Protokoll der Sitzung vom 24.11.2017

Zum einen muss die Hauptschule oder die schulische Ausbildung so verbessert werden, dass die Ausbildungsfähigkeit dieser Absolventen deutlich besser wird. Dazu ist im HKM eine Fülle von Maßnahmen eingeleitet worden, die in der Antwort auf die Große Anfrage weitreichend beschrieben sind, damit Schülerinnen und Schüler tatsächlich über Sprachförderung, über Nachhilfen und vieles andere mehr einen Hauptschulabschluss machen, der sie befähigt, überhaupt eine Ausbildung zu beginnen. Wir können das auch gern im Rahmen der Schulpolitik diskutieren.

Was passiert dann, wenn diese Jugendlichen immer noch nicht die Möglichkeit haben, selbstständig einen Ausbildungsplatz zu finden? Da ist es ordnungspolitisch zunächst einmal so, dass die Bundesagentur für Arbeit eine Fülle von Maßnahmen vorschlägt, wenn die Jugendlichen der Schulpflicht entglitten sind. Da gibt es die Berufseinstiegsbegleitung, berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen, die Einstiegsqualifizierung, ausbildungsbegleitende Hilfen, assistierte Ausbildung, Maßnahmen der begleiteten betrieblichen Ausbildung, die Reha-Ausbildung usw. usf. Dort wird sich also schon vonseiten der Bundesagentur für Arbeit dieser Jugendlichen angenommen.

Wenn wir dann immer noch ein Problem haben, greift das Land Hessen ein. Das finde ich auch richtig so. Das tun wir seit einigen Jahren. Frau Gnadl, wenn Sie sagen, dass das Land – – Ich glaube, Sie haben sogar das Vokabular „versagen“ verwendet.

(Zuruf der Abg. Lisa Gnadl (SPD))

Da frage ich mich dann tatsächlich: Haben Sie die Antwort auf die Große Anfrage nicht zur Kenntnis genommen?

Lassen Sie mich nur zwei Zahlen nennen. Man müsste eigentlich vor Peinlichkeit erröten, wenn man angesichts dieser Zahlen von Versagen spricht. Erste Zahl. Im Jahr 2014 verwaltetes Ausbildungsbudget im Hessischen Sozialministerium: 10,5 Millionen € – zu Beginn dieser Legislaturperiode.

(Zuruf der Abg. Lisa Gnadl (SPD))

2016 waren 25 Millionen € vorgesehen. Das Ausbildungsbudget, das das Land in die Hand nimmt, hat sich also mehr als verdoppelt. Obwohl es eigentlich eine duale Ausbildung gibt, obwohl es eigentlich eine Bundesagentur für Arbeit gibt, sieht das Land Handlungsbedarf und verdoppelt diese Ausgaben allein im Bereich des Sozialministeriums. Ich finde, das ist eines Lobes würdig.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Zuruf der Abg. Lisa Gnadl (SPD))

Schauen wir uns nun das zweite Faktum an. Reden wir jetzt einmal nur über Fakten. Das tut gut. Das hessische Wirtschaftsministerium hat im Jahr 2014, also zu der Zeit, als diese Koalition Verantwortung übernommen hat, allein aus Landesmitteln – über Bundesmittel reden wir an dieser Stelle nicht – 15 Millionen € bereitgestellt. Im Jahr 2016 sind 30 Millionen € zur Verfügung gestellt worden. Um es vereinfacht auszudrücken: Auch in diesem Bereich haben wir die Mittel verdoppelt. Das hessische Wirtschaftsministerium hat die bereitgestellten Landesmittel verdoppelt. Ich finde, das ist eine gute Nachricht, meine sehr geehrten Damen und Herren. Von einem Versagen kann also nicht gesprochen werden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Frau Gnadl, in einem Punkt haben Sie dennoch recht. Wir kennen 42.000 Bewerber, von denen 1.800 unversorgt geblieben sind. Wir können gern in eine fachliche Diskussion darüber einsteigen, wie wir die bestehenden Programme zielgenauer neu ausrichten, damit uns diese 1.800 Unversorgten nicht durch die Lappen bzw. dauerhaft verloren gehen. Das ist eine fachlich berechtigte Diskussion.

