Guten Morgen, Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 95. Plenarsitzung und stelle die Beschlussfähigkeit fest.
Gestern Abend tagte der Rechtspolitische Ausschuss und hat zu dem Gesetzentwurf, Drucks. 19/4406, eine Beschlussempfehlung abgegeben mit der Drucks. 19/4444. Die zweite Lesung steht somit auf dem Nachtrag unter Tagesordnungspunkt 50 und wird am Donnerstag aufgerufen.
Noch eingegangen und an Ihren Plätzen verteilt ist ein Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Stärkungspaket für die hessische Polizei, Drucks. 19/4443. Wird die Dringlichkeit bejaht? – Ich sehe keinen Widerspruch. Dann wird er Tagesordnungspunkt 52 und kann, wenn dem nicht widersprochen wird, mit Tagesordnungspunkt 24 zu diesem Thema aufgerufen werden.
Wir tagen heute vereinbarungsgemäß bis 18 Uhr bei einer Mittagspause von zwei Stunden. Wir beginnen mit Tagesordnungspunkt 24. Hiermit wird der soeben aufgenommene Tagesordnungspunkt 52 aufgerufen. Dann folgt Tagesordnungspunkt 23. Nach der Mittagspause beginnen wir mit Tagesordnungspunkt 3.
Antrag der Fraktion der SPD betreffend öffentliche Sicherheit durch motivierte und personell gut ausgestattete Polizei gewährleisten – Ministerpräsident Bouffiers Versäumnisse rächen sich – Drucks. 19/4407 –
Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Stärkungspaket für die hessische Polizei – Drucks. 19/4443 –
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Die öffentliche Sicherheit ist ein sehr hohes Gut. Die Bürgerinnen und Bürger sind seit den schlimmen terroristischen Angriffen, insbesondere seit dem Angriff in Berlin am 19. Dezember, stark verunsichert. Ich will trotzdem sagen – ich glaube, das eint uns alle –, dass wir festhalten müssen, dass es eine absolute Sicherheit nicht geben kann.
Jedermann weiß, dass es eine absolute Sicherheit nicht gibt. … Aber die Terroristen sollen sich nicht täuschen. Der Terrorismus hat auf Dauer keine
Chance; denn gegen den Terrorismus steht nicht nur der Wille der staatlichen Organe, sondern der Wille des ganzen Volkes.
Ich warne ausdrücklich davor, das schreckliche Attentat in Berlin und die anderen Attentate für die politische Debatte zu missbrauchen; denn wir haben als Deutsche eine besondere Verantwortung, was Toleranz und Weltoffenheit betrifft.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der LINKEN und der FDP)
Wir Politiker haben auch eine Pflicht zur Besonnenheit und Nachhaltigkeit. Die Bürgerinnen und Bürger haben aber auch das Recht – meine Damen und Herren, das sage ich genauso deutlich –, unabhängig von ihrer persönlichen Situation und ihren finanziellen Verhältnissen vor Kriminalität geschützt zu werden. Das ist auch eine Frage der Gerechtigkeit. Ein starker, entschlossener und vor allen Dingen handlungsfähiger Rechtsstaat ist für alle unabdingbar. Dazu gehört vor allem ausreichend Personal bei Polizei und Justiz.
Unser Dank gilt an dieser Stelle den Polizeibeamtinnen und -beamten des Landes Hessen; denn sie leisten unter extrem schwierigen Rahmenbedingungen sehr gute Arbeit. Deshalb gebührt ihnen unsere Wertschätzung, meine Damen und Herren.
Leider haben wir bei der Polizei aber eine sehr schlechte Stimmung zu verzeichnen. Das liegt an der Politik der Landesregierung und insbesondere an den Versäumnissen des damaligen Innenministers Volker Bouffier.
Da können Sie schön reinrufen. – Das sind nicht unsere Ansichten. Ich möchte zitieren, was in den letzten Tagen in der Öffentlichkeit thematisiert wurde.
Nachwuchs gesucht – Offenbar finden sich nicht mehr genügend qualifizierte Bewerber für Hessens Polizei, weil das Gehalt im Vergleich zu anderen Ländern unter dem Durchschnitt liegt. Die Politik muss darauf reagieren.
Polizeifrust in Mittelhessen – „Die Stimmung war noch nie so mies.“ Im Einsatz bespuckt und verletzt, massenweise Überstunden und der landesweit höchste Krankenstand:...
Der GdP-Vorsitzende Andreas Grün führt in seinem Interview mit der dpa am 26.12.2016 aus, immer mehr Polizisten fühlten sich von der schwarz-grünen Landesregierung im Stich gelassen und politisch nicht mehr vertreten. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sei so gut wie nicht mehr gegeben. Man müsse ständig in anderen Dienstgruppen aushelfen. Hinzu kämen die Sonderdienste und das Besoldungsdiktat. Das führe bei den Kollegen zu einer riesengroßen Enttäuschung, zu Verärgerung und Wut. Das sind nicht unsere Worte, sondern die Worte des Vorsitzenden der GdP.
Die Deutsche Polizeigewerkschaft in Hessen, die nicht im Verdacht steht, uns nahezustehen, hat dies ähnlich kommentiert. Sie hat gesagt:
Schon vor Jahren hat die DPolG auf den Personalnotstand bei der Polizei hingewiesen, aber anstatt zu handeln, hat die CDU/GRÜNE Landesregierung erst das Kind in den Brunnen fallen lassen.
Das sind ebenfalls nicht unsere Worte, sondern die Worte der Deutschen Polizeigewerkschaft, die nicht im Verdacht steht, uns nahezustehen.
Stellenabbau. Die Hessische Landesregierung hat in den Jahren 2004, 2005 und 2006 unter der Verantwortung von Innenminister Volker Bouffier viel zu wenige Polizeianwärter ausgebildet. So ist das nun einmal, wenn 450 Beamte im Jahr in Ruhestand gehen und man nur 200 neu einstellt. Dann fehlen am Ende 250 Polizeibeamtinnen und -beamte. Das ist eine ganz einfache Rechnung.
So kommt es leider zustande, dass insgesamt 720 Vollzugsstellen weggefallen sind und 600 Stellen im Tarifbereich abgebaut wurden.
(Holger Bellino (CDU): Wir sind doch in Hessen, nicht in Nordrhein-Westfalen! – Heiterkeit bei der CDU)