man auf ihn gestoßen.
Aus unserer Sicht war die Polizei in Kassel deutlich besser aufgestellt als der Verfassungsschutz. Aber es gab trotzdem zwei Versäumnisse. Trotz der Hinweise wurde in der ganzen Zeit leider nicht im Bereich des Rechtsextremismus ermittelt. Darüber hinaus wurde, als Temme ermittelt wurde, ein Durchsuchungsbeschluss beantragt, und man fuhr zu seiner Wohnung. Als man dort erfuhr, dass der Mann
Verfassungsschützer war, nahm man ihn mit, um mit den Vorgesetzten zu beraten, was mit ihm ist, ließ aber die Frau in der Wohnung, was aus Beweissicherungsgründen mit Sicherheit ein großer Fehler war.
Die Polizei in Kassel hat damals – und bis heute – einen außerordentlich guten persönlichen Kontakt zur Familie Yozgat gepflegt, auch, weil sie die Umstände bis heute nicht loslassen. Unser Dank gilt stellvertretend den beiden Beamten Herrn Hoffmann und Herrn Wetzel, die das wirklich vorbildlich geleistet haben.
Kommen wir einmal zu den Merkwürdigkeiten. Obwohl Herr Temme unter Mordverdacht stand, gingen seine Vorgesetzten beim Verfassungsschutz davon aus, dass er bald wieder zurück in sein Amt kommen sollte. Das legt den Schluss nahe, dass er vielleicht doch dienstlich im Internetcafé gewesen sein könnte.
Um Licht ins Dunkel zu bringen, haben wir sehr viele Zeugen aus dem Verfassungsschutz eingeladen, die damals eingesetzt waren. Ich kann Ihnen sagen, dass wir durchaus eine Mentalität erfahren mussten, die davon geprägt war, alles für sich zu behalten, keine größeren Zusammenhänge zu erkennen und eher lethargisch abzuarbeiten. Das ist sicherlich auch eine Erklärung dafür, warum all die Jahre die Verfassungsschutzbehörden nicht in der Lage waren, das untergetauchte Trio zu finden, und warum sie auch die bestehenden gefährlichen Vernetzungen der rechten Szene unterschätzt haben.
Ein halbes Jahr nach der Entdeckung des NSU beauftragte der damalige Innenminister Boris Rhein im Jahr 2012 eine leitende Mitarbeiterin des Verfassungsschutzes damit, die Akten der letzten 20 Jahre zu überprüfen. Warum eigentlich eine leitende Mitarbeiterin einer Behörde, die zu überprüfen ist? Das ist eine berechtigte Frage, die man auch nur bedingt beantworten konnte. Herr Rhein war der Auffassung, dass sie das gut konnte.
Der eigentliche Abschlussbericht dieser Aktenprüfung lag erst im September 2014 vor und wurde als Verschlusssache VS-Geheim mit einer Geheimhaltungsfrist von 120 Jahren eingestuft – die eigene Untersuchung im Amt –, sodass der Ausschuss den Bericht am Anfang öffentlich nicht nutzen durfte, weil er auf 120 Jahre geheim eingestuft war. Das ist so einer der Kämpfe, die wir führten. Das wollte ich Ihnen einmal exemplarisch darstellen.
Wir haben dann im Ausschuss sehr lange darum gekämpft – weil es ja zur eigentlichen Aufklärungsarbeit gehört –, die Akten aus dem Landesamt zu überprüfen und zu schauen, was denn die Behörde selbst an Versäumnissen festgestellt hat, und haben sehr lange darum gerungen, dass dieser Bericht wieder herabgestuft wurde und wir ihn öffentlich verwenden konnten. Was war denn da der Grund, das geheim zu halten, frage ich Sie.
Der Bericht hatte zahlreiche Versäumnisse offenbart, übrigens in der Verantwortungszeit des damaligen Innenminis
ters Volker Bouffier. Die Fraktion der SPD im Hessischen Landtag ist davon überzeugt, dass Andreas Temme die Tat auch wahrgenommen haben muss und zur Tatzeit am Tatort gewesen ist. Das deckt sich übrigens auch mit der Einschätzung des Vorsitzenden Richters am OLG und der BAO Bosporus, die damals die Ermittlungsarbeiten vorgenommen hat.
Aber obwohl der Verfassungsschützer Andreas Temme gegen zahlreiche Dienstpflichten verstieß und unter Mordverdacht stand, sah das hessische Innenministerium unter Leitung von Volker Bouffier damals keine Notwendigkeit, das Parlament und die Öffentlichkeit zu informieren. Dieses Versäumnis wurde zwar von Herrn Frömmrich nicht erwähnt, ist aber im Abschlussbericht von Schwarz-Grün enthalten.
Allerdings fehlt in dem Mehrheitsbericht die wichtige Erkenntnis, dass Volker Bouffier das damals bewusst entschieden hat. Es gab nämlich, nachdem er über den Verdacht gegen Andreas Temme informiert wurde, eine Sitzung der Parlamentarischen Kontrollkommission im Mai 2006; der Mord geschah im April. Die entsprechenden Mitarbeiter der Fachabteilung hatten das für Frau Scheibelhuber, die damals Staatssekretärin war, aufgeschrieben und vorbereitet. Aber der Minister hat vor der Sitzung entschieden, dass weder die Öffentlichkeit noch das Parlament informiert werden sollte – und zwar ganz bewusst. Er hielt es nicht für notwendig.