Bitte ergänzen Sie aber eine zweite Zahl. Wenn Sie 1.800 Unversorgte ansprechen, dann müssen Sie aber auch feststellen, dass 2.700 Ausbildungsstellen unbesetzt sind. Das muss man auch zur Kenntnis nehmen. Da gibt es ein MissMatch, das wir schon seit Jahren beklagen. Wir haben offene Stellen, und diese sind offensichtlich hoch qualifiziert, aber sie finden keine Bewerber. Andererseits haben wir 1.800 unversorgte Bewerber.

Das ist die permanente Herausforderung, die sich Jahr für Jahr der Landespolitik stellt. Mit den nachgeordneten Landesprogrammen muss nachgesteuert werden.

(Präsident Norbert Kartmann übernimmt den Vor- sitz.)

Ich finde es ziemlich billig, wenn Sie einen Punkt herauspicken. Ich bin mir sicher, die Landesregierung wird das noch viel präziser beantworten können, was bei „Pro Abschluss“ oder bei anderen Vereinbarungen war. Wenn Sie aber eines herauspicken und sagen, dies spreche für ein Versagen, dann ist das eine sehr schräge Argumentation. Wir wissen vorher nie, wie erfolgreich eine Maßnahme sein wird.

(Zuruf der Abg. Lisa Gnadl (SPD))

Man nähert sich einer Gruppe Jugendlicher, die nachweislich einen schlechten Schulabschluss oder gar keinen Schulabschluss haben. Man versucht, mit sozialpädagogischen Maßnahmen und überbetrieblichen Einrichtungen etwas zu erreichen. Ich habe selbst im Berufsbildungswerk eines freien Trägers gearbeitet. Das ist eine wirklich harte Klientel. Da ist es nicht so, dass man sich einfach vorne hinstellt und einfach beschult, und am Ende kommt ein guter Schüler heraus. Das bleibt eine harte Klientel, die intensiv beschult und betreut werden muss. Dennoch hat man hier den Versuch unternommen.

Ich finde, dass die Ausbildungsinitiative der Landesregierung überaus erfolgreich ist. Wie klein ist die Gruppe denn noch? Ich halte das für ein sehr erfolgreiches Ergebnis.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Sie werden von der Landesregierung nicht hören, dass es ein befriedigender Zustand ist, wenn 1.800 Jugendliche unversorgt sind. Das ist vielmehr der Handlungsauftrag. Ich habe es schon einmal gesagt. Auf über 21 Seiten wird in dieser Antwort aufgeführt, was die Landesregierung alles unternimmt, damit diese Zielgruppe erreicht wird. Es ist aber so, dass wir bei einem Jugendlichen, der die Ausbildungsfähigkeit erreicht hat, nicht immer alles retten können. Es wird Jugendliche geben, die für einen längeren Zeitraum arbeitslos bleiben werden. Aber auch um diese Jugendlichen werden wir uns kümmern. Wir brauchen auch Langzeitarbeitslosenprogramme für diese Jugendlichen. Wir brauchen eine besondere Anstrengung, dass diese Jugendlichen eine nachholende Qualifizierung bekommen.

Ich will es einmal so sagen: Da reißen sich mehrere Akteure in diesem Land Beine aus, damit wir diese Zielgruppe erreichen. Am Ende muss aber auch der Jugendliche mitmachen. Das ist aber nicht immer so einfach im Leben. Das Leben ist komplexer als Statistiken.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Im Gegensatz zu Ihrer Behauptung kann ich keine Frage entdecken, die nicht beantwortet worden ist. Vielleicht können Sie noch einmal erklären, welche Frage nicht beantwortet worden ist. Es mag sein, dass Ihnen die Antworten vielleicht nicht gefallen.

Ich kann nur noch einmal sagen: In der gesamten Bildungskette, angefangen bei den Haupt- und Berufsschulen, die den Übergang von der Schule in den Beruf betreuen, bis hin zu den Ausbildungsmaßnahmen des Sozialministeriums und des Wirtschaftsministeriums, hat das Land die Anstrengungen verdoppelt. Das Land hat Bündnisse geschlossen und geht jeden kreativen und unkonventionellen Weg, um diese Zielgruppe zu erreichen. Wir haben hier einen Dauerauftrag, jeden einzelnen Jugendlichen tatsächlich in Ausbildung zu bringen. Wir haben uns aber keinen Vorwurf des Versäumnisses anzuhören. Ich finde, das ist eine absolut befriedigende Arbeit. Diese werden wir fortsetzen und unsere Anstrengungen weiterhin verstärken. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Das Wort hat Frau Kollegin Wissler für die Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich will nur auf einige wenige Punkte eingehen, weil ich mich an vielen Stellen den Ausführungen der Kollegin Gnadl anschließen kann.

Herr Lenders hat vorhin auf die bereits seit Langem diskutierte gesellschaftliche Verpflichtung der Unternehmen zur Ausbildung hingewiesen. Wir haben in diesem Zusammenhang keine Ausbildungsplatzabgabe, sondern eine Ausbildungsplatzumlage vorgeschlagen, und zwar völlig konjunkturunabhängig und völlig unabhängig von der Lage auf dem Ausbildungsmarkt. Das halte ich für gerecht. Das Problem ist doch – und daran hat sich nichts geändert, Herr Lenders –, dass die Hauptlast der Ausbildung von den kleinen und mittleren Unternehmen getragen wird. Wenn man sich aber die Ausbildungsquote der DAX-Konzerne anschaut, dann erkennt man, dass sich die großen Konzerne zum Teil aus der Verantwortung stehlen.

Wir sind der Meinung, dass die Unternehmen eine gesellschaftliche Verantwortung zur Berufsausbildung haben, der sie in unterschiedlichem Maße nachkommen. Die einen kommen dieser Verantwortung nach. Das sind eher die kleinen Unternehmen. Die anderen stehlen sich aus der Verantwortung.

Deshalb sind wir der Meinung, dass es gerecht ist, wenn die Unternehmen, die nicht ausbilden, eine Umlage zahlen, um die Betriebe zu unterstützen, die dieser Verpflichtung

nachkommen. Das halte ich für ein vernünftiges Konzept. Deswegen hält DIE LINKE an der Forderung nach einer Ausbildungsplatzumlage fest, und zwar unabhängig von der tatsächlichen Situation auf dem Ausbildungsmarkt.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich möchte noch ein bisschen Wasser in den Wein gießen, was die tatsächliche Lage auf dem Ausbildungsmarkt angeht. Ich finde, man sollte hier nicht so tun, als würde jeder Jugendliche, der einen Ausbildungsplatz sucht, auch einen Ausbildungsplatz finden. Es ist richtig, dass es in einigen Bereichen unbesetzte Ausbildungsplätze gibt. Das stimmt. Das ist aber auch abhängig von der jeweiligen Branche. In der Gastronomie beispielsweise gibt es unbesetzte Ausbildungsplätze. Ich finde, man muss auch einmal darüber diskutieren, woran das liegen könnte, ob das vielleicht an Arbeitsbedingungen oder späteren Gehaltsentwicklungen liegt. In anderen Berufen ist das nämlich nicht der Fall. Daher muss man schon einmal genau hinschauen.

Es gibt natürlich auch einen großen regionalen Unterschied. Im ländlichen Raum ist die Situation natürlich anders als in Frankfurt. Deshalb möchte ich davor warnen, dass jetzt so getan wird, als hätten wir das Problem gelöst, nur weil sich das rechnerisch irgendwie angleicht. Schließlich ist nicht jeder Bewerber für jeden Ausbildungsplatz geeignet und umgekehrt.