Ich erinnere noch einmal daran: Es war ein Mitarbeiter des Landesamtes für Verfassungsschutz, der unter Mordverdacht bei einer bundesweiten Mordserie stand, und Volker Bouffier selbst hat entschieden, das Parlament nicht zu unterrichten. Erst, als im Juli die „Bild“-Zeitung berichtete, musste Volker Bouffier das Parlament informieren. So erfuhren die Parlamentarier erst drei Monate nach dem Mord vom Tatverdacht. Und das, weil Volker Bouffier das entschieden hatte, meine Damen und Herren, und das war falsch.
Es gab natürlich ein Disziplinarverfahren gegen den Beamten Andreas Temme, das aber leider nicht konsequent geführt wurde und eigentlich zu einem guten Abschluss hätte geführt werden müssen. Aber es war der damalige Innenminister selbst, der sich in das Verfahren eingemischt hatte. Ich erinnere noch einmal an die damaligen Zeiten, als es durchaus Disziplinarverfahren gegen hessische Polizeibeamte gab, bei denen sehr hart durchgegriffen wurde – an dieser Stelle aber nicht.
Volker Bouffier war mit in die Beratung darüber einbezogen, und es war ihm wichtig, dass – Zitat – „dem Beamten keine finanziellen Nachteile … entstehen sollten“. Und das, obwohl der Verfassungsschutzmitarbeiter zum damaligen Zeitpunkt noch Tatverdächtiger war. Wie kommt denn der damalige Innenminister Volker Bouffier dazu, sich derart in ein Disziplinarverfahren einzumischen und diese Auffassung zu vertreten, dass jemand, der unter Mordverdacht steht, aber auf jeden Fall seine Bezüge behalten soll? Ich finde, das legt den Verdacht der dienstlichen Befassung doch sehr nahe.
Erst nachdem das alles in der Presse bekannt war, hat man überhaupt davon Abstand genommen, Temme wieder im Amt einzusetzen, und hat dann erst das Disziplinarverfahren richtig eingeleitet, also erst nachdem die „Bild“-Zeitung ermittelt hatte. Man muss sagen, es war nicht in Ordnung, wie das Disziplinarverfahren gelaufen ist. Er ist dann zum Regierungspräsidium nach Kassel versetzt worden, ohne weitere Ermahnung, ohne Sanktionen, und das, obwohl viele Dienstpflichtverletzungen neben diesem Nichtmelden der Anwesenheit am Tatort vorlagen.
Jetzt kommen wir zur Sperrerklärung, die Herr Frömmrich auch erwähnt hat. Der damalige Innenminister – das hat Herr Frömmrich nicht gesagt, das steht auch nicht im Abschlussbericht – hat sich immer nur einseitig durch das Landesamt für Verfassungsschutz unterrichten lassen. Er hat nicht Gespräche mit der Staatsanwaltschaft oder der Polizei geführt. Die Behauptung, die Staatsanwaltschaft hätte immer nur alle Quellen oder keine vernehmen wollen, trifft nicht zu. Wir haben mehrere Schreiben und Zeugenaussagen, die das eindeutig widerlegen. Man hätte also vonseiten des Innenministeriums eine differenzierte Aussagegenehmigung, bezogen auf die zwei rechtsextremistischen Quellen, erteilen können.
Hätte der Innenminister sich auch die Seite der Staatsanwaltschaft oder der Polizei angehört, hätte er erkennen müssen, dass es nicht bei allen V-Leuten um die Beobachtung des islamistischen Terrorismus gegangen wäre. Selbst die Leitungsebene der Polizei, Herr Polizeipräsident Nedela, sagte dem Ausschuss, er könne sich nicht erinnern, in den Abwägungsprozess des Innenministers eingebunden gewesen zu sein.
Herr Ministerpräsident, aus all diesen Gründen war Ihre Entscheidung zur Sperrerklärung falsch. Sie haben damals keinen ordentlichen Abwägungsprozess vorgenommen.
Herr Ministerpräsident, deshalb tragen Sie persönlich nicht nur eine moralische Verantwortung und die Pflicht, sich für die Ermittlungen im Umfeld der Familie zu entschuldigen. Sie haben durch Ihr eigenes falsches Handeln auch noch die Ermittlungen behindert. Deshalb erwarten wir, dass Sie heute Verantwortung übernehmen, sich ans Pult stellen und sich bei der Familie entschuldigen sowie zumindest die Fehler der Behörden einräumen. Ganz gut wäre es, wenn Sie Ihre eigenen Fehler einräumen würden.
Meine Damen und Herren, die Bundeskanzlerin hat am 23. Februar 2012 gesagt:
Als Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland verspreche ich Ihnen: Wir tun alles, um die Morde aufzuklären und die Helfershelfer und Hintermänner aufzudecken und alle Täter ihrer gerechten Strafe zuzuführen. Daran arbeiten alle zuständigen Behörden in Bund und Ländern mit Hochdruck.
Herr Bouffier, Sie tragen eine hohe Verantwortung. Wir fordern Sie nochmals auf, sich hier endlich zu entschuldigen. Im Gegensatz zu anderen, die damals Verantwortung trugen – ich will nochmals daran erinnern –, haben Sie sich bis heute nicht entschuldigt und Ihre Fehler eingeräumt. Es kann doch nicht sein, dass ausgerechnet nur hier im Lande
Hessen alles gut gelaufen ist. Selbst der Mehrheitsbericht von Schwarz-Grün hat gezeigt, dass dem nicht so war.
Herr Bouffier, deswegen fordern wir Sie auf: Entschuldigen Sie sich bei der Familie, und räumen Sie endlich Ihre Fehler ein.
Herr Präsident, ich komme zum Schluss. – Die Untersuchungen des Ausschusses sind zwar beendet. Das heißt aber noch lange nicht, dass die Aufklärung beendet ist. Wir tragen alle eine hohe Verantwortung dafür, weiter an der Aufarbeitung zu arbeiten, damit sich eine solch furchtbare Mordserie nicht wiederholt. Wir müssen die Zivilgesellschaft stärken. Wir müssen gemeinsam mit den Handelnden dafür sorgen, dass so etwas nie wieder passieren kann.
Deswegen haben wir auch einen runden Tisch mit der Zivilgesellschaft und mit Journalisten ins Leben gerufen. Die Familien haben Unrecht erfahren, und das dadurch verloren gegangene Vertrauen in den Rechtsstaat müssen wir endlich zurückgewinnen. Dazu haben wir noch viel Arbeit vor uns, wozu ich Sie alle nur einladen kann.
Ich wiederhole mich am Schluss: Herr Ministerpräsident, Sie sind heute gefragt. Wir erwarten von Ihnen eine persönliche Erklärung. – Herzlichen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wissen Sie, Herr Bellino, manchmal lohnt es sich, Dinge aufzunehmen. Sie haben hier so schön gesagt, wir hätten die Ausschussarbeit verzögert. Ich möchte doch einmal daran erinnern, was Sie im Dezember 2014 alles gemacht haben. Sie haben damals in dem einführenden Bereich „Rechtsextremismus und Arbeitsweisen der Behörden“, als es nur um die Einführung ging, eben einmal locker 24 Zeugen in einem Beweisantrag gefordert. Offensichtlich war es Ihr Ziel, den Ausschuss möglichst lang hinauszuzögern, damit man am Ende der Legislaturperiode nicht mehr weiterkommt. Auf unsere zähen Verhandlungen mit Ihnen hin haben Sie das hinterher alles zurückgezogen. Sie haben einen Beweisantrag gestellt, um Herrn Edathy vorzuladen. Das war 2014. Ich erinnere einmal daran, in welchem Lichte Herr Edathy da schon zu sehen war – und Sie haben beantragt, ihn vor dem Ausschuss zu hören.
Sie haben dafür gesorgt, dass wir monatelang keine Geheimschutzregeln bekommen haben. Sie waren es, der den gemeinsamen Antrag – den ersten Beweisantrag – nicht zugelassen hat, den wir dann gemeinsam mit der FDP und der Linkspartei gestellt haben. Sie waren es, der verzögert hat, dass wir Akten bekommen haben. Es hieß, die NSUUnterlagen, die wir hinterher öffentlich im Ausschuss behandelt haben, könne man den Abgeordneten nicht geben, weil sie auf CD seien und weil es für digitale Medien keine Vorschriften im Ausschuss gebe. – Herr Bellino, wir haben in den ersten Jahren um jedes Blatt Papier in diesem Ausschuss kämpfen müssen.
Das ist eine wahnsinnige Frechheit. Das ist eine derartige Behinderung der Aufklärungsarbeit, wie ich sie historisch noch nie in diesem Hause erlebt habe. Sich dann hierhin zu stellen und uns vorzuwerfen, wir hätten verzögert, ist das Allerletzte, was ich hier so nicht stehen lassen kann.
Herr Vorsitzender, wenn ich darf, will ich nur zum Schluss noch einmal zitieren, was Herr Bellino am 10. Juli letzten Jahres in der „Frankfurter Neue Presse“ gesagt hat. Ich darf den Fragesteller zitieren, der gesagt hat: Der Verfassungsschutz war 2006, im Jahr des Kasseler NSU-Mordes, gut aufgestellt, und er ist es heute umso mehr. – Herr Bellino hat daraufhin gesagt: So ist es, es gab keine Versäumnisse, Verfehlungen oder Skandale, weil unsere Sicherheitsarchitektur funktioniert hat. – Das hörte sich zum Glück heute etwas anders an. Aber was will man erwarten, wenn jemand öffentlich im letzten Jahr so etwas geäußert hat?
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Nein, Herr Bauer, Sie stärken die parlamentarische Kontrolle mit diesem Gesetzentwurf eben nicht maßgeblich.
Angesichts der wirklich furchtbaren Ereignisse rund um den Mord an Halit Yozgat in Kassel und der, wie wir inzwischen aus dem Untersuchungsausschuss wissen, damaligen bewussten Nichtinformation der Parlamentarischen Kontrollkommission finden wir das mehr als unangemessen.
Ich will Ihnen sagen, was uns fehlt.
Herr Kollege Bellino, das haben wir auch in einem Änderungsantrag vorgestellt. – Aus unserer Sicht sollten alle Fraktionen in der Parlamentarischen Kontrollkommission vertreten sein. Die FDP und DIE LINKE sind es derzeit nicht. Wir wollen die Minderheitenrechte sichern. Wir wollen ein Zutrittsrecht für die Parlamentarier zu den Dienststellen des Verfassungsschutzes; und wir wollen übrigens ein Anhörungsrecht gegenüber den Dienstkräften. Wir wollen, dass die Mitarbeiter der Abgeordneten jederzeit mit in die Kontrollkommission gehen dürfen, nicht nur dann, wenn es die Mehrheit entscheidet.
Wir wollen – das habe ich vorgestern auch schon gesagt; und wir bedauern es sehr, dass Sie das nicht aufgenommen haben –, dass sich die Mitarbeiter des Verfassungsschutzes jederzeit vertraulich an die Parlamentarische Kontrollkommission wenden können. Das ist eine Whistleblower-Vorschrift, die wir für mehr als angemessen halten. An wen sollen sie sich denn sonst wenden, wenn nicht an das Parlament, meine Damen und Herren?
Auch die Regelung zu den Sachverständigen reicht uns nicht aus. Warum wollen Sie auch hier eine Zweidrittelmehrheit in der Parlamentarischen Kontrollkommission zur Zulassung von Sachverständigen? Vor was haben Sie eigentlich Angst? Das sollte eine gestärkte Regelung sein.
Was leider völlig fehlt – Herr Bauer, es wird auch nicht dadurch besser, dass Sie es einfach sagen –, ist die Transparenz in Bezug auf die Parlamentarische Kontrollkommission. Wir haben Sie eindringlich gebeten und beantragt, dass man auch öffentlich Dinge behandeln können muss. Das trägt doch auch zu mehr Vertrauen seitens der Bürgerinnen und Bürger in den Verfassungsschutz bei. Ich weiß nicht, wer nach den furchtbaren Vorfällen rund um den NSU diesen Punkt nicht verstanden hat. Das muss doch seitens des Parlaments geändert werden.
Wir wollen eine regelmäßige Berichtspflicht der Landesregierung. All das hätten wir uns sehr gewünscht. Wir haben es hier auch in einem Änderungsantrag vorgelegt, den Sie leider abgelehnt haben. Was Sie im Verfahren gemacht haben, ist – darüber haben wir vorgestern ausführlich gesprochen, aber ich will hierauf noch einmal zurückkommen –, dass wir die dritte Lesung dazu genutzt haben, erneut zu beantragen, dass die neuen 20 Änderungen im hessischen Polizeirecht einer schriftlichen und mündlichen Anhörung zugeführt werden. Das haben Sie leider wieder abgelehnt. Herr Kollege Bauer, ich bleibe dabei: Es ist ein Tiefpunkt des Parlamentarismus, weil Sie die Betroffenen nicht anhören.
Herr Kollege Bauer, ich weise Sie auf den § 93 der Geschäftsordnung des Hessischen Landtags zu Anhörungen hin. Hier ist insbesondere Abs. 2 aus unserer Sicht einschlägig. Ich darf zitieren:
Berät der Ausschuss Gesetzesvorlagen, durch die wesentliche Belange von Gemeinden und Gemeindeverbänden berührt werden, soll den auf Landesebene bestehenden Kommunalen Spritzenverbänden Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werden.
Das haben Sie versäumt. In § 71a Abs. 1 HSOG geht es um die Frage der Sachkundeprüfung bei der Hundeführung und der elektronisch lesbaren Kennzeichnung,
und das müssen die Kommunen ausführen. Herr Bauer, diese haben Sie nicht gehört.
Wir sehen hier einen Verstoß gegen die Geschäftsordnung des Hessischen Landtags. Das werden wir auch rechtlich prüfen und den Landtagspräsidenten anschreiben. Ich darf den Innenminister auch darauf verweisen, dass er sehr gern sein Recht des Einspruchs gegen Gesetze des Landtags nach Art. 119 der Hessischen Verfassung geltend machen kann. Ich verweise aber darauf: Es sind kurze Fristen. Herr Innenminister, Sie müssten das innerhalb von fünf Tagen tun. Aber das können Sie noch einmal prüfen.
Ich will am Schluss noch einmal sagen: Wir finden es schon spannend, dass jetzt im Rahmen der Änderung des Polizeirechts mit dem § 25a HSOG eine Rechtsgrundlage für die Analyseplattform Palantir – –
Ja.
Herr Bauer, jetzt lassen Sie mich doch einmal ausreden. Ich habe doch gar nicht gesagt, dass das neu ist.
Ich habe gesagt, wir finden es spannend, dass Sie mit § 25a HSOG jetzt eine Rechtsgrundlage für die Analyseplattform schaffen, die schon seit Mitte Dezember arbeitet.
Herr Bauer, wir finden das einen interessanten Umstand. Wir werden Gelegenheit haben, das im Untersuchungsausschuss zu Palantir zu prüfen. Wir fordern Sie noch einmal auf: Ziehen Sie Ihren Änderungsantrag zurück, führen Sie das einer ordentlichen Anhörung zu, ansonsten müssen wir diesen Gesetzentwurf ablehnen. – Herzlichen Dank.
Herr Präsident, vielen Dank. – Herr Kollege Schwarz, wir sind nicht schlecht gelaunt. Wir sind gut gelaunt.
Das merkt man nicht? – Das, was Kollege Frömmrich hier abgeliefert hat, war schäbig, diffamierend und nicht angemessen.
Herr Frömmrich, es war schäbig und diffamierend. Es gab kein Wort zur Sache. Sie haben kein Wort zur Sache gesagt.
Ich habe Ihnen sämtliche Punkte aufgezählt, die uns bei der parlamentarischen Kontrolle fehlen und die wir hier beantragt haben. Herr Kollege Frömmrich, dass ich mir ausgerechnet von den GRÜNEN sagen lassen muss, wir würden nichts von der inneren Sicherheit verstehen, ist wirklich der Treppenwitz der Geschichte.
Ich sage Ihnen auch, warum. Herr Frömmrich, das müssen sich die GRÜNEN jetzt gefallen lassen. Kennen Sie eigentlich noch die Historie in Hessen, warum wir überhaupt über eine Novellierung des Hessischen Verfassungsschutzgesetzes reden? Das hat etwas mit den Auswirkungen des
NSU, den furchtbaren Taten und dem Versagen der Behörden zu tun.
Deswegen sollte es in der Novelle vor allen Dingen um eine stärkere rechtsstaatliche Kontrolle innerhalb des Verfassungsschutzes gehen. Dazu haben wir Ihnen maßgebliche Änderungsvorschläge vorgelegt, denen Sie als GRÜNE allen nicht gefolgt sind. Herr Frömmrich, das müssen Sie dann vor Ort rechtfertigen.
Wir haben Sie am Dienstag erneut aufgefordert, einen konkreten Straftatenkatalog für den Einsatz der V-Leute vorzulegen. Das wollen Sie aber alles nicht. Das nehmen wir zur Kenntnis.
Im Jahr 2013 haben Sie noch gesagt, es solle keine Staatstrojaner im hessischen Sicherheitsgesetz geben. Dass ich mir jetzt ausgerechnet von Ihnen anhören muss, wir würden nichts von innerer Sicherheit verstehen, finde ich schon „putzig“. Denn wir haben im Gegensatz zu Ihnen solche Instrumente bei der Polizei immer befürwortet.
Sie waren es doch, die das abgelehnt haben. Herr Frömmrich, wie ist das denn nun? – Sie werfen mir vor, man könne mit uns nicht über innere Sicherheit reden. Da können Sie gerne lachen. Wir haben hier beantragt, dass diese Regelungen aus dem Verfassungsschutzrecht herauskommen.
Herr Wagner, nein. Die Frage ist, warum Sie das einfach ins Polizeirecht übertragen wollen, obwohl wir das Trennungsgebot haben.
Dieses Gesetzgebungsverfahren ist keines, weil Sie keine Anhörung der Betroffenen durchgeführt haben. Das ändert aber doch nichts an der Sache. Das ändert nichts daran, ob wir das in der Sache gut oder falsch finden. Das ändert doch nichts daran.
Sie können uns doch nicht erzählen: Wir machen keine ordentlichen Gesetzgebungsverfahren mehr, und wir führen keine Anhörungen mehr durch, weil ihr doch der gleichen Meinung seid. – Was für ein Verständnis von Parlamentarismus haben Sie denn?
Herr Frömmrich, wissen Sie, mit Ihrem Redebeitrag bekommen Sie nicht all das weg, was Sie hier falsch gemacht haben. Wir werden das rechtlich überprüfen lassen. Dann werden wir sehen, ob man so handeln kann.
Sie müssen sich demnächst vor Ihrer Landesmitgliederkonferenz dafür rechtfertigen, dass Sie das ohne Anhörung geändert haben. Wir haben unsere Meinung dazu nicht nur gesagt, sondern auch einen umfangreichen Änderungsantrag sowohl zum Verfassungsschutzgesetz als auch zur parlamentarischen Kontrolle hier vorgelegt.
Solche Vorwürfe muss ich mir gerade von Ihnen in dieser Sache nicht anhören.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Am 6. April diese Jahres gab es eine Berichterstattung im „Spiegel“, aus der hervorging, dass die hessische Polizei eine Software des US-Unternehmens Palantir Technologies gekauft hat. Diese Software sollte der effektiven Bekämpfung des islamistischen Terrorismus und der schweren organisierten Kriminalität dienen.
Meine Damen und Herren, das war das erste Mal, dass wir von dieser Beschaffung gehört haben. Guter Stil wäre gewesen, uns im Innenausschuss darüber zu informieren, zumal die Vergabe an Palantir bereits 2017 erfolgte. Aber ich habe inzwischen meine Erwartungshaltung zur Transparenz bei dieser Landesregierung in den letzten 15 Jahren etwas zurückschrauben müssen.
Aufgrund der Berichterstattung im „Spiegel“ und der doch etwas ungewöhnlichen Umstände haben sowohl die FDP als auch wir Dringliche Berichtsanträge gestellt. Im Ausschuss wurde am 9. Mai dieses Jahres über die bereits erfolgte Auftragserteilung an Palantir berichtet. Wir haben dort diskutiert.
Palantir ist als Unternehmen nicht unumstritten. Es wurde laut „Spiegel“
2004 von dem Facebook-Investor und PayPal-Erfinder Peter Thiel mithilfe von In-Q-Tel gegründet, dem Risikoinvestment-Arm des US-Geheimdienstes CIA. …
Palantir steht im Verdacht, Kontakte zur Firma Cambridge Analytica unterhalten zu haben, die mit illegal erlangten Facebook-Daten die US-Präsidentschaftswahl manipuliert haben soll.
Der „Spiegel“ vom 6. April beschreibt dies sehr plastisch – ich zitiere –:
Der Kauf der Palantir-Software in Hessen ist auch deshalb heikel, weil die Firma in den USA wegen missbräuchlicher Nutzung von Kundendaten aufgefallen war.
Meine Damen und Herren, das hat uns zu weiteren Fragen geführt.
Übrigens wissen wir aus einer Anfrage der GRÜNEN im Deutschen Bundestag vom Juni dieses Jahres, dass sich das Bundesverteidigungsministerium gegen Palantir entschieden hat.