Ich erinnere an eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts – ich glaube, aus dem Jahr 1980 –, wonach das grundgesetzlich geschützte Recht auf freie Berufswahl nur dann erfüllt ist, wenn es ein Ausbildungsplatzüberangebot gibt – ich glaube, die Zahl lag bei 112 % –, damit junge Menschen überhaupt eine Chance haben, sich einen Ausbildungsplatz auszusuchen, damit sie nicht letztlich einen Beruf ergreifen, den sie vielleicht gar nicht ergreifen möchten. Daher möchte ich nur ein bisschen Wasser in den Wein gießen, was die Situation auf dem Ausbildungsmarkt angeht.

(Zuruf der Abg. Judith Lannert (CDU))

Frau Lannert, Sie wissen, dass das sehr differenziert ist. Es gibt regionale und branchenspezifische Unterschiede.

(Judith Lannert (CDU): Sie wissen alles am besten!)

Ich finde, entscheidend ist ja – –

(Zuruf der Abg. Judith Lannert (CDU))

Sie können gerne sprechen. Ich werde meine Redezeit nicht ausschöpfen, Frau Lannert. Wenn Sie also noch etwas Zeit brauchen, können Sie hier vorne gerne noch etwas sagen.

(Judith Lannert (CDU): Sie haben keine praktische Erfahrung!)

Wir müssen überlegen, welche Rahmenbedingungen seitens der Politik für diese Ausbildung gesetzt werden müssen. Dabei ist natürlich der Übergang von der Schule zum Beruf zu betrachten. Man muss sich hier jede Maßnahme genau anschauen und entscheiden, welche sinnvoll ist und welche nicht. Man muss sich anschauen, ob die jungen Menschen in den sogenannten Warteschleifen nicht eher Zeit verlieren, als dass sie wirklich auf eine Ausbildung vorbereitet werden, ob das wirklich sinnvolle Maßnahmen sind.

Ich will noch einmal deutlich machen, dass wir auch über die Qualität der Ausbildung reden müssen. Hierzu werden

regelmäßig Studien erstellt, und es gibt ebenso regelmäßig Beschwerden seitens der Gewerkschaften, dass wir an vielen Stellen ein Problem mit der Qualität der Ausbildung haben, dass Auszubildende nicht qualifiziert werden, sondern große Anteile der Ausbildung darin bestehen, regulär zu arbeiten, sodass die Auszubildenden zu wenig lernen.

Wir müssen auch darüber reden, was Auszubildende an Vergütung bekommen. Wir brauchen nämlich eine Form der Mindestausbildungsvergütung. Wenn eine Auszubildende zur Friseurin im Land Sachsen-Anhalt im zweiten Lehrjahr 1,03 € pro Stunde verdient, dann ist das unangemessen. Daher brauchen wir auch für Auszubildende eine Mindestausbildungsvergütung, damit die jungen Menschen nicht für 1 oder 2 € die Stunde arbeiten.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir brauchen außerdem eine Ausbildungsumlage. Ich finde zudem wichtig – darauf hat Kollegin Gnadl bereits hingewiesen –, dass das Land selbst in ausreichender Zahl Ausbildungsplätze zur Verfügung stellt.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD)

Hierzu hat die Große Anfrage der SPD-Fraktion interessante Zahlen zutage gefördert. Wenn die Zahl der Ausbildungsplätze bei den Ministerien von 806 auf 531 sinkt – davon ist auch das Wirtschaftsministerium betroffen, das für die Berufsausbildung zuständig ist, Herr Staatssekretär Samson –, dann sage ich: Wenn man von den Unternehmen zu Recht verlangt, dass sie ihrer gesellschaftlichen Verantwortung nachkommen, Ausbildungsplätze zu schaffen, dann muss das Land Hessen mit gutem Beispiel vorangehen. Deshalb kritisieren wir sehr, dass das Land Ausbildungsplätze abgebaut hat. Um ein attraktives Ausbildungsplatzangebot zu haben, brauchen wir Ausbildungsplätze im öffentlichen Dienst des Landes Hessen, auch in den Ministerien. Wir kritisieren, dass hier Ausbildungsplätze abgebaut wurden. Wir sind der Meinung, das Land muss mit gutem Beispiel vorangehen und mehr Ausbildungsplätze schaffen.