Trotz all dieser Bedenken ist Hessen einen Sonderweg gegangen und hat diese Analyseplattform namens „Gotham“ angeschafft. Diese Anschaffung wirft nun eine Menge Fragen auf. In dieser Analyseplattform werden Daten aus angeschlossenen polizeilichen Datenbanken in Hessen so aufgearbeitet, dass sie miteinander vergleichbar sind. Darüber hinaus können im Einzelfall diese Daten mit externen Daten z. B. aus sozialen Netzwerken verglichen werden. Es ermöglicht also einen sehr weitreichenden Eingriff in große persönliche Datenmengen.
Deshalb ist es eine sehr spannende Frage, die leider weder im Innenausschuss noch durch die erfolgte Akteneinsicht geklärt werden konnte, wie eigentlich der Schutz der Daten sichergestellt wird. Wie wird technisch sichergestellt, dass keine Daten der hessischen Sicherheitsbehörden an unbefugte Stellen und insbesondere die USA ausgeleitet werden? – Bislang wissen wir nur von einer vertraglichen NoSpy-Klausel. Das hat aber keine technischen Auswirkungen.
Offenbar gab es eine erste, sogar freihändige Vergabe bereits im Jahr 2017, in der gar nicht ausgeschrieben wurde, und eine zweite, die nur im Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntgabe erfolgte, die auch Gegenstand im Innenausschuss war. Infrage steht auch, wie ernsthaft eine Marktanalyse stattgefunden hat oder ob schon von Anfang an entschieden war, nur Palantir zu wählen. Das ist für uns nach der Akteneinsicht und nach unseren Fragen überhaupt nicht zu beantworten, da die Akten nur unvollständig vorlagen und zum Teil geschwärzt waren.
Das Vergaberecht dient aber der größtmöglichen Transparenz und einem fairen Wettbewerb in Europa. Wir haben erhebliche Zweifel, ob beide infrage stehenden Verfahren vergaberechtlich ordnungsgemäß durchgeführt worden sind.
Sie begründen das alles nur mit Sicherheitsrisiken. Ich halte das für in Gänze nicht ausreichend. Das gilt vielleicht für Teile des Vertrages, aber nicht insgesamt.
Ich will noch einmal deutlich machen: Wir lehnen eine solche Technologie zur Terrorismusbekämpfung nicht grundsätzlich ab. Wenn so etwas eingesetzt wird, sollte das nur durch einen zuverlässigen Anbieter, unter Berücksichtigung besonderer Datenschutzmaßnahmen und nach einer sorgsam erfolgten Grundrechtsabwägung geschehen.
Immer mehr drängende Fragen sind aufgetaucht: Warum musste es ausgerechnet dieses umstrittene Unternehmen sein? Wer hat eigentlich entschieden, dass es Palantir werden soll? War der Innenminister in diese Entscheidung involviert? Weshalb wurden beide Verfahren nicht öffentlich ausgeschrieben? Warum wurde mitten im laufenden Ver
gabeverfahren die Zuständigkeit gewechselt vom Landeskriminalamt zum Polizeipräsidium Frankfurt?
Ich komme zum Ende, Frau Präsidentin. – Das sind alles Fragen, die uns nicht beantwortet worden sind, weder durch die Akteneinsicht noch durch Dringliche Berichtsanträge. Deshalb kann dies alles nur in einem Untersuchungsausschuss geklärt werden, weil ein Untersuchungsausschuss Zeugen vernehmen kann. Ich hoffe, dass im Untersuchungsausschuss die Akten vollständig vorgelegt werden. Deshalb bitte ich um Unterstützung unseres Antrags.
Frau Präsidentin, wenn ich darf, möchte ich noch eine kleine Änderung zu unserem Antrag vorbringen. Ich danke Herrn Wilken für die Anregung. Unter Frage 12 möchten wir ergänzen: „wenn ja, ob und wann Sicherheitsüberprüfungen aller Mitarbeiter durchgeführt wurden“. Ich gebe Ihnen das gerne auch zu Protokoll. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Innenminister, ich finde es nicht in Ordnung, dass Sie in Ihrem ersten Satz gesagt haben, dass Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ordnungsgemäß gearbeitet hätten, weil Sie auf diese Weise so tun, als ob Sie mit dem ganzen Verfahren nichts zu tun hätten. Sie müssen in diesem Hause endlich einmal Verantwortung für Ihre Arbeit übernehmen.
Herr Innenminister, vielleicht sollte es Ihnen zu denken geben, dass der Kollege Greilich und ich uns nur eine Stunde lang die zehn Aktenordner angeschaut haben. Vielleicht haben wir ja mehr gefunden, als Sie denken, können darüber aber nicht öffentlich berichten und fordern gerade deshalb die Einberufung eines Untersuchungsausschusses. Es wäre schön gewesen, wenn Sie diese Möglichkeit in Erwägung gezogen hätten. Sie haben eben nicht alle Fragen beantwortet. Aus welchem Grund hätten wir sonst Akteneinsicht beantragen müssen?
Eine Frage haben Sie immer noch nicht beantwortet, die steht nach wie vor im Raum: Warum geht Hessen einen Sonderweg? – Kein anderes Bundesland hat ein PalantirProdukt für eine Analyseplattform in Erwägung gezogen. Der Bund hat das ebenfalls nicht getan. Darauf habe ich hingewiesen. Die GRÜNEN haben im Deutschen Bundestag in ähnlicher Weise nachgefragt, wie wir es hier getan haben. Die GRÜNEN haben gefragt, ob das Bundesverteidigungsministerium Kontakte zu Palantir hatte. Das Ministerium hatte in der Tat Kontakt. Die Bundesregierung hat sich nach Durchführung einer Marktanalyse aber dagegen entschieden, etwas mit Palantir gemeinsam zu tun.
Herr Innenminister, auf einer Innenministerkonferenz im letzten Jahr wurde entschieden, dass man keine Sonderwege mehr geht, sondern sich bemüht, die polizeilichen Informationssysteme einheitlich zu gestalten. Deswegen verstehen wir diesen Sonderweg gerade an der Stelle nicht.
Zum Schluss will ich noch einmal sagen: Gerade Sie, Herr Innenminister, müssen sich fragen lassen, warum es ausgerechnet Palantir werden musste. Warum haben Sie ein solches Unternehmen genommen, obwohl Niedersachsen eine ähnliche Software unter dem Namen KNIME selbst entwickelt hat? Was hatten Sie für ein Interesse daran, dieses Unternehmen auszuwählen?
Danke schön, Herr Präsident. – Ich frage die Landesregierung:
Entspricht es den Tatsachen, dass rund 25 Schülerinnen und Schülern aus Schwalbach am Taunus beim Übergang auf die weiterführende Schule zum kommenden Schuljahr weder ihr Erst-, Zweit- noch Drittwunsch bei der Schulwahl zugestanden wurde?
Ich frage den Kultusminister: Wie konnte es dann dazu kommen, dass diese 25 Eltern erst einmal eine Ablehnung ihres Erst-, Zweit- und Drittwunsches erhalten haben? Was hat sich in der Zwischenzeit verändert?
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Bauer, ich bin überrascht, wie vermeintlich sachlich Sie vorgetragen und zu Ihrem Änderungsantrag mit zwei Sätzen gesagt haben, warum Sie von einem Gesetz ins nächste gewechselt haben. Ich werde das gleich noch näher ausführen. Dieses Gesetzgebungsverfahren ist einmalig. Ich habe das in 15 Jahren noch nicht erlebt.
Nicht nur, dass die ganze Geschichte bereits 2014 anfing, als dieser Innenminister uns einen gemeinsamen Gesetzentwurf von CDU und GRÜNEN zum Verfassungsschutz in der Öffentlichkeit vorstellte, der bis heute nicht das Licht des Landtags erblickt hat.
Herr Kollege Hahn, es stimmt, das ist nicht schlimm. – Dann ist jahrelang nichts passiert. Im Oktober 2017 kam plötzlich ein Entwurf, den wir im November beraten haben. Man muss sagen, danach wurde es ganz spannend. Wir haben an diesem Gesetzentwurf, den Sie uns im November vorgelegt haben, sehr umfangreiche Kritik vorgetragen. Wie ich sehe, sind Sie der Kritik heute doch noch gefolgt. Auch das werde ich gleich noch einmal sagen.
Es gab im Februar dieses Jahres eine Anhörung, die sehr vernichtend war. Hauptkritik waren die weitgehenden Befugnisse, die der Verfassungsschutz durch die Onlinedurchsuchungen und Quellen-TKÜ erhalten sollte.
Herr Innenminister, ich erinnere an die letzte Debatte, die wir dazu im Plenum hatten. Ich wurde von Ihnen von diesem Pult aus beschimpft, dass man die Onlinedurchsuchungen nicht einfach streichen könnte, so wie wir es in unserem Änderungsantrag formuliert haben. – Doch, kann man, und das tun Sie heute. Ich hoffe, dass Sie das heute klarstellen, dass man selbstverständlich die Onlinedurchsuchungen zurückzunehmen kann.
Aber die Geschichte ist sehr spannend; sie geht nämlich weiter. Sie hat auch etwas mit einer Landesdelegiertenkonferenz der GRÜNEN zu tun,
die eine gewisse Dynamik in die Gesetzgebung gebracht hat. Die Landesmitgliederversammlung hat beschlossen, dass es eine Onlinedurchsuchung beim Verfassungsschutz nicht geben soll. Da gab es offenbar den ersten großen Konflikt zwischen CDU und GRÜNEN. Es passierte dann monatelang wieder nichts.
Dann gab es am 25.05., freitagnachmittags, nachdem wir hier eine Woche lang im Plenum zusammengesessen hatten, wieder einen Presseauftritt von CDU und GRÜNEN, wo verkündet wurde, dass man jetzt plötzlich auf die Onlinedurchsuchung verzichten wolle – zufälligerweise eine Woche vor der nächsten Landesmitgliederversammlung der GRÜNEN. Da hatten sich offensichtlich die GRÜNEN durchgesetzt.
Herr Innenminister, Sie können nachher sagen, warum Sie jetzt von Ihrer Meinung abrücken und den GRÜNEN an dieser Stelle folgen, was ich in der Sache richtig finde. Aber interessant ist es schon. Aber was gab es wieder nicht? – Keinen Änderungsantrag; es gab nur diese Presseverlautbarung.
Dann – das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen –, eineinhalb Wochen nach diesem Pressestatement von CDU und GRÜNEN, gab es am 05.06. einen Änderungsantrag von Schwarz-Grün mit 45 Seiten,
der am 07.06., zwei Tage später – eigentlich nur einen Tag später, weil es abends geschickt wurde –, abends im Innenausschuss ernsthaft beraten werden sollte. Meine Damen und Herren, das ist wirklich der Gipfel eines vermurksten Verfahrens, wie ich es in Hessen noch nie erlebt habe.
Aber jetzt kommt es. Was regeln Sie in Ihrem Änderungsantrag? – Sie regeln mit Ihrem Änderungsantrag zum Hessischen Verfassungsschutzgesetz maßgebliche Änderungen im hessischen Gesetz über die Sicherheit und Ordnung.
Meine Damen und Herren, alleine das hätte einer erneuten Anhörung bedurft.
Sie dürfen das nicht alles miteinander vermengen. Deswegen haben die FDP und wir gemeinsam eine erneute schriftliche und mündliche Anhörung dieser Änderungen beantragt, weil die von diesem Gesetz Betroffenen das Recht haben, vor diesem Parlament Gehör zu finden. Ich will Ihnen sagen: Das ist der Tiefpunkt des Parlamentarismus in Hessen, dass Sie dieses Gehör nicht einräumen.
Die Begründung im Ausschuss, warum Sie nicht erneut anhören wollen, ist echt putzig. Der Kollege Frömmrich von den GRÜNEN wird sie gleich noch einmal vortragen.
Ich kann auf das zurückkommen, was er gesagt hat: Er hat gesagt, er wisse gar nicht, was ich wolle. In RheinlandPfalz gebe es im Polizeigesetz auch eine Regelung zur Onlinedurchsuchung. – Ja, Herr Frömmrich, und das mag in der Sache auch berechtigt sein.
Aber man muss doch den Leuten, die das umsetzen müssen, die Gelegenheit geben, dazu gehört zu werden. Herr Frömmrich, wo sind wir denn hier? Seit wann hebeln Sie den Parlamentarismus aus?
Wir reden hier über nichts Geringeres als starke Grundrechtseingriffe im hessischen Polizeigesetz, und Sie verzichten mal eben so auf die Anhörung. Meine Damen und Herren, das muss man sich wirklich auf der Zunge zergehen lassen. Ich glaube, dass selbst die, die solche Regelungen befürworten – dazu gehören wir durchaus auch – –
Aber was ändert es daran, Herr Kollege Wagner? Das rechtfertigt also demnächst, dass wir hier darauf verzichten, die Betroffenen, die Dinge umzusetzen haben, zu hören? Oder was ist das neue parlamentarische Verfahren, Herr Wagner?
Herr Wagner, jetzt komme ich zu etwas, wo Sie leider durch müssen. Soll ich Ihnen wirklich noch einmal historisch erläutern, warum man Regelungen im Verfassungsschutzgesetz nicht einfach so mit Regelungen im Polizeigesetz vermauscheln sollte? Soll ich Ihnen das wirklich noch einmal sagen? – Auf der Grundlage des Bundesverfassungsschutzgesetzes aus dem Jahr 1950 wurde auf Bundesebene mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz ein zentraler Inlandsnachrichtendienst geschaffen, der gerade keine exekutiven polizeilichen Befugnisse hatte. Desgleichen wurden die Landesämter für Verfassungsschutz eingerichtet, die ebenfalls keine polizeilichen Befugnisse innehatten, was mit unserer furchtbaren Historie der Nazizeit zu tun hat. Damit waren erstmals in der deutschen Geschichte die Verfassungsschutzbehörden vollständig von den Polizeibehörden getrennt. Dieser Trennungsgrundsatz ist ganz entscheidend.
Der Verfassungsschutz arbeitet im Wesentlichen vor Entstehen einer Straftat, im Vorfeld einer konkreten Gefahr. Das ist bei der Polizei anders. Genau deshalb wäre hier eine Anhörung zwingend erforderlich gewesen.
Ich will einen weiteren Punkt aufgreifen, den Sie mit Ihren Änderungen in § 71a HSOG plötzlich neu einführen. Jetzt werden sich die Zuhörer wundern. Es geht um einen völlig neuen Sachverhalt. Es geht darum, dass Sie plötzlich die Möglichkeit für Sachkundeprüfungen bei der Hundeführung und eine elektronisch lesbare Kennzeichnung und Registrierung von Hunden einführen.
Meine Damen und Herren, was fällt Ihnen noch ein für die Novellierung des Verfassungsschutzgesetzes in diesem Bundesland?
Ich stelle die Frage, die in einem Parlament sicher angemessen ist: Vielleicht wären dort die Kommunen zu hören gewesen. Ich halte diesen Sachverhalt für konnexitätsrelevant. Wer soll denn die Überprüfung der Sachkunde bei Hundeführern durchführen?
Wer soll das überprüfen, Herr Kollege Bauer? Auch das mauscheln Sie in diese Gesetzesänderung hinein. Was ist das für ein parlamentarisches Verfahren?
Meine Damen und Herren, zum Ende will ich Ihnen noch einmal sagen: Im Verfassungsschutzgesetz ist immer noch die elektronische Wohnraumüberwachung enthalten, zu der Sie bis heute nicht beantwortet haben, warum Sie das als Instrumentarium einführen wollen. Vielleicht kann der Innenminister etwas dazu sagen, welche Fälle das betrifft.
Nach wie vor gibt es keine echte Verstärkung der parlamentarischen Kontrolle, wie wir sie gefordert haben. Wir haben einen umfangreichen Änderungsvorschlag zum Verfassungsschutzgesetz, zu den Rechten der Parlamentarischen Kontrollkommission, vorgelegt, ebenso wie die FDP. Wir fordern Sie auf, unserem Änderungsantrag zu folgen und echte Verstärkung von parlamentarischer Kontrolle beim Verfassungsschutz vorzunehmen